Agent Greenwell hatte in keinster Weise Angst, er wünschte sich nur sehr stark an einem anderen Ort zu sein. Während er rannte und schnell kleinen Trümmern und zerstörter Maschinerie auswich, verblieben seine Gedanken eher in der Vergangenheit als im Hier und Jetzt. Die Schicht an diesem Tag, tatsächlich seine ganze Tour im Inneren von SCP-110, war ruhig und routinemäßig. Es wurde unentwegt am Ausarbeiten und Katalogisieren aller Areale gearbeitet, Ingenieure arbeiteten an Wegen, um in die noch versiegelten, gewaltigen Areale durchzubrechen, und es gab seit Monaten keine Vermissten oder Toten mehr. Sogar das primäre Stromnetz begann seine Geheimnisse zu lüften.
Ein tiefes, dröhnendes Pochen pulsierte durch die Luft um Agent Greenwell, begleitet von einem Beben im Boden unter seinen Füßen. Er stürzte und kleine Brocken Staub und Putz rieselten von der hohen, gewölbten Decke, was einen plötzlichen, stechenden Schmerz in seinem Knöchel und die in seinem Bewusstsein vorherrschende Situation hervorrief. Greenwell erhob sich und humpelte voran, als ein weiterer, lauter Impuls die Luft und den Boden erschütterte.
Sie hatten ein Modul lokalisiert, das als “Bürgerbeschwerde: Globale Klasse” betitelt war. Die ganze Stadt war mit diesen “Modulen” gespickt. Klitzekleine, in sich geschlossene Kabinen, die von Notfallvorräten bis ganzen Laboratorien alles beinhalteten. Es schien, dass sie aktiviert wurden, als der Vorfall mit SCP-110 passierte. Die meisten waren noch immer geschlossen, während andere scheinbar an irgendeinem Punkt beschädigt oder geplündert wurden. Wie auch immer, dieses war anders. Es war riesig, größer als vier Stadtviertel und schwer befestigt. Es machte außerdem den Anschein, irgendwann geöffnet, einige Zeit später aber wieder verschlossen worden zu sein.
Das Team, das darauf angesetzt war, es zu öffnen, war an diesem Morgen rausgegangen. Alles verlief wie geplant, bis plötzlich der Kontakt abbrach. Agenten waren ausgerückt und entdeckten, dass das gesamte Modul mitsamt der Belegschaft verschwunden war. Greenwell war mit ihnen ausgerückt und war der Erste, der bemerkte, dass sie keinen Kontakt mit der Zentrale mehr hatten.
Ein weiteres, schweres Beben erschütterte den Boden, gefolgt vom leisen Klang von brechendem und sich verbiegendem Metall. Agent Greenwell humpelte schneller, sah sich auf der offenen Fläche nach jeglichen Türen oder Ausgängen um und fand keine. Er schnappte nach Luft, als ein Fehltritt einen markerschütternden Schmerz sein Bein entlang jagte und stürzte schnell hinter einen Haufen an Steinen und verbogenem Metall. Er griff nach seinem kaputten Knöchel und fühlte, wie sich der Knochen unnatürlich verschob.
Der tiefe, dröhnende Impuls kam zurück, laut genug um murmelgroße Steine auf die Fliesen rasseln zu lassen. Gefolgt von einem weiteren… und noch einem. Agent Greenwell rollte sich zusammen und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, und kämpfte gegen die kleine, nagende Ratte der Furcht, die versuchte, sich ihren Weg in ihn zu bahnen. Der schwere Impuls stoppte abrupt. Der letzte Ton war hart genug, um sein Herz in seiner Brust zu erschüttern.
Er blieb still und regungslos, so eng an die Trümmer zusammengekauert, wie er konnte, und horchte. Nichts drang an seine Ohren, nur das leise Geräusch von herabfallendem Staub. Er erhob sich langsam und bahnte sich einen Weg an die Ostwand durch die Trümmer. Er versuchte etwas zu finden, das er als Krücke verwenden konnte. Als Agent Greenwell begann, auf einen vielversprechenden Haufen Rohre zuzuhumpeln, brachten ein scharfer Dampfstrahl und ein lauter Knall beide seiner Trommelfelle zum Platzen und schickten ihn zu Boden.
