Die Anderen, Teil 3

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Das letzte Mal bei Nexus:
Die Anderen, Teil 2

Guerra schüttelte sich innerlich immer noch, als er in sein Hauptquartier zurückkehrte. Sowas hatte er noch nie erlebt. Allerdings waren die Einblicke, die ihm der Künstler und die Zeichnung gewährt hatten, lehrreich gewesen, wenn auch eklig.

Er war gegen Abend wieder nach Lissabon zurückgekehrt, hatte sich hingelegt und angestrengt versucht, nicht zu träumen.

Es hatte leider nicht geklappt.

Mehr schlecht als Recht stand er am nächsten Morgen auf und begab sich nach seiner Morgenroutine zurück an die Arbeit.

Videos, Fotos, Zeugenaussagen. Es wurde wieder so langweilig, dass er fast in Versuchung geriet, sich nach Madrid zurückzuwünschen.

Dann stieß er auf etwas, was seine Aufmerksamkeit weckte.

Es war ein Bericht, der aus den Archiven der Foundation herausgehackt worden war.

Er stammte aus den Neunzigern und berichtete von einem Mann, der sich eines Tages laut Augenzeugenberichten in einem Lichtblitz in Breakenridge in Colorado, USA, manifestiert hatte.

Fotos, geschossen von einem Touristen, lagen anbei, die zeigten, dass der Mann eine Art weißen Ganzkörperanzug trug. Er hatte sich gehetzt umgesehen, bevor er geflohen war.

Nach einer kleinen Fahndung durch die Foundation, die der Bevölkerung das Ganze als Hoax verkauft hatte, wurde der Neuankömmling schließlich gefasst und zum nächsten Standort transportiert.

Der Mann hatte durchweg Panik gehabt und darum gebeten, wieder freigelassen zu werden. Er schien vor irgendwas panische Angst zu haben. Das setzte sich auch fort, nachdem er in eine Zelle gesperrt worden war. Ständig wollte er in einen anderen Raum verlegt werden. Er hatte Angst vor der "Dunkelheit", wie er es nannte.

Schließlich wurde mit einem gewissen Dr. Trevor ein Interview arrangiert, um diese Angst und auch die Herkunft des Subjekts zu ergründen. Das Interview wurde in einem normalen Verhörraum vor laufender Kamera ausgeführt, die ein körniges Bild erzeugte.

Der Mann, inzwischen hatte er Klasse-E-Kleidung an, war ziemlich groß und breit, von dunkler Hautfarbe und sah sich immer wieder gehetzt um. Dr. Trevor, ein älterer Herr mit einem kurzen grauen Haarkranz und einer Brille die seine Augen extrem vergrößerte, saß ihm in einem weißen Kittel gegenüber. Wachen waren keine im Raum.

Dr. Trevor: Guter Mann, Sie müssen keine Angst haben. Hier wird Ihnen nichts passieren.

Mann: Sie haben gut reden. Sie haben keine Ahnung, was hier vor sich geht!

Dr. Trevor: Deswegen will ich Sie ja fragen. Aber der Raum hier ist hell erleuchtet. Hier müssen Sie keine Angst vor der Dunkelheit haben.

Mann: Das ist keine normale Dunkelheit, mein Herr.

Dr. Trevor: Warum? Ist sie lebendig?

Mann: (Lacht hysterisch) Lebendig? Sie wird kontrolliert! Und jene, die dieses … dieses Ding befiehlt … Sie hat mir mein Zuhause genommen! Und sie hat mich in fünf verschiedene Welten verfolgt, nachdem ich geflohen war.

Dr. Trevor: Äh, Welten? Wo wir dabei sind, Sie sind hier mit einem Lichtblitz aufgetaucht, richtig? Wie haben Sie das gemacht?

Mann: Das war ein ontokinetischer Translokator. Leider ist er mir bei der letzten Benutzung kaputt gegangen. Ich habe ihn überstrapaziert. Hat Feuer gefangen, kurz nachdem ich angekommen bin und da habe ich ihn weggeworfen.

