Ein Gutes Mädchen, Teil 3

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Das letzte Mal bei Nexus:
Ein Gutes Mädchen, Teil 2

"Wow, schicke Haare. Jetzt sieht jeder, was für ein Freak du bist."

"Das war eine Färbung vom Feinsten. Wie hast du das gemacht? Bleiche geschluckt, um dir endlich das Licht auszublasen?"

"Bei welchem Friseur warst du? Will es nur wissen, damit ich hingehen kann, wenn ich mir meine Frisur vollends versauen will."


Kassandra Winter war eine schlanke Frau, stark geschminkt für ihre Versuche, sich ihren nächsten One-Night-Stand zu angeln, und trug die schwarzen Haare schulterlang. Sie torkelte dank ihres merklichen Alkoholeinflusses zum Sofa und ließ sich darauf plumpsen.

"Hallöchen", begrüßte Chloe sie herzlich. "Mama ich habe was zum Unterschreiben für dich."

"Oh verflischt, Chloe. Kann isch einmal Ruhe haben wenn isch hier … hier herkomme? Ach, gib her …"

Das Papier, das Chloe mitgebracht hatte wurde ihr aus der Hand gerissen und krakelig unterschrieben.
"Un jetz verpiss dich!"

Chloe lächelte.

"Oh danke."

Ihre Mutter hatte nicht einmal bemerkt, dass Chloes Haare anders waren …


Chloe hatte nach ihrer eigenen Mahlzeit gerade für Susanne und ihre Clique das Mittagessen besorgt, als die sie auch schon zur Seite in ein leeres Klassenzimmer zerrten. Chloe bekam dabei einen Faustschlag in die Magengrube …

Susanne grinste sie herablassend an.

"So, du Speichelleckerin, meinst du nicht, dass es ziemlich arrogant ist, vor uns zu essen, wenn wir dich freundlich darum gebeten haben, für uns mitzukaufen?"

"Meinst du wirklich?"

Susanne schlug nochmal in ihre Bauchgegend.

"Solltest du-"

Die Tür zum Raum öffnete sich quietschend und Dean trat in einer Hausmeisteruniform und einem Wagen mit Putzutensilien ein.

Susanne schnalzte mit der Zunge. Sie wusste ganz genau, dass Chloe nicht petzen würde, dass sie sie bedrohten, damit sie ihnen das Mittagessen von ihrem Geld bezahlte, aber selbst ihr war klar, dass man das nicht weiter an die große Glocke hängen durfte.

"Wir reden später weiter", knurrte Susanne und verließ zusammen mit ihren Freundinnen den Raum.
Dean trat mit typisch ausdruckslosem Gesicht auf Chloe zu.

"Alles okay?", fragte er. "Dich haben diese Gören aber ziemlich gut erwischt."


Chloe saß in ihrem Zimmer, über die Zeichnung von Kassandra Graf gebeugt, die sie gezeichnet hatte. Wann auch immer sie dieses Gesicht sah, wollte sie es einschlagen, ihr jeden Knochen im Leib brechen, den Rest mit einer Säge zerkleinern und anschließend in einem Feuer verbrennen. Ihr Zorn war wie eine zweite Persönlichkeit, die sich ihrer bemächtigte. Sie übermalte Susannes Gesicht derart hart mit einem Stift, dass das Papier an einigen Stellen einriss. Als sie fertig war, signierte sie das Papier mit "Stirb im Feuer" und pfefferte es vom Tisch. Dabei flatterte es unter das Regal …

"Das sind mehrere Schichten, Chloe. Ich habe mich umgesehen, aber solange wie du nicht von selbst was machst, habe ich als Lehrerin leider nicht viel Spielraum."

Was?

Chloe zog verwirrt die Stirn zusammen.

"Wovon redest du?"

Jetzt legte Elli die Stirn in Falten.

"Ich rede von deinen Mobbern. Was denn sonst?"

Chloe legte den Kopf schief.

"Äh, kannst du das wiederholen, ich glaube du hast genuschelt."

"Deine Mobber", wiederholte Elli.

Chloe legte die Hand ans Ohr, unwillig, das gesagt zu verarbeiten.

"Chloe?" Elli klang zum ersten Mal ernsthaft beunruhigt. "Susanne Graf aus deiner Klasse hat dich bisher jede Woche mindestens einmal zusammengeschlagen, zusammen mit einigen Freundinnen aus den Parallelklassen. Und du kaufst ihnen was zu essen, ständig. Ich mache mir Sorgen."

"Ach", winkte Chloe ab. "Das ist nichts Großes. Sie ist okay. Oder denkst du sie hat einen schlechten Einfluss auf mich?"

Elli wurde kreidebleich.

