Vorwort: Diese Liste beinhaltet eine Zusammenstellung besonders erwähnenswerter Auszüge aus seinen Tagebüchern und dem Logbuch von Kapitän Stephan Crommenigge. Der Letzte war vom Moment vor seinem Tod, welcher kurz vor dem Untergang von SCP-278-DE-1 war. Zum besseren Verständnis und einer besseren Lesbarkeit wurden die Texte vom mittelalterlichen Friesischen ins Hochdeutsche übersetzt. Weitere ausführlichere Berichte können als Kopie bei Standort-DE22 beantragt werden.
25. September
„Ich befürchte, die Lage auf unserer Insel wird sich nicht mehr zum Guten wenden. Immer noch liegt dieser süßlich-säuerlich-salzige Geruch in der Luft, von totem, vor sich hin verwesenden Fisch und anderem Getier, welches an den Strand gespült wurde. Es ist ekelerregend. Das wenige Grün auf der Insel ist braun geworden und gänzlich ohne Leben. Unser Viehbestand ist auf einen Hammel und zwei Schafe geschrumpft, nachdem wir wieder zwei Tiere erschlagen mussten, die ihre Artgenossen mit Klauen zerfleischt und gefressen haben. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Möwen, die sich wie elende Aasgeier über die Leiber und Gedärme der Kadaver her machen. Wir, die elf Menschen, die noch übriggeblieben sind, leiden unter Hunger und Mangelernährung. Meine Frau Isebill trauert noch immer unserem Sohn nach, der vor zwei Wochen in das Himmelsreich gelangt ist. Die letzten Vorräte sind schon auf einen Bruchteil des eigentlichen Bedarfs rationiert wurden, um uns vielleicht noch ein oder zwei weitere Wochen zu ernähren. Die meisten hoffen noch immer, dass dies eine Probe von Gott persönlich ist, um unseren Glauben und unsere Leidensfähigkeit zu testen und dass bald Rettung vom Festland zu uns kommen würde. Doch ich habe diese Hoffnung längst begraben. Ich fürchte, niemand wird uns erretten. Der Kurfürst von Ostfriesland ist mehr mit dem reichen Volk auf dem Festland verbunden, als mit irgendwelchen unbedeutenden Siedlungen auf einer kleinen Insel wie unsere. Grade wo er ja noch nie hier war, um sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Aber unser Siedlungsvorsteher erzählt weiter immerfort davon, dass wir weiter durchhalten mögen. Habet Geduld, sagt er. Kommt Zeit, kommt Rat, meint er. Ich bin mir sicher, dass er auf Vorräten hockt, die er nicht teilen will, weswegen er noch so wohlgenährt aussieht. Da lässt sich dann gut reden, doch ich habe keine Beweise. Ein Absetzen durch ein auflehnen der Gruppe kann man so vergessen. Die anderen Leute sind zu geschwächt, um auch nur an eine Rebellion zu denken. Und auch meine Kräfte schwinden“
27. September
„Mein Körper war müde und rief nach Schlaf, doch mein Geist fand in dieser Nacht keine Ruhe, mein Magen war leer, doch mein Kopf vor lauter Sorgen und das Herz war mir schwer. Also beschloss ich in dieser nebligen Nacht eine Wanderung entlang des Strandes zu wagen, in der Hoffnung, die kühle Brise nähme mein Leid mit sich fort. Dicker als Kohlsuppe lag der Nebel in dieser Nacht über dem Sand und der widerliche Geschmack des Todes verpestete noch immer die Luft und wird vom Wind mit sich getragen. So dachte ich, dass meine Sinne, geschwächt von Müdigkeit und Gram, sich täuschten, als ich am Strand einen mir unbekannten Mann erblickte. Eine dürre Gestalt, wahrscheinlich kaum ein paar Jahre älter als ich. Adrett angezogen in feinster, schwarzer Tracht, dunkler noch als die Nacht. Mit goldenen Knöpfen, sternengleich funkelnd und wunderschön anzuschauen. Mit weißen, langen Haaren, jede Locke perfekt in Position, während mein Haar wirr und zottelig herabhing. Auf dem erhobenen Haupte des Fremden ruhte ein schwarzer Dreispitz. Ich sah, wie er den Strand entlang lief, anscheinend etwas suchend. Er schaute zum Himmel, beugte sich hier und da vor, um Sand mit seinen weiß behandschuhten Fingern aufzusammeln, um ihn zu zerreiben und hier und da an diesem zu schnuppern.
Ich wusste nicht, ob er echt war oder nur eine Ausgeburt meiner Fantasie und zweifelte an mir. Was, wenn er nur ein Ergebnis meiner Übermüdung war. Ich eilte zu ihm so schnell ich noch konnte, aus Angst, er würde sich zu Nebel auflösen und würde mit dem Wind davon getragen werden. Ich stolperte unterwegs, einmal oder zweimal auf meinen vor Aufregung zitternden Beinen. Vor ihm angekommen, sank ich entkräftet in den Sand und fragte ich ihn außer Atem, wer denn der holde Herr sei und was er hier mache. Man habe ihn hier ja noch nie gesehen, daran könne ich mich erinnern, auch noch im Delirium. Mit einer ernsten Miene blickte er mich skeptisch und sichtlich irritiert an. Nach kurzer Überlegung lächelte er mich an, als wäre er sichtlich davon erfreut festzustellen, dass ich kein einfacher Pöbel war und ich mich ordentlich artikulieren könne. Höflichst begrüßte er mich und erzählte mir, dass ich ihn nur als „Verwalter“ ansprechen sollte, das würde reichen, denn Namen seien überflüssiges Beiwerk bei einem solchen Posten. Er sei geschickt worden, um Berichten über seltsame Ereignisse auf dieser Insel auf den Grund zu gehen, auch wenn ich ernsthafte Zweifel hegte, dass er allein die Lage verbessern könnte. Zunächst dachte ich, dass er von den Herrschern von Ostfriesland geschickt worden sei. Ich fragte ihn, wo das Schiff wäre, mit dem er hierhergekommen sei, doch er sagte, dass er am Strand abgesetzt wurde und die Mannschaft aufgefordert hätte, ohne ihn weiter zu fahren. Der Gastfreundlichkeit wegen lud ich ihn ein zu mir nach Hause zu kommen, doch er schüttelte den Kopf, er wolle erst einmal die Insel erkunden, um den Grund für diese Hölle zu finden in der wir uns ja offenbar befinden. Doch er würde mich noch früh genug finden, wenn er seine ersten Untersuchungen abgeschlossen haben würde. Dann würde er mein Angebot dankend annehmen.
Aufgeregt lief ich heim, um meiner Familie zu berichten und ein Bett zu beziehen.“
28. September
„Noch immer liegt der schwere Nebel über unserer Insel, jetzt ist er schon so dicht, dass die Fischer nicht mal mehr aufs Meer fahren können. Jetzt fallen uns auch noch die Fische als Nahrungsgrundlage weg, es war ein Drama, auch wenn die Bestände schon vorher immer mehr abnahmen. Unsere Lage wird immer schlimmer. Dieser selbsternannte Verwalter wurde des Öfteren dabei gesehen, wie er über unsere sterbende Insel watet, nur um hin und wieder anzuhalten, die eine oder andere Pflanze, einen Knochen oder auch mal nur etwas Dreck aufzuheben und vor seine Nase zu halten, um daran zu schnuppern.
Es war faszinierend wie klar er für uns zu sehen war, als ob der dichte Nebel es nicht wagen würde, seine Präsenz zu berühren oder er ihn immer auswich, um ihm Platz zu machen. Meine Frau glaubt, dass er vom Teufel gesandt sei, und ist es absolut nicht recht, dass wir das Dach mit ihm teilen. Doch mittlerweile würde ich selbst mit dem Teufel einen Pakt eingehen, wenn dieser Alptraum nur schnell enden würde und der Nebel, der über unsere Insel Tod und Verderben bringt und uns alle zu Grunde richten wird, sich verzieht .“
30. September
„Ich lag noch in meinem Bett, als ein erschreckender Schrei , der aus der Hütte der jungen Ingeborg unweit von meinem Haus kam, mich aufschrecken lies. Ich zog mein Nachtgewand über den Kopf und eilig etwas anderes über, um dann zur Hütte von Ingeborg zu rennen, vor der sich schon das halbe Dorf versammelt hatte und fassungslos durch die Tür weit offenstehende Tür ins Innere zu schauen. Schnell drängelte ich mich durch die fünf Anwesenden und sah den Verwalter, wie er über der am Boden liegenden Ingeborg kniete und immer wieder mit einer Art Dolch auf sie einstach, während das Blut unter ihnen den Boden rot färbte. Eiligst riss ich an der Schulter des Verwalters, um ihn rücklings von ihr zu ziehen, doch ich war zu schwach. Ich schrie ihn an und wollte meine Faust gegen ihn erheben, als er sich von selbst erhob und mich mit seinem Tempo fast mit umriss. Er hielt das blutige Herz von Ingeborg in seinen Händen, soweit man es noch als Herz bezeichnen konnte. Das schwarze Ding pochte und ein großes, teuflisches Auge starrte mich direkt daraus an und blinzelte schnell dabei. Ich schreckte zurück, als der Verwalter gezielt den Dolch durch das Auge jagte und das Herz mit einem entsetzlichen Kreischen in sich zusammenfiel. Er trat von Ingeborgs geschändetem Körper zurück, als ob nichts gewesen wäre. Währenddessen hatte sich der einst so jungfräulich anmutete Körper von Ingeborg, zu dem einer alten, faltigen und abgrundtief hässlichen Frau transformiert. Die anwesenden Anwohner waren zutiefst entsetzt, sowohl über die Gräueltat an sich, die Gleichgültigkeit des Verwalters, als auch über den zurück gebliebenen Leichnam und das zerstückelte etwas, das mal ein Herz war.
Einige gelangen schnell aus ihrer Schockstarre und verlangten lautstark, Vergeltung für ihre Freundin und Nachbarin und dass der Verwalter aufgrund der Hexerei anzuklagen und zu töten sei. Doch er sah uns nur an, einen nach dem anderen, ruhig, als ob niemand ihm schaden könne, selbst wenn wir es versuchen mögen. Die anderen beruhigten sich auf magische Weise. Und ich verspürte auch dieses Gefühl, dass mehr dahinter war. Gelassen erhob er das Wort und erklärte uns, was wir gerade gesehen hätten. Vieles verstand ich zu diesem Zeitpunkt nicht, da er Wörter verwendete, von denen ich bisher nie etwas gehört hatte. Er versicherte uns, dass er nicht der Grund sei, für dies alles, sonst würde diese Insel nicht mehr existieren, wenn es so wäre. Dann hätte er sie dem Meeresspiegel gleich gemacht und es nicht nur so halbherzig versucht. Warum langsam aushungern und mit Seuchen plagen, wo es doch schnellere, wirkungsvollere Methoden gibt?
