Wird schon schiefgehen

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Sie lief durch die Gänge von Standort-DE20, sie hasste es, ja, Angelika hasste es abgrundtief, zu spät zu kommen.

Es war unprofessionell, vor allem, wenn es um ihr Training für den Außeneinsatz ging. Die Nachwuchsforscherin lief mit gesenktem Blick durch den Standort, um den Blicken ihrer Kollegen und vor allem ihrer Vorgesetzten zu entgehen. Sie kannte den Weg eh gut genug, als dass sie hätte hingucken müssen. Die meisten Korridore waren der 26 Jahre jungen Frau ja mittlerweile äußerst gut bekannt, ja, sie empfand diese manchmal sogar als langweilig. Alle gleich, nie was Neues zu entdecken und immer das Gleiche drin los.

Als sie an die Tür kam, welche in das Foyer des Hotels führte, versuchte sie schnell mit zittrigen Händen das elektronische Schloss zu öffnen, wobei sie zweimal scheiterte. Beide Male sank ihre Statur immer weiter in sich zusammen, und sie spürte brennende Blicke in ihrem Rücken. Sie machten sich wahrscheinlich grade über sie lustig, sahen, wie unfähig sie war.

Bevor sie sich noch mehr Sorgen machen konnte, ging die Tür mit einem kleinen metallischen Klicken auf, sie schob sich schnell durch die Türöffnung ins Foyer, und zog schnell hinter sich die Tür zu.
Auch die Männer und Frauen, die in diesem Raum ihrer Arbeit nachgingen, der wahrscheinlich eher eine Halle war, waren ihr, na ja, bekannt würde sie es nicht nennen, aber sie hatte sie zumindest schon mal gesehen … alle bis auf einen: Ein Mann, der im Foyer vom als Hotel getarnten Standort lehnte und zu warten schien, vielleicht ein, zwei Jahre jünger als sie.

Sie überlegte, ob er vielleicht ein Gast sein könnte, doch diesen Gedanken verwarf sie schnell, da im Hotel nur äußerst selten Nicht-Foundation-Personal übernachtete. Und bei ihm sah man eindeutig, dass er nicht zur Foundation gehörte. Er trug lockere Kleidung, vielleicht fürs Wandern gedacht, und eine Sonnenbrille, welche Angelika sehr an die Schutzbrillen aus dem Waffentraining der Foundation erinnerte.

Aber das konnte ihr jetzt egal sein, sie war da, und das nur fünf Minuten zu spät.


Er war nicht gelassen oder ruhig, wie man es von seinem Äußeren hätte vermuten können, nein, Michael war einfach nur genervt!

Da hatte er sich schon mal Urlaub genommen, um einfach mal wieder wandern zu gehen, was ironisch war, denn im Heer wanderte er mehr als genug, aber einen Marsch konnte man nicht mit einem schönen Wandertag vergleichen. Doch das wurde ihm jetzt kaputt gemacht, da sein Spieß es für nötig gehalten hatte, ihn zu irgendeiner komischen Firma zu schicken, um eine Übung zu planen. Und obendrauf musste Michael hier schon seit fast einer Stunde warten.

Und dann kommt auch noch diese Frau, die, das musste er einfach zugeben, in den schwarzen militärischen Klamotten und den nach hinten zusammengebundenen braunen Haaren nicht unbedingt schlecht aussah, und guckte ihn an, als ob sie ihn am liebsten hinausschmeißen würde. Michael versuchte vehement gelassen zu wirken, was er nicht unbedingt schaffte. Als er sich das erste Mal am Tag in der Halle umschaute, fiel ihm auf, dass er anscheinend der einzige Gast im Hotel war. Es waren zwar noch viele andere Personen im Foyer, und nur wenige von denen trugen Hoteluniformen, doch durch seinen geschulten Blick konnte er mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass alle im Foyer hier arbeiteten.

Wenn der Typ nicht in 10 Minuten da ist, gehe ich, dachte der Soldat, versuchte sich aber sofort zu beruhigen. Es war ja nicht mehr lange, das hoffte er zumindest.

Wie sich für ihn herausstellen sollte, sollte seine Hoffnung bestätigt werden. Kurz nachdem eine Gruppe an Personen das Gebäude verlassen hatte, kam ein vielleicht 40 Jahre alter Mann auf ihn zu. Die an den Schläfen schon angegrauten Haare verwirrten ihn allerdings etwas, für 40 war das zwar nicht wirklich verwunderlich, doch sah es nicht aus, als ob die Farbe natürlich gekommen ist, eher, als ob er die grauen Stellen selbst eingefärbt hatte.

„… gewartet?“, konnte Michael von seinem Gegenüber wahrnehmen.
Michael schreckte aus seinen Gedanken und musste den Drang unterdrücken, leicht aufzuschreien.

„Entschuldigung, ich war in meine Gedanken vertieft, was haben Sie gesagt?“, fragte der Soldat, nachdem er sich etwas gerader hingestellt hatte.

„Ja, natürlich. Guten Tag, Herr Golefski, ich hoffe Sie haben nicht zu lange gewartet?“, wiederholte der ältere Mann. Und wenn Michael nicht alles täuschte, konnte er einen leicht amüsierten Ton von seinem Gegenüber wahrnehmen.

„Eine Stunde, das ist ja schon irgendwie dreist, meinen Sie nicht?“, antwortete Michael ohne Leben in der Stimme, was den älteren Herren offensichtlich nur noch mehr amüsierte.

„Oh, einer der- na ja, egal, entschuldigen Sie, bitte folgen Sie mir.“ Mit diesen Worten drehte sich der Ältere um und ging auf die Tür zu, aus der er gekommen war. Wobei Michael sich ziemlich sicher war, dass das auch die Tür war, aus der die schöne junge Frau von eben her kam, ein VIP-Bereich vielleicht?

„Und mit wem habe ich die Ehre?“, fragte der junge Mann, als er ihm folgte.
Der ältere Mann, dessen Name Michael immer noch unbekannt war, hielt in der Bewegung inne und drehte seinen Kopf zu Michael. Im anderen Licht war Michael sich ganz sicher, die grauen Stellen waren auf jeden Fall gefärbt.

„Ah, ja, ich vergesse immer, dass Außenstehende mich nicht kennen. Ich bin Leutnant Fischer, momentaner Leiter von Mission-Kommand DE20.“ Der gestandene Mann öffnete mit einer Karte die anscheinend elektronisch verschlossene Tür und die beiden Herren gingen durch diese in einen Gang, der im Gegensatz zu dem Vorraum, deutlich weniger nach einem Luxushotel aussah.


Angelika hatte nur einen ganz kleinen Anschiss bekommen, gerechtfertigt, wie sie fand. Jetzt standen alle fünf Trainees neben dem Fahrzeug, welches die kleine Gruppe hergebracht hatte. Vor ihnen ragte ein Wald in den blauen Himmel herauf. Auch, wenn der Wald fast ausschließlich aus Nadelbäumen bestand, war es überraschend, wie dunkel er ihnen erschien. Von den flachen Berghängen kroch leichter Bodennebel herab.

Ihr Ausbilder, ein strenger alter Mann namens Leopold Schneider, der die ganze Zeit auf dem kiesigen Boden hin und her lief, was Angelika mittlerweile ein bisschen störte, begann zu sprechen: „Also wir sind hier in diesem Wald, weil Passanten immer wieder weiße Flecken an sowohl Bäumen als auch auf dem Boden entdeckt haben. Die Fachmänner konnten nicht feststellen, was genau es ist. Also wurden wir informiert. Das wird nichts wirklich Ernsthaftes sein. Dennoch besteht eine Gefahreneinstufung der Klasse C. Das bedeutet, Sie bekommen gleich alle eine Handfeuerwaffe des Typs P30, ist jemand mit dieser Waffe nicht vertraut?“

Angelika blickte etwas nach links, wo Kasper Gersau, ein recht durchschnittlicher Mann mit braunen Haaren und grauen Augen, mit dem sie ein oder zwei Mal was zu tun hatte, stand. Sie hätte erwartet, dass zumindest er sich melden würde, doch er blieb einfach ernst stehen, und als sie sich weiter umschaute, entdeckte sie, dass niemand es tat.

Schneider begann wieder zu sprechen „Gut. Ich möchte heute keine Alleingänge sehen. Haben Sie mich verstanden? … Lichtenfeldt.“

Als er ihren Namen erwähnte, schaute er sie eindringlich an und Angelika fuhr ein Schrecken den Rücken herab, mit solch einer Kälte hatte er ihren Namen ausgesprochen. Sie senkte ihren Blick, sie wusste nicht genau, ob sie es aus Scham oder aus Wut tat, aber sie tat es.

„Doktor …“, nuschelte Angelika leise, damit der Ausbilder sie nicht verstehen könnte, doch anscheinend nicht leise genug, denn Schneider hielt in der Bewegung inne, drehte sich so zackig zu ihr, dass der Kies unter seinen Füßen laut knackte, und harkte nach: „Was war das, Lichtenfeldt?“

Sie nahm all ihren Mut zusammen, hob ihren Blick, um ihm direkt in die Augen zu schauen, und sagte mit strammer Stimme: „Doktor, es heißt Doktor Lichtenfeldt, ich habe für diesen Titel hart gearbeitet, ich habe ihn mir verdient!“

Mit einem verächtlichem Blick wand sich der Ausbilder ab und ließ seine Assistenten die Waffen verteilen. Normalerweise hätte Angelika sich jetzt schuldig gefühlt, weil sie ihren Vorgesetzten so entgegengetreten war.
Doch zu ihrer Verwunderung war es diesmal nicht so.
Nein, sie fühlte sich stark, sie würde es nicht unbesiegbar nennen, aber sie fühlte sich, als ob sie etwas erreicht hatte, das sie schon immer erreichen wollte.

Ohne dass auch nur ein weiteres Wort fiel, gingen sie in den Wald …


Michael war- verfickte Scheiße, er wusste nicht einmal, was er war. Verwirrt traf es nicht mal annähernd, er wusste nicht, was er sagen sollte. Er lehnte sich im Sessel zurück und atmete einmal tief durch. „Sie sagen mir also, dass diese Foundation Monster fängt und dann - ich fasse kaum, dass ich das sage - einsperrt, weil normale Menschen zu dumm sind, sich davor zu beschützen?“

„Das ist zwar etwas über-versimpelt, aber ja, grundsätzlich habe ich das gesagt.“, antwortete ihm sein Gegenüber.

„Ich fühle mich verarscht … Nop, ich möchte in meinem Urlaub nichts damit zu tun haben, mein Spieß kann mich mal! Dafür ist meine Zeit zu wertvoll“, rief Michael fast schon verzweifelt.

Er war jetzt schon zwei Stunden in diesem deutlich zu dunklen, das Beste, was dieses Zimmer beschreiben konnte, war Konferenzraum, und alles nur, um sich Märchen erzählen zu lassen.
Er wollte schon aufstehen und einfach gehen, als ein Pager oder so anfing zu piepsen, der an dem Gürtel vom Fischer hing, welcher, als er auf das kleine Display schaute, sofort aufsprang und mit einem lauten „FUCK!“ aus dem Raum rannte.

Von seiner Neugier übermannt rannte der Feldjäger dem aufgescheuchten Mann hinterher. Welcher zu einem riesigen Raum lief, welcher eindeutig nach einer Kommandozentrale aussah. Wer gedacht hatte, dass der Leutnant hektisch war, der wäre hier deutlich überrascht gewesen, wie ruhig er im Gegensatz du den Menschen hier war.

„Was ist passiert?“, rief der Leiter dieser Zentrale durch den Raum, der in etwa so aussah, wie die Notrufzentrale, die Michael mal mit einem der Liebhaber seiner Mutter besichtigen durfte.

„Untersuchungsteam Vier hat einen Notruf begonnen, der mittendrin abgebrochen ist, und jetzt können wir keine Verbindung herstellen!“, kam die Antwort von einem jungen, übermüdet aussehenden Mann, der an einem der Überwachungsplätze saß.

„Warum schicken Sie keine bewaffnete Rettungseinheit?“, fragte Michael leise an den Leutnant gerichtet und wollte den Raum betreten, wurde jedoch von einem über muskulösen Mann um die dreißig, der anscheinend sowas wie ein Türsteher war, zurückgehalten.

Der Ranghöhere gab dem Wachmann ein Signal, dass er Michael durchlassen sollte.
„Elaborieren Sie“, meinte er dabei in einem interessierten Ton.