Er schrie, hielt seinen Kopf und Blut floss zwischen seinen Fingern, als der Schatten über ihm heraufzog. Flutlichter blendeten ihn, als der Impuls erneut begann auf ihn einzuhämmern und in Agent Greenwell einen Anfall der Agonie auszulösen. Blind und taub schrie er erneut, als sich harte Metallspitzen plötzlich in sein Fleisch gruben und ihn grob anhoben. Sein Kopf drehte sich und wurde überflutet von Schmerz.
Er fühlte das Knirschen von Motoren und Knistern von Elektrizität viel mehr, als dass er es hörte. Er fühlte Öl, Rauch und Asche umgehend auf seiner Haut verkrusten. Der Geschmack von Metall war stark in seinem Mund und brachte ihn zum Würgen, als mehr Haken und Spitzen sich in sein Fleisch gruben. Als er fühlte, wie sich etwas zu bewegen begann, seine Füße zertrümmerte und sich zu seinen Knöcheln hocharbeitete, akzeptierte er eine Sache, bevor seine Gedanken in einer Welle aus Schmerz, Blut und Verderben ertranken.
Er hatte Angst.
-Warnung!- Kontakt mit Kommandozentrale und Sicherheitsdienst von SCP-110 verloren. Initiiere Verriegelung. Situation dem O5 Kommando gemeldet.
Grant betrat den Raum und blieb kurz stehen, um mit einem argwöhnischen Blick die Gesichter zu studieren, die sich vor ihm eingefunden hatten.
Er griff in seine Tasche, holte eine Schachtel Zigaretten hervor und zog eine heraus. “Heh, überprüfst du uns immer noch auf Doppelgänger, Grant?” lachte Richards, unbewusst seine Hand über seinen glatt rasierten Kopf gleiten lassend.
“Ist schon passiert. Riskier nichts.” grunzte Grant, entzündete die Zigarette mit einem dicken Metallfeuerzeug und nahm einen langen Zug. “Also, was denkt ihr ist es diesmal? Mutierender Virus? Artefaktergreifung? Oder einfach ein stereotypischer, großer Fiesling?” fragte er.
Grant zuckte mit den Schultern, die Augen auf den Boden gerichtet, während er sich nach vorn beugte und auf seine Knie stützte. Er atmete eine zarte Wolke dünnen, grauen Rauches aus. “Mir egal. Will es einfach töten und nach Hause gehen.” murmelte er als Antwort.
“Du, ich und so ziemlich jeder andere hier, Mann.” antwortete Richard, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Jeder will das immer, dachte er sich, während er die Augen über die Versammelten schweifen ließ.
Jeder war angespannt, wie sie es vor einer Mission immer waren. Klar, es war versteckt hinter einer dicken Fassade aus Witzen und Kameradschaftlichkeit, doch wenn du wusstest, worauf du achten musst, waren die Anzeichen da. Die Neuen fummelten unbewusst an kleinen Dingen in Reichweite, nervös kichernd, während sie idiotische Angebereien von sich gaben. Sie betrogen ihre Ignoranz gegenüber den Dingen, die sie unweigerlich bekämpfen und durch die sie manchmal sterben würden.
Die Veteranen lächelten und scherzten, doch der Humor erreichte nie ihre Augen. Sie hatten zu viele Freunde den Schrecken ihrer Arbeit zum Opfer fallen sehen, sowohl physisch als auch im Übertragenen Sinn.
Und dann waren da die Einzelgänger wie Grant, die nie einen Draht zu jemandem aufbauten, einfach da saßen und den Beginn der Mission erwarteten, wie ein Mann die Exekution erwarten würde.
Die Tür öffnete sich erneut und als man erkannte, wer es war, wurden alle still.
Der Mann schritt durch das Zentrum der Sitzbänke und betrachtete alles mit seinen gelangweilten Augen, bevor er sich gegen die Wand am Ende lehnte.
