Objekt-Nr.: SCP-104-DE-J
Klassifizierung: Euclid (Hätte Keter verdient, wegen erwiesener seelischer Grausamkeit)
Sicherheitsmaßnahmen: SCP-104-DE-J konnte bis auf den heutigen Tag nicht eingedämmt werden, allerdings tritt im Falle einer Ingewahrsamnahme sofort Protokoll I-24008-Wer-hat-jetzt-kein-Kleingeld in Kraft. Es besagt, der wie auch immer gearteten Entität die größtmögliche Härte entgegenzubringen, sowohl bei der Behandlung wie auch der Unterbringung. Der geballte Zorn der Foundation soll herniederfahren, wir lassen uns nicht alles gefallen!
Beschreibung: SCP-104-DE-J beschreibt den durch eine noch nicht näher beschreibbare Entität hervorgebrachten Effekt, einzelne Münzen aus dem Inneren von Verkaufsautomaten an andere Orte zu teleportieren. Das Zustandekommen des Effektes ist an mehrere Bedingungen geknüpft (obwohl die verantwortliche Kreatur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einfach so Münzen verschwinden lassen könnte, es bereitet ihr nur Freude, Menschen leiden zu sehen).
Zunächst wird der betreffende Automat nicht funktionieren, bei der Geldrückgabe wird immer genau eine Münze fehlen, wobei der betreffende Bediener und/oder seine Begleiter kein weiteres passendes Geldstück zur Hand haben werden. Zudem wird in der Situation immer ein gewisser psychischer oder physischer Druck vorliegen (wie oben erwähnt, das Vieh quält die Leute ganz gern).
Folgende Szenarien zählen zu den am häufigst auftretenden:
A: Bediener hat großen Hunger oder Durst (Keine andere Möglichkeit zum Einkauf in der Nähe)
B: Bediener muss dringend zur Toilette (Büsche? Fehlanzeige)
C: Bediener ist starker Raucher (Tut dir mal ganz gut, nicht zu rauchen)
D: Bediener benötigt noch schnell einen Fahrschein (Der Zug ist abgefahren)
E: Bediener möchte hocherfreut ein Verhütungsmittel erstehen (Oh, die Bräutigamsschmerzen!)
SCP-104-DE-J kennt selbstverständlich noch viele weitere Möglichkeiten, ohnehin gestresste Personen an den Rand des Nervenzusammenbruches zu treiben. Das bösartige Verhalten von SCP-104-DE-J endet allerdings keineswegs an dieser Stelle. Zwei weitere Verlaufsmöglichkeiten sind von diesem Zeitpunkt an möglich. Bei Variante 1 wird die Münze deutlich sichtbar, aber völlig unerreichbar für den Bediener erscheinen, üblicherweise am Boden von vergitterten Lichtschächten oder Regenwasserabflüssen. Bei Variante 2 wird die Münze in eine willkürliche Couchritze innerhalb des Bereiches, in dem die Währung ein legales Zahlungsmittel darstellt teleportiert, d.h. mindestens landesweit. Daher rührt wahrscheinlich das bekannte Phänomen, beim überraschenden Auffinden von Kleingeld in hauseigenem Sitzmobiliar folgenden Satz auszurufen:
"Ja, toll! Das letzte Mal hätte ich die gebraucht!"
Nachruf auf Dr. Volker Sognschuss, Pionier und Visionär- In memoriam
"Du wirst es erreichen, getragen von derselben Geisteskraft, die dich das Gegenwärtige erreichen lässt", bemerkte der weise Marc Aurel einmal sehr richtig. Selten beschrieb ein solch positiver, in die Zukunft weisender Gedanke, der jedoch auch die Forderung zum Handeln in sich trägt, einen Menschen so gut wie den unlängst so tragisch verstorbenen Dr. Volker Sognschuss.
Doch was formte den in der Foundation so berühmten und geachteten Mann, was schärfte diesen außergewöhnlichen Geist, was schürte die Flamme gleichsam unerschöpflicher Tatkraft?
Es war, wie so oft im Leben großer Geister, ein Schlag des Schicksals, ein traumatischer Einschlag in die Seele eines jungen, unschuldigen Wesens. Der achtjährige Sognschuss hatte beschlossen, sich einen Kaugummi für zehn Pfenning aus dem Automaten zu ziehen- "Der Rote lag genau über dem Loch und den wollte ich"-, so erzählte er oft mit dem ihm unnachahmlichen Esprit und Charme. Wie konnte der junge Sognschuss ahnen, dass die Götter ihn in diesem Moment an den Prüfstein führten, sein Leben am Scheideweg stand? Es geschah, die Münze verschwand und blieb verschwunden, das Objekt des hehren Wunsches an Ort und Stelle.
