Seltsame Dinge geschehen an ruhigen Tagen; Am Grund des Meers

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Im namenlosen Wald || Am Grund des Meers


„Hältst du noch durch?“

„Warum muss das auch so lang sein … “

Alice und Angelika kletterten gefühlt fast eine halbe Stunde die Ranken hinunter, nur für kurze Zeit legten sie Pausen ein, wenn sich ein Vorsprung als groß genug herausstellte, um darauf sitzen zu können.
Den zwei Frauen war es fast schwindelig vor Anspannung und Anstrengung.

Alice stolperte fast, als sie unerwartet auf den Boden traf. Angelika, die beinahe in einer Art Trance gewesen war, erschrak, stieß mit der Agentin zusammen und beide schlugen in einem Knäuel aus Armen und Beinen unten auf.
„Tut mir leid …“, kam es zögerlich von der Forscherin.
Alice stöhnte: „Macht nichts.“
Als geklärt war, wem welches Körperteil gehörte, stellten die beiden etwas anderes fest.
„Hier ist alles lauwarm-feucht.“
Angelika schüttelte sich. „Iiih, … ich bin durchnässt.“
„Was denkst du? Welches Buch ist es diesmal?“
„Denken Sie, diese Anomalie ist buchthematisiert? … Und duzen wir uns, Frau Peterson?“
„Frage 1: Würde uns schonmal helfen, wenn wir die hiesigen Regeln kennen würden, oder? Frage 2: Wie lange kennen wir uns? Und wir sind in einer Notfallsituation, da hilft etwas Lockerheit.“
„Wenn Sie … wenn du meinst, Frau Peterson.“

Die zwei Frauen sahen sich etwas genauer um.
„Stockfinster ist es hier“, maulte Alice. Sie kramte in ihrer Seitentasche herum. Als sie die Taschenlampe fand, knipste sie diese an.
„Oh Wunder, sie geht noch. Wäre mehr als doof, wenn sie kaputtgegangen wäre bei unserer Landung.“
Angelika fischte ihr SCP-Handy hervor, als ihr einfiel, dass dieses eine Taschenlampenfunktion besaß. Alice sah den handtellergroßen Ziegel an. Die Forscherin schien sich etwas zu generieren. „Ich hatte eine Phase wo ich die Smart Computer Phones supertoll fand.“
„Naja, ich habe sie einfach lange nicht mehr gesehen, seit ein Forscher ein ausgebrochenes Keter-Monster mit so einem erschlagen hat.“
„Das erklärt, warum meines so billig war… So!“, mit diesen Worten schoss aus dem oberen Ende des schwarzen Klotzes ein Lichtstrahl.
Die zwei Frauen schrien überrascht auf, als das Ding die Wände in seinem mehr einem Scheinwerfer gleichenden Kegel erhellte.
Alice sah auf ihre eigene Lichtquelle, die nicht so potent war. „Ist das überhaupt legal?“, meinte sie mit etwas verletzten Stolz.

Die zwei folgten den Windungen des Höhlensystems. Alice kam einmal der unappetitliche Gedanke, dass diese engen und feuchten Gänge den Eindruck von graublauen Gedärmen machten.
In regelmäßigen Abständen trafen die Frauen auf eine größere Halle mit einem unterirdischen See.
Die Fische – beide hofften schwer, dass es sich tatsächlich um Fische handelte – leuchteten in verschiedenen Farben, so dass sie wie Glühwürmchen im Wasser erschienen.

„Jules Verne“, meinte Alice abwesend.
Die klaustrophobische Atmosphäre hatte jegliche Gespräche zwischen den Frauen zum Erliegen gebracht. Deswegen war Angelika etwas überrumpelt. „Hä? Was?“
„Jules Verne; Reise zum Mittelpunkt der Erde. Meine Mutter las mir die Bücher gerne vor, wenn sie von der Arbeit kam. Ich hoffe nur, dass wir kein Floss bauen müssen. Auf eine Achterbahnfahrt mit Seesauriern habe ich keine Lust.“
„Glauben Sie… glaubst du, Dinosaurier hatten Federn?“
Alice musste laut lachen, was beunruhigend wenig echote. „Da habe ich offenbar einen wunden Punkt bei dir getroffen.“

Nach etwa einer Viertelstunde hielt das Duo wieder an.
„Damit wir uns einig sind: Höhlen haben keine Bullaugen, die eine Unterwasserwelt zeigen. Und Steinböden klingen nicht so metallisch, korrekt?“
Angelika nickte zu jedem der Punkte zustimmend.
„Also, Kombiniere, Ms. Watson?“
Etwas zu übereifrig hob die Forscherin ihren rechten Arm: „Wir sind in einem U-Boot!“
„Ich dachte an ein Unterseetunnelsystem, aber mit fällt jetzt auch auf, dass wir uns bewegen. Scheiß Traumlogik. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass uns ein Baum in einem Wald angreift, jetzt ist nicht mal mehr dem Raum zu vertrauen.“

Der Boden veränderte sich zusehends. Hier und da zeigten sich nach einer Weile Metallrohre an den Wänden und auf dem Boden, messingfarben und altmodisch anmutend, wie bei einer Dampfmaschine. Sie umrahmten bald auch die Bullaugen, an denen immer fantastischere Kreaturen vorbeizogen. Einmal blickte ein interessiertes, rotgeädertes Auge zu ihnen in den Gang.

„Geht es noch theatralischer?“, sagte Alice eher zu sich selbst. Sie trat an eine Wand und streckte die Hand nach einer der Leitungen aus. Sie fühlte sich warm an und schien zu vibrieren.
„Sieht nach Steampunk aus. Das hier wäre dann die Nautilus, kann das sein?“, fragte Angelika.
„Das hier ist wahrscheinlich gar nichts, meine Liebe, aber solange wir keine Möglichkeit haben, diesen Umstand zu überprüfen oder zu verändern, müssen wir ihn als Realität betrachten. Das stinkt mir. Sieh mal, ab jetzt wird alles viel moderner.“

Tatsächlich wechselten sich die grob vernieteten Messingplatten fließend mit beinahe fugenlos aneinander gereihten Stahlelementen ab; das aufgrund seiner offensichtlichen Dicke schlierig wirkende Glas mit absolut transparentem Kunststoff. Es war nicht das gedrängte, auf Raumnutzung ausgelegte Innenleben eines U-Bootes, sondern alles wirkte glatt, wie aus einem Guss. Dabei verengte sich der Gang immer mehr. Schließlich endete er an einer ovalen Tür, die mit einer Drehverriegelung versehen war. Wortlos machten sie sich daran zu schaffen. Dahinter erwartete sie eine Überraschung.

Der Raum musste nach dem vorherigen Gang als absurd groß bezeichnet werden, er hatte die Ausmaße eines Tennisplatzes. Mittig in den Boden war ein etwa fünf mal fünf Meter abmessendes, gefliestes Becken eingelassen, das mit Meereswasser gefüllt war. Es schwappte hier und dort über den Rand und sorgte für einen salzigen, algigen Geruch in der Luft. Alles darum herum war weiß ausgekachelt, wie in einem Operationssaal. Drei Delfine tummelten sich in dem Becken und streckten des Öfteren die Köpfe aus dem Wasser um neugierig den Mann zu betrachten, der am Beckenrand hockte. Er schien ihnen ebenso viel Aufmerksamkeit entgegengebracht zu haben, bis die Tür sich quietschend geöffnet hatte und die Frauen den Raum betraten. Der Mann erhob sich und hob erfreut die Hand. Er war groß, dunkelhäutig und trug denselben Laborkittel wie die Jungforscherin.
„Ah, sehr gut, das Extraktionsteam! Und bekannte Gesichter noch dazu, das freut mich“, rief er ihnen entgegen.
„Dr. Kabhu!“, erkannte Angelika Lichtenfeldt.

Alice trat näher und war auf der Hut, es gab keinen Grund dem Mann zu vertrauen, so wie sie insgeheim auch immer noch ein Auge auf die Jungforscherin hatte. In diesem Hier war alles möglich und die Regeln wurden offenbar vom Feind bestimmt.