Er erklärte uns seelenruhig etwas davon, dass wir uns im Zentrum eines magischen, gotteslästernden Konfliktes befänden, der in diesen Meeren stattfinde. In den Küsten um uns herum findet seit Jahrhunderten ein Handel über die Meere statt, die uns umgeben und das wir alle im Fluss seien, miteinander verbunden und letztlich ein Ganzes. Davon das von all dem, das einfache Volk, ja nicht einmal Fürsten, Kurfürsten und Könige irgendetwas wissen sollten oder dürften. Von Handel zwischen Zirkeln, Vereinigungen, Sekten und anderem, widerwärtigen Pack, welches in den Schatten jeder Nationen existiere und magische Gegenstände erschaffe, suche, verwende und vertreibe, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, um sich auf‘s Beschämenste zu bereichern und Macht zu besitzen. Teilweise nicht mal davor zurück schreckend ganze Bevölkerungen mit gewissen Utensilien und ähnlichem auszulöschen. Und diese Schiffe, die unter keiner oder dem Deckmantel von Nationen agieren, kreuzten unweit unsere Insel, die für die meisten eh klein und ohne Bedeutung und daher keine Gefahr darstelle. Um sicher zu gehen, dass dies auch so bleiben würde, wollte eine Gemeinde das Dorf auslöschen, ohne großes Aufsehen zu erregen. Eine Vettel sei ausgesandt worden, um uns alle von innen heraus zu schwächen, in dem sie mitten unter uns wandelt. Mit uns lebte, betete, arbeitete. Niemand sollte sie verdächtigen oder etwas ahnen. So perfide und unterschwellig war der Plan, man hatte ja Zeit, es war ja keine Eile geboten. Nun sei die Hexe tot und das Leben könnte wiederkehren.
Oh die arme Isolde, niemand hätte ihr das zu getraut, möge Gott ihrer Seele gnädig sein. Der Mord, die Tat des Verwalters war ohne frage abscheuliche, doch war ich ihm gleichzeitig dankbar, dass die Insel wieder rein war vom Hexenwerk. Ich bedankte mich beim Verwalter, der mich nur unverwandt und ausdruckslos anstarrte, mit einem Blick, als ob er direkt in meine Seele starren könne. Er nickte nur und hievte dann den zerstückelten Leichnam bäuchlings auf seine schmalen Schulter und sagte beim gehen, dass dies nicht umsonst gewesen wäre. Er würde irgendwann wiederkehren und er würde seinen Sold einfordern.
Ich machte mir darum keine Sorgen, hatte die Siedlung ja doch nicht viel zu bieten in ihrem aktuellen Zustand, was wollte der Verwalter bitte fordern können? Doch für das Wohl meiner Heimat würde ich pflichtbewusst alles tun. Ich gab ihm mein Versprechen, ehe er nickte und die Hütte mit Ingeborg verlies, um die Siedlung zu verlassen.
Was später sein würde, ist mir aktuell gleich. Jetzt muss unser Dorf erst mal genesen. Ich hoffe unser Sohn kann lächelnd vom Himmel auf uns hinab sehen.“
31. September
„Das Erste, was ich wahrnahm, als ich aufwachte, war der gewohnte und ach so vertraute, salzige Duft des Meeres, der so lange verschollen war. Aufgeregt richtete ich mich auf und sah aus dem Fenster unseres bescheidenen Heims. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, doch es war wie einst, bevor der Gottesfluch über uns kam und meine geliebte Insel verseuchte. Kein Nebel, kein beißender süß-saurer Geruch, der Himmel so klar wie das Meer. Die Pflanzen hatten wieder ihr gesundes, sattes grün. Ich dankte Gott, dass er uns das Zeichen gab, dass wir seine Prüfung überstanden hätten und uns den Verwalter zu Hilfe geschickt hatte.
Und natürlich dafür, dass wir noch immer am Leben waren.
Ein Tag des Glücks, endlich lag bei allen wieder Hoffnung in der Luft. Es war als seien wir neugeboren, voller Optimismus und Tatendrang. Ich küsste Ilsebill und ging beschwingt meinem Tagewerk nach.“
3. November
„Das Dorf konnte sich wieder einigermaßen erholen, nachdem das Meer wieder Fische bot, die Speisekammern konnten wieder gefüllt werden, da der Boden wieder Ertrag brachte. Die Kranken des Dorfes haben sich nach und nach wieder soweit erholen können, nachdem es wieder Kräuter für Medizin gab. Die Kadaver wurden mit Hilfe von Tüchern aufgesammelt und wurden verbrannt . Unsere Verstorbenen wurde mit einer Zeremonie die letzte Ehre erwiesen und sie wieder der Erde zugeführt.
Wir hatten den Verwalter schon fast vergessen, als sich plötzlich wieder ein Nebel in der Ferne bildete, als dem eine Karavelle hervorbrach. Die schwarzen Segel und die kleine Flagge lösten eine Panik unter den Inselbewohnern aus, da dies nur bedeuten konnte, dass es sich um Piraten handele, die direkten Kurs auf die Insel nähmen. Unsere Frauen flohen in ihre Häuser, während ich mit den Männern mit den wenigen Werkzeugen und Waffen, die wir besaßen, uns bereit machten um uns dem Feind zu stellen. Das Schiff näherte sich unserer schönen Küste und schien nicht einmal anzuhalten, als das Wasser eigentlich zu flach wäre für ein solches Kaliber, unnormal dass es sich mit solcher Geschwindigkeit weiter fortbewegen könnte. Als das Schiff nah genug war, sahen wir mit Schrecken, warum das Schiff sich so schnell bewegen konnte. Hunderte von menschlichen Füßen und Beinen, wie vom Teufel persönlich herauf beschworen, ragten aus dem Bug des Schiffes und trugen es über den flachen Boden und über das trockene Land in unsere Richtung. Kurz vor uns hielt das Schiff an und die Knie knickten ein, so dass das Schiff im Sand zum Liegen kam, ehe eine Strickleiter von der Seite hinab geworfen wurde.
Es war der Verwalter, der uns vom Schiff aus begrüßte und gut gelaunt hinab aus dem Höllenboot stieg. Er ging direkt zu mir, legte seine Hand auf meine Schulter und sagte, dass es an der Zeit sei, mein Versprechen einzulösen.
Ich war ein Mann von Ehre und fragte ihn, was er von mir verlangte. Kurz dachte ich, dass er der Teufel persönlich wäre, der meine Seele wollte, doch er lachte nur und deutete in Richtung seines Bootes. Wir starrten nach oben und erblickten eine Bande von Piraten, die von oben herab auf uns hinab blickten. Die Männer, alle von der See gezeichnet, schmutzig, grölend, mit Gier in den Augen und Blut zwischen den Zähnen, ließen sie die Säbel rasseln und ihre Donnerbüchsen in die Luft knallen. Einige waren mehr Höllenkreaturen als einfaches Seemannspack, es war beängstigend. Ich sah entstellte Körper, Köpfe mit drei Augen oder komplett ohne, manche mit verfaulten Raubtierzähne, Krallen, Schuppen, Krebsklauen und Kraken-Arme statt Hände… Das konnte nur ein Alptraum sein. Warum nur wachte ich nicht auf…
War der Verwalter ein Pirat oder ein Schiffsmann aus der Hölle? Flehend fiel ich auf die Knie und bettelte ihn an, dass er nicht seine Kreaturen auf uns hetzen sollte. Doch er lachte und legte seine kalte, behandschuhte Hand auf meinen Kopf. Er sei nicht hier, um zu plündern, er war auf der Suche nach einen neuen Kapitän und wüsste, wen er für diesen Posten wolle. Mich, warum verdammt noch mal mich? Er meinte, die See wär noch immer voller korrupter Menschen, die sie mit Magie und Hexenwerk vergiften. Die Relikte handeln, die in den falschen Händen ganze Völker ausrotten könnten. Es gab noch immer Wesen aus der Hölle, die durch die Meere wateten und schwammen und für Dörfer wie meines eine größere Gefahr darstellten als damals die Seuche. Dagegen müsse jemand etwas tun. Die Mannschaft bräuchte jemanden, der sie anführte. Auf den Schutz der Kurfürsten, Herzoge und Könige könne man sich nicht verlassen, die selbst nur Spielfiguren dieses Schachspiels des Verderbens waren. Er müsste ohne den Schutz der Länder agieren. Frei von Gesetzen und Verpflichtungen einem Adligen gegenüber. Sich über die Landesgrenzen hinaus bewegend, um letztlich einen Krieg zu verhindern. Er und die Leute müssen als vogelfreie Piraten handeln, damit die Menschheit unbesorgt weiter im Licht wandeln zu können. Und diese Mannschaft bräuchte einen Kapitän. Und der Verwalter sah ihn mir, er glaubte felsenfest, dass ich dieser Kapitän sein könne. Die Insel wäre ideal, um als Versteck und Heimat für die Angereisten zu dienen. Er erinnerte mich daran, dass ich ein Versprechen gab und reichte mir lächelnd die Hand. Ich zögerte, doch schlug ich darauf ein, unter der Bedingungen, dass dem Dorf sicher sei und den Bewohnern nichts geschähe. Er nickte mit einem Grinsen, während die ruchlosen Höllenkreaturen am Schiff frohlockten und die Leute des Dorfes mich verängstigt und ungläubig anstarrten. Die Fassungslosigkeit, bar des Gehörten und grade vor ihren Geschehenen war grade zu greifbar. Ilsebell schluchzte laut auf und sank in sich zusammen. Meine Frau so traurig und ängstlich zu sehen, gab meinem Herzen einen tiefen Stich..