"Elli? Du siehst so blass aus, alles in Ordnung?"

Elli schüttelte mit zusammengepressten Lippen langsam den Kopf.

Es läutete.

"Oh, Vorklingeln. Wir reden später."

Chloe beeilte sich, aus dem Raum zu kommen. Wie sie ihre Klasse kannte, hatte irgendwer, vermutlich Dennis, ihren Ranzen wieder in den Mülleimer geworfen …


Das und mehr Erinnerungen sah Chloe ungläubig auf einem riesigen HD-Bildschirm in Kus Bibliothek. Irgendwie fühlte sie auch alles, was sie damals gefühlt hatte.

Größtenteils war es Hass. Ein Hass, der Länder versengen und ganze Völker auslöschen konnte, hätte Chloe nur die Mittel dafür gehabt. Und genau das hatte ihr Angst gemacht.

So hatte sie ihre negativen Emotionen tief in sich vergraben und um sich herum einen Schutzfilter aufgebaut.

Jetzt wo Ku all den Dreck, akribisch von Chloe darauf gestapelt, wieder entfernt hatte, kam all die Schlechtigkeit in Chloes Herzen wieder hoch. Komprimiert und mutiert.

Nicht zu Zorn.

Nicht zu Verzweiflung.

Zu Selbsthass.

Chloe sah unter Tränen zu der göttlichen Leiche, die traurig lächelnd neben ihr stand.

"War das schon immer so?", fragte sie traurig.

"Ich gebe keine Antwort auf Fragen, deren Antwort du bereits kennst", erwiderte Ku knapp.

"Warum hast du das getan?"

Chloes Sicht verschwamm, bevor ihre Tränen endlich ihre Augen verließen.

Wie oft hatte sie in ihrem Bett geweint, bevor ihre Tränen begannen zu versiegen?

"Weil du dir mit der Art, wie du dich selbst Tag für Tag belügst, mehr Schaden zufügst als es die Wahrheit hier je könnte", antwortete Ku.

Er war vollkommen ernst dabei.

"Elli und Dean waren die einzigen Personen, bei denen du nie versucht hast, dir was schön zu reden was sie getan haben. Schon allein weil du insgeheim überglücklich warst, dass dich jemand akzeptierte. Und um sie nicht zu verlieren, hast du alles mitgemacht, was sie mit dir vorhatten. Du hättest sie jederzeit um Hilfe fragen können, weißt du? Aber ich kann dir natürlich sagen, warum du es nie getan hast, warum du niemandem zur Last fallen willst, warum du dich nie aufgelehnt hast."

Chloe, bereits in einem gefährlichen Stadium der Depression, schrumpfte zusammen. Ein Galgen erschien ihr als eine gute Idee …

Aber die nächsten Worte des Ex-Gottes waren sanft und ermutigend.

"Weil du nie geglaubt hast, dass du das verdienst. Dass du würdig dafür bist. Deine Fähigkeit zur Selbsteinsicht und Selbstkritik ist unglaublich, aber du hast es maßlos damit übertrieben, nur um in eine Gruppe zu passen, die dich zum reinen Stressabbau oder als Bank benutzt hat. Du musst nur um Hilfe rufen, Chloe. So laut wie möglich. Sonst wird dir nie jemand helfen können. Nicht einmal Elli."

"Aber was soll ich denn machen?", schluchzte Chloe leise. "Ich kann nichts mehr ändern, jetzt nicht mehr …"

Ku erlitt einen Lachanfall, von dem er sich erst zwei Minuten später wieder erholte.

"Oh Mann, du bist einfach herzallerliebst", kicherte er. "Klar kannst du was ändern. Sicherlich wird es nicht auf gleich passieren, aber langsam und stetig, Veränderung für Veränderung. Und das, indem du einfach nur das machst, was du die ganze Zeit machen willst."

Chloe sah ihn nur fragend an.

"Was will ich denn?"

"Zur Abwechslung mal selbstsüchtig sein", lautete die kurze Antwort. "Dein Leben ist kurz, willst du es damit verbringen, Trübsal zu blasen und anderer Leute Fußmatte zu sein?"


Chloe schlug unvermittelt die Augen auf. Sie war noch immer in dem Trainingsraum, allerdings in einem weichem, schwarz bezogenen Doppelbett. Getrocknete Tränen klebten an ihrer Wange. Der Böse Overlord hatte sie gerade mit einem schwarzen, sehr unheilvoll aussehenden Stethoskop abgehört, wohlweißlich ohne den Helm dafür abzunehmen.

Als er merkte, wie Chloe ihn verwirrt musterte, sprang er sofort auf und reckte triumphierend den rechten Zeigfinger in die Höhe.