Michael konnte sich in dem Raum jetzt zum ersten Mal wirklich genau umsehen. Neben den vielen Tischen mit jeweils zwei bis drei Bildschirmen drauf und einer übermüdeten Person davor, gab es viele Pizzaschachteln und andere Essensverpackungen, die überall verstreut lagen. Die paar Zimmerpflanzen im Raum sahen nicht wirklich gepflegt aus, und zu Michaels Überraschung konnte er mehr als fünfzig mögliche Verteidigungmittel im Raum erkennen.

„Na ja, sagen wir acht Mann, vier mit militärischer Waffenausbildung und vier Feldsanitäter, alle bewaffnet, habt ihr sowas nicht?“ Michael konnte kaum glauben, dass der Typ nicht wusste, wovon er da sprach.

Im Augenwinkel konnte Michael den wütenden und vielleicht sogar etwas verwunderten Gesichtsausdruck von einer der übermüdeten Personen erkennen. War er etwa zu weit gegangen? Hatte er einen zu harten Ton angeschlagen?

Der Leutnant fing an zu murmeln oder viel mehr zu nuscheln, und zwar so leise, dass Michael sich anstrengen musste, um überhaupt was zu verstehen.

„Gar keine so schlechte Idee, aber dafür haben wir keine MTF, und ich hätte niemanden mit Führungserfahrung dafür … Mist, Mist, Mist“ Eine junge Frau, welche Michael jetzt erst bemerkte, fing an zu kichern: „Dann wird es eben eine temporäre MTF … kannst es doch machen wie du willst!“

Es dauerte keine zwei Sekunden für den Soldaten, diesmal auf einen weicheren Ton bedacht, zu sprechen: „Und ich habe Führungserfahrung. Wenn Sie es gestatten, würde ich meine Hilfe anbieten.“

Fischer schaute erwartend die Frau an, welche leicht nickte, anscheinend hatte sie doch ein bisschen mehr zu melden als er, überlegte Michael kurz.

Der Leutnant wandte sich an einen der Männer an den Bildschirmen: „Besorgen Sie mir Personal, das dafür geeignet ist!“, nun drehte er sich zackig zu Michael um: „Und Sie, mitkommen!“

Damit rannten die beiden Männer aus dem Raum.


Sie waren jetzt schon mächtig lange in diesem Wald. Bisher hatten sie die gemeldeten Flecken nur ein einziges Mal gesehen und dann war die Scheiße außer Reichweite.

Angelika hatte sich ja schon etwas mehr Action gewünscht, Kasper hingegen war anscheinend froh über die Ruhe. Als sie seine Vorgeschichte bedachte, konnte sie das allerdings schon irgendwie verstehen.

Sie saßen jetzt momentan bei einem kleinen Zwischenlager und irgendwie wurde sie mit zunehmender Zeit immer müder und müder.

Sie sah sich um und bemerkte, wie viele sich die Augen rieben oder gähnten. Würde sie es nicht besser wissen, würde sie behaupten, dass irgendwas sie alle schläfrig machte.

Dann fiel ihr etwas auf, etwas in den Bäumen, was sie nicht wirklich erkennen konnte.
Sie schnappte sich das Funkgerät von Schneider und sprach hinein: „Mayday, Mayday, Kommand, hier ist irgendwa…“, weiter konnte sie nicht sprechen, da sie genau wie alle anderen schlafend zu Boden fiel.


Da saß er nun, bewaffnet in einem Eagle mit drei anderen Personen, zwei davon Sanis. Links von ihm hinterm Lenkrad saß eine etwa gleichalte, geborene Amerikanerin mit einem heftigen Akzent, die dem Motor des Fahrzeugs im Moment alles abverlangte, was dieser zu geben hatte.

Ihren Namen hatte er gar nicht erst erfragt. Sie alle hatten Spitznamen bekommen, obwohl es eher Rufnamen waren. Michael hatte den glorreichen Namen Alpha bekommen.
Sie wurde Beta getauft, und die Namen vom Rest konnte man sich ja denken … Alpha bis Theta, sehr kreativ, wie er dachte, hätten die nicht was Anständiges nehmen können, sowas wie Fuchs, Wiesel oder Otter?

Hinter den Beiden saßen noch zwei Gestalten, ebenso schwarz gekleidet wie sie. Die anderen vier aus dem schnell zusammengesetztem Team fuhren in dem zweiten Eagle hinter ihrem.

Michael gab grade durch das Funkgerät seine ersten Informationen und Befehle durch: „Okay Leute, unser Auftrag ist es, acht Personen zu evakuieren. Wir wissen nicht, womit wir es hier zu tun haben. Das heißt, die Masken bleiben drauf, unter allen Umständen, jeder Sani bleibt bei seinem Soldaten. Alleingänge ausschließlich auf meinen Befehl!“

Wie genau das funktionierte, verstand er auch nicht. Die Maske bedeckte seinen Mund und seine Nase, keine Kabel gingen zu ihr weg und ebenso keine Schläuche. Also, wie sollte es Funktionieren, dass das Funkgerät mir der Maske verbunden war? Michael war, was das anging, ratlos.

Ein vereinigtes „Verstanden“, kam von den anderen sieben in schwarz gekleideten Gestalten.
„Äm, Sir, ich weiß, wir haben keine Informationen, aber auf was für eine Art Scip würden Sie wetten? Also von den Fähigkeiten her?“, kam es über Funk von Zeta.

„Gegenfrage: Was zum Teufel ist ein Scip?“, fragte Michael zurück und überlegte, was damit gemeint sein könnte: ein Status vielleicht oder ein Feind?

„Soll das ein Witz sein?“, kam es von einem der anderen. Michael konnte die Stimme nicht wirklich zuordnen, aber sie klang entsetzt.

„Nein, das ist mein erster Einsatz für sowas“, antwortete Michael ehrlich und er hatte kurz Angst, sie würden sich drüber auslassen, dass er keine Erfahrung in dem Gebiet hatte.

Danach war ein langes, unangenehmes Schweigen im Funk, aber nichts gegen ihn oder seine Rolle als Befehlsgeber.