Oh Herr Gott, welchem Teufel hatte ich nur meine Seele versprochen?“
10. November
„Heute habe ich meine Unschuld endgültig verloren, meine Seele ist beschmutzt. Mein erster Überfall als Piratenkapitän liegt hinter mir. Das Ziel war eine Fluete, die von Russland Waren zu den Niederlanden fahren sollte, doch wir hatten sie unweit der ostfriesischen Küste abgefangen, noch bevor sie in die Nähe eines sicheren Hafens ankern konnte. Der Verwalter sagte mir, dass in diesem neben allerlei anderen Waren ein besonderer magischer Gegenstand transportiert werden würde. Die Fahrt war, trotz der ruhigen See schnell vorbei. Das Schiff, dass der Verwalter mir überlassen hatte, fuhr so schnell, dass es das Wasser unter uns nur so durchschnitt. Das niederländische Schiff hatte keine Gelegenheit uns zu entkommen , erst recht nicht nachdem das Schiff mit einem Schuss aus unseren mit Metallschrott gefüllten Kanonen manövrierunfähig gemacht haben. So ausgebremst war es ein leichtes, das Schiff zu entern. Der Anblick der Abscheulichkeiten, aus denen die Mannschaft bestand, sorgte zum Glück dafür, dass die Feinde schnell aufgaben und wir nicht allzu viel Blut vergießen mussten. Der Verwalter ging mit mir unter Deck, um die magischen Relikte zu suchen, die transportiert werden sollten und auf die wir es abgesehen hatten. Seine Enttäuschung war groß, als beim durchsuchen der Kisten mit Pelzen, Bernstein und Getreide, zwar erhoffte Schätze gefunden wurden, aber nicht hielten, was man sich versprochen hatte. Ein magischer Topf, der unendliche Mengen Sauerkraut erschaffen kann, der Pelz eines magischen Bären und ein Fuchspelzschal, der dem Träger Fuchsohren und einen Schweif verleiht, entsprach jetzt nicht grade den Erwartungen. Wer würde diesen Plunder haben wollen? Ich befahl den Männern mitzunehmen, was wir brauchen konnten, allem voran das Getreide für die Vorräte. Auch einige begabte Männer von den Feinden wurden genommen, um als Verstärkung für unsere Mannschaft zu dienen. Ich beobachtete, wie der Verwalter die restlichen Männer dazu zwang, einen violett-schimmernden Trank zu sich zu nehmen. Auf die Frage, was er ihnen da verabreichte, meinte er, dieser Trank würde den Männern die Erinnerungen an alles was passiert sei rauben. Es wäre zu riskant, die Männer an Land zu lassen, um von uns zu erzählen und das Abfackeln des Schiffes samt Mannschaft wäre zu riskant und unverhältnismäßig aufsehenerregend. Er meint, sobald ich das Schiff alleine kommandieren würde, würde ich reichlich von dem Trank Gebrauch machen müssen. Es erleichtert zumindest etwas mein Gewissen, dass das Töten nicht so ausarten müsse, wie ich befürchtet habe, da es einen Ausweg gibt, eine Alternative zum Morden.“
12. November
„Die erste Kaperfahrt verlief nicht so gut, wie ich es erhofft hatte. Während unserer Fahrt merkten wir, dass wir von drei Linienschiffe der Niederländer verfolgt wurden. Unser Schiff war schnell, doch die Schiffe unserer Feinde hatten es auf uns abgesehen und holten immer mehr auf. Wenn sie uns eingeholt und das Kanonenfeuer eröffnet hätten, wäre meine erste Kaperfahrt auch die letzte gewesen. Und ich hätte mein brennendes Schiff einfach untergehen sehen, sofern ich nicht vorher getötet worden wäre. Mir schlug das Herz rasend schnell vor Aufregung. Wir kamen unserer Heimat näher und ich fürchtete, dass der Feind auch die Insel und ihre Bewohner angreifen würden. Ich wollte den Befehl geben, den Kurs zu ändern, so dass zumindest unsere Familien sicher sein würden, doch der Verwalter hielt mich mit einer schon fast unheimlichen Ruhe zurück. Er fragte, ob wir die Runen dabei hätten, die er jedem von uns gegeben hatte und die jeder von uns stets bei sich tragen sollte. Ich wusste nicht zu welchem Zweck, doch ich vertraute dem Verwalter und wies die Männer an, dass jeder seine Runen bereithalten und den Kurs halten sollte. Es waren nur noch wenige Seemeilen, bis wir die Heimat Insel erreichen würden, da tauchte in der Ferne ein dichter, undurchdringbar wirkender Nebel auf. Der Verwalter wies daraufhin an, unbeirrt drauf zu halten und durch diesen zu fahren. Niemandem sollte etwas geschehen. Wir fuhren durch die undurchdringbar wirkende Masse, während hinter uns die ersten Kanonen abgefeuert wurden. Ich weiß nicht, wieso, aber selbst als ich nichts mehr sehen konnte, wussten wir genau, wohin wir fahren mussten. Auch wenn unsere Augen nichts wahr nehmen konnten. Als wir den Nebel durchquert hatten, sahen wir den Hafen unserer kleinen Insel, an dem die Bewohner schon standen und uns voller Aufregung erwarteten. Ich wollte Alarm schlagen, dass sie alle fliehen und sich in ihren Häusern verstecken sollten, um den kommenden Angriff abzuwarten, doch merkte ich, dass die Kanonen des Feindes schwiegen. Ich drehte mich um und sah zwar die Nebelwand, doch sah keinen unserer Feinde passieren, obwohl sie uns dicht auf den Fersen gewesen waren. Ich fragte den Verwalter, welch Hexenwerk er da betrieben hätte. Er lachte nur und erklärte mir, dass dies ein Ritual gewesen sei, welches er vor unserer Abreise vorbereitet hätte. Der Nebel wäre unser bester Freund und solange wir die Runen besaßen und bei uns führten, würde kein Feind je die Insel erreichen. Sie würden durch den Nebel fahren und einfach auf der anderen Seite herauskommen, ohne unsere Insel überhaupt zu sehen oder gar berühren zu können. Welch ein Hexenwerk! Ich denke, ich werde mich mehr damit mehr befassen, wenn die Gelegenheit sich bieten würde.“
16. Dezember
„Im Dorf herrscht eine Spannung, die droht, das Leben zu spalten. Die einen akzeptierten wie ich unser Schicksal, dass wir nun selbst Unterstützer von Verbrechern sind und versuchen, mit den Piraten das Beste zu machen. Wir bauten unseren Hafen aus und neue Hütten auf mit dem, was wir von den letzten Kaperfahrten und durch den Handel an den Küsten erwerben konnten. Auch wenn wir langsam auch das Gute darin sahen und immer mehr sich für uns entschieden, gab es noch immer die Dörfler, die den Piraten misstrauten und sich weigerten, sie zu unterstützen. Unter anderem meine Ilsebill, die nur mir zur Seite steht, weil sie meine Frau ist und mir sowohl in guten wie auch in schlechten Tagen die Treue geschworen hat. Es tauchten auch erste falsche Gerüchte auf, dass die Mannschaft beschworene Kreaturen aus der Hölle sind, dass sie Kinder fressen, Unzucht mit den Schafen trieben oder ein größerer Fluch als die Seuche wären.“
„Ich fragte dem Verwalter, was zu tun sei, vielleicht könnte er Magie einsetzen, um die Gemüter zu beruhigen. Doch er erwiderte, dass es an mir als Kapitän liege, für Recht und Ordnung zu sorgen. Ich sollte nicht nur Lob, sondern auch Strafen aussprechen. Ich sollte Vertrauen schaffen. Ich bin derjenige, zu dem alle aufsehen müssen. Ich habe mir darüber Gedanken gemacht und werde wohl ein neues Gesetz erlassen müssen: Einen Vertrag mit Bedingungen, den alle unterschreiben müssen und der den Frieden zwischen allen gewähren soll. Ich hoffe nur, ich werde nicht gezwungen sein, jene zu strafen, die sich weigern, ihn zu unterzeichnen. Wäre Frieden nur einfach und selbstverständlich. Und ich nicht dafür verantwortlich ihn zu wahren.“
12. Februar
„Der Verwalter lebt nun schon seit drei Monaten in der Hütte, in der einst die Vettel lebte, die für unser Übel und Leid verantwortlich war. Er verschanzte sich regelrecht darin. Ab und an bekamen wir ihn aber zu Gesicht. Meist forderte er dann bestimmte Gegenstände und Werkzeuge an, die er für sein Heim benötigte, doch bisher hat er niemanden in sein neues Heim hinein gelassen, will wohl alles alleine machen. Aber wir versuchen seine Eigenheiten zu respektieren. Natürlich keimte in mir der Verdacht, dass es so enden würde wie bei der Hexe, wahrscheinlich sogar noch schlimmer, da er mir wie einer scheint, der immer noch was drauf setzen muss um sich abzuheben vom Durchschnitt."
"An diesem Tag jedoch bat er mich in sein „beschauliches Heim“, um einen Blick hinein zu werfen. Nur ich alleine dürfte eintreten, da er mir vertraute. Als ich in das Haus eintrat, erschrak ich über die Größe, die das Innere hatte. Bestimmt zehnmal mehr, als das Haus von außen maß. Seine Antwort, dass dies das Werk von einem Kobold sei, den er mit sich geführt hätte, war schon fast banal im Vergleich zu anderen magischen Dingen. Die Einrichtung war wirr, bunt und voll gestellt mit Dingen, die mein Verstand nicht begreifen konnte. Zig Reihen voll von Gläsern, durch die buntes Wasser floss. Wände voller Karten, Stapel mit Rollen und Zeichnungen, mehr als man normalerweise in einem Leben lesen könnte. Es gab Käfige mit sonderbaren Kreaturen. Sammlungen von Runen. Mein Kopf drehte sich. Statt zu helfen, schickte mich der Verwalter nach draußen, um wieder meinen Verstand zu finden.
Wer oder was ist dieser Mann? Und was will er bei uns? Wo er doch so sonderbar und anders als wir Normale daher kommt…“
29. Februar
„An diesem Morgen sah ich den Verwalter, in Begleitung des Schäfers Rogar, wie er einen schweren, großen, widerlich riechenden Leinensack hinter sich her schleifte. Bevor ich fragen konnte, was das alles sollte, winkte der Verwalter mich zu sich, damit ich den beiden zu den Möwenklippen folgen sollte. Ich warnte ihn, dorthin zu gehen. Es war schon immer ein zugiger, kalter und schroffer Ort gewesen, wo der Boden selbst für Gras zu unfruchtbar war. Wo nur die Möwen lebten, da es schon damals zu gefährlich war, die steilen, vom Sturm gepeinigten Klippen zu besteigen. Doch er bestand darauf, dass ich ihnen folge, da er was besonderes entdeckt hätte, was nützlich sein könnte.“
An den Klippen gab er Rogar und mir alte, verschlissene Leinenmäntel, die einen widerlichen Geruch ähnlich dem des Sacks von sich gaben. Ich konnte es nicht einordnen, aber es stank schlimmer als der Wal, der einmal an unserem Strand verendete und durch die Hitze zunehmend verweste. Der Verwalter meinte, dies sei seine spezielle Mischung und die Anweisung, sie anzuziehen, ehe er sich selbst einen Mantel anlegte. Ich sah schon meine Frau von mir, die mich später fluchend nach draußen jagen würde, mit Zuber, kalten Wasser und Bürste für die nächsten Stunden, um mich abzuschrubben und meine Kleidung zu verbrennen, um diesen Gestank los zu werden. Mühselig kämpften wir unseren Weg über die Klippen, an Seile und die Felsen klammernd, jeden Schritt bedacht, auf dass wir nicht hinabstürzen würden.