“Also… Boss, weißt du was los ist?” fragte Hill nervös. Alles was je zum Boss gesagt wurde, war nahezu immer nervös gesagt worden. Ein kleiner Nebeneffekt der Tatsache, dass der Boss völlig psychotisch war und gerne mal ohne das leiseste Anzeichen einer Provokation durchdrehte.
“Nein.” sagte er knapp.
Hill öffnete ihren Mund erneut um etwas anderes zu sagen, doch schloss ihn lieber langsam wieder, anstatt ihr Schicksal herauszufordern.
Cleverer Zug, dachte sich Richards. Nun, da er hier war, erstarb all die kameradschaftliche Musik bei dem Versuch, so vorsichtig zu sein wie ein Mann, der auf Zehenspitzen durch ein Minenfeld läuft.
Dies zog sich für einige Zeit hin, bis plötzlich der Monitor am Ende des Raumes aufleuchtete und einen leeren Bildschirm zeigte, auf dem sich nur die Worte “NUR AUDIO” in grell roter Schrift über die Mitte erstreckten.
Aufgrund dieser neuen Entwicklung begannen alle unruhig auf ihren Sitzen zu Zappeln.
Sie benutzten den Bildschirm nur um Nachrichten zu übertragen, die sie nicht persönlich mitteilen wollten.
Der Mann, der an der Wand lehnte, kniff die Augen zusammen und blickte auf den Monitor, wütend auf die kleine Kamera blickend, die sich darüber befand.
“Omega Sieben, hier sind Ihre Befehle. Wir haben kürzlich ein Notsignal von einem Außenposten in einem vor kurzem entdeckten SCP Standort erhalten. Seit wir die Nachricht erhalten haben, haben wir vollständig den Kontakt zu dem Areal verloren.” informierte sie die körperlose Stimme, die aus den winzigen Lautsprechern des Videotelefons drang. “Sie werden das Areal untersuchen und jede Bedrohung in der direkten Umgebung vernichten. Transport ist in drei Stunden an Landebucht Vier und jegliche Ausrüstung wird auf dem Weg zur Verfügung gestellt.
“Huh… wirkt nach Standard.” antwortete Foley.
Dann, fast wie ein nachträglicher Einfall, ertönten die Lautsprecher ein weiteres Mal. “Außerdem wird die Büchse der Pandora mit Mobile Task Force Zeta-9 arbeiten und diese beschützen und eskortieren.”
Als der Bildschirm schwarz wurde, wurde es totenstill bis auf ein leichtes Knacken am anderen Ende des Raumes, gefolgt vom Geräusch von etwas kleinem, leichtem und hartem, das über den Boden kullerte.
Die gesamte Gruppe drehte sich als Ganzes in Richtung der Quelle des Geräuschs. Der Boss hatte seine Zähne so hart zusammengebissen, dass einer von ihnen unter der immensen Belastung gesplittert und aus seinem scheußlichen Grinsen gesprungen war. Seine Kiefer pressten sich zusammen wie Schraubstöcke.
Der Raum leerte sich in Sekunden.
██.██.██ - 0900 Uhr: Mobile Force Omega-7 über Mission und deren Details informiert.
Besprechungsraum 8 von SCP-076-2 völlig zerstört.
“Hört zu… Hey, hört zu… Leute… HÖRT ZU!” Roy schrie in den Gemeinschaftsraum und brachte die Kakophonie der Stimmen des Zeta-9 Teams zum verstummen. Ein paar weitere Mitglieder schlenderten in voller Rüstung aus dem Ausrüstungsraum und stampften durch den Raum wie Stoßtruppen eines jeden bösen Imperiums in der Geschichte der Science-Fiction. Einige Männer richteten sich in ihren Stühlen auf und stießen andere mit den Ellenbögen und flüsterten “Lass das!” als der Raum verstummte. Nach einem Blick durch den Raum, um sicherzugehen, dass er die volle Aufmerksamkeit von allen hat, räusperte sich Roy und sprach zu den Männern. “Alles klar, Leute. Ich weiß, dass jeder die Gerüchte gehört hat, dass wir nach dem Schlamassel mit SCP-455 letztes Jahr eingemottet werden. Lasst mich diese nun ad acta legen. Um 0900 Uhr erhielten wir einen Befehl zum Ausrücken. Jeder muss sich direkt nach diesem Meeting rüsten und sich beim zum Abmarsch melden. Ich übergebe für die Details an Lev.”