„Omra! Was meinen Sie mit Extraktionsteam? Erwarten Sie eines? Wir sind es jedenfalls nicht. Wie kommen Sie überhaupt hierher?“

Die Delfine keckerten fröhlich, als der Belgier, der trotz der Absage immer noch fröhlich lächelte, zur Antwort ansetzte: „Ich war gerade damit beschäftigt, einen Arothon diadematus mit Verdacht auf anomalen Parasitenbefall zu obduzieren. Da fand ich mich hier wieder. Ich habe vermutet, entweder etwas von der Anomalie abbekommen zu haben und zu halluzinieren oder irgendwie durch sie hierher transportiert worden zu sein. Also einfach warten bis zum Abklang der Wirkung oder dem Auftauchen der Rettung, nicht wahr? Kühlen Kopf bewahren ist die Devise. Außerdem, es ist sehr interessant hier.“ Er wies auf die Delfine. „Erstaunliche Exemplare. Ah ja, wie kommen Sie beide denn hierher?“
„So ähnlich wie Sie. Und denken Sie daran, wir könnten genauso wenig real sein, wie Sie für uns.“, erinnerte ihn Alice und achtete gespannt auf seine Reaktion. Doch Kabhu war unerschütterlich.
„Spielt keine Rolle, ändern kann ich daran ja doch nichts. Treten Sie doch einmal näher. Beachten Sie das Blasloch!“

Alice und Angelika traten näher. Die Atmungsöffnungen der Tiere waren in ihren Augen bestenfalls als gewöhnungsbedürftig zu bezeichnen. In die kreisrunden Löcher ragten jeweils drei fleischige, graue Pfeile. Um die Blaslöcher herum war die Haut in Form eines weiteren Kreises, welcher jedoch drei kantige Ausbuchtungen besaß, schwarz verfärbt. Die Delfine atmeten durch das Foundation-Logo.

„Es kommt noch viel besser, Moment. Hey, Jungs!“, begeisterte sich Dr. Kabhu.
Wie drei Synchronschwimmer erhoben die Tiere gemeinsam die Häupter aus dem Seewasser.
„Erzählt den Damen, was ihr hier macht!“

„Wir sichern“, antwortete der erste.
„Wir verwahren“, sagte der zweite.
„Wir beschützen“, versicherte der dritte.

Alice hörte dem unmöglichen Keckern eher schockiert zu und es wollten sich auf Teufel komm raus keine loyalen Gefühle in ihrer Brust regen.
„Was seid ihr denn? Thaumiel-Delfine?“, wollte Dr. Lichtenfeldt wissen und Alice hörte unterdrückten Ekel in ihrer Stimme.
„Etwas anderes sagen sie leider ni…“, setzte Kabhu an, wurde aber von plötzlich einsetzendem, ohrenbetäubendem Sirenengeheul unterbrochen. Es handelte sich um das spezielle Alarmsignal, das bei schweren Eindämmungsbrüchen verwendet wurde. Das Licht im Raum verfärbte sich zu einem bedrohlichen Rot und ein Ruck ging durch das vermeintliche U-Boot.

Die drastischste Veränderung allerdings betraf die drei Meeressäuger. Man sagte ihnen eine stets freundlich erscheinende, ewig lächelnde Miene nach, die sie unwillkürlich sympathisch erscheinen ließ. Doch nun verzerrten sich ihre Mundwinkel nach unten, sie entblößten aggressiv ihre Zähne. Die intelligenten Augen wurden zu schmalen Schlitzen, was ihnen ein wildes, bösartiges Aussehen gab, bevor sie abtauchten.
Als sie verschwanden, begann das Wasser augenblicklich zu steigen, erst unmerklich, dann aber quoll es blubbernd, wabernd und weiß schäumend aus dem Becken, wie aus einem überkochenden Kessel.
„Raus hier, bevor ein verdammter Geysir daraus wird!“, kommandierte Alice, „In den Gang!“
Doch dort, wo zuvor der Gang gewesen war, befand sich nun etwas völlig anderes.

Der Mechanismus rastete ein. Alice und Dr. Kabhu drehten ein letztes Mal an dem Metallring, bevor sie sich Zeit für die schauerliche Szene hinter ihnen nehmen konnten. Der Raum war halboval, die Wand in ihrem Rücken gerade. An den abgedunkelten Metallwänden befanden sich dreizehn Konsolen, die Alice vage an diejenigen erinnerten, die sie aus Fernsehraumschiffen kannte. Die indirekte Beleuchtung tauchte alles in einen blutigen Schimmer. Vor allem das Konstrukt, vor dem sich Angelika mit vor dem Mund zusammengepressten Fäusten an eine Wand gerettet hatte, zog die Blicke auf sich. Aus der Decke ragte ein glatter Zylinder mit hunderten verschiedenartigen Anschlüssen. Unzählige Kabel und Schläuche verbanden ihn mit einer Halterung – Alice dachte an eine Art perversen Thron – in der eine gequälte und gefolterte Gestalt hing.