Oben an der Spitze angekommen kreisten die Möwen, wie die Boten des Todes, über unsere Köpfe. Der Verwalter gab Rogar die Anweisung, den Sack in der Mitte aufzustellen, ehe er uns anwies, in Deckung zu gehen. Als wir in sicherer Distanz waren, öffnete er den Sack und zog hin hastig vom dem töten Schaf, welches sich in diesem befand. Eiligst rannte er zurück zu uns, ehe der Himmel über uns sich schwarz färbte. Doch es waren keine Wolken. Es waren die Möwen, deren ohrenbetäubendes Geschrei die Luft erfüllte. Mit lautem Kreischen flogen die Kreaturen auf den Kadaver und zerfetzten ihn in einem wahren Anfall von Blutrausch. Es war ein Anblick des Entsetzens, den ich bestimmt nie vergessen werde. Und alleine diese Gier, dieser Akt von Grausamkeit, hätte mich fast davon abgelenkt, was ich an den einzelnen Tieren erkennen konnte. Einige dieser Möwen, nein, Kreaturen aus dem Abgrund der Meereshölle, waren entstellte Monster. Ich sah Tiere mit fast menschlichen Augen, ich sah welche mit Zähnen, zusätzlichen Krallen, Schuppen, zwei zusätzlichen Flügeln. Mir blieb die Luft weg, als mich die Panik und Furcht fast übermannte dem zitternden Rogar schien es ebenso zu gehen. Entsetzt sahen wir dem Schauspiel zu, bis die Wolke aus Federn und Schnäbeln unter stetem Geschreie sich wieder auflöste, während einzelne dieser Kreaturen die letzten Fleischfasern von den Knochen zerrten oder versuchten, die Knochen zu zerbrechen.
Wir waren wie betäubt, wohin gegen der Verwalter ein breites Grinsen im Gesicht trug, als ob eines seiner verrückten Experimente geklappt hätte. Er hatte die Tiere schon damals bemerkt, als die Seuche die Insel befiel. Die Tiere hätten dieses Verhalten und ihre Verwandlungen durch den Konsum des von Thaumaturgie verseuchten Fleisches und Fisches begünstigt bekommen. Wir haben Glück, dass irgendwas die Tiere an den Klippen und auf dem Meer hält, sonst hätten sie längst alles Leben auf der Insel ausgelöscht. Die Mäntel verhinderten, dass sie uns irgendwelche Aufmerksamkeit schenkten. Ich war dankbar für den stinkenden Lumpen, auch wenn ich den Gestank bestimmt noch wochenlang in der Nase haben werde.
Ich schlug vor, dass wir die Klippen in Flammen setzen und diese Monster erschlagen, doch er schien eine bessere Idee zu haben. Solange diese Kreaturen auf den Klippen blieben, wären sie eh keine Gefahr und man könnte sie auch zu unserem Vorteil nutzen. Vor zwei Tagen hatte er einen unserer Männer dabei erwischt, wie er versuchte, mit Würfelspielen die anderen Männer um ihren Lohn zu prellen, eine Tat die unter Piraten mit dem Tode geahndet wird. Er ist mit ihm auf die Klippen gestiegen, wo die Möwen ihn innerhalb weniger Minuten vertilgt haben. Wie als Beweis hob er einen menschlichen Schädel hoch, der unter dem Möwenkot begraben lag. Er bat um Entschuldigung, dass er mich nicht darüber in Kenntnis gesetzt habe, aber dies sei der ideale Ort für Hinrichtungen und die Beseitigung von Leichen, das müsse ich doch zu geben und einsehen, denn: „Die Natur nimmt, die Natur gibt“, wie es so schön heiße. Auch der Leib der Hexe fand hier seinen Weg zurück in den ewigen Kreislauf. Mir war zu übel, um darüber nachzudenken, und dies lag nicht zwangsweise nur an den stinkenden Mänteln und all der Gewalt.
Ich denke, ein Bad im kalten Zuber und die grobe Bürste wird mir helfen, meinen Verstand wieder klar zu bekommen.“
28. Mai
„An diesen Abend wollte der Verwalter uns ein zweites Schiff zeigen, dass er dank unserer letzten Raubzüge erschaffen hatte. So war die Überraschung groß, als am Vormittag eine Parodie einer Schaluppe am Pier angelegt wurde. Eine schwimmende Nussschale, zerschossen und verfallend, dass es ein Wunder war, dass sie überhaupt noch schwimmen konnte. Wahrscheinlich würde es nicht einmal den nächsten Sturm überlegen. Der Verwalter war nirgendwo zu sehen. Ich dachte, er versteckte sich aus Scham. So wand ich mich davon ab, mich fragend, was er damit bezwecken wollte. Ich ahnte noch nicht, dass dies nicht das war, was er zeigen wollte.
Am frühen Abend, als die Nacht langsam hereinbrach, donnerte die Alarmglocke, die das gesamte Dorf an den Pier führte und in die Ferne blicken liess, als die Spitze einer schwarzen Brigantine sich durch den dichten Nebelschleier zog. Der Schiffskörper schimmerte wie glänzendes Eisen, als es durch das windige Meer schnitt und sich dem Pier mit schneller Geschwindigkeit näherte. Das Ziel war die Nussschale. Die Nussschale würde den Angriff nicht überstehen, das war klar, doch das neue Schiff würde ebenfalls zu schaden kommen, wenn es nicht anhielte. Erstaunt sahen wir mit an, wie sich der Körper der Brigantine in eine andere, hölzerne Form verwandelte und sich stattdessen hunderte von Mündern mit Zähnen und Zungen bildeten; direkt sogar ein Maul, dass dem eines Wals würdig wäre. Wir sahen nur noch, wie das riesige Schiff aus der Hölle die Nussschale rammte und die Münder mit lautem, gierigen schmatzen und kauen und berstenden Krachen es verschlangen, so wie die Möwen die Körper unserer Verurteilten. Als die letzten Überreste der Nussschale entweder verschlungen oder ausgespuckt worden waren und im Meer versanken, ankerte das Schiff am Pier und der Verwalter schaute mit stolz geschwellter Brust und einem breiten Grinsen auf uns hinab. Er stellte das Monstrum als die „Indoome“ vor, unser neuestes Schiff. In diesem Moment wusste ich schon, wovon die heutigen Alpträume handeln würden…“
7. Juni
„Wie die „Indoome“ es nach Holz lechzte, so lechzte es meiner Mannschaft, das neue Schiff endlich einweihen zu können. So war es ein Glück, dass Gerüchten zufolge ein anderes Piratenschiff ganz in unserer Nähe seine Raubzüge durchzog. Und deren Kapitän soll eine magische Waffe besitzen, die wir unbedingt in unseren Besitz bringen sollten. Auch wenn man behauptete, dass die Ehre es erbietet, dass keine Piraten andere Piraten überfallen dürften, war unser Ziel von noblerer Natur, als der Überfall auf kleine, wehrlose Handelsschiffe für einige Kisten mit Pelze und Schmuck.
Die Nacht war unser Verbündeter, als wir unweit unserer Insel das feindliche Schiff ausmachen konnten. Noch ehe die Feinde reagierten konnten schossen unsere Kanonen den Metallschrott, welcher die Segel der feindlichen Schaluppe zerrissen und die Feinde in Panik versetzten. Unser Schiff rammte es zur Seite und mit einem lauten „Spis fienden“ begann die „Indoome“, sich durch das Holz zu fressen, wie eine Raupe durch ein Blatt. Als ob dies nicht schon genug Schrecken für sie war, sprang meine Mannschaft ebenfalls hinüber, deren abscheuliche Gestalten die überraschten Feinde in Panik versetzten.
Es wäre schon fast zu einfach gewesen, wenn der feindliche Kapitän nicht aufs Deck gekommen wäre. Ein rauer Kerl, wahrscheinlich doppelt so alt wie ich, mit düsterer Miene und vernarbten Gesicht. Doch der wahre Schrecken war in seiner Hand: Ein Entermesser, das wenn er es schwang nicht das typische metallische Zischen vom Schneiden des Windes von sich gab, sondern das Geheul hunderter gequälter Seelen, als ob es der Seelenfänger persönlich wäre. Meine Männer schreckten zurück, angesicht dieses Jaulens aus der Hölle und der Kapitän schien die Kampfkraft von 100 Mann zu haben, als er alleine mit seinem Säbel durch die Körper von vier Männern schnitt und es zweien durch die Brust ins Herz jagte ohne auch nur den Hauch von Anstrengung. Erschreckend war, wie ich glaubte, das schmerzerfüllte Jaulen mir nur zu gut bekannter Stimmen durch die Klinge zu hören, als diese Höllenwaffe weiter umher wirbelte.
Und doch war auch er nur ein einfacher Mann. Rasch und instinktiv zog ich meine Donnerbüchse, als er die Waffe zum Schlag ausholen wollte und schoss ihm in den Bauch, so dass er nach hinten flog und seine Waffe dabei fallen ließ. Rasch entnahm ich ihm die Waffe und rammte sie in sein Herz. Welch Ironie, dass nun sein gequältes Jaulen für immer aus seinem Entermesser kommen würde.
