
Jetzt war es genug. Kein rumgealber mehr. Der Trupp schepperte hinter ihm mit in der Wüstenhitze schimmernden Kampfanzügen. SCP-3396 schwebte über ihnen, ein zweiter Mond, der ein Netz aus Blau über den Horizont zog.
Vor ihnen quollen 3731s aus den Hotels, die den Boulevard säumten.
"Bereitet die Geisterwerfer vor." Spektralemulgierer war zu kompliziert für einen gesprochenen Befehl. An den linken Armen ihrer Anzüge ratschte Ausrüstung auf und nieder. Die Batterie des geisterwerfers wurde von einem menschlichen Herz angetrieben, das irgendwo im Exoskelett eingebaut war. Sein Pochen vermischte sich mit Garretts eigenem und trommelte wild gegen seine Schläfen.
Er schluckte und schmeckte den Schweiß auf seinen Lippen. Die Blauen kamen immer näher. Der Anzug piepte, als er ihm etwas injizierte, das scharfe Wärme durch seinen Körper strömen ließ.
"Lautsprecher an. Ihr habt immer noch die Chance zu kooperieren. Geht nach Hause und wartet auf Agen-"
Eine Frau mit Knochenspeeren, die durch das Tigerfell über ihrer Haut ragten, sprang auf ihn zu und knurrte. Er sprang mit aktivierten Boostern in die Beine seines Anzugs zurück. Ein Gewehr knallte zu seiner Linken, und ein Blitz pflückte sie aus der Luft.
Die Hölle brach los. Mangs Gewehr spuckte ein Geschoss nach dem anderen aus und wo auch immer sie einschlugen zuckten Blitze vom Himmel herab. Der Rest der Truppe verteilte sich, Strahlen und Wellen fauchten neben Kugeln und Granaten durch den Raum.
Ein menschenförmiges Loch im Raum wölbte und dehnte sich auf ihre Formation zu und Garrett drehte seine Hand in seinem Handschuh. Der Strahl platzte mit einem Geräusch wie eine Kettensäge, die durch verzweifeltes Jammern hindurchschnitt aus der Düse. Schwaches blaues Licht, das als schmerzverzerrten Gesichter über die angreifende Gestalt flutete, riss Stücke der sie umgebenden Leere weg, bis geschwärzte Knochen darunter zum Vorschein kamen und die Gestalt zerbröckelte.
Ein Alarm zwitscherte in seinem Ohr, als Kugeln an ihm abprallten. Der Anzug hielt, als er seinen Arm nach rechts schwang und über ein halbes Dutzend von ihnen hinwegfegte - eine dichte, sich bewegende Wolke von Vögeln, ein großer Mann in einem Anzug mit einem Klumpen aus Zahnrädern, wo sein Kopf hätte sein sollen, ein vielarmiges Biest, das aus Plüsch zu sein schien, und drei, die einfach nur wie Menschen mit Waffen aussahen. Die hungrigen Geister verschlangen sie alle, Glühbirnen platzten in den Straßenlaternen, während die Überreste zusammenbrachen.
Der Trupp hatte sich zu seiner Linken ausgebreitet und fiel hinter Guittierez mit seiner gurtgespeisten Kanone zurück. Die Läufe ratterten, aber die Maschine machte kein Geräusch außer dem Klimpern der auf dem Asphalt aufschlagenden Hülsen. Aber wohin er auch richtete, blühten zerknirschende Mäuler auf und kauten gnadenlos. Die Menge von 3731, inzwischen floh, starb wie die Fliegen, als unzählige Zähne sie von innen verschlangen.
Tucson würde zurückerobert werden, im Namen der Menschheit.
Hoch oben in den Wolken saß Armando auf einem schwebenden Spinnennetz aus Waffen. Er blickte hinaus auf das schimmernde Orange und Violett des Sonnenaufgangs, als der Morgen über den Wüstenhimmel anbrach.
Ungefähr zweihundert mit Helium gefüllte Arme schmiegten sich aneinander, verankert zu einer komplexen, kreuzworträtsel-würdigen Kinetoglyphe, die die ganze Struktur stabil hielt.
Hier oben hatte Armando Zeit zum Nachdenken. Die Arme, die er unten bei seinen Gefährten zurückgelassen hatte, würden ihn bei Gefahr alarmieren, aber in letzter Zeit waren sie ruhig gewesen. Die Belästigungen durch die Foundation waren immer seltener geworden, obwohl niemand so naiv war zu glauben, dass sie komplett aufgegeben hatten.