Als sie den Standort des Fahrzeuges der anderen Gruppe erreichten, machten sie Halt, wobei ein lautes, viel zu hohes Knirschen von dem Kies unter den Rädern kam. Sie öffneten die Türen und machten sich im Eiltempo auf, sich hinter das vordere Fahrzeug zu versammeln.

Fischer, der ihnen per Funk zugeschaltet war, fing an Instruktionen zu geben: „Öffnen Sie bitte einmal den Kofferraum, da werden Sie ein paar Geschenke finden.“

Als Michael die Klappe öffnete, fand er dort, eingebettet im Beige der Innenverkleidung, taktische Ausrüstung, natürlich in Schwarz, was hatten die nur immer mit dieser Farbe?

Michael nahm sich einen Helm, eine Schutzweste und alles, von dem er ausging, es zu brauchen, bei denen er vermutete, dass sie seiner Größe entsprachen.
Bewaffnung war auch da, aufgehangen an Haken, die mit der metallischen Rückwand des Fahrzeuges verschweißt war.

Michael war ehrlich erstaunt, wie viel Ausrüstung bereitgestellt wurde.
Er griff nach einem Gewehr, genau wie alle anderen, und überprüfte dieses, das Standard-Sturmgewehr der Schweizer Armee, ein Stgw 90, geil, wie er dachte.

Als er dieses an sich befestigt hatte, griff er nach einer Pistole, und auch dort wurde er beeindruckt, eine Glock, aufgerüstet bis zum Gehtnichtmehr.

„Fischer, lassen Sie mich eines sagen, machen Sie so weiter und ich knutsche Sie, wenn ich zurückkomme!“, meinte Michael in das Mikrofon, welches mit dem Funkgerät an seiner Hüfte verbunden war.
Als Reaktion bekam er nur ein angenervtes, aber auch etwas belustigtes Schnalzen, und die raue Ansage, dass er den Kanal für wichtige Sachen frei lassen solle.

Michael schüttelte nur den Kopf und gab seiner Einheit ein Zeichen, welches sie zum Losgehen animieren sollte.
Unter ihren Stiefeln knirschte der Kies, doch diese geräuschliche Ablenkung war auch vergangen, sobald sie den Wald betraten. Doch kurz darauf wurde sie von brechenden Ästen, zwitschernden Vögeln und dem Wind in den Nadeln der Bäume ersetzt.

Wald - hier war Michael in seinem Element. Mit der Waffe im Anschlag, leicht gebeugten Knien und etwas vorgebeugtem Oberkörper, bewegte der Soldat sich durchs Unterholz, beobachtete seine Umgebung und gab seinem Team hinter ihm Befehle.

„Kommand, was sollte die Einheit hier eigentlich untersuchen?“, fragte Beta durch das Funkgerät, nachdem sie sich mit der gleichen Präzision umgeschaut hatte wie Michael selbst.

„Komische weiße Flecken, die gemeldet wurden, warum?“, kam die Antwort prompt, was Michael aufhorchen lies.

„Haben Sie irgendwas davon gemeldet?“, fragte Michael nun, er wusste langsam, worauf Beta hinaus wollte, doch gefiel es ihm nicht.

„Nein, warum?“, kam es wieder von Kommand, diesmal deutlich nachdringlicher.

Eine Stimme mit italienischem Akzent, welche, so weit Michael wusste, von Epsilon kam, antwortete nun: „Es ist hier überall.“

„Verstanden… können Sie eine Probe nehmen?“, fragte Kommand, und bei der Aussage war Michael etwas entsetzt.

„Verzeihen Sie die Ausdrucksweise, aber ist das jetzt Ihr scheiß Ernst? Nein, das machen wir nicht, wir sind zum Retten hier, nicht zum Forschen!“, rutschte es Michael raus, und er hätte sich am liebsten dafür selbst geschlagen.

Entgegen Michaels Anweisung ging Epsilon auf eine Stelle mit dem Schimmel zu, was Michael mächtig gegen den Strich ging.
„Leute es ist weg.“

„Was?“, kam es ungläubig von Beta, die sich sofort zu Epsilon umdrehte.

„Nicht mehr da!“, sagte Epsilon, als ob er mit einem bettelnden Hund sprechen würde.

„Verstanden, zurück in die Formation“, kam es hart, für Michaels Meinung etwas zu hart, von Kommand.

Michael nahm seine Hand von der Waffe, hob seinen Arm auf eine Höhe, in der jeder seine Hand sehen konnte, streckte vier Finger zusammen nach oben und klappte sie sofort ein. Danach griff er schnell wieder nach dem Griff seiner Waffe und hoffte, dass die Soldaten den stummen Befehl verstanden hatten.

Alle, die es verstanden hatten nahmen sofort ihre Waffe in den Anschlag und rückten weiter vor.

„Was soll das bedeuten?“, fragte Delta, eine junge Sanitäterin, Beta, welche vor ihr stand.

„Aufpassen, haltet eure Waffen bereit“, sagte die Amerikanerin schnell.

Nun taten auch die, die es nicht wussten, das Gleiche wie der Rest. Michael schoss ein Wort in den Sinn: Bambis.

Kurze Zeit später erreichten sie wieder einen Punkt mit einer großen Fläche, mit einem riesigen, weißen Flecken, der verdammt so aussah wie Schimmel. Als er genauer hinsah, bemerkte er etwas Unerwartetes: Der Fleck bewegte sich. Irgendwie ekelig, dachte Michael.

„Epsilon, nimm eine Probe!“, kam es diesmal von Michael, jetzt wollte er wissen, was zum Teufel das war.

Epsilon tat, was ihm befohlen wurde. Er ging einige Schritte, auf den Fleck zu, während die anderen Soldaten eine 360°-Sicherung für ihn herstellten.

Als Epsilon sich hinkniete, um die Probe zu nehmen, rief er aus: „Das ist kein Schimmel, das sind komische kleine weiße Spinnen!“
Kurz darauf, als er wieder Aufstehen wollte, schien er von irgendwas abrupt zurückgerissen zu werden und fiel in die Masse an Spinnen, wobei er laut etwas ausrief, was Michael als Italienisch identifizieren konnte. Was es hieß, wusste Michael allerdings nicht im Geringsten.

Beta reagierte am schnellsten, entzündete mit einem zischendem Geräusch ein Bengalo und warf ihn neben Epsilon auf die weiße Fläche. Und wie ein Wunder wirkte es, die Spinnen flohen.