Sie war in die Fetzen eines von Öl und Schmutz starrenden D-Klasse-Overalls gehüllt, dort, wo Haut zu sehen war, bot diese ein Bild des Grauens. Kreuz und quer zogen sich eingebrannte Kolonnen aus Zahlen, Bindestrichen und dem Buchstaben „D“ darüber, sie wirkten entzündet und brandig. Mechanische Apparaturen zwangen die Gliedmaßen zu abrupten, abgehackten Bewegungen, die Alice unwillkürlich an die einer Marionette erinnerten. Die Augen und der obere Teil des Kopfes wurden von einer Art visierlosem Helm bedeckt, von dem ebenfalls Kabel in den Zylinder führten. Aber das Verstörendste war das monotone Geleier, das die gemarterte Person von sich gab:
„Forscher… Alle Sklaven des Molochs… Wir richten. Wir erwürgen. Wir belügen… Subjekte, Agenten, Forscher…. Alle Sklaven des Molochs…“, wiederholte sie gebetsmühlenartig immer und immer wieder.

„Das ist ja grauenhaft. Wir sollten versuchen, dem Mann da herauszuhelfen“, stammelte Kabhu.
„Und wenn wir ihn dabei töten? Ach, Herrgott nochmal, jetzt fange ich selbst schon an, haltet euch vor Augen, dass das hier nicht real ist. Jedenfalls nicht richtig. Und Angelika, es sieht schlimm aus, aber ein wenig Professionalität, bitte.“

Wieder veränderte sich die Szenerie. Eine ganz offensichtlich computergenerierte Stimme erfüllte dröhnend den Raum.

«ANOMALIE IN REICHWEITE. BEENDE PERISKOPMODUS. ENTSENDE MTF.»

Das Mensch-Maschine Ding wurde in einer spiralförmigen Bewegung in die Decke gezogen, gleichzeitig öffnete sich die Wand vor ihnen; sie wurde von einem zentralen Punkt aus aufgezogen wie die Pupille eines Auges und gab den Blick auf das frei, was sich vor dem U-Boot befand. Und das ließ sogar Alice einen Schritt zurückweichen.

Sie rasten im Licht von Scheinwerfern, die gewaltig sein mussten auf eine Tiefseekreatur zu, die sich in der Nähe des Meeresbodens befand. Es war ein Kalmar, aber auch wieder nicht: Der Körper glich eher einem borkigen Baumstamm, das von hier zu erkennende Auge einem Astloch, aus dem Licht im Rot des Caecus-Carneliana-Kollektivs schien. Hinten mündete der Mantel in die charakteristischen Flossen, sie bewegten sich wie eine Baumkrone im Wind. Die vorderen Fangarme waren ein Gewirr aus überdimensionierten Zweigen, die beiden verlängerten Tentakel monströse Äste, die Verbreiterungen an ihren Enden und auch die Saugnäpfe glichen gerippten Blättern.

Die Kreatur hatte sie ebenfalls bemerkt und setzte sich in Bewegung, ihnen entgegen. Drei graue Schemen schossen vor den Bug des Gefährts und entwickelten dabei eine Geschwindigkeit, die noch einmal deutlich höher war, als die des Bootes. Es waren die drei Delfine.

«AKTIVIERE AUSSENMIKROFONE. ENTZERRE.»

Die Tiere begannen mit dem Boot zu kommunizieren und offenbar waren sie durchaus in der Lage mehr zu sagen, als ihre Zwei-Wort-Sätze.
„Ziel in Sicht. Wir sind in Reichweite und Formation. Wir erbitten Erlaubnis zum Angriff“, schallte es durch den Raum und der Computer antwortete.

«ERTEILT. IN TORPEDOMODUS WECHSELN. ZIEL ZERSTÖREN.»

Alice bemerkte noch etwas: Gesang, überirdisch schön, vielstimmig und begleitet wie von organisch gewachsenen Instrumenten. Die Musik war lockend und fordernd und wenige Töne erzeugten bereits die Ahnung, dass man einer perfekten Sinfonie zuhörte. Der Gesang der Sirenen, dachte Alice unwillkürlich, erzeugt von der monströs anmutenden Kreatur unter ihnen.

Die wunderbaren Klänge schienen die Meeressäuger allerdings eher zu reizen: Augenblicklich begannen die Delfine um ihre Längsachsen zu rotieren, immer schneller, dann jagten sie kurz nacheinander davon, in die Tiefe, ihrem Gegner entgegen, ein Kamikazeangriff.