Armando versuchte, sich an eine Zeit zu erinnern, in der die Foundation nicht im Vordergrund seines Denkens stand. Er ging weiter und weiter zurück, bis-
Ein verängstigter Fünfzehnjähriger saß zitternd und allein in einer baufälligen Garage.
Dämlich!
Dämlich!
Der fossilhafte Haufen aus Werkzeugkästen, Autoteilen, Fahrradketten und diversem Gerümpel war auf ihn gestürzt. Sein Arm war eingeklemmt, möglicherweise gebrochen. Er war sich ziemlich sicher, dass die Ellbogen nicht so weit reichten.
Er zappelte, um sich zu befreien. Wenn er nur seinen Arm herausbekäme, könnte er anfangen, den Haufen wieder zusammenzusetzen, und dann würde vielleicht niemand böse werden. Er blutete nirgends, was war also schon mal etwas.
Kein Blut. Die rostige Kiste bewegte sich leicht. Gut. Eins, zwei, drei!
Was?
Er war frei, sozusagen. Der Arm aber nicht. Immer noch kein Blut. Armando betrachtete den Stumpf, der sich zu einem neuen Arm auswuchs und dehnte wie Zahnpasta aus der Tube.
Er erbrach sich beim Anblick des frischen neuen Arms, dessen sommersprossige rote Haut sich an die braune Haut an seiner Schulter anpasste.
Er warf Essen und Spielzeug und ein Bild seiner Familie in eine Plastiktüte und er begann zu rennen. Und er hörte nicht auf.
Damals war er nicht wirklich frei gewesen. Er hatte versucht, den neuen Arm abzureißen, ihn zu zerquetschen, abzuhacken. Alles, was es ihm einbrachte, war ein neuer Arm und ein bisschen mehr Verzweiflung.
Die neuen Arme fühlten sich fremd an, eklig, invasiv. Sie gehörten nicht zu ihm. Er konnte sie nicht einmal kontrollieren, nur "vorschlagen", was sie tun sollten. Er fühlte kaum etwas durch sie, nur vage Empfindungen von Hitze und Druck. Jeder neue, der erschien, war eine grausame Überraschung. Menschliche Arme jeder Farbe wichen Armen aus Metall und Popcorn und Holz.
Es dauerte eine Weile, bis er sich daran gewöhnt hatte. Mit jedem neuen Tag konnte er die Arme ein wenig schneller, ein wenig feinfühliger bewegen. Trotzdem zuckten und ruckelten sie gelegentlich, als würden sie von jemandem oder etwas anderem bewegt.
Nach Hunderten von Versuchen hatte er schließlich Glück und bekam zwei Arme, die seiner eigenen Haut ähnelten, und vergrub den Rest. Er versuchte, normal zu leben, oder zumindest so normal, wie es ein Ausreißer ohne Zuhause und ohne Ausbildung konnte.
Am Ende geriet er an die falschen Leute, wie seine Mutter gesagt hätte. Sie nahmen ihn in die Arme, gaben ihm ein Zuhause, aber er war immer noch nicht frei. Nur ein weiteres Werkzeug in einer Werkzeugkiste. Aber er beschloss, dass ein Dach über dem Kopf es wert war, jedes imaginäre Schicksal loszulassen.
Der stereotypische "eine letzte Job" ging schief.
Kugeln flogen durch die Luft. Ein seltsamer violetter Nebel erfüllte die Luft, wahrscheinlich von den "mysteriösen Süßigkeiten", die Feuer fingen. Der Käufer hatte offenbar Angst bekommen und sie verraten, in der Hoffnung, dass entweder korrupte Polizisten oder Los Milagros sie wegen der anomalen Waffen und Drogen töten würden.
Armando versteckte sich hinter dem Kistenstapel und versuchte, einen Ausweg zu finden. Er wollte nicht auf diese Weise sterben.
Die schwarzen Lieferwagen fuhren vor. Agenten in schwarzer Einsatzkleidung erschienen und sicherten das Gebiet. Eine verirrte Granate explodierte in Armandos Nähe, betäubte ihn und zerfetzte seinen rechten Arm.
Er spürte, wie die Zellen nachwuchsen. Nicht jetzt, ihr verdammten Arme…
Der Agent schoss auf den Mann, der die Granate geworfen hatte, und ging dann auf Armando zu, dessen neuer rechter Arm jetzt aus Reifengummi bestand.
Der Agent sprach in sein Funkgerät und Armando wachte in einer Betonzelle auf.
Innerhalb der Foundation war er definitiv nie frei. Endlose Tests stupsten und piekten und zogen an seinen Armen. Endloses Grau. Endloses geschmackloses Essen und neutrale, gedämpfte, einstudierte Sätze von den Forschern.
Einmal brach er fast aus.