Als ihr als unbesiegbar Kapitän getötet wurde und ihr Schiff zu sinken begann, ergaben sich die noch lebenden Feinde freiwillig. Wir luden die Überlebenden auf, während ihr Schiff von der wilden See verschlungen wurde. Sie hätten später die Wahl, wie sie enden würden: Als Teil unserer Crew oder als Futter für die Möwen.“
8. August
„Während einer Fahrt nahe der Insel von Trischen sahen die Männer in der Ferne einen jungen Burschen, kaum älter als 8 Jahre, der auf allen Vieren humpelnd den Strand entlang lief. Zunächst dachten wir, es wäre ein Schiffbrüchiger oder ein ungeliebtes Kind, dass von seiner Familie verstoßen wurde. Doch als das Schiff sich näherte und wir den Anker vor dem Strand gesetzt hatten, sahen wir, dass der Junge eine absonderliche Missgeburt war. Als er sich vorsichtig näherte und uns neugierig beobachtete, nahmen wir seine schmale, schon fast dürre Gestalt mit den weißblonden struppeligen Haaren und den schwarzen, großen Augen in Augenschein. Statt Händen und Füßen hatte es so was wie die Flossen eines Seehundes und in seinem Mund waren Reihen von spitzen, stromlinienförmigen Zähnen. Ich gab den Befehl, den Jungen lebend zu fangen und auf das Schiff zu bringen. Der Junge versuchte davon zu laufen, als die Männer ihm mit lautem Gejaule und Brüllen hinterherjagten, doch seine Flossen waren nicht für den Landgang gedacht und so hatte er keine Chance zu fliehen. Rasch hatten die Männer ein Netz auf den Jungen geworfen und brachten ihn erst so zu Fall und dann an Bord. Ich befragte ihn oder besser versuchte es, ich wollte wissen, wer er sei. Doch nur einzelne Worte ohne Sinn und Verstand kamen aus ihm heraus. Die Befragung war also sinnlos, aber vielleicht wüsste der Verwalter ja Rat und könnte sagen, was für eine Kreatur dies sei und ob man was mit ihm anfangen könne.“
11. August
„Der Verwalter hat den Robbenjungen genauer untersucht. Seine mangelnde Faszination und sein schon gelangweiltes Verhalten verriet mir, dass der Bursche nicht das ist, was er unter „großer Beute“ verstand. Der Junge sei einfach nur eine Missgeburt gewesen, wie ein Großteil der Leute, die er damals ins Dorf mitgebracht hatte. Wahrscheinlich hatte einer der Eltern Kontakt mit magischen Objekten gehabt oder die Mutter hat Untrieb mit einem Seehund gehabt und dabei schwanger geworden. Das waren seine Theorien, doch er wusste nicht, welche wirklich stimmte. Aber eigentlich schien es ihm auch relativ egal zu sein. Der Junge selbst sprach gebrochen und eher schlecht dänisch, was mich vermuten lässt, dass er irgendwo von dort aus stammen müsste. Er erzählte, dass er irgendwo an der Küste allein mit seiner Mutter lebte, bis böse Männer kamen, die seine Mutter als „Hexe“ bezeichneten und sie davonjagten. Er konnte ins Meer entkommen und strandete irgendwann auf der Insel, auf der wir ihn vorgefunden hatten. Was aus seiner Mutter wurde weiß er nicht. Auch wenn es sich nicht für einen Piratenkapitän gehört, Mitleid zu zeigen, so spürte ich eine gewisse Verbundenheit zu dem Jungen, der vermutlich Waise war und mich so sehr an meinen verstorbenen Sohn Hajo erinnerte. Jetzt nicht optisch, aber vom Wesen her. Ich beschloss, den Jungen zu adoptieren. Meine Frau war von dem Gedanken nicht angetan, den jungen Phillip in unsere Familie aufzunehmen, doch schwieg sie und akzeptierte meine Entscheidung. Ich glaube, dass sich Ihre Einstellung zu ihm ändern wird, sobald sie ihn näher kennengelernt hat.“
31. Oktober
„Wir hatten endlich das Monster gefunden, welches sich Gerüchten zufolge entlang der norwegischen Küste entlang bewegt. Unser Schiff verfolgte den gewaltigen weißen Berg, der sich schätzungsweise mit 15 Knoten durch die Wellen pflügte schon eine Weile. Erst dachten wir, es wäre ein riesiger weißer Wal, doch dafür bewegte sich die Kreatur viel zu gerade voran. Erst als wir näher kamen, sahen wir die stammähnlichen Gebilde, die seitlich aus dem Körper ragten und sich als riesige, taudicke Haare herausstellten. Als sein Kopf aus dem Meer gehoben wurde und wir die tiefen, blauen Augen sahen, wussten wir, dass es ein gewaltiger Riese war, der durch das tiefe Meer schritt. Es war unsere Aufgabe, ihn aufzuhalten. Dafür waren wir hier.
Wir fuhren seitlich an und verpassten dem Geschöpf eine Breitseite, doch es schien dies nicht einmal zu merken. Wahrscheinlich war die Haut zu dick oder etwas Magisches verhinderte eine Verletzung, so dass die Kugeln zu ihm nicht durchdringen konnten. Rasch gab ich den Befehl, dass die besonderen blauen Kugeln geladen werden sollten, während wir versuchten, die Position mit dem Monster aufrecht zu halten. Die Kanonen wurden geladen und ich gab dem Befehl zum Feuern. Mit lautem Donner und einem blauen Strahl flogen die Kugeln gegen die Schläfen des Riesen, welche sogleich ihre Wirkung zeigten und sich durch den Schädel der Abnormalität bohrten. Das Blut schoss dem Geschöpf heraus, solange sein Kopf aus dem Wasser ragte und es brüllte ohrenbetäubend laut auf vor Schmerz. Sein gewaltiger Arm ragte aus den Fluten und schlug in unsere Richtung. Einem gefällten Baum gleich stürzte der Arm auf uns herab, dass wir nur mit knapper Not diesem entkamen und wir kämpfen mussten, um von der entstandenen Welle nicht zerschmettert zu werden. Drei unserer Männer schafften es nicht und wurden von den Wellen verschlungen. Die Schreie der Bestie waren wahrscheinlich noch bis zu den Küsten zu hören, bis sich die Augen des Ungetüms nach oben rollten und dann für immer schlossen. Langsam sank der leblose Körper vor uns ins Meer und färbte das Wasser über Meilen hinweg blutrot. Die Mannschaft jubelte über ihre erfolgreiche Jagd und den Sieg über den Koloss. Doch mir blutete das Herz, ich hatte keine Wahl, war ich doch zur Jagd angehalten worden. Eigentlich sollte auch ich mich freuen, dass sie geglückt war, doch ich bedauerte, nie erfahren zu können, was für ein Wesen das war und woher es kam.“
13. Dezember
„In dieser Nacht trafen wir unweit des Hafens von Portsmouth einen Geschäftspartner des Verwalters, mit dem er angeblich schon viele Jahre gute Verbindungen pflegte. Dem Verwalter waren laut eigener Aussage diese Geschäfte eher ein notwendiges Übel, als eine lukrative Einnahmequelle. Er würde lieber die ausgemusterten magischen Gegenstände behalten wollen, doch er bräuchte auch dringend Münzen zum Handeln und vor allem den Schutz vor der britischen Flotte, den sein Geschäftspartner uns garantieren kann, solange wir die Handelsbeziehungen aufrechterhalten können. Mitten in der Nacht sahen wir eine Schaluppe, die auf uns zusteuerte und nah an unserem Schiff anlegte. Ein unscheinbarer, dürrer Mann, der sich verdeckt hielt, kam an Bord, begrüßte den Verwalter und mich, und meinte ohne langen federlesens , er wolle die Dinge sehen, die wir ihm anbieten können. Es sträubte mich, einem mir Unbekannten magische Relikte zu überlassen, für die andere Länder in den Krieg ziehen würden, doch ich vertraute den Worten des Verwalters, der dies als notwendiges Übel sah. Der Mann inspizierte die Waren sowie die Liste, ehe er mir einen Beutel mit Goldmünzen zuwarf und seinen Männern anordnete, die Kiste an Bord seines Schiffes zu bringen und zwar pronto. Nach einer formellen Verabschiedung stieg der Mann wieder auf die Schaluppe und fuhr mit den magischen Gegenständen zurück nach Portsmouth. Das Gold, was wir bekommen hatten, war ein halbes Vermögen, aber ich frage mich, ob es dies wirklich wert war. Möglicherweise war es ein Fehler, dass wir ihm die magischen Gegenstände überlassen hatten, selbst wenn diese vergleichsweise nur nutzloser Plunder waren. Zumindest für uns, doch vielleicht wusste der andere mehr als wir. Dieser Lord Dark bleibt mir suspekt, doch was geschehen ist, ist geschehen…“
14. Februar
„Phillip hatte sich an das Leben in unserem Dorf gut eingelebt, auch wenn ich merkte, dass es für ihn nicht immer einfach war. Die Bewohner des alten Dorfes waren ihm gegenüber gespalten. Einige schätzten seine fröhliche, ehrliche und hilfsbereite Art oder zumindest taten sie so, da er mein Stiefsohn war. Andere, wie die alte Corvina, kamen immer wieder zu mir und beschwerten sich, dass der Lausbub ihr immer Streiche spielte, die Hühner verschreckte oder den Fischern immer den Fang klaute. Wahrscheinlich ist es immer noch die Ablehnung all jenen gegenüber, die nicht so sind wie sie, die sie zu solchen Lügen brachten.
Die wenigen anderen Kinder, die im Dorf lebten, schienen Phillip zu meiden, spotteten über ihn und ließen ihn nie spielen, außer wenn er das böse Monster sei, dass sie besiegen müssten. Ich hatte den Verwalter, der unsere neu errichtete Schule leitet, darum gebeten, sich darum zu kümmern, doch ich glaube, er hat andere Prioritäten.
Ich bin froh, dass er zumindest in der Mannschaft die Freunde hat, die ihm sonst fehlen. Die Männer lachen über seine stets fröhlich und unterhaltsame Art, sie feiern seine Tänze und lustigen Späße, im Gegenzug bringen sie ihm alles bei, was ein echter Seemann wissen muss. Auch wenn es mich doch sträubt, dass er mit einem so schlechten Einfluss zusammen ist. Da Schnaps, Tabak und Dirnen noch nicht seinem Alter entsprechen. Doch ich bin zuversichtlich, dass er ein guter Seemann wird. Vielleicht nehme ich ihn irgendwann als Schiffsjungen mit auf Kaperfahrt, so wie er mich immer darum anbettelt.
Ich vermute meine Frau ist daran auch nicht unschuldig. Auch wenn es mich schmerzt dies zu zugeben.
Das Problem ist das Verhalten meiner Frau, Ilsebill, die immer noch nicht akzeptieren will, dass Phillip unser gemeinsames Kind ist. Sie will einfach nicht einsehen, dass Hajo tot und Phillip unsere zweite Chance ist. Wenn wir zusammen speisen, sieht sie ihm immer angewidert dabei zu, als wäre er kein unschuldiges Kind, sondern der Grund für den Tod unseres Erstgeborenen. Sie meidet seine Gesellschaft, wann immer sie kann, so sehr er auch versuchte, ihre Liebe zu gewinnen. Sie scheint jeden Grund zu suchen, ihn zu schlagen, so wie gestern, als Phillip aus Versehen die Vase zerbrach, als er an den Blumen in ihr schnuppern wollte. Ich hoffe, dass sie irgendwann doch zur Vernunft kommt und Phillip ihr Herz erweichen kann.“
27. März
„Heute war der lang ersehnte Tag, an dem der Verwalter uns endlich unser drittes Schiff, die „Beschööle“, zeigen wollte. Laut seinen Angaben das“ unglaublichste Schiff „,dass wir bisher hatten, dementsprechend waren wir voll Vorfreude und schon sehr gespannt. Schon früh am Morgen eilten die Mannschaft und ich an den Hafen und warteten, um das gute Stück zusammen zu betrachten. Es war zunächst eine ziemliche Enttäuschung, als wir am Strand nur den Verwalter und die anderen beiden Schiffe sahen. Als ich den Verwalter fragte, wo es denn sei, unser neues Gefährt, grinste er nur und zog eine große Buddel aus seinem Mantel, in dem sich ein kleines Holzschiffchen befand. Natürlich fragte ich ihn, ob dies ein schlechter Scherz sei, und dass er wegen einer zugegebenermaßen kunstvollen, jedoch lächerlichen Bastelei nicht so einen Aufschrei machen könne. Er drückte mir die Flasche in die Hand, deutete an, dass ich zum Wasser gehen, die Öffnung Richtung Meer zeigen und dann den Korken herauszuziehen möge. Ich tat, wie mir geheißen, als ein unglaublich starker Wind aus der Flasche strömte. Einem Orkan gleich tobte zwischen meinen Händen eine unbändige Kraft, gegen die ich mich stemmen musste, um nicht davon geweht zu werden. Der Wind peitschte gnadenlos Sand in mein Gesicht und das der umliegenden. Als der Wind sich legte und ich blinzelnd meine Augen öffnete, sah ich direkt vor mir eine große Kriegsfregatte. Ein prachtvolles, majestätisches Schiff, noch größer und beeindruckender als die beiden anderen Schiffe daneben. Ich fand keine Worte, die es besser beschreiben konnten.