„Woher wusstest du, dass das wirken würde?“, fragte Michael vollkommen verwundert an Beta gerichtet.
„Hab ich nicht“, kam die Antwort mit einem Schulterzucken und in einem Tonfall von der Sanitäterin, der eindeutig selbstgefällig war.

Sie halfen Epsilon auf, und versuchten ihn zunächst zu beruhigen, der Italiener war für Michaels Geschmack etwas zu hysterisch, denn der Italiener versuchte strampelnd und flachatmig von der weißen Menge weg zu kommen.

„Was war denn das? Wieso bist du plötzlich einfach umgefallen?“, fragte Michael den Italiener, nachdem der sich etwas beruhigt hatte.

„Ich stand auf einem Riemen von meinem Rucksack.“

„Und warum hast du solche Angst vor denen? Soweit ich das erkennen konnte, sind die Viecher nicht groß.“

„Ich habe Angst vor allen Spinnen, Sir“, antwortete der Soldat, bevor er schnell wieder an seinen Platz in der Formation ging.

Michael schaute sich eine der kleinen Spinnen an, die nicht rechtzeitig vor dem Bengalo weggelaufen war. Sie hatte lange sehr haarige Vorderbeine und im Gegensatz zu normalen Spinnen ein Maul statt kleinen Greifern.

Als Michael seine Waffe mal wieder in den Anschlag nahm und sich umsah, bemerkte er etwas, das ihm ganz und gar nicht gefiel. Alle weißen Stellen, und mit alle meinte er wirklich ALLE, waren weg, wie vom Erdboden verschluckt. Jetzt bekam er ein mulmiges Gefühl im Magen. Das gleiche mulmige Gefühl, welches er auch damals hatte, als er seinen ersten Kameraden verloren hatte.

„Wir müssen weiter … Sofort, keine Widerrede“, meinte Michael zu seinen Untergebenen, und ohne an irgendwelche Antworten zu denken gingen sie los. Er brauchte es heute ganz und gar nicht, dass sein Tag sich noch mehr verschlechterte.



Die acht Soldaten liefen noch etwa zwanzig Minuten weiter, bis sie zu einem kleinem Lager kamen, bei dem sieben Personen lagen. Als sie das erkannten, waren jedem seine Aufgaben vollkommen klar: Die Sanitäter liefen zu den bewusstlosen Personen und die schwerer bewaffneten Soldaten sicherten die Umgebung.

„Kommand, wir haben hier sieben Personen, von einem Angreifer ist nichts zu sehen“, gab Michael durch und schaute sich dabei genau um, damit er ein etwas besseres Bild von der Situation bekam.

„Dann fehlt eine!“ Für die Antwort brauchte Kommand nicht mal vier Sekunden.
Wow, die können so schnell antworten? Warum können die beim Bund das nicht? Ging es Michael durch den Kopf.

Delta ging zu einem älterem Mann, der neben einem Funkgerät lag, und fühlte den Puls.
„Also Schneider das Arschloch ist noch am Leben, schade eigentlich“, kam es von der jungen Frau mit einem belustigten Ton.

„Nochmal so ein Kommentar und ich lasse dich hier, bei diesen Spinnen.“, meinte Gamma in einem emotionslosen, tiefen Tonfall, während er Deltas Rücken deckte.

„Du verstehst echt keinen Spaß, oder Jan?“, gab die junge Sanitäterin feistig zurück, was aus fast allen der Soldaten mindestens ein leises Kichern entlocken konnte.

Eine junge Frau, die nach Michaels Einschätzung um die 19 Jahre alt war, öffnete leicht die Augen und murmelte in Betas Richtung: „Seid ihr Engel? Kommt ihr uns holen?“

Die Amerikanerin lachte leicht. „Nein, sind wir nicht, aber ja, wir holen euch hier raus.“

„Wieso sind Sie sich da so sicher? Vielleicht wissen Sie es ja selbst gar nicht“, kam es von der jüngeren.

„Für Engel sind wir zu schwer bewaffnet“, antwortete die Amerikanerin noch, bevor die Trainee wieder die Augen schloss.

Michael legte seine Waffe schräg, damit er nicht mehr über Kimme und Korn, sondern seitlich am Schaft der Waffe vorbeischauen konnte, und untersuchte mit größter Sorgfalt die Umgebung.

Von oben nach unten ließ er seinen Blick zusammen mit dem Lauf seiner Waffe wandern, immer von links nach rechts, bedacht darauf die Waffe nie auf einen der anderen zu richten.

Als er mit seinem Blick auf etwa acht Meter Höhe ankam, fiel ihm etwas auf, was er fast übersehen hatte. An fast allen Bäumen war die Rinde angeschlagen, fast so, als hätte jemand eine deutlich zu grobe Raspel über die Rinde gezogen.

Er griff nach hinten und wollte Beta auf die Schulter klopfen, doch scheinbar hatte diese sich etwas bewegt, sodass er, statt ihr auf die Schulter zu tippen, versehentlich mit der schlaffen rechten Hand direkt auf die Rückseite ihres Helmes klatschte.

Als Michael sich daraufhin umdrehte, fand er eine sehr, sehr wütende Beta vor, die so aussah, als ob sie ihm gleich eine Ohrfeige geben würde.

„Das kommt jetzt vielleicht etwas blöd, aber ich wollte dir eig-“, wollte Michael sich erklären, wurde allerdings von der stinksauren Beta unterbrochen: „Ich gebe dir drei Sekunden, wenn du mir bis dahin keinen triftigen Grund für das Schlabbeln an meinem Helm gegeben hast, lernst du meine Faust kennen.“ Michael fand, dass dieses Mal der Akzent etwas deutlich Beängstigendes zu der Drohung hinzufügte.

Aus Angst, irgendetwas Falsches zu sagen, hob Michael nur seinen linken Arm und zeigte auf die Kratzspuren an den Bäumen. Er zog einen schlag erwartend seinen Kopf ein.

Doch dieser Schlag kam nicht. Als Michael seine bis grade eben zugekniffen Augen wieder öffnete, sah er, dass die junge Frau vor ihm deutlich interessierter an den Kratzspuren war, als darin, ihn zu schlagen. Als sie, wie aus einer Trance erwacht, ihn wieder bemerkte, nickte sie. Also hatte ich doch Recht, dachte sich der Soldat.

Michael drehte sich zu den anderen aus der Gruppe um und begann laut zu sprechen:
„Ihr bringt diese Sieben zurück, Beta und ich suchen die Letzte! Wenn ihr den weißen Viechern über den Weg lauft, benutzt eure Bengalos, um die Kackteile zu vertreiben!“, befahl er, drehte sich auf der Stelle, was ein lautes hölzernes Knacken verursachte, und ging mit Beta weiter in den Wald hinein.


Sie kam langsam zu sich und es war so warm, so kuschelig.
Sie wollte nie wieder hier raus.
Stimmen.
Ach die waren ihr egal, alles, was wichtig war, war hier.
Da wollte jemand ihren Kokon aufmachen.
Nein, das wollte sie nicht.
Eine Männerstimme.
Wie lange sie keinen Mann mehr hatte, immer nur die Arbeit.


Michael und seine amerikanische Begleitung traten zwischen zwei Bäumen hindurch, und es fühlte sich für ihn so an, als ob er seit Tagen das erste Mal wieder Sonnenlicht auf seiner Haut spürte.

Die beiden scannten, wie er es gelernt hatte, mit ihren Waffen die Umgebung ab und fanden ein etwas übergroßes Spinnennetz zwischen zwei Fichten. Michael schätzte es auf etwa fünf Meter im Durchmesser. Was Michael allerdings erst jetzt auffiel, als er näher kam, war, dass die beiden Bäume exakt gleich aussahen. Allerdings nicht wie jede Fichte der anderen irgendwie ähnelt, eher als ob jemand die eine einfach kopiert hatte, doch das war doch unmöglich, oder?

„Das sieht aus wie eine Boss-Arena aus einem Videospiel … pass auf, gleich verliert einer von uns noch einen Arm“, scherzte Michael rum, obwohl er schon irgendwie Angst hatte. Er versuchte so seinen Puls zu beruhigen, was auch etwas funktionierte.

Die beiden gingen, bedacht darauf sich gegenseitig zu decken und nichts unbeobachtet zu lassen, zu dem Netz, um es sich sich näher anzuschauen.
Ziemlich dicht über dem Boden hang ein Kokon, der vielleicht ein paar Zentimeter kleiner war als Michael.

Michael sprach wieder in den Funk: „Sir, hier ist ein Spinnennetz, da dran ist ein … ich würde es Kokon nennen. Es ist schätzungsweise etwas kleiner als ich. Was sollen wir damit machen?“

Als nach einiger Zeit immer noch keine Antwort kam, griff Michael nach hinten und zog sein Funkgerät hervor. Kurz bevor er in das Funkgerät selbst sprechen wollte, fiel ihm ein kleines, rot blinkendes Symbol in der oberen linken Ecke des Displays auf.
„Fuck! Kein Netz, deswegen gibt es keine Meldung von den anderen“.

„Wie können wir jetzt kein Signal haben, wen wir vorhin noch perfekte Kommunikation hatten?“, fragte Beta, welche mit erhobener Waffe seinen Rücken deckte.

„Wenn. Und das ist jetzt egal, was sollen wir jetzt machen?“, stellte Michael eine Gegenfrage und steckte das Funkgerät weg, nachdem er es auf Direktmodus umgestellt hatte.

Mit einem: „Sagen Sie es mir, Sir“, gab die Amerikanerin zu verstehen, dass Michael nun wohl die höchste Befehlsgewalt hatte.

„Ich mache ihn auf“, meinte er, bevor er sein Messer mit einem Geräusch zog, das ihn an zwei Metallplatten erinnerte, die aufeinander rieben, und in der Seite des Kokons einen Schnitt machte.
Als der Kokon ein kleines Loch hatte, kam aus diesem warme, selbst unter Michaels Maske stinkende Luft heraus, und Michael schnitt mit einem Ruck den Rest des Kokons auf, bedacht darauf, den Inhalt mit dem Messer nicht mal zu berühren.
Aus dem Kokon fiel die junge Frau, welche Michael noch vor ein paar Stunden in dem Foyer - wenn das überhaupt sowas wie ein Foyer war- angeschaut hatte, als ob er dort vollkommen Fehl am Platz war. Zugegebenermaßen hatte das ja auch irgendwie gestimmt.

„Hey“, kam es schwach von ihr, als Michael sie auffing. Nachdem Beta ihm mitgeteilt hatte, dass sie stabil war, hob er sie vorsichtig auf seinen beiden Unterarmen hoch.

„Wir sind hier, um sie hier rauszuholen“, antwortete Michael sanft und strich ihr einen kleinen Rest von den Spinnenfäden aus den braunen Haaren.

„So ein hübscher Mann kommt extra für mich?“, murmelte die junge Frau, deren Name Michael immer noch nicht kannte, mit geschlossenen Augen.

„Ich habe eine Maske auf und sie hat die Augen zu … ist die high?“, flüsterte Michael mit dem Gesicht von der jungen Frau abgewandt zu Beta.

„Soweit ich weiß, nimmt Doktor Lichtenfeldt keine Drogen“, kam die leise Antwort von der Amerikanerin, die mit erhobener Waffe hinter Michael stand.

Vollkommen entgegen Michaels Erwarten schlang Doktor Lichtenfeldt ihre beiden Arme um seinen Hals und zog sich daran hoch, kam mit ihrem Gesicht Michaels sehr nahe, zu nahe, wie er fand, und drückte ihm einen Kuss auf die Seite der Maske. Der Kuss hinterließ einen Lippenstiftabdruck und von Doktor Lichtenfeldt kam ein müdes „Nicht wegmachen“.

„Lass uns gehen“, meinte der Soldat laut, erhob sich aus der hingeknieten Postiton, in der er sich bis jetzt befunden hatte und richtete sich zum Gehen. Ihm fiel jetzt erst auf, wie leicht Dr. Lichtenfeldt eigentlich war, fast schon ungesund leicht, wie er vermutete.

„Wäre echt klischeehaft, wenn jetzt ein Monster kommt.“ Michael lachte wieder, als die beiden etwa die Hälfte der Lichtung durchquert hatten.