Roy setzte sich inmitten eines Raunens an gedämpften Konversationen und unterdrückten Stöhnens. Zwei jüngere Männer blickten sich an und grinsten aufgeregt. Das Raunen stoppte, als einer der Männer in Rüstung vortrat, das Siegel an seinem Helm löste und ihn entfernte, während er in das Zentrum des Kreises an Männern schritt. Lev Shattermans Gesicht welches, auf der klobigen, gepanzerten Rüstung seltsam klein wirkte, war grimmig wie immer. Seine tiefe Stimme schallte in den Raum und der harte russische Akzent gab allem eine schwere Note von Befehl. “Kameraden, wir haben den Kontakt zum Unterstützungsteam in SCP-110 verloren. Feindliche Aktivität wurde als Ursache hierfür vermutet. Der Standort ist derzeit abgeriegelt, um weiteres Eindämmungsversagen zu verhindern. Jemand muss das Siegel brechen, die Eindämmung wiederherstellen und herausfinden, was passiert ist. Dieser jemand wird Team Zeta-9 sein.”
Jubel und Raunen erklangen in gleichem Verhältnis. Die zwei jungen Männer tauschten Grinsen und ein High-Five aus. Lev räusperte sich und der Raum verstummte. “Wir werden mit vielen Unterstützungsdiensten und -teams arbeiten und werden als Frontaufklärer fungieren. Wir wurden wegen unserer geringen Größe, hohen Mobilität, hohen Überlebensrate und breit gefächerter SCP-Erfahrung ausgewählt.” Lev machte einen Moment Pause und legte seinen Helm in die andere Hand, während die Männer leise murmelten. “Aufgrund der hohen Chance auf feindlichen Widerstand in SCP-110 werden wir mit einem kampfbasierten Reaktionsteam zusammenarbeiten, welches Unterstützung im Kampf bietet, während wir uns auf Aufklärung und Untersuchung konzentrieren.”
Der Raum wurde still, während jeder seinen Blick langsam auf Lev richtete. Roy war der erste, der sprach. “Lev… was zur Hölle bedeutet das? Willst du uns damit sagen, dass wir mit einem gewehrschwingenden, fanatischen Einsatzkommando voller Kinder arbeiten müssen, die denken, sie würden die nächsten großen Helden der Welt?” Lev schüttelte den Kopf, seinen Helm bereit machend. “Nein. Soweit ich es verstehe, ist unser Unterstützungsteam mehr auf Nahkampf ausgelegt. Wir werden Unterstützung von Omega-7 bekommen, angeführt von SCP-076-2. Wegtreten, jeder meldet sich in einer Stunde bereit zum Abmarsch.”
Lev legte seinen Helm wieder an und ging schnell aus dem Raum. Die verbleibenden Männer waren absolut ruhig, noch immer dorthin starrend, wo Lev zuvor gestanden hatte. Sie begannen langsam auszuschwärmen. Die beiden jungen Männer waren blass und sahen fast schon krank aus. Roy sah zu, wie sich der Raum leerte, und schüttelte mit einem leisen Murmeln den Kopf. “…können uns gleich selbst erschießen und das alles hinter uns bringen…”
Ausrücken von Zeta-9 um 0900 angeordnet. Alle Teams fahren damit fort, Sammelplätze zu setzen. Operation wird schnellstmöglich stattfinden. Bitte von SCP-076-2 auf Entfernung von Zeta-9 von der Operation abgelehnt. Bitte von mehreren Mitgliedern von Zeta-9 die Einheit temporär zu verlassen abgelehnt.
Die Abriegelung - Geschlossen - In Arbeit