Dr. Trevor: Also stammen sie von einem anderen Planeten?

Mann: (Schreit) NEIN, SIE MINDERBEMITTELTER VOLLTROTTEL, ICH STAMME AUS EINER ANDEREN REALITÄT!

Dr. Trevor: Beruhigen Sie sich. Hier sind überall Wachen. Nichts kann Ihnen hier etwas anhaben. Äh, wie heißen Sie überhaupt.

Mann: Das verrate ich nicht. Sie wird mich finden, wenn jemand meinen Namen erfährt.

Dr. Trevor: Na gut, ähm, können Sie mir von der Welt erzählen, aus der Sie-

In diesem Moment färbt sich die Wand hinter Trevor von einem Punkt im Zentrum aus rasend schnell schwarz. Der Mann fällt mit vor Angst verzerrten Gesicht vom Stuhl.

Unbekannt: Kein Entkommen …

Mann: Ah! AH! AAAAAAAAAAAAAHHHH!

Dr. Trevor: Wa- was ist das! WACHEN! WACHEEEEEN!

Eine Frau tritt aus der Dunkelheit und zielt mit etwas, das entfernt wie ein silbernes Gewehr aussieht, auf den Mann. Ein Lichtblitz löst sich aus dem Lauf, der das Opfer innerhalb von Millisekunden zu Nichts verbrennt. Die Frau zieht sich wieder in die Dunkelheit zurück, welche sich sofort wieder schließt.

Dr. Trevor: Was zum Teufel …

Guerra spulte zurück. Kein Zweifel, auf dem körnigen Bild war Elli zu sehen. Aber sie sah gänzlich anders aus. Sie trug abgehalfterte Kleidung, ihr Haar war ungewaschen und verfilzt, sie trug keinerlei Make-up und was er auf dem körnigen Bild von ihrem Gesicht ablesen konnte war offenbar blanker, geisteszerstörender Wahnsinn. Dieses Antlitz war noch eine Sache, die ihn in seine Alpträume verfolgen würde.

Er fragte sich, ob diese Phase vor oder nach der Sache in Madrid stattfand …

Er machte sich eine Notiz, das mit weiteren Daten abzugleichen.


Es dauerte fast fünf Monate, um das über zwei Jahre gesammelte Material zu sichten und zu katalogisieren. Vieles war redundant gewesen, ähnlich viel für alle Beteiligten peinlich, zumindest hoffte das Guerra, und einiges war einfach nur furchterregend gewesen.

Der Spion, der inzwischen wusste, was Elli tun konnte, wenn jemand ihr den Hafer verhagelte, wünschte sich inzwischen, dass sie nie herausbekommen würde, dass er Nachforschungen zu ihr angestellt hatte. Das musste leider auch über seinen Tod hinaus gelten, schließlich ging es hier um eine Zeitreisende.

Wer war überhaupt so dumm, nach ihr forschen zu wollen?

Guerra hatte wegen dieser Frage den Mann, der sich so für die Zeitreisende interessierte, persönlich treffen wollen.

Nachdem alles, was er herausgefunden hatte auf einen USB-Stick transferiert worden war, machte er sich auf, um seinen Klienten in der Lissaboner Downtown zu treffen.

Der Kunde hatte sich eine kleine Kneipe ausgesucht und empfing Guerra an einem der Ecktische.

Er war ihm sofort unsympathisch, obwohl er einen recht freundlichen Eindruck machte. Der Mann hatte adlige Gesichtszüge, ein strahlendweißes Lächeln und seine dreckig-blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er hatte einen sorgsam kurzrasierten Bart und Guerra war sich sicher, dass man ihn bei Anonym-Augen effektiv zum Ausquetschen von allem einsetzen konnte, was sich sexuell zu Männern hingezogen fühlte. Und vermutlich sogar bei einigen anderen Individuen.