Hier zeigte sich nun die, wenn vielleicht noch rohe, ungefügte, doch bereits keimende Kraft, die ihn Zeit seines Lebens auszeichnete: Wo andere ihr Fatum schweigend hingenommen, ohne weiteren Gedanken weitergezogen wären- Hier handelte der junge Sognschuss, beseelt vom Gedanken der forschenden Neugierde. Er eilte nach Hause und holte seines Vaters Brechstange. Und der Verdacht, er bestätigt sich: Die Münze ist nicht da, nur einige andere, ähnliche, doch er lässt sich nicht täuschen. Wie er selbst sagte: "Der Rote war gut, der Grüne nicht so." Welch eine Metapher!
Hier verschrieb er sich, ohne es zu wissen, der Suche nach SCP-104-DE-J, seiner Nemesis, seinem Antrieb ein Leben lang. Jahre später begann der kometenhafte Aufstieg innerhalb der Foundation, viele Dinge mochten ihn locken, doch verlor er nie, niemals das eine Ziel aus den Augen: Wohin verschwand die Münze? Er schreibt selbst dazu, in einem Moment getragen von Leidenschaft in sein Tagebuch: "Und wenn ich jeden verschissenen Blechkasten auf der Welt aufbrechen muss!"

Eine späte, im Ausland getätigte Forschungsarbeit Dr. Sognschuss`
Foto: Privatarchiv
Doch wie schwer, wie steinig dann doch die ersten Schritte des gewählten Pfades. Belächelt von einigen Ignoranten, deren Erscheinen und Vergehen ihn berührten wie ein leiser Windhauch den brüllenden Sturm erwuchs ihm doch ein Feind, ein niederer falscher Gesell' in Gestalt des Psychologen Dr. Atio. Wie schmerzen noch heute, mit wehmütigem Blick zurück die Worte dieses Ephialtes, als er gleichsam mit heimtückisch gezücktem Dolche, bereit zum Stoß, an den O4-Rat schrieb:
"Ich glaube an ihm ein leicht obsessives Verhalten zu erkennen was SCP-104-DE-J angeht, auf jeden Fall wird ihm meiner Meinung nach viel zu viel freie Hand gelassen…"
Doch wie gerecht fügte sich von diesem Punkte an alles für Dr. Sognschuss- Der Triumph nahte. Er hatte bereits sprichwörtlich bahnbrechende Forschungswerkzeuge zur Erkenntnisvertiefung an SCP-104-DE-J ersonnen, Schlaghölzer amerikanischer Bauart, die er mit fortschrittlichsten Materialien kombinierte oder den berühmten "Sognschussschen Selbstspreizer", entwickelt nur aus der Betrachtung eines hydraulischen Motorhebers. Aus dieser bewegten Zeit stammt auch der liebevolle und keineswegs despektierlich gemeinte ihm zugedachte Spitzname, den ihm die ergebenen Kollegen verliehen: "Der beknackte Panzerknacker". Doch nun nahte die Stunde seiner größten Erfindung: Das Lebenswerk, der "Quo vadis, o (pecunia)-Detektor", der QVOD. Nun war es möglich, eine einmal erfasste Münze, unterstützt durch Foundation-Satellitentechnik, überall auf der Welt zu orten. Und endlich: Ein weiterer Automat, wie jeden Tag in seiner unermüdlichen Tätigkeit. Die Münze, sie fehlt.
Was folgt, ist einem jedem Jungforscher aus seiner Ausbildung bekannt und er mag die vorbildliche Haltung Dr. Sognschuss`zu Recht bewundert haben- Darum sei sie nur kurz berührt: Dr. Sognschuss, nur begleitet von zwei Feldagenten erbat sich höflichst Einlass zu der Wohnung, in der die verschwundene Münze (der Zwickel von Celle) geortet worden war. Er traf auf erbitterten Widerstand. Selbst längere, vernünftige, auf das höhere Wohl verweisende Worte des verständigen Mannes fruchteten nichts. Und hier zeigte sich wiederum sein vorausschauendes, auf den Schutz seiner Kollegen und der Foundation ausgerichtetes Tun: Obwohl selbst nicht in kombattiven Disziplinen ausgebildet, ergriff er im rechten Moment das Heft des Handelns und brachte die renitente Seniorin mit einigen beherzten Fausthieben zur Räson. Weiterhin vermag man sich nur vorzustellen, was hierauf geschah: Dr. Sognschuss durchsucht, wie im Fieber, die Couchritzen der Vernunftverweigerin, er sucht, doch zweifelt er? Und dann, die Münze! Und mit ihr der epochale Ausspruch, der dem "Heureka" des Archimedes an Prägnanz und der Erleichterung durch Erkenntnis in nichts nachsteht:
"Hab ich dich, du Miststück! Aaa-ha!"