„Scheiße!“, ließ sich von Dr. Lichtenfeldt vernehmen.

Zwei der Tiere beschrieben einen Bogen um den Kalmar seitlich zu treffen, während der dritte auf direktem Kurs blieb. Die langen Tentakel bewegten sich schnell, doch es war klar, dass sie nur zwei der Angreifer würden abwehren können. Der letzte würde ohne Zweifel sein Ziel erreichen. Die drei Personen traten näher an das riesige Sichtfenster. Der Kraken, wie ihn Alice insgeheim nannte, und die MTF-Delfintorpedos stießen zusammen. Das Caecus-Carneliana-Monstrum schaffte es tatsächlich nur eines der Tiere, wenn man sie denn so nennen wollte, zur Seite abzuschlagen. Es trudelte davon, verlor die Drehbewegung. Der Schlag des Tentakels hatte es wahrscheinlich getötet. Seine Begleiter erreichten das Maul. Einen Sekundenbruchteil später wurden sie von zwei gewaltigen Explosionen zerrissen.

Alice versuchte zu erkennen, wie viel Schaden angerichtet worden war, doch das war unmöglich. Eine samtbraune Tintenwolke, die wie eine Ascheeruption wirkte, hüllte mit einem Mal das gesamte Sichtfeld ein. Es war unmöglich irgendetwas zu erkennen. Dr. Kabhu fasste sich als erster: „Das war… beeindruckend. Sie haben die größte Außendiensterfahrung, Frau Peterson, was schlagen Sie vor?“
„Ich habe nicht den blassesten, Dok.“

Ein gewaltiger Schlag traf das U-Boot, riss Angelika von den Beinen. Alice und Orma bekamen gerade noch jeweils eine der Konsolen zu fassen. Die Agentin registrierte, dass der Wissenschaftler aufschrie, er hatte sich möglicherweise verletzt. Die Jungforscherin schrie ebenfalls, aber aus Furcht. Die Wolke zerstob, wuselnde Astfangarme, die Halt auf der Scheibe suchten, wurden sichtbar und dazu der Schnabel der Kreatur. Er prallte auf und ein milchiger, sich wie ein Blitz gabelnder Riss bildete sich.
„Er will uns fressen!“, kiekste Lichtenfeldt.

Doch das Maul verschwand aus dem einsehbaren Bereich. Stattdessen erklang ein Geräusch, als würde die weltgrößte Blechdose mit Gewalt zusammengestaucht werden.
„Nein, der will uns aufknacken wie eine Muschel“, sagte Alice erzwungen ruhig.

«HÜLLENBRUCH AUF DECK 31, 32, 34… HÜLLENBRUCH AUF DECK 14, 15, 16, 17… SCHADEN KRITISCH. EVAKUIERUNG EMPFOHLEN.»

„Scheißding!“, brüllte Alice, die ihre selbstverordnete Ruhe fallen ließ.

Der Meeresboden stürzte ihnen entgegen. Das Schiff drehte sich und die drei flogen ohne Kontrolle durch die Luft. Das Unterseeboot krachte auf den Boden, Alice krachte auf die Seitenwand die nun ihrerseits den Boden darstellte. Die Scheibe… hielt.

„Sind alle wohlauf?“ fragte die Agentin.
Keiner hatte den Sturz völlig unbeschadet überstanden, dennoch waren die Blessuren nur geringfügig, eine Prellung hier, eine Abschürfung dort. Dennoch brauchten sie einige Minuten, um sich zu sammeln. Sie alle warteten auf weitere Erschütterungen, einen neuenerlichen Angriff des Wesens. Dieser blieb jedoch aus. Dann fragte die Jungforscherin plötzlich erstaunt:

„Frau… Alice, was ist das dort?“
Sie wies auf eine Leiter aus Metallstreben die zu einem runden Metalldeckel führten, der so gar nicht zur Steuerzentrale des Bootes passte. Alice trat skeptisch näher an die Leiter heran. Sie war sicher, dass sie bis gerade eben noch nicht dagewesen war. Es handelte sich um einen alten, von der Zeit dunkel gewordenen Kanaldeckel, darauf war zu lesen: Opéra Garnier, Paris, 1881
„Das ist der nächste Kaninchenbau, Angelika“, erwiderte sie und dachte darüber nach, was als nächstes kommen würde und warum man sie in den Wahnsinn treiben wollte. Und ob es überhaupt ein Ende geben würde.


Am Grund des Meers || Phantom des Kollektives

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