"Aha, dem Bösen sei Dank, dass es nichts Härteres gewesen ist. Du hast dich aus den Fängen des Guten gelöst, schwächliche Made, mein Respekt ist dir damit sicher. Schritt eins wäre damit abgeschlossen."

Chloe setzte sich auf, sie fühlte sich, als wäre eine gewaltige Last von ihr abgefallen. Und sie hatte einen Plan, um hier rauszukommen …

"Wie lange war ich weg?"

"Zwei Stunden. Wir haben gesehen, dass du einen großartigen Kampf gefochten hast, im Zentrum deines Geistes", sagte der Garant für Gräueltaten mit Blick auf das zerwühlte Bett.

Chloe war peinlich berührt.

"Oh … Äh … was kommt als nächstes?"

Das Aus für die Gerechtigkeit kicherte und verschränkte die Arme.

"Nun, als nächstes werden wir einen Schritt weiter gehen."

"Soll ich ihn hauen?", fragte Chloe.

Der Böse Overlord fing urplötzlich an zu schlottern. Ein Stalagmit wuchs neben ihm aus dem Boden, damit er sich daran festhalten konnte.

"Das- Das- Das ist doch viel zu böse um es überhaupt in Erwägung zu ziehen! Mir graut vor dir! Schau wie mir graut!"

Chloe zog eine Augenbraue hoch.

"Sollte der Böse Overlord nicht der Böseste von allen sein?"

"Sel- Selbst das Böse hat Standards, du Wurm. Oh ja. Und deswegen werden wir jetzt das Stehlen trainieren!"

Er kriegte sich endlich wieder ein. Der Boden begann zu rumpeln.

"Damit du eines Tages Dinge wie die hier klauen kannst", rief der Größte aller Despoten triumphierend und warf die Arme in die Luft.

Eine Wand des Raumes brach weg und gab den Blick auf eine gewaltige Kaverne frei. Darin stand, so erkannte, Chloe, der Berliner Fernsehturm.

"Moment mal, der steht doch in Berlin, da müsste doch ein großes Loch-"

"Ich habe in meiner sadistischen Gnade eine originalgetreue Kopie dagelassen. Die kratzen wahrscheinlich noch das Lösegeld zusammen. Aber wir fangen kleiner an. Zuerst die Trockenübungen …"


Wegen dem Chaos in Standort-DE19 waren mehrere Einheiten von SCP-150-DE im Einsatz, die mit leise surrenden Servogelenken zusammen mit den Wachmannschaften durch die Gebäude stampften und einfingen, was Elli freigelassen hatte.

Ein solcher Trupp bewegte sich gerade durch den Innenhof, als das Tor auf das sie zuschritten urplötzlich schwarz wurde.

Elli trat heraus, mit dem Lächeln einer Person, die es nur mit reiner Selbstbeherrschung schaffte, keinen tödlichen Amoklauf zu beginnen. Sie hatte ein Feuerzeug in der Rechten und ein Kalenderheft in der Linken.

"Ich an eurer Stelle würde woanders hinzielen", kommentierte sie die Waffenläufe, die mit ihrem Auftauchen auf sie gerichtet wurden. "Andernfalls könnte das für einige Angestellte böse Folgen haben. Das hier ist SCP-180-DE, was ich in der Hand halte."

Sie hob bedeutungsvoll den Kalender und entzündete das Feuerzeug.

"Also, kann mich wer zu euren O4s durchstellen? Ich muss meine Freundin abholen und ein Exempel statuieren."

Einer der Wachmänner, vermutlich der, der das Sagen hatte, gab seinen Kollegen ein Zeichen. Ein Funkgerät wurde gebracht und Elli überreicht. Sie setzte sich hin, legte den Kalender zur Seite und hielt das immer noch brennende Feuerzeug an den Fingerspitzen darüber. Dann nahm sie das Funkgerät entgegen.

"O4-Hier-korrekte-Nummer-einfügen? Hören sie mich?"

"Allerdings", kam es sauer aus dem Hörer. "Ich bin O4-4. Was wollen Sie?"

"Numero Uno müsste ihnen bereits gesagt haben, was ich will", antwortete Elli verbindlich.

"Tja, dann haben Sie sich umsonst ein Bein ausgerissen, gute Frau. Wir können sie Ihnen nicht geben."

"Oh, das hier ist für mich eher sowas wie Sodoku oder Glühbirnen wechseln", belehrte Elli sie. "Wenn ich richtig loslege, brechen Weltordnungen zusammen. Ich habe schonmal versehentlich die Erde erobert, kein Witz."

"Ihre Anekdoten interessieren mich nicht", sagte O4-4 barsch. "Was ich damