Tod, Liebe und dazwischen

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„Ich heisse Sie willkommen in unserem Hotel ‚Club Deluxe & Elegancy #20‘
Viktor sah den Mann mit dem weißen Kittel verwirrt an, der ihm und Emilia in der Eingangshalle des Alpenhotels mit theatralisch, weit ausgestreckten Armen entgegenkam. Hinter ihm folgte eine Frau in der Standarduniform der Agenten.
„Ich sehe, Sie sind verwundert. Keine Angst, das hier ist DE20.“
„Ah, ich verstehe. Haha, wie originell“, kommentierte Emilia, möglichst unauffällig die Augen verdrehend.
Kurz trübte sich der Sonnenschein auf dem Gesicht des Forschers.
Die Agentin lächelte entschuldigend und streckte ihre Hand aus. „Auch von mir ein herzliches Willkommen. Ich bin Alice Peterson und dies ist mein Kollege Dr. Stephan Faust. Ich nehme mal an, Sie zwei sind die Agenten, die den Spuk in der Pension gelöst haben.“
Emilia und Viktor nickten, was dem Forscher scheinbar wieder seine gute Laune finden ließ. „Sehr gut. Bitte folgen Sie uns zum Fahrstuhl.“
Als alle an Bord waren, drückte der Forscher den Knopf mit der 4.

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„Und das hier sind Ihre Zimmer.“
Viktor sah sich mit weit aufgerissenen Augen in Hotelzimmer um, das sicher so gross war, wie seine alte 3-Zimmer-Wohnung.
„Ähm“, fasste er seine Reaktion zusammen.
Auf dem Gesicht des Forschers erschien ein spitzbübisches Lächeln. „Möchten Sie nur eines?“
Seine Kollegin drückte ihren Ellbogen in seine Seite. Sie konnte aber ihr Schmunzeln nicht verbergen.
Emilia war kurz davor Feuer zu spucken. Dazu passend war sie schon rot angelaufen.
„Nein, danke. Nicht nötig“, kam Viktor ihr zuvor, „Ich war nur überrascht von der Größe.“
„Wir müssen den Schein wahren, wenn wir schon ein Superluxushotel auf unserem Standort bauen. Und Sie sind Gäste, also warum nicht nutzen“, erklärte Peterson.
„Natürlich haben wir auch eine leere Eindämmungszelle, wenn es Sie mehr anspricht, Herr Eißner“, ergänzte Dr. Faust ganz scheinheilig.
„Nein, ich schaue dem geschenkten Gaul besser nicht ins Maul.“
Emilia stichelte noch etwas nach: „Würde ich Dir auch empfehlen.“

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Emilia und Viktor waren gerade von einem Seminar zurückgekommen über den Umgang mit Zivilisten, die in der Stadt eine Anomalie gesehen hatten. Die zwei bogen schweigend um die Ecke, wo Dr. Faust und Frau Peterson in ein Gespräch verwickelt waren. Dr. Faust erblickte Viktor.
„Ah, Herr Eißner. Ich hoffe, Sie haben noch etwas Zeit für mich. Ich hätte nämlich eine Bitte.“
„Welche genau?“
„Dafür müssen Sie mit uns auf ein anderes Stockwerk und in einen anderen Sektor.“
Die Agentin zeigte auf einen Fahrstuhl, der sich durch das Vorhandensein einer Sicherheitsschleuse von den anderen unterschied. Viktor waren die Implikationen dieser Tatsache nicht geheuer. „G… Gut.“
Nacheinander hielten Dr. Faust, Viktor, Frau Peterson und Emilia ihren Personalausweis an den Sensor.
Viktor drehte sich um. „Was ist?“
Emilia sah verdutzt auf die Anzeige, bevor sie den Ausweis nochmal dagegen hielt. Wieder verweigerte das System ihr den Durchgang.
„Dr. Faust, Frau Peterson, wo liegt das Problem?“
Doch die beiden schwiegen, wie als würden sie das Problem nicht bemerken.
Das letzte, was Emilia sah, bevor die Fahrstuhltür schloss, war ein genau so verwirrter Viktor und die mitfühlenden Blicke von Frau Peterson und Dr. Faust.
Sie war zu abgelenkt, als dass ihr der Bildschirm aufgefallen wäre, der ‚Sektor D‘ angab.

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Die leeren Gängen des Sektors echoten die Schritte der zwei ungleichen Männer und der Agentin. Dr. Faust hatte nicht erläutert, weswegen er Viktor nach der Schulung abgefangen hatte.
Als Viktor fast dabei war, nachzufragen, wohin sie gingen und warum, stoppte der Forscher.
„Hier in der Nähe … da!“, flüsterte er, richtete sich zu Viktor und fragte: „Was sehen Sie hier?“
Überrumpelt stierte Viktor zur angezeigten Wand. Er hatte schon vorher bemerkte, dass auffallend wenige Geister hier waren, also war es recht einfach, die einzigen zwei Schemen zu erkennen. Sie waren irgendwie anders, undeutlicher und klar weiss, manchmal tanzten Funken um sie. Es sah aus, als seien sie überbelichtet. Er studierte drei, vier Zyklen bevor er zögernd den Kopf zu seinen zwei Begleitern wandte.
„Ich sehe eine Agentin und einen Forscher. Sie streiten. Sehr hitzig, wenn ich dass richtig einschätzen kann. Dann zucken beide zusammen und heben die Hände über den Kopf. Ich nehme an, sie wurden von etwas erschlagen, bin aber nicht sicher.“
Viktor hatte sie bei dem ganzen Bericht nicht direkt angesehen. Ihm war anzumerken, dass er seinen Atem versuchte ruhig zu halten.
„Bitte seien Sie ehrlich: Sie haben mich und Alice gesehen, habe ich recht?“ Die so fröhliche Stimme von Dr. Faust war ruhig. Er wusste die Antwort schon. „Haben Sie bitte keine Angst. Wir sind keine Doppelgänger. Wir … Ich denke, wir sollten uns setzen und etwas trinken.“



Epilog

Dr. Ainsworth gähnte ungeniert und sonst war ihr anzumerken, dass sie gerade von ihrem Büro-Schläfchen aufgewacht war. Muffig sah sie auf ihren Digitalwecker bevor sie das Trio endlich begrüsste: „Ich kann euch nichts vorwerfen. Ihr seid auf die Minute genau pünktlich. Kommen Sie in mein Büro herein.“
Frau Peterson und Dr. Faust machten es sich begeistert auf dem Sofa gemütlich, während Viktor sich mit dem Sessel begnügte. Als die immer noch nicht ganz wache Dr. Ainsworth sich aus einem Teekessel eine dunkle, nach Kräuter riechende Flüssigkeit in eine Tasse mit der Aufschrift ‚#1 Hexe‘ und ‚Walpurgisnacht 2000‘ eingoss, ließ sie sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen.
„Ihr habt also Balder überreden können, die Stelle anzusehen. Gut.“, sie wischte halbherzig über den Schreibtisch und hob eine Mappe hoch. Sie schielte auf den Klebzettel, dann öffnete die Forscherin die Mappe.
Viktor verlor die Geduld: „Vergeben Sie meinen Ton, aber dürfte ich fragen was genau hier passiert? Ich werde nach Standort-DE20 gerufen, zwei Angestellte zeigen mir ihren eigenen Tod und jetzt sitzen wir in einem Büro, wie als wäre nichts gewesen. Und was ist mit Emilia?“ Das letzte war ihm herausgerutscht, was ein minderjähriges Gekicher bei Peterson und Faust auslöste. Dr. Ainsworth sah die zwei mit einer gehobenen Braue an. „Ihr habt ihn nicht informiert?“
„Wir sind nur deine Assistenten“, verteidigte Dr. Faust sich und Peterson nickte.
Dr. Ainsworth stöhnte, doch raffte sich zusammen. Sie atmet tief ein und wieder aus.
„Die zwei sind anomal“, fasste Dr. Ainsworth wortkarg zusammen. Peterson und Dr. Faust sahen pikiert zur ihrer Kollegin.
„Ich kapiere eure wibbelie-wobblie-taimie-waimie Beziehung eh nicht. Das müsst ihr schon selber machen. Ich erlaube es euch jetzt. Notfalls benutze ich meine Magie, um es ihn vergessen zu lassen.“
Viktor hatte es aufgegeben, aus dem ganzen schlau zu werden und hoffte, er müsste es nur aussitzen. Die Agentin hatte Erbarmen mit ihm und erläuterte: „Vor ungefähr fünf Jahren gab es einen schweren Eindämmungsbruch. Es gab kaum Tote. Es gab sogar eine genaue Zahl im Bericht: fünf. In den Akten wurden aber zwei nicht erwähnt. Und Sie können erraten welche. Es waren unsere. Diese Tatsache verdanken wir einer Entität mit der Designation UE-1248. Es hat die Realität geändert. Nicht nur unseren Tod rückgängig gemacht, sondern auch unsere Beziehung zueinander geändert. Es gab einen Mandela-Effekt.“
Peterson stoppte, da Viktor in Gedanken versunken war.
„Warum erhielten Sie kein SC-Protokoll, wie ich mit Hundertvierzig-DE? Und was habe ich damit zu tun?“
Dr. Ainsworth holte eine Akte vom Schreibtisch und lehnte sich vor: „Lassen Sie mich von Projekt Trickster erzählen, Herr Eißner.“

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