Er wehrte sich gegen die Leute, die ihn dort festhielten. Aber er verlor die Kontrolle. Die Arme gehörten ihm nicht, er war ein Sklave für sie, ein Wirt. Ein Opfer ihrer Unberechenbarkeit.
Der Ausblick auf die Chance zu entkommen schwächte seinen Griff um die monströsen Arme. Ihre Unberechenbarkeit tötete einen Unschuldigen und vereitelte seine Flucht. Was würde er tun, selbst wenn er entkam? Damals hatte er erkannt, dass er nie wirklich frei sein konnte. Also ließ er zu, dass sie ihn zurückbrachten. Und dort blieb er.
Armando hatte schon in jungen Jahren gelernt, wie wichtig es war, zu lauschen. Er sah immer weniger Menschen im Standort arbeiten. Gedämpfte Gespräche, Buchstaben und Zahlen, die ihm nichts sagten. 33-Irgendwas. T-P-K-Irgendwas.
Die Evakuierung kam bald darauf. Jedes "SCP", jeder Arzt, jeder Hausmeister, jeder Ordner wurde abgeholt und in Transporter geworfen. Er bekam nie zu sehen, wie die Einrichtung tatsächlich von außen aussah.
Sirenen, gefolgt von Explosionen. Der Lastwagen mit seiner Zelle hielt abrupt an, dann begann er zu schmelzen. Die Wand von Armandos Kammer funkelte und verwandelte sich in Salz, das knackte und bröckelte und vom Wind weggeblasen wurde. Eine vieräugige Frau mit durchscheinendem, weißen Haar und Haut senkte ihre Brille und lächelte.
"Kommst du mit uns mit? Oder sollen wir dich wieder beim Standort abladen?"
Er nahm ihre Hand und ging auf seine neue Zukunft zu.
Die magische blaue Materie, die sie ihm angeboten hatten, gab ihm das Gefühl, als würde er getauft werden. Er hatte jetzt die Kontrolle. Jeder Arm sang mit seiner Seele mit. Mit einem einzigen Gedanken bewegten sie sich wie Wasser. Er konnte die Textur der Realität durch sie hindurch spüren. Was auch immer sie vorher bewegt hatte, war entweder tot oder war in Angst vor dem Blaugrün, das ihn jetzt erfüllte, geflüchtet.
Seine neuen Freunde sprachen von der Zukunft, von einer neuen Ära, die anbrach. Die Welt sei in diese blaue Materie getaucht worden, sagten sie, und es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie vollständig durchtränkt sei.
Noch war sie nicht ganz frei, denn die Foundation tat alles Menschen- und Unmenschenmögliche, um sie einzufangen, aber Armando fühlte sich endlich auf dem richtigen Weg.
Seitdem waren fast vier Jahre vergangen. Der große Baum war erwacht, und Armando hatte von seinem Wolkenstuhl aus beobachtet, wie er sich erhob und verzweigte. Selbst jetzt konnte man das wunderschöne Fraktal aus Blau und Grün in der Ferne sehen, das sich bis in den Himmel erstreckte.
Er atmete aus, schloss die Augen und spürte, wie die Brise ihn einhüllte.
Schau auf mich, Welt.
Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Armando das Gefühl, wirklich, unbestreitbar, frei zu sein.
Es rief sie nach Hause. Es rief sie zum Gedeihen auf.
Tilda Moose und die Ansammlung von Wesen, die einst Mobile Task Force Sigma-3 gewesen waren, traten aus dem Weg heraus und verließen die Zuflucht der Hallen der Bibliothek. Einst wurde das Land, auf dem sie nun standen, Chicago genannt. Jetzt war es eine Wüste aus Obsidian, mit keinem einzigen Gebäude in Sicht. Es war wunderschön. Es war leer.
Moose erwog, ein letztes Mal zurückzugehen. Es gab nichts, was sie dazu zwang. Aber die Neugierde hatte ihr Leben bestimmt. Wenn sie ihren Tod definierte, dann sollte es so sein. Die Wahrheit über das Wesen der Menschheit, ihre Bestimmung, lag direkt vor ihnen. Moose konnte genauso wenig umkehren, wie ein Ertrinkender das Atmen verweigern konnte.
Die Gruppe begann, sich in die Luft zu erheben, halb aus eigenem Antrieb, halb von der Kraft über ihnen getragen. Moose spürte schwach den Aufprall, als ihr physischer Körper durch die Detonation der letzten Waffe der Foundation auseinandergerissen wurde. Es war erbärmlich, wirklich. Von oben in Licht getaucht, waren sie nun so weit darüber hinaus. Die sogenannten wahren Überreste der Menschheit hatten sich nur selbst geschadet.