Diese wohlgezierten Worte bilden gleichsam sein Epitaph. Jahre unermüdlichen Weiterforschens, stets am Puls der Zeit, immer an vorderster Front folgten. Seine philantrophische Natur und sein altruistisch geprägter Charakter (denn er teilte stets das, was er in den Automaten vorfand nach verantwortungsvoller Überprüfung auf Gefahren mit seinen jeweiligen Wegbegleitern), machten ihn zum Liebling aller MTF-Einheiten, die das Glück hatten, mit ihm arbeiten zu dürfen. Um das Wesensgemälde dieses großartigen Mannes abzurunden sei auf sein strategisches Geschick verwiesen. Wer hätte sonst erfolgreich völlig ohne militärische Vorkenntnisse drei komplette MTF-Regimenter mit der Absperrung von vier Straßenzügen betrauen und befehligen können? Und dies -nota bene- unter extremsten extradimensionalen Bedingungen? Und doch gelang es diesem Renaissancemenschen im reinsten Sinne; er selbst barg unter Einsatz seines Lebens und seiner Schleimhäute daselbst den berühmten Braunen Bielefelder Kloakencent. Das Ergebnis spricht für sich.

Zeige mir den Helden, so zeig ich die Tragödie.
F. Scott Fitzgerald
Dr. Volker Sognschuss verstarb ehrenhaft in Ausübung seiner Tätigkeit, bei der Erprobung einer neuartigen Technologie, die das Auffinden von SCP-104-DE-J beschleunigen sollte. Er gab sein Leben nicht für die Sache, der er sich widmete, sondern dem Bekenntnis zur Foundation. Ein Leben für die Erkenntnis, das Wohlwollen. So soll ihm nun alles gegönnt sein, was ihm belieben möge, die roten Kaugummis der Kindheit ebenso wie die Erfüllung im Beruf. Ihm zur Ehre, in tiefer Trauer, doch angespornt durch sein Vorbild, neigen wir das Haupt um es wieder zu neuen Höhen zu erheben. Doch eine Gewissheit bleibt: Einen wie ihn findet man so schnell nicht wieder.
Memorandum Nr.: 2 Bezüglich Personalumstellung SCP-104-DE-J
An: CC @Personal/Projekt/SCP-104-DE-J
Betreff: Vorstellung meinerseits, Partykeller, Budgetkürzung, Personalumstellung
Meine Damen, meine Herren,
wie Sie dem vorhergegangenen Memo sicher entnommen haben, bin ich der neue Projektleiter für SCP-104-DE-J. Mir ist bewusst, dass vielen von Ihnen- wenn ich mich nicht irre 24 (!) Personen-, die nun schon seit Jahrzehnten an dem Projekt tätig sind, diese Tatsache nicht recht schmeckt. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Maßnahme nicht dazu dient, Sie zu schikanieren. Aber meine Aussagen zu dem Projekt und dass ich dessen Entwicklung verfolgt habe, dürften bekannt sein.
Allerdings werde ich natürlich Untersuchungen einleiten, zunächst in Bezug auf Dr. Sognschuss' "Forschungslabor" und die vielen tausend Päckchen Zigaretten, die teilsweise schon sehr lange abgelaufenen Lebensmittel, die aufgebrochenen Flipper- und Spielautomaten (die trotz der Behandlung bei ihrer Untersuchung noch erstaunlich gut funktionieren), den Billardtisch mit manipuliertem Münzeinwurf. Last but not least natürlich auch die Säcke voller Kleingeld, die man mit etwas Augenzwinkern als Inflationsbremse bezeichnen könnte, und die kuriosen, ich nenne sie einfach einmal "Exotika", die wohl aus Japan stammen dürften.
Wer von diesem Labor Kenntnis hatte, möge sich doch bitte bei mir melden. Weitere Auslandsreisen sind bis zur Klärung gestrichen, das Budget dahingehend gekürzt. Auch erscheint mir die Mitarbeiteranzahl sehr hoch, auch das wird geklärt werden. Außerdem wird der QVOD von einem Team aus Technikern von außerhalb dieses Projekts auf Funktionstüchtigkeit überprüft werden.
Auf gute Zusammenarbeit,
Dr. R. Atio
P.S.: Habe -Dr. Sognschuss zum Gedenken- gestern, obwohl ich seit Jahren nicht mehr rauche, mir eine Packung Zigaretten gezogen. Sie werden lachen, der Automat funktionierte einwandfrei.