Der Verwalter erklärte, dass dieses Schiff die Gabe besaß, sich auf Befehl zu verkleinern und in die Flasche zurückkehren zu können, wenn man die Flasche wieder öffnete. Äußerst praktisch, will man seinen Feinden entkommen und das Schiff aus dem Sichtfeld zu nehmen, um keine unnötige Aufmerksamkeit im Hafen zu erregen.
Auch wenn ich den Verwalter schon so lange kenne, vergeht doch kaum ein Tag, an dem er es nicht schafft mich zu überraschen.“
16. Juli
„Die „Indoome“ kehrte nach mehrwöchiger Fahrt in die Ostsee zurück. Bis auf vier neue Gefangene, die sich der Mannschaft anschließen wollten, Pelze und Leinenstoffe aus Russland, Fässern mit eingelegtem Fisch und Schnaps, sowie Bernsteinschmuck war die Beute mehr was für die Moral der Mannschaft als etwas, was unseren Forschungen weiterhelfen könnte. Die Männer berichteten, davon, dass sie eine Woche lang einen Schweinswal mit den Armen eines Kraken entlang der dänischen Küste verfolgt hätten, der ihnen jedoch immer wieder geschwind entkam. Am neunten Tag sahen sie in der Ferne das Tier tot am Strand liegen, wo es von fünf Seehunden auf überraschend brutalste Art und Weise zerfleischt worden war. Die eigentlich sonst so friedlichen Tiere seien über den Kadaver hergefallen wie blutrünstige Wölfe und hätten sich in dessen Blut gewälzt. Die Männer hätten kurz überlegt, ob sie den Kadaver mitnehmen sollten, haben sich aber aus Angst vor den überraschend aggressiven Seehunden doch lieber dagegen entschieden. Ich muss noch überlegen, ob dies eine gute, vernünftige Entscheidung war oder ob ich die Männer dafür bestrafen sollte, dass sie sich keine Lösung haben einfallen lassen.“
14. September
„Jahre ist es her, seit die Insel eine Heimat für meine neuen Kameraden geworden ist. Ich muss noch immer über mich lachen, wie ich damals noch an der Idee zweifelte. Die kleine Fischersiedlung von einst ist inzwischen ein beschauliches Dorf, in dem endlich Frieden zwischen den alten Bewohnern und meinen Leuten herrscht. Dirk, der Sohn von Ada, der Hirtentochter und dem jungen Hauke ist schon richtig groß geworden und macht seine ersten Schritte. Aus ihm wird bestimmt ein ausgezeichneter Pirat,so wie sein Vater, das spüre ich. Und er wird bestimmt groß werden. Hier auf unserer Insel müssen wir keinen Hunger mehr fürchten. Die Laute bringt uns mehr Fisch, als wir essen können, der Walfang ist durch die Harpune eine Kleinigkeit und das Sauerkraut hält uns gesund und fit. Die Plünderungen bringen zusätzlich noch weiteren Wohlstand in unser Land und jedes Stück Magie, was wir finden, macht unsere Insel noch mächtiger. Einige der alten Bewohner vermissen es, die Weite des Meeres zu sehen, welche hinter dem Nebel für immer verborgen liegt. Doch ehrlich gesagt: Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wie es vorher war. Möchte es auch nicht.Ist mein neues Leben, unser aller Leben doch so viel rosiger als früher mit all dem Luxus im Vergleich zu früher. Und es ist nur ein kleiner Preis den wir zahlen, im Vergleich zu dem gewaltigen Dienst an der Menschheit, den wir mit unserer Aufgabe erfüllen: Dass alle Menschen des Meeres das Unbekannte und Magische nie wieder fürchten müssen.“
18. Oktober
„Heute war Phillips erster Tag als Schiffsjunge. Er darf mit mir, der Mannschaft und der „Stääkerhäid“ an die ostpreußische Küste fahren, an der laut Gerüchte Runenobjekte aus Russland verkauft werden. Er hatte sich schon seit Tagen darauf gefreut und sogar meine Frau schien endlich so etwas wie mütterliche Liebe zu zeigen, als sie Phillip ein großes Mahl zum Frühstück reichte: Ein ganzer geräucherter Kabeljau, sein Leibgericht. Auch wenn ich glaube, dass das Weib das nur tat, weil wir gestern wieder ein Streitgespräch hatten. Und auch wenn sie es nie wollte und es ihm immer wieder zeigte , so sah Phillip sie trotz allem als seine wahre Mutter an.
Bei der Abfahrt versammelte sich das ganze Dorf am Pier, um sich von uns zu verabschieden. Selbst jene, die Phillip nie akzeptieren wollten. Vielleicht waren sie auch nur heilfroh, dass er weg ist. Doch ich bin stolz, dass mein Sohn die Begeisterung der Seefahrt von mir hat, die ich selbst erst vor wenigen Jahren wirklich erkennen konnte. Ich war voll väterlichen Stolzes.
Phillip war begeistert und voll Enthusiasmus, auch dann noch als er feststellen musste, dass es seine Aufgabe an Bord war, das Deck zu schrubben. Er muss noch lernen, dass Sauberkeit die Aufgabe jedes Piraten ist.“
19. März
„Fast drei Jahre ist es her, dass ich der Kapitän einer Piratenbande wurde. Und mittlerweile glaube ich, nein, ich weiß, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war. Unser Dorf ist gewachsen, die einfachen Hütten aus Lehm, Holz und Stroh sind größtenteils zu Häusern aus bestem Holz und Stein gewichen, die jedem Wetter trotzen. Der kleine Steg, der früher unser ganzer Hafen war, ist nun ein richtiges Pier mit Trockendock. Der Anbau von Nahrung ist gut und reichhaltig geworden. Wir haben eine kleine Schule und ein Ärztehaus. In unseren Kammern lagert Reichtum und das Lager für die magische Forschung platzt schon fast über vor magischen Gegenständen und Käfigen mit abnomalen Kreaturen. Wir haben auch wieder einige Frauen mehr, die sich uns bei unseren Landgängen am Festland anschlossen, teils freiwillig, teils als Beute. Und das viele von ihnen selbst Verstoßene oder Anomale waren, erfreute die Mannschaft, deren männliche Impulse nicht mehr zu halten waren. Eine Erleichterung, dass wir nicht noch mehr Männer auf die Möwenfelsen schleppen müssen, weil sie ihre Triebe gegenüber den Dorfmädchen nicht mehr halten konnten und dafür bestraft werden müssen.
Die erste Konfontration mit ihnen, damals unter dem Mantel hängt mir noch immer im Gedächtnis fest, tief eingebrannt…“
24. April
„Heute hatte ich einen Streit mit meinem elenden Weib, kaum dass ich von der letzten Kaperfahrt mit großer Beute zurück kam und unser schickes Haus betrat. Sie beklagte sich, dass sie es angeblich nicht mehr aushält, wie es aktuell läuft, so könne es nicht weiter gehen. Dies sei nicht mehr das Dorf, in dem sie früher gerne gelebt hätte, indem sie mit mir leben und alt werden wollte. Sie vermisst die einfachen Zeiten, die wo sie noch nicht eine „Unterstützerin von Kriminellen“ war, wie sie behauptet. Dass sie immer mit der Angst lebte, dass ich eines Tages nicht mehr zurückkehren würde, nach Hause zu ihr und das die Sorgen sie auffressen würde innerlich, wenn ich wieder auf Kaperfahrt bin und ewig nicht nach Hause komme. Ich verstehe sie einfach nicht. Es geht uns doch besser als früher. Das was wir machen, ist zum Wohl unserer Gemeinschaft, nein, zum Wohle der ganzen nördlichen Meere! Ach was, der ganzen Welt! Wir verhindern, dass anderen Menschen an den Küsten das gleiche Schicksal erleiden, wie unser Dorf vor Jahren, als diese Seuche unser Dorf heimgesucht hatte. Wir sind keine Verbrecher! Wir schwimmen durch die dunkle See, damit andere am sicheren hellen Ufer leben können! Und sie soll doch gefälligst nicht klagen, wo für sie immer was abfällt. Vor ein paar Jahren nagten wir an Fischgräten, um zu überleben, nun hat sie Gold, Schmuck, Pelze, ein sicheres Heim und alles, wofür andere Frauen ihre Seele hergeben würden. Als ich ihr sagte, dass ich das für unsere Familie tue, schrie sie mich an, dass sie Phillip nie als ihr Kind sehen würde. Hajo ist ihr einziges Kind und würde es immer sein. Phillip wäre nur eine „Missgeburt“, die ich mitbrachte im Versuche, unseren Hajo zu ersetzen und damit sie jemandes Gesellschaft hätte, wenn ich mich rumtriebe. Da hat sie sich eine gefangen für, das erste Mal in meinem Leben, hab ich die Hand gegen eine Frau erhoben. Dieses undankbare, elende Weibsbild hat es aber auch provoziert! Ich hoffe, meine Hand war schmerzhaft genug, damit sie die Lektion gelernt hat, in Zukunft nicht mehr so mit mir zu reden. Verheiratete Leute sollten sich nicht gegenseitig so angehen. Im Nachgang denke ich, tat es uns beiden weh und leid…“
26. April
„Meine geliebte Frau, Ilsebill Crommenigge, geboren als Kuttleborn, ist in der letzten Nacht von uns gegangen. Am frühen Morgen war sie nicht in ihrem Bett gewesen. Ich habe sie im ganzen Dorf gesucht, doch niemand hatte sie gesehen. Krank vor Sorge konnte ich an nichts anderes denken, bis der Verwalter an der Tür erschien. Seine Kleidung war teilweise zerfetzt gewesen, er atmete schwer und schien verletzt zu sein. In seiner rechten Hand hielt er einen menschlichen Schädel, mit zertrümmerter Schädeldecke an dem noch immer etwas Blut, einige Fetzen Fleisch und Reste von Haaren samt Kopfhaut waren, und eine Bernsteinkette, die sich in den langen, verzottelten Haaren verfangen hatte. Die Kette erkannte ich sofort, denn ich hatte sie einst meiner geliebten Ilsebill. Der Schrecken, der augenblicklich durch meinen Körper jagte, da ich instinktiv wusste, was passiert war, zwang mich voll Ungläubigkeit in die Knie. Der Verwalter berichtete, dass er in der Nacht Ilsebill gesehen hatte, wie sie zu den Möwenklippen rannte. Er vermutete, dass sie sich ihr Leben nehmen wollte, weil sie das Leben, welches sie mit mir hatte, nicht mehr ertragen könne. Er bedauerte, dass er nur den Schädel und die Kette hatte retten können, bevor die Möwen ihn ebenfalls angriffen. Weshalb eine bläuliche, dickflüssige Flüssigkeit, ähnlich Blut an ihm herab lief.Oh, was war ich für ein Narr gewesen! Meine geliebte Ilsebill! Warum war ich so dumm? Warum war ich so zu ihr, warum konnten wir keinen Kompromiss finden, mein Gott. Warum ist der Herrgott so grausam?“
22. Mai
„Die Plünderung und Zerstörung dieser lächerlichen Insel-Druidensiedlung war schon fast zu einfach gewesen, obwohl sie sich so sehr auf ihre alten Wikinger-Traditionen verließen. Die magischen Klippen, die ihre Siedlung beschützen sollten, brachen durch den Beschuss unserer blauen Kugeln zu Schotter in sich zusammen und die fünf Männer, die sich uns in den Weg stellten, kämpften zwar tapfer und töteten bei der Schlacht zwar dreizehn unserer Leute, doch am Ende waren wir siegreich, als ihre Herzen gnadenlos mit Donnerbüchsen-Schrot vollgepumpt und ihre Köpfe von unseren Entermessern abgetrennt worden waren. diesen Tag sollte keiner von ihnen überleben. Die Männer plünderten und brandschatzten, wie die Vorfahren dieser Druiden es früher in ihren Legenden und Sagen taten. Keine zwei Stunden später waren wir wieder auf der Rückfahrt, mit reicher Beute an rituellen Gegenständen und Nahrungsvorräten, fröhlich singend, während hinter uns die Insel abbrannte und nur noch karge, kahle und verkohlte Felsen von diese Heiden zurück bleiben würden.“
26. Mai
„Der Verwalter war erbost, als wir am Abend am Hafen ankamen und ich ihn von der kleinen Inselplünderung vor einigen Tagen erzählte. Trotz der Tatsache, dass die Beute an rituellen Gegenständen groß war und wir die Meere vor den Druiden beschützt haben, war er erzürnt, dass wir die Siedlung abgefackelt und die Bewohner getötet hätten, ohne etwas übrig gelassen zu haben. So viel wichtiges Wissen ging durch uns für immer verloren. Die rituellen Gegenstände wären nutzlos ohne das Wissen, wie man sie einsetzte, nicht alles könnte man selbst erproben oder durch Zufall herausfinden.
Ich war sauer, bar dieser ungerechtfertigten Schellte. Als ob diese primitiven Naturgötternutten uns noch irgendwas Wertvolles hätten bieten können außer den mitgenommenen Schätzen. Dann behauptete er noch frech, dass ich mich zu sehr von meinen Gefühlen hab leiten lassen. Ich würde meiner geliebten Ilsebill noch immer hinterher trauern und diese Trauer in purer Wut und Lust an Zerstörung ausleben. Ich müsste meine Gefühle und Emotionen unter Kontrolle bringen, sonst würde ich meiner Aufgabe nicht gerecht werden können. Wie konnte der Verwalter es wagen, ich beherrschte meine Rolle perfekt. Angeblich seien Gefühle mein schlimmster Feind und hinderlich für die große Mission, die Menschheit vor dem Unbekannten zu wahren. Welch ein Narr! Ich mache diese Berufung schon seit Jahren. Ich weiß verdammt nochmal sehr gut, was ich tun muss und was nicht! Dafür brauche ich niemanden mehr, der mich bevormundet wie ein kleines Kind!“
23. Juni
„Die letzten Eroberungen waren ein voller Erfolg, dass wir uns einen kleinen Landgang in Petten erlaubten. Die Fregatte aus Frankreich, die unser Ziel werden soll, würde erst in ein paar Tagen vorbeifahren. Mehr als genug Zeit, um uns ein wenig zu amüsieren.
Der Wirt des Gasthauses schaute überrascht, als er wohl die größte Menge an Kundschaft vor sich fand, die er je gesehen hatte. Wir feierten wild und fleißig, tranken ein Fass Met nach dem anderen leer und sagen alte Seemannslieder in Gedenken an unsere Gefallenen. Die Gäste starrten uns an, wahrscheinlich hatten sie noch nie solche besondere Männer wie meine gesehen. Doch sollten sie doch starren. Ihr Dorf würde brennen, wenn sie Streit suchen würden.
Mit uns saß ein junger Mann, in Marinekleidung und mit einem britischen Akzent, der dem Wirt anbettelte, ihm etwas zu trinken zu geben auch wenn er nicht das Geld hätte, um seine Rechnung zu begleichen. Ich lachte ihn aus. Ein Mann der Marine, arm wie ein Bettelknabe? Erbärmlich. Er hätte Pirat werden sollen! Ich war so großzügig, zog meinen Geldbeutel hervor und warf ihm einige Münzen vor die Füße, dass er damit seine Rechnungen bezahlen könnte. Ich bot ihm an, ein Teil meiner Mannschaft zu werden, doch er sah mich nur angewidert an und sprach, dass er nie einer Bande von widerlichen Kreaturen dienen würde, besonders nicht so dreckigen Piraten, wie wir es wären! Ich habe daraufhin den Lümmel gepackt, ihm gesagt, dass er sich nie wieder so über meine Leute lustig machen soll, ehe ich ihm einen dicken Rülpser ins Gesicht blies und ihn zu Boden stieß. Meine Leute lachten, als der kleine Seemann sich nicht traute, mich zurück zu schlagen, obwohl ich seine Ehre verletzt hatte. Er legte nur das Geld auf den Tresen, nahm das Glas und verließ mit britischen Fluchworten den Gasthof. Erbärmlich, was die britische Marine für Schwächlinge einstellt. Da ist die kleine rothaarige Dirne, mit der ich diesen Abend etwas Spaß haben werde, noch männlicher.“
1. Juli
„Der heutige Tag ist ein Tag der Trauer. Unser letzter Angriff auf die französische Fregatte kurz vor den Niederlanden, welche unter anderem wertvolle magische Schätze an die ostpreußische Küste bringen sollte, wurde von drei verdammten britischen Schonern vereitelten, die direkt das Feuer eröffneten, als wir ihrer Meinung nach zu nah ran kamen. Wir versuchten zu fliehen und es schien, als ob es und gelingen könnte, doch wie aus dem Nichts tauchte ein viertes Schiff auf, dass uns von der Seite angriff. Wir wendeten und hielten zum Angriff darauf zu und rammten den Störenfried. Es gab einen mächtigen Rums, der beiden Schiffen zusetzte. Die anderen erwischte es aber härter, so stark, dass sie manövrierunfähig waren und wir das Schiff schnell enterten, um den Briten ein Zeichen zu setzen. Das Schiff wurde im Kampf erobert, die Gegner entwaffnet und die Waffen sichergestellt. Doch es ging nicht ohne Verluste, die Opferzahl war groß. Mindestens 12 Mann verloren ihr Leben, doch ereilte mich der Schrecken, als ich sah, dass Phillip unter den Opfern war. Mein Sohn ist tot, gestorben durch die Kugeln eines britischen feigen Bastards, der sich selbst den Kapitän nennt. Nach dem Moment des Schrecks und der Trauer, kam die Wut und der Wunsch nach Rache. Der Tod meines Sohnes würde nicht ungesühnt bleiben. Mein Auftreten schien Eindruck zu machen. Sowohl meine Männer als auch die gefesselten Feinde zuckten angstvoll, wenn ich sie anschaute und mich beim Auf und Ablaufen ihnen näherte. Ich blieb vorm anderen Kapitän stehen, thronte über ihm auf und starrte ihm finster ins Gesicht. Der Mörder meines Sohnes bat mich winselnd, ihn und seine Mannschaft zu verschonen. Meine Antwort kam prompt, ohne lange nachzudenken und war eine Kugel zwischen die Augen. Vor den Augen seiner ganzen Mannschaft, die nacheinander jeder das gleiche Schicksal erlitt.
Ich nahm meinen Sohn in die Arme und brachte ihn persönlich auf unser Schiff, mein Herz blutete, so wie Philips Körper blutete. Ich konnte nicht zurück, war nicht bereit mein Kind allein am Boden liegend zurück zu lassen, also rief ich meinen Leuten Anweisungen zu. Der Kahn musste weg, dieses unsägliche Ding sollte nie wieder irgendwo hin segeln und Schaden anrichten. Also räumten sie das Schiff, steckten es dann in Brand, auf das es im Schlund des Meeres untergeht.
An Gnade war nicht zu denken, selbst wenn sie Philipp nicht selbst erschossen hatten, hätte es doch auch jeder andere im Gefecht tun können. Skrupel hätte keiner gehabt, haben sie uns doch zu ihren Feinden erklärt. Ich habe meinen Sohn verloren und es war ihre Schuld, warum sollte ich sie verschonen, damit sie ihre Kinder wiedersehen könnten, wenn mir dieses Glück nicht zu teil wurde? So viel Gnade kann niemand von einem liebenden Vater erwarten. Nicht wenn er sein totes Kind zu Grabe tragen muss. Ich brachte Phillip zurück nach Hause, um ihn am Strand zu begraben, dorthin, wo er am Liebsten war. “
5. August
„An diesem Abend kam der Verwalter, um sich allen Ernstes bei mir darüber zu beschweren, dass ich seit einen Monat nicht mehr rausgefahren bin, um meine Schuldigkeit ihm gegenüber zu begleichen, die mir aufgetragene Aufgabe erfüllt sich nicht von alleine, meinte er. Dieser herzlose Bastard verlangte von mir, dass ich weiter sein gottverdammtes Spiel mitmachen solle, während ich nichts mehr habe, wofür sich das auf See fahren lohnt, da niemand zuhause auf mich wartet, der sich mit mir an der beute erfreuen könne. Mein erster Sohn ist vor Jahren an der Pest gestorben, meine Frau zog es vor Futter für die Möwen zu werden und meinen geliebten Phillip, den armen Jungen musste ich selbst vor kurzem begraben. Das ist etwas, was kein Vater tun sollte, das ist alles einfach nicht richtig.