Als sie sich dem näherten, von dem sie wussten, dass es die Quelle ihrer Macht war, kehrten die alten Ängste wieder zurück. Würden sie dem Willen dieses Wesens unterworfen werden? Würde man ihnen ihre Identitäten nehmen und sie zu einer Verhöhnung des Lebens verschmelzen? Was war der Haken? Wie hoch war der Preis?
"Warum tust du das?", flüsterten sie mit Lippen aus Äther. Und dann kam ein Blitz des Verständnisses. Die Menschheit war nie der Nutznießer, der Erwerber dieser Macht. Dieses Schicksal, diese Existenz als Gottheit, war vor langer Zeit von den Mächten festgelegt worden, die die Menschheit von Beginn an getragen hatten.
Und wer waren sie? Es gab immer ein weiteres Geheimnis zu lüften, und jetzt hatte Moose alle Zeit der Welt, um die Antwort zu finden.
O5-8 schaute aus dem brennenden pazifischen Ozean und lächelte traurig.
Eine verirrte thaumische Welle war ins Meer gespült worden und hatte etwas mit seiner chemischen Struktur gemacht. Hatte es in Benzin oder etwas Ähnliches verwandelt. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Hitze war in diesen Tagen schließlich überall.
Buchstäblich, wie sich herausstellte. Ein verirrter Magmastrom aus einer nahegelegenen tektonischen Erschütterung floss an dem achten Aufseher vorbei, bis auf wenige Zentimeter an seine Schuhe heran.
Er spürte nichts. Die Schuhe waren nicht einmal echt.
Er schaute auf und sah die Mutanten dort, die im Raum schwebten und auf ihn herabschauten. Oder zumindest in seine Richtung schauten. Er bezweifelte, dass einer von ihnen aufmerksam genug war, um ihn genau zu sehen.
Aber er konnte sie sehen, durch die sich verdichtende Atmosphäre des Planeten hindurch. Und er war sehr stolz, dass so viele von ihnen überlebt hatten. In Wahrheit war es alles, was er je gewollt hatte, und er schätzte sich glücklich, dass so viele gerettet worden waren, um die Spezies zu neuen Höhen zu führen.
Oder Entfernungen, nahm er an. Raum war komisch.
Er hatte so viele Jahrtausende damit verbracht, sich um diese absurde kleine Spezies zu kümmern. Zu sehen, wie sie aufwuchsen. Wie sie ihre ersten Schritte aus den Ozeanen machten, um unter der heißen Sonne zu leben. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er immer eine Vorliebe für die Meeresspezies gehabt, aber in einer überraschenden Wendung hatte sich herausgestellt, dass sie weniger intelligent waren als die Primaten. Oder viel, viel schlauer, vermutete er, als er die sinnlose Zerstörung um sich herum betrachtete. Es war schwer zu sagen.
Aber mit der Zeit hatte er sie liebgewonnen. Er trug ihre Sorgen auf seinen großen Schultern, damit sie weitermachen konnten, ohne erdrückt zu werden. Er sah aus der Tiefe zu, wie sie große Städte bauten und die Dunkelheit mit jedem Atemzug zurückdrängten.
Er hatte seit ihrer Gründung große Hoffnung in die Foundation gesetzt, aber zu Beginn war er besorgt gewesen, dass sie ein wenig… übereifrig wären. Nützlich, aber nach einer Weile auch notwendig. Eine absolute Notwendigkeit, damit menschliches Leben fortbestehen konnte. O5-8 hätte die Arbeit auch alleine machen können, wenn er sich angestrengt hätte, aber er schätzte es sehr, dass die Foundation ihm über die Jahre die Last abgenommen hatte. Also zog er es vor, sie von innen heraus zu beobachten, um sie in die richtige Richtung zu lenken, wenn er konnte, ohne sie umzustoßen.
Er erkannte jetzt, dass er in diesem Bestreben spektakulär versagt hatte, aber zum Glück spielte das keine Rolle mehr.
Zum ersten Mal war die Menschheit wirklich frei. Und das bedeutete, dass das Ding, das sich Aufseher Acht nannte, endlich die Last loslassen konnte, die es so lange getragen hatte.
Also tat er es.
Und in diesem Moment konnte er das entsetzliche, vereinte Brüllen tausender verhungernder Abscheulichkeiten aus dem ganzen Weltraum hören, die nun sofort von der Existenz der Erde wussten. Sie begannen, den Raum zu zerreißen, wie eine Machete durch Pudding, auf dem Weg zu dem wehrlosen und ungeschützten Planeten, in der Absicht, diese nächste Mahlzeit in einer langen Reihe von verschlungenen Planeten, die bis zum Anfang der Zeit zurückreichte, zu verzehren.
“Bist du sicher, dass du so spielen willst?”
Eine Frau materialisierte sich neben dem Aufseher in einem Strudel aus Meerwasser, das auf nahe Lava platschte und Dampfwolken erzeugte. Sie war unvergleichlich schön, gekleidet in Korallen und Muscheln und Seetang, mit Haaren so rot wie Blut und einer Haut wie Alabaster. Sie lächelte auf eine Weise, die nichts anderes als räuberisch sein konnte.
Sie war das Gewalttätigste, Barbarischste und Ekelhafteste, was Aufseher Acht kannte, und sie war auch noch seine Schwester.
Er erwiderte: "Wirklich? Nach all dieser Zeit äußerst du Zweifel?"
Sie lachte zierlich. Der Aufseher hörte, wie es durch die Tausende von hirnlosen Kreaturen, die hinter ihren Augen lebten, widerhallte, bis es zu einer heulenden Kakophonie bestialischen Hungers wurde.
"Nein, mein Lieber. Ich habe keine Zweifel. Ich bin nur überrascht über deine plötzliche … Nachlässigkeit."
Er gluckste und bürstete etwas Asche vom Revers seines anthrazitfarbenen Anzugs. "Ich habe keinen Grund, dich weiter zurückzuhalten. Es gibt keine Menschen mehr, die du verschlingen und versklaven kannst, falls du es noch nicht bemerkt hast. Du und deine Brut könnt machen was auch immer ihr wollt. Du hast alles, was du dir je gewünscht hast. Freiheit. Eine Legion von fanatischen Dienern, die du bis zur Unkenntlichkeit verzerrt hast. Einen ganzen Kosmos, an dem du nagen kannst. Mach dein Ding. Aber ich würde demnächst verschwinden, wenn ich du wäre. Es sind ein paar unangenehme Dinge unterwegs und sie werden versuchen, uns zu töten, wenn wir noch hier sind."
Sie wirkte nachdenklich. "Angelockt von was, frage ich mich?"
Der Aufseher blickte auf. Die letzten Menschen waren verschwunden.
"Von uns, denke ich. Oder vielleicht sind sie nur neugierig wegen einem aktiven und energiegeladenen Planeten, der aus dem Nichts aufgetaucht ist. So oder so, sie kommen, und das nicht für eine höfliche Unterhaltung."
Sie betrachtete ihn mit unverhohlener Neugierde. "Aber was wirst du tun, mein ach so ernster Bruder? Keine deiner so genannten Unschuldigen mehr, die du vor dem vor mir, der bösen Alten, beschützen musst. Keine Foundation mehr, die du auf deine Schultern stützen kannst. Willst du von jetzt an die Felsen bewachen? Du machst einen schrecklichen Job. Ich glaube, die meisten von ihnen stehen in Flammen."
Er lächelte und begann, seine Essenz um sich herum zu sammeln. "Vielleicht, eigentlich schon. Jedenfalls das, was von ihnen übrig ist. Welchen Zweck habe ich jetzt noch? Meine gesamte Existenz wurde durch Tod, Schmerz und Opfer definiert. Ich habe Millionen von Jahren damit verbracht, dich davon abzuhalten, das Leben zu fressen, das uns unsere Existenzberechtigung gab."
Er gluckste. "Ich bin der Kummer der gesamten Menschheit. Ich bin ihr Schmerz, ihre Ausdauer, ihre Erinnerung. Ihr Verstand und ihre Ehre. Derjenige, der sie davon abhielt, Tiere zu sein, der sie beobachtete, sie lehrte und ihrer besseren Natur diente, während er die Dinge, die sie fressen wollten, fernhielt. Unser älterer Bruder hat in seiner Weisheit entschieden, dass ihre Zeit endlich gekommen ist. Sie brauchen mich nicht mehr. Und dich brauchen sie auch nicht mehr. Falls sie das je taten. Sie sind jetzt jenseits von uns. Was soll ich nur tun? Meine Liebe, ich werde das tun, was ich immer getan habe. Ich werde durchstehen. Ich werde eine schwere Last auf mich nehmen."
Der Aufseher zog einen kolossalen Anker aus der Luft, so lang wie er selbst, bedeckt mit Rost und Seepocken. Er verzerrte den nahen Raum mit seiner schieren kosmischen Masse. Das Gesamtgewicht des Schmerzes, der Traurigkeit, der Ängste und der Entschlossenheit der Menschheit, durch all das hindurch zu existieren. Die Last, die sie zurückgelassen hatten.
Er trat mit einem subtilen Bumm in den realen Raum ein, das jedes Feuer in einem Radius von hundert Meilen auslöschte.
Er hob die große Waffe und legte sie sich über die Schulter, wo sie schon immer hingehört hatte. Er blickte zu den Sternen, wo unbekannte Räuber aus den Weiten der Realität schreiend auf sie zukamen.
"Wirst du dich mir anschließen?"
Die Frau, der Hunger, die Lust, die Wildheit und die Wut dessen, was einmal die Menschheit gewesen war, grinste breit und zeigte Zähne, die sich in längst vergangenen Zeiten durch Kontinente gebissen hatten.
"Dieses eine Mal, Bruder, werde ich es tun. Lass uns ihnen das Fürchten lehren."
Sie verschwand.
Ein Meer aus bleichem Fleisch, verwesend und schreiend, gemacht aus den Leichen der über die Jahrtausende hinweg wütendsten Toten des Planeten, brach aus dem Grundgestein Nordamerikas hervor. Die Lawine zorniger Verderbnis bohrte ihre Ranken in die Knochen der Erde und gähnte mit ihren vielen Schlünden in verzweifelter Gier nach Gewalt, die ihr ihr Herz gab zum Himmel hinauf.
Der Mann, der nicht der achte Aufseher der Foundation war, wappnete sich mit Platten aus reinstem Stein, gehauen aus den Qualen und der Tapferkeit der heiligsten und würdigsten Toten der Erde. Er sammelte das, was von den Ozeanen des Planeten übrig war, um sich herum und erhob sich. Der letzte Ritter, der ewige Hüter der Seele der Menschheit, stieg auf, um seinen Eid zu erfüllen.
Und gemeinsam führten sie ihren letzten Krieg.
O5-1 schritt aus den Ruinen seines Bunkers, sein Gesicht eine Maske aus Wut und Trauer. Er… sie, hatten die Menschheit so lange beschützt. Die Menschheit war unvollkommen, sie war chaotisch, und sie war das Einzige, was er je geliebt hatte. Und jetzt war er schlussendlich allein. Eine Wahrheit, die über zweitausend Jahre lang bildlich gewesen war, war nun buchstäblich. Die Ironie war Galle in seiner Kehle.
Er starrte auf den neuen blauen Stern und stieß einen Schrei der Frustration aus. Er goss jedes Opfer, jede Tragödie, jedes Montauk und jeden Sieg in seine Stimme. Als er verstummte, war nur noch wenig von ihm übrig.
"Ich würde es wieder tun. Alles, tausendmal wieder. Selbst wenn ich wüsste, dass ich trotzdem versagen würde." Er richtete sich auf und begann auf und ab zu gehen. "Ich sehe dich im Himmel, wie du dich zu einem endgültigen Verrat mit einem Wesen aufschwingst, das nichts weiter als eine Verhöhnung des wahren Lebens ist. Du gibst alles auf, was deine Vorfahren aufgebaut haben, alles, für dessen Schutz wir Blut vergossen haben. Ich weiß, dass dies das Ende ist, ich kann fühlen, wie das Leben selbst diese Welt verlässt. Aber hättest du mit uns gestanden anstatt gegen uns, dann hätten wir gewinnen können. Wir hätten ertragen können, was wir immer ertragen haben, überleben, was wir immer überlebt haben. Aber ihr habt euch von der Macht verführen lassen. Ihr seid vielleicht Götter geworden, aber das ist weniger als menschlich, nicht mehr. Die Gegenwart ist den Verlust der Zukunft und der Vergangenheit nicht wert."
O5-1 blieb stehen und drehte sich zu jemand, der nicht da war um. "Hallo Fritz, hat dir nie jemand beigebracht, dass es unhöflich ist, einen Monolog zu unterbrechen?"
Niemand sagte etwas.
"Du hast immer zu uns gestanden. Aber als ich deine Führung mehr denn je brauchte, warst du weg. Warum?"
Niemand sagte etwas.
"Wir werden beide bald tot sein. Sag mir einfach, warum. Um all derer willen, die wir auf dem Altar unserer Ideale geopfert haben, sag mir, warum du sie aufgegeben hast."
"Joseph. Es war nicht mehr das höhere Wohl."
Beide Wesen sprachen nicht mehr. Der Wanderer hatte seine Reise beendet, und Niemand war niemals niemand.
In der niedrigen Erdumlaufbahn stand ein Wesen ruhig da und beobachtete mit seinen vielen Stahlaugen.