Aber in den grauen Augen war etwas, das Guerra nicht gefiel. Eine gut versteckte Überheblichkeit, als wäre ihr Besitzer der Ansicht, dass er schon allein als Geburtsrecht über allen anderen stehen konnte.

Er trug eine Bomberjacke und braune Tuchhosen.

"Herr … Pipe?", fragte Guerra.

"Bitte, nennen Sie mich Lawrence", bat der Mann und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.

"Ich nenne Sie lieber Pipe, wenn es genehm ist", sagte Guerra kurz angebunden und setzte sich.

"Wie kalt", merkte Pipe lächelnd an. "Soll ich Ihnen was bestellen? Sie haben gutes Bier hier."

"Danke, ich lehne ab", verneinte der Spion. "Ich bleibe nicht lange."

"Wie Sie wollen", entgegnete sein Klient und zuckte mit den Schultern. "Also, was haben Sie für mich?"

"Weniger, als Sie sich vielleicht erhofft haben", erklärte Guerra. "Sie haben vergessen, uns zu erklären, dass das Subjekt eine Zeitreisende ist und sogar das Universum wechseln kann. Das machte die Erstellung einer einheitlichen Biografie extrem schwierig bis unmöglich. Es gibt große Lücken."

"Das war zu erwarten", lautete die flache Antwort. "Deswegen habe ich Ihnen ja auch so viel Geld bezahlt."

Dem konnte Guerra nichts weiter hinzufügen.

Außer …

"Wo wir gerade beim Thema sind, Sie wissen, dass das nur die Anzahlung war, richtig?"

Pipe schob mit dem Fuß einen unter dem Tisch stehenden Koffer zu Guerra. Der nahm ihn, öffnete ihn so, dass er nicht von anderen Gästen eingesehen werden konnte und begann die Scheine durchzuzählen, die darin lagen. Das dauerte zwar ein wenig, aber dann nickte er.

"Sie sollten weniger vertrauensselig sein", meinte der Spion. "Ich hätte mich einfach mit dem Geld aus dem Staub machen können.

Pipe hörte nicht auf zu lächeln.

"Sie wären tot gewesen, bevor Sie auch nur aufgestanden wären", sagte er freundlich. "Ich habe Vorkehrungen getroffen, müssen Sie wissen."

Guerra wusste nicht, ob er die Wahrheit sagte oder bluffte. Beim Reinkommen war ihm keiner der Gäste aufgefallen und als Spion entwickelte man zwangsläufig eine Art siebten Sinn für sowas. Aber völlig ausschließen konnte man sowas nie …

Guerra gab ihm wortlos den Stick.

"Was werden Sie damit tun, wenn Sie die Frage erlauben?"

"Ich suche schon sehr lange nach dieser Frau, mein Herr. Ich will sie endlich treffen."

Guerra dachte mit leichtem Unwohlsein an das zurück, was er in Lissabon gehört hatte.

"Wenn Sie meinen … wenn Sie mich jetzt entschuldigen, auf mich warten noch andere Verpflichtungen."

"Oh, natürlich, wenn Sie möchten. Ich hätte Ihnen einen ausgegeben."

"Das ist sehr freundlich, aber danke. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."

"Ich Ihnen auch, Herr Guerra."

Guerra erstarrte kurz. Er war sich sicher, dass er seinen Namen nicht preisgegeben hatte.

"Ich sagte Ihnen doch, ich bin vorbereitet", entgegnete Pipe, noch immer so penetrant freundlich lächelnd.

Guerra verließ die Kneipe mit einem mulmigen Gefühl im Magen.

Hinter ihm starrte Pipe mit Triumph auf den Stick, den er erhalten hatte.

"Hörst du das, I773?", fragte er leise in die Leere. "Das ist der Klang des sich nähernden Schicksals …"

Und verschwand zur Überraschung aller Anwesenden in einem Lichtblitz.

Das nächste Mal bei Nexus:
Doppelt Gemoppelt, Teil 1

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