Auch die Arbeit für's Dorf befriedigt mich nicht mehr so wie früher. Unser Dorf ist eine Brut- und Sammelstelle für ein Pack von Missgeburten und Gesetzlosen geworden. Das einst so schöne kleine Dorf, an das ich mich erinnern konnte, existiert nicht mehr. Doch davon wollte der Verwalter nix wissen oder es interessierte ihn schlicht weg nicht. Jedenfalls versuchte er, mich mit seinen Worten zu beschwichtigen oder besser zu manipulieren. Er sagte mir, „ ich sollte mich zusammenreißen und mich nicht von unbedeutenden Emotionen und Gefühlen leiten lassen soll, weil sie mich blind werden lassen für das was meine Bestimmung sei. Für die Aufgabe, für die er mich auserkoren hätte. Und die noch lange nicht fertig sei!
Ich schüttete ihm mein Herz aus, während er einfach nur mit unergründlicher Miene da saß und mit mir tranken, den guten Wein, den ich für einen besonderen Tag aufgehoben habe, der niemals mehr kommen möge… Also konnten wir ihn ebenso jetzt öffnen und geniessen. Wir redeten lange und irgendwann rutschte ihm dabei raus, dass er für den Tod meiner Frau verantwortlich sei, da er fürchtete, dass meine Gefühle für sie mich von meiner Aufgabe abhalten könnten. Er wusste, sie hasste ihn, den Verwalter, die Tatsache, dass er mich zu seinem Handlanger gemacht hätte, die Veränderungen die damit einher gingen. Einfach alles.Er hatte Angst, sie könnte es schaffen, dass ich mich von meiner Mission abwende, um es ihr recht zu machen. Das wollte er verhindern, also musste sie verschwinden, hinauf in den Himmel zu dem Kind… Dieser dreckige Hurensohn, hat das alles inszeniert und perfide geplant! Als er es dann auch noch wagte, mir vorzuschlagen, dass ich mich doch zum Trost einfach mit Dirnen am Festland unterhalten solle, da meine Frau doch auch nicht viel besser gewesen wäre, zog ich meine Waffe und schoss ihm mittig in seine verlogene, heuchlerische Brust. Doch der stand nur unbeirrt da, während ihm blaues Blut aus der Wunde floss, gab keinen Mucks von sich und schenkte der Wunde keinerlei Beachtung. Er schüttelte nur resigniert den Kopf, als wäre er mein Vater, der mir seine tiefste Enttäuschung zeigen wollte. “Schade,“ war das einzige Wort, dass ich von ihm hörte, ehe er sich umdrehte und mein Haus verließ.
Soll er doch verschwinden! Ich brauche diesen Narren nicht! Wegen ihm ist das alles hier passiert. Wegen ihm wurde ich zu diesem Monster! Er hat mich dazu gemacht! All den Schrecken und das Leid, den kein Mensch erfahren sollte, erfuhr ich nur wegen ihm. Kein Wunder, dass man dann irgendwann nicht mehr man selbst ist, nicht mehr sein kann… All diese Kreaturen aus der Hölle und jenseits davon mit denen ich verkehrte, verkehren musste. Ich werde dem Ganzen ein Ende setzen. Ich halte das nicht mehr aus. Sobald mir einfällt, wie ich die Menschen von der Insel überzeugen kann, uns einen sicheren Hafen an Land zu suchen, werde ich all diese Alpträume in Flammen aufgehen lassen.
Ich bete, dass Gott mir verzeiht, dass ich über ihn gespottet habe, dass ich im Fegefeuer büßen und danach mit meiner geliebten Frau und den Kindern eins sein kann.“
6. August
„An diesem Morgen läuteten die Glocken schrill zum Alarm. Ich stieg aus meinem Bett, verliess schnell das Haus und rannte zum Strand, um zu sehen, was oder wer für die Panik verantwortlich sei. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass ich meilenweit nur das Meer und den Horizont erblicken konnte. Das erste Mal seit Ewigkeiten! Der schützende Nebel war verschwunden! Das, was uns bisher beschützte, war nicht mehr da! Wir waren zu sehen, für jeden Mann und jedes Schiff, das vorbei käme. Eine gefährliche Zeit.
Einer der Männer kam vom Hafen angerannt. Er sagte, die „Beschööle“ sei nicht mehr da. Ich zählte die anwesenden Bewohner und stellte fest, dass 10 Mann fehlten, unter anderem auch der Verwalter. Dieser elende Bastard hat Meuterei betrieben und uns schutzlos zurückgelassen, er hat uns unseren Feinden quasi zum Frass vorgeworfen, während er abhaute wie ein elender Feigling. Ich überprüfte unsere Kammern und stellte fest, dass einige besondere Gegenstände entnommen worden waren. Die mich begleitenden Bewohner gerieten in Panik und Aufruhr. Einige fürchteten, dass wir verloren sein, dem Tode geweiht. Doch durch meine letzten Jahre als Kapitän wusste ich zum Glück, wie man den Männern noch Mut zureden konnte, in Anbetracht, der Aussichtslosigkeit. Wie man sie zu dazu bringen kann, die Stellungen zu halten und hoffnungsvoll zu bleiben, bis mir ein Weg einfallen würde, uns alle zu retten. Auch wenn wir nicht mehr unter dem Schutz des Verwalters stehen und sich der Nebel verflüchtigt habe, so würde ich verdammt sein, wenn ich meine Leute kampflos dem Untergang überlassen würde. Ich bin Stephan Crommenigge, der gefürchteste Pirat der Nordsee!“
15. August
„Dies wird mein letzter Eintrag sein. Ich kann dem Tod nicht mehr entkommen. Zu tief sind meine Wunden. Ich befinde mich in einer Höhle an den Felsen der Möwenklippe, wo mein Leben jetzt also enden soll. Mitten in der Nacht erklang der Einschlag von Kanonenkugeln, das laute Zerbersten von Häusern war zu vernehmen und die Schreie der Bewohner zerschnitten die davor noch so ruhige Nacht, als wir angegriffen wurden. Eine Flotte niederländischer Kriegsschiffe hat uns irgendwie gefunden, ob zufällig oder mit Absicht, man weiß es nicht und kann nur munkeln. Ändert aber nix am Ergebnis. Gnadenlos bombardierten sie unsere Insel, viel zu schnell, als dass wir uns darauf hätten vorbereiteten können, um zurück zu schlagen. Die fremden Truppen kamen an Land und begannen, auf alles zu schießen, was sich bewegte und was sie vor ihre Musketen bekamen. Ich konnte nur mit Schrecken vernehmen, wie sie „Vermoord ze allemaal“, „Laat niemand ontsnappen!“, „Verbrand deze door God verlaten plek!“ und „Voor God, Kerk en Vaderland!“ schrien, unsere Häuser wurden abgefackelt und jeder getötet: Männer, Missgeburten, Frauen, Kinder, sogar das Vieh und Geflügel wurde geköpft und die Leichen verbrannt. Es war schrecklich. Ich hätte ein Held sein sollen und mit meinen Männern bis zum Tode kämpfen sollen. Doch ich entschied mich anders, denn die Welt muss erfahren, dass es auf der Welt Dinge gibt, die uns verpesten, die uns schaden können und die jemand vor uns verbergen will. Ich musste mein Wissen beschützen. Es für die Nachwelt konservieren. Dies ist meine Aufgabe und ich tat, was getan werden musste.
Wie ein Feigling rannte ich davon, auf dem Weg zu den Möwenklippen, in der Hoffnung, dort sicher zu sein. Nicht gefunden zu werden. Doch einige der Soldaten sahen mich und folgten mir, bis sie meine Fährte an den Klippen verloren. Ich nehme an, dass diese fliegenden Teufel auf sie aufmerksam wurden und sie angriffen, weil sie ihnen zu nahe kamen. Leider sahen sie auch mich, blutig durch die Schürfwunden und quer geschlagenen Musketenkugeln übte ich eine Anziehung auf sie aus, so dass sie mich jetzt ebenfalls angriffen. Mit letzter Kraft schaffte ich es noch, in diese kleine Höhle zu flüchten, die irgendwer irgendwann in den Fels geschlagen haben musste. Vielleicht war es der Verwalter, wer konnte das schon wissen. Ich weiß nicht wer, doch ich werde demjenigen auch im Jenseits noch dankbar sein.
Nun liege ich hier mit Schmerzen und spüre, wie das Leben langsam und qualvoll meinen Körper verlässt und das notdürftige Feuer, welches mir ein letztes Licht und Wärme spendet, wie mein Lebenslicht langsam erlischt. Meine Beine sind taub durch die Kälte, das Atmen fällt mir immer schwerer und das fahle Licht erlischt langsam in meinen Augen. Während ich gezwungen bin unerbittlich die qualvollen Schreie meiner Kameraden und meines Dorfes zu vernehmen, schreibe ich mit letzter Kraft und unter Anstrengung diese Zeilen in mein Tagebuch. Der beißende Geruch von brennendem Holz, Stroh und Fleisch liegt in der Luft, der dichte Rauch sticht in meiner Lunge.
Wer hätte gedacht, dass mein Grab ein kaltes, hartes aus Klippengestein sein würde. Nicht das Meer wie bei Piraten üblich, mit Schiff und Crew oder der Strand, nah bei meiner Familie. Dieses Glück, war mir nicht gegönnt. So lieg ich nun hier, alleine, mit nichts weiter als meiner Kleidung am Leib, eine Donnerbüchse mit grade noch einem Schuss, einer Feder mit Tinte samt Logbuch, und einer Notiz mit einer Formel, die der Verwalter mir irgendwann in meiner Tasche versteckte hatte. Ein letztes Geschenk an mich. Auf der Notiz steht, dass dies seine letzte Bitte an mich sei.
Er habe in der Nacht vor seiner Flucht alles vorbereitet. Nun läge es an mir, es zu beenden. Diese letzte Formel zu sprechen, um der Natur und der Geschichte ein Ende von diesem Alptraum zu bereiten. Alles, was ich tun müsste, wäre es, die Formel laut und klar vorzulesen und mein Blut zu opfern. Ich schuldete ihm nichts, aber er meint, niemand sollte die Macht haben, die sich auf dieser Insel im Laufe der Jahre gesammelt hätte. Meine letzten Worte werden das Ritual sein, ehe ich meinem Leiden mit der Donnerbüchse ein Ende setzen werde. Möge Gott mir gnädig sein, meiner Familie und meinen Kameraden verzeihen, auf dass wir uns alle im Fegefeuer wiedersehen werden.
Gezeichnet Stephan Crommenigge“