Es krachte hinter den Dreien. Michael kam das Geräusch irgendwie bekannt vor, er konnte es allerdings erst identifizieren, als er sich umdrehte. Das Geräusch kam von zwei umgeknickten Bäumen. Er sah, dass Beta ihre Waffe hochriss und stellte sich leicht hinter sie, da Michael Doktor Lichtenfeldt noch auf den Armen hatte.

Dort, etwas hinter den umgeknickten Bäumen, stand eine riesige, schwarze, haarige Spinne.
„Hätte ich doch nichts gesagt“, meinte Michael, der die mittlerweile wieder eingeschlafene Doktorin etwas näher an seine Brust drückte und einen Schritt auf seine Begleiterin zuging.

Michael hielt Beta die schlaffe Frau hin. „Geh, und bring sie weg. Ich halte das auf.“

Beta tat wie ihr geheißen, griff nach der Schlafenden, schlang sie sicher über ihre Schultern und rannte mit schnellen Schrittenmit schnellen Schritten los, die bei jedem Mal etwas Dreck aufwirbelten. Michael drehte sich zur Spinne, die jetzt in einem rasenden Tempo auf ihn zukam. Er griff nach seinem Gewehr, mit der Hand fest um den Griff geschlungen und den Zeigefinger schon am Abzug, hob er dieses hoch. Er richtete die Mündung mit einer Sicherheit, die er sich über viele Jahre Training und den Einsatz nach Mali vor einiger Zeit antrainiert hatte, und krümmte den Abzugfinger ab.

Die Waffe tat, was sie tun sollte, und eine Patrone nach der anderen schoss, gefolgt von kleinen hellen Blitzen und ihrem typischen, ohrenbetäubenden Knallen aus der Mündung des Sturmgewehrs.

Michael fiel erst jetzt der auf dass der Rückstoß nicht wirklich schwächer war, als bei dem G36, auf das er normalerweise zurückgreifen musste. Und noch während er das dachte, trafen die ersten Geschosse auf ihr Ziel.

Das schien dem Monster allerdings nichts auszumachen, Michael fragte sich, ob die Kugeln überhaupt die Haut der Spinne durchdrungen hatten, als diese auch schon nur noch etwa vier Meter vor ihm war, und sich weiter auf ihn zu bewegte.

Verängstigt wich Michael zurück und bevor er irgendwas tun konnte, spürte er, wie sein linker Fuß von irgendetwas in der Bewegung aufgehalten wurde, weshalb er das Gleichgewicht verlor. Und mit einem harten Rumsen und einem stechenden Schmerz erkannte er, dass er gestürzt war.

Das Riesenvieh schien das allerdings nicht zu kümmern, da es in das linke, verhedderte Bein einfach reinbiss und ihn mit einem sehr kräftigen Ruck des Kopfes nach rechts warf, wo sein Rücken schmerzliche Bekanntschaft mit der Rinde eines Baumes machte.

Der Stoß gegen den Baum hatte nicht nur Schmerzen, sondern auch einen kurzen Moment verschwommene Sicht mit sich gebracht, was Michael so überhaupt nicht toll fand.

Als er wieder etwas klarer sehen konnte, bemerkte Michael, dass das achtbeinige Rieseninsekt schon ein paar Meter weitergekommen war und keine Anstalten machte, stehenzubleiben. Ebenfalls bemerkte er, dass sein Gewehr nicht mehr in seiner Hand, sondern knapp acht Meter von ihm entfernt war.

„Heute kann auch gar nichts wie geplant laufen, oder?“, murmelte Michael, während der an seinen rechten Oberschenkel griff, an dem das Holster für seine Glock befestigt war, die Waffe aus dem Holster zog und diese dann entsicherte. Er richtete die Waffe unter Schmerzen auf die Spinne und zielte.
Wieder musste er keine Sekunde überlegen, bevor er den Abzug zweimal betätigte, und dieses Mal hatte er das Gefühl, als wäre der Rückstoß der Waffe stärker als alles, was er je gespürt hatte.

Wenn Michael es richtig interpretierte, war sein Ziel diesmal nicht nur mindestens verletzt, wobei er sich fragte, warum ein kleineres Kaliber hinten mehr Schaden anrichtete als das Große vorne, sondern auch mächtig wütend … wahrscheinlich auf ihn.

Das Monster bewegte sich nun wieder auf ihn zu. Das hatte Michael irgendwie nicht bedacht.
Aus Panik schoss Michael noch schnell weitere zwölf Male.

Und als hätte das Leben Michael heute nicht schon genug verarscht, hatten die Kugeln wieder keinen Effekt auf den Körper der Spinne.

Sie war bei ihm, kein Entkommen mehr. Sein Herz schlug wie wild und er konnte nur noch die Spinne vor ihm wahrnehmen. Er musste wohl sein Schicksal akzeptieren, er würde dort sterben. Sein Leben zog vor seinem geistigen Auge vorbei, vom Tag, an dem er eingeschult wurde, bis zu dem Tag, an dem ihm mitgeteilt wurde, dass seine Kameraden nicht aus Mali zurückkommen würden.

Das Vieh riss sein Maul auf, um Michaels Leben zu beenden. Doch da erkannte Michael seine Chance.
Eine kleine, weich aussehende Stelle im Mundraum.

Mit aller ihm verbleibenden Kraft stemmte Michael seinen linken Arm gegen die Oberlippe - wenn man es so nennen konnte - der Spinne, steckte seinen rechten Arm bis zur Schulter in das Maul des Monsters und schoss genau auf die weiche Stelle. Wohl wissend, dass der Rückstoß die rechtwinklig nach oben abgeknickte Hand zertrümmern würde.

Genau in dem Moment konnte Michael seinen Griff an dem Schädel der Spinne nicht mehr halten und das anormal große Geschöpf biss zu.

Das war aber das Letzte, das Michael von ihr mitbekam. Die Schmerzen benebelten alle seine Sinne. Er konnte nur hoffen, dass das achtbeinige Ungetier tot war.

Nach einer ruhigen Sekunde gab er es auf, zu versuchen den Schmerz zu unterdrücken und schrie.

Ihm wurde immer dunkler vor Augen und er konnte sein Blut aus seiner Schulter und seinem Bein fließen spüren.

„Wenn Beta es nicht geschafft hat, Doktor Lichtenfeldt in Sicherheit zu bringen, bringe ich sie um“, dachte er noch, bevor es um ihn endgültig schwarz wurde.
