Es glitzerte im Licht der fernen Sonne. Im kosmischen Wind schwebten Türme aus stumpfem, hoch aufragendem Metall, jeder mit einem glühend orangefarbenen Kern, jeder so groß wie eine kleine Stadt. Die Konstrukte enthielten genug Energie, um Sternensysteme zu verdampfen. Mit einem einzigen Gedanken konnte das Wesen im Zentrum dieser großen Eisenkathedrale Lichtjahre des Weltraums betrachten und sie zu einem heißen Brei aus grundlegenden Partikeln reduzieren. Seine Kanonen, Reaktoren, Generatoren, Panzerung und Kraft waren im wahrsten Sinne des Wortes unendlich. Sein disparates Netzwerk von Maschinen schwebte in der Leere, nur einen Ort umkreisend.
Im Herzen dieser Ansammlung von endlos zerstörerischen Maschinen befand sich die Gestalt einer menschlichen Frau. Klein und unscheinbar. Ein Nebengedanke, der nur aus einem Gefühl des vagen Respekts für das, was das Wesen einmal gewesen war, dabehalten wurde. Ein nostalgisches Figürchen. Haut aus reinem elementarem Eisen, dem Lieblingsmaterial des Wesens. Ein sanftes, feuriges Glühen war zwischen den Platten zu sehen. Eine Andeutung des Ofens in seinem Herzen.
Die kleine Figur betrachtete ihre eigenen Hände und wunderte sich.
Sie kannte sich immer noch als Monica.
Sie hatte ihre Menschlichkeit mehr oder weniger vollständig verloren. Sie war kein Mensch mehr, und sie wusste es. Entweder das, oder die Definition von Menschlichkeit hatte sich für immer verändert. Sie behielt ihren Namen und die Erinnerungen an das, was sie einmal gewesen war. Ihr Wissen war so gut wie allumfassend, nachdem sie das meiste von dem verschlungen und integriert hatte, was einmal das Internet und die sicheren Datenbanken der einstigen Vereinigten Staaten waren, aber sie war unfähig zu vergessen.
Und sie wollte es auch nicht.
Es waren andere in ihrer Nähe. Die Überlebenden, die neben ihr aufgestiegen waren, die sie zur Absolution geführt hatte.
Da war das Ding, das sich einst Dozer nannte. Er und seine Ingenieure, die immer gute Freunde gewesen waren, hatten sich entschieden, sich in Stein zu hüllen und zu verschmelzen, um ein Geist zu werden. Jetzt bildeten sie eine monolithische Zitadelle aus schönen weißen und schwarzen Statuen, mit kilometerlangen Schnitzereien von Menschen und Häusern und Pflanzen und vergangenen Zivilisationen, die sich in den Hallen und Türmen bewegten und in der Sonnenbrise mit ihrem eigenen Leben umherschwebten. Erinnerungen daran, woher sie kamen, aus dem Fels gehauen und zu neuem Leben erweckt, um für alle Zeiten zu bestehen.
Ogre und Violet waren auch dort. An ihrem letzten Tag, bevor sie die Erde verließen, hatten sie geheiratet und ihre Essenzen miteinander verwoben. Jetzt existierten sie als eine große Menagerie von Pflanzen und Tieren, verteilt auf Dutzende von schwimmenden Inseln mit ihren eigenen Taschen mit atembarer Luft und Schwerkraft. Auf der größten Insel befanden sich zwei Throne, auf denen die beiden Liebenden saßen und mit Stolz und Zuneigung auf die Leben blickten, die sie gerettet hatten, entschlossen, einen Ort zu finden, an dem die geschätzten Kreaturen der Erde wieder leben konnten.
Und da war Norman. Er war jetzt namenlos, eine mondgroße Masse aus Fleisch, umhüllt von einem Meer aus leuchtendem und sattem blaugrünem Wasser. Unter den Wellen der Oberfläche konnte man große leviathan-artige Gestalten erkennen, Kreaturen, die Norman selbst entworfen hatte und die von selbst eine seltsame und fremdartige Existenz angenommen hatten. Sein Geist erstreckte sich Lichtjahre in alle Richtungen, auf der Jagd nach Gedanken, die es zu entdecken und zu lernen galt, unerbittlich in seinem Streben nach Lernen und Erleuchtung.
Und es gab viele Tausende von anderen, jeder mit unglaublichen und einzigartigen Formen, jeder ein Ausdruck eines menschlichen Geistes, der sich von den Beschränkungen der bloßen Möglichkeit gelöst hatte.
Unter diesen Göttern brannte und bebte der Planet, den sie einst Heimat genannt hatten.
Nach der Zerstörung, die die Foundation angerichtet hatte, blieb nur wenig Leben übrig. In ihrem Wunsch, die einzig wahren Menschen zu bleiben, hatten sie die Kontinente mit ihren Bomben zersprengt und die Meere in technologischer Wut zum Kochen gebracht. Die Energien wirbelten und die ganze Zeit über existierte das Blau einfach nur, gleichgültig und unbeweglich im Angesicht all ihres Zorns. Der Baum war gewachsen, bis er kein Baum mehr war. Er wurde zu einem eigenen, sich ausbreitenden Ökosystem. Ein riesiges Netzwerk aus leuchtenden aquamarinfarbenen Ranken, die sich ausbreiteten und den größten Teil des Westens der Vereinigten Staaten übernahmen.
Und als die Welt zu brennen begann, verschwand er.
Es stieg in den Himmel auf, ein massives Aggregat aus ineinander verwobenen Strängen das leuchtete, gleichgültig gegenüber dem Leid und der Zerstörung. Es blühte und wand sich träge im Orbit mit denen, die es verändert hatte, und reagierte auf nichts, gleichzeitig tröstend und erschreckend.
Monica hatte die Foundation nie besonders geliebt, aber jetzt verstand sie, welchem Zweck sie gedient hatte. Sie hatten Tausende von unsichtbaren und unsterblichen Feinden der Menschheit zurückgehalten. Sie waren das Fundament gewesen, auf dem die Zivilisation ruhte. Für so lange Zeit waren sie die Rettung selbst gewesen, und sie wusste, dass sie ohne sie wahrscheinlich nicht existieren würde.
Sie nahm an, dass es passend war, dass sie beschlossen hatten, zu sterben, als sie schließlich überflüssig geworden waren. Die Menschheit brauchte sie nicht mehr, und in ihrer Wut über den Verlust ihrer Bestimmung hatten sie beschlossen, sich selbst zu verbrennen, anstatt weiterzumachen.
Vor dem Ende hatte sie mit einigen von ihnen gesprochen. Sie war inzwischen zu mächtig geworden, um bedroht zu werden und wollte sie zur Vernunft bringen. Sicherlich war es die Ewigkeit wert, einige überholte Prinzipien und Vorurteile loszulassen. Sicherlich spielte die Definition dessen, was "anomal" war, keine Rolle mehr, und sie konnten erkennen, dass es sinnlos war, einen solch vergeblichen Kampf zu verlängern.
Aber sie spuckten ihr ins Gesicht und wählten stattdessen das Feuer. Sie wollten lieber die absolute Normalität, als noch einen Tag länger mit solch unreinen und abscheulichen Monstern einen Planeten zu teilen. Und so rettete Monica diejenigen, die sich entschieden hatten, zu gehen, und überließ den Rest ihrer Glut.
In jeder Hinsicht waren sie die Menschheit selbst. Aber das bedeutete nicht mehr das, was es einmal war.
Die Zukunft war so viel größer als eine Felskugel, die von denen ruiniert wurde, die sich entschieden, die Ewigkeit zu verbrennen, um die Vergangenheit zu retten. Da draußen gab es Möglichkeiten. Potenzial. Die fernen Grenzen der Realität kümmerten sich nicht darum, dass die Menschheit noch existierte, dass sie am Scheitelpunkt ihrer Apotheose angelangt war.
Aber Monica schwor, dass sie sie dazu bringen würde, sich dafür zu interessieren. Sie würden ihr Zeichen in die Sterne selbst einbrennen. Sie würden gedeihen und die Säulen der Schöpfung mit ihrem Erscheinen erschüttern
Sie vergoss eine letzte Träne, einen Tropfen geschmolzenen Metalls, der ins All davondriftete. Ein Andenken an jene, die der Ignoranz, dem Stolz und dem sinnlosen Streit zum Opfer gefallen waren.
Sie gab ihrem Volk ein Zeichen. Und sie ließen die Erde zurück, um ihr Schicksal im Kosmos zu suchen.
Allein in seiner Umlaufbahn sah das Blau, der Himmlische Parasit, das unaussprechliche Geschöpf des geheimen inneren Feuers, das das Erste aller Lebewesen gewesen war. Die Ergebnisse seiner Arbeit waren über Äonen hinweg gemalt und dieser letzte Faden, den er in den großen Wandteppich gewebt hatte, gefiel ihm unendlich. Hier war so viel Potenzial vorhanden gewesen und jetzt wurde es voll ausgeschöpft.
Das musste es auch sein, um dem zu widerstehen, was kommen würde.
Es lachte, ein leises Geräusch, das den Lauf der Sterne verzerrte und den Raum selbst in einem Paroxysmus der Urfreude verdrehte - ein wohlerrungener Sieg.
Und es ging auch, um zu sehen, ob die großen Verteidigungsanlagen dieser Realität noch stark genug waren.