Epilog:
Als Dr. Lichtenfeldt zu sich kam, lag sie in einem mit Blut vollgespritzten Fahrzeug. Kasper saß neben ihr und sah so aus, als ob er mächtig fertig mit der Welt war, was sie irgendwie verstehen konnte, er hatte schon viel mitmachen müssen. Zu allem Überfluss war diese als eigentlich "sicher" eingestufte Übung zu einem solchen Alptraum geworden. In der Mitte von dieses Auto lag ein junger Mann mit einer Atemmaske im Gesicht, dem ein Arm fehlte und ein Bein an mehreren Stellen aufgeschlitzt bekommen hatte. Neben ihm kniete eine junge Frau, die anscheinend alles tat, um den Mann nicht sterben zu lassen. Sie murmelte die ganze Zeit vor sich hin: „Come on you little bitch, you can't die just yet, not on my watch!“ Die junge Frau machte auf Angelika allerdings weniger den Eindruck, als ob sie wütend oder zornig wäre, sondern eher, als ob sie am verzweifeln war. „Kann ich helfen?“, kam es von der Doktorin, ohne, dass sie lange darüber nachgedacht hatte und jetzt, als sie es gesagt hatte, fiel ihr auf, dass sie wahrscheinlich eh nichts machen könnte.
„Ja, halt den Tourniquet an seinem Bein fest, der rutscht immer ab!“ Jetzt, da die englisch sprechende Frau ihren Kopf zu Angelika drehte, konnte sie ganz genau die Tränen der Verzweiflung erkennen, welche sich in den Augen der Soldatin bildeten, erkennen.


Epilog 2:
Schwarz
Ernsthaft, Schwarz? Warum immer Schwarz?

Piep
Fresse

Piep
Fresse habe ich gesagt!

Piep Piep
I'm a sheep, yeah piep piep I'm a sheep

„Er wacht auf!“
Ja ach nee, ihr Pisser weckt mich ja!

Piep
Wenn ich könnte, würde ich das Ding einfach zerschl-

Scherben klirrten
Fuck

Er schlug die Augen auf und sah nach rechts.

Da stand ein Monitor, der nun nicht mehr piepste, sondern Funken spuckte. Und der Grund für die Funken war ein Arm, der mittendrin steckte, aber das war auf keinen Fall sein Arm. Denn sein Arm war aus Fleisch und Blut und nicht wie das Teil, das in diesem Monitor steckte, denn das war metallisch glänzend.
Aber wo war sein Arm? Als er sich umsah, konnte er ihn nirgendwo entdecken und spüren konnte er ihn auch nicht.
Wenn er so drüber nachdachte, spürte er sein Bein auch nicht.

„Bitte erschrecken Sie nicht, es ist alles gut. Die Operation für die Prothesen war erfolgreich.“


Epilog 31:

„Gut und jetzt nochmal“, sagte die Frau im Krankenschwester-Outfit.
Michael setzte den Becher zurück auf die Tischplatte, nur um ihn wieder aufzuheben, und wieder draus zu trinken. Das künstliche Sonnenlicht, das von von den Lampen in der Physiotherapiepraxis ausgegeben wurde, spiegelte sich kurz auf dem glatten Metall seines neuen Armes.
Der nächste muss unbedingt dunkler und vor allem matter werden, dachte sich der, wie er vor kurzem erfahren hatte, Foundation-unterstellte Soldat.

„Aufgrund der Lage und der offensichtlichen Notwendigkeit“, begann die dunkelhäutige Amerikanerin, die Michael bis vor ein paar Tagen nur als Beta kannte, zu lesen, „hat der O4-Rat die Entscheidung getroffen, mit sofortiger Wirkung die eigentlich als temporär angedachte MTF-15647 - ich glaube, das sind wir - …“

„Nochmal“, kam es wieder von der Therapeutin.
Michael begann wieder von vorne.

„… permanent einzusetzen, diese MTF versetzen wir mit sofortiger Wirkung an Standort DE8 und geben ihr den Rufnamen MTF DE8-Z, Zacharias. Wie die Einheit strukturiert wird, ist noch offen. Das ist so ziemlich das Wichtigste aus der E-Mail, die wir bekommen haben. Irgendwie komisch, dass ich ein Teil davon sein darf“, sprach die Amerikanerin und steckte ihr Tablet weg, von dem sie gelesen hatte.

„Olivia, deshalb wollte ich mit dir sprechen, ich möchte nicht, dass du nur ein Teil davon bist. Mir wurde angeboten ein Team von dieser Einheit zu leiten, ich möchte, dass du meine Nummer Zwei wirst. Das würde bedeuten, dass du als meine ständige Vertretung und Beraterin bei medizinischen Fragen agierst“, sagte der Soldat und stellte den Becher ganz ab, wofür er von seiner Therapeutin einen genervten Blick erhielt.

„Warum?“, fragte die junge Frau, doch Michael konnte nicht sagen, ob aus Interesse oder Unglauben.

Olivia stieß sich von der weißen Wand ab und kam mit schweren Schritten auf Michael zu, während die Therapeutin, welche Michael nun schon seit etwa einem Monat bearbeitete, ein paar Schritte zurückwich, um den beiden Platz zu lassen.

„Du bist der Grund, dass ich noch Lebe. Ich vertraue dir bis auf den letzten Knochen … der jetzt wahrscheinlich in irgendeinem Spinnenmagen liegt“, kam es ehrlich von Michael. Und er konnte die leichte Traurigkeit und die Schuld in ihren Augen sehen.
Sie gibt sich immer noch die Schuld dafür, dachte der Soldat und wollte zum Reden ansetzen, als sein Gegenüber anfing zu sprechen.

„Gerne. Weißt du, ich glaube, es war eine gute Entscheidung, dich zum Gruppenführer zu machen …“. Mit diesen Worten ließ sie den mittlerweile eher als Cyborg zu bezeichnenden Mann und seine Physiotherapeutin zurück.

„Jetzt geht es wieder an den Barren. Sie können immer noch nicht richtig laufen“, meinte die Physiotherapeutin und schritt wieder an ihren Patienten heran.
„Müssen wir das machen, Allina?“, antwortete der Soldat mit einem süffisant Lächeln auf den Lippen und drehte sich in ihre Richtung.
„Ich hätte Ihnen niemals meinen Namen sagen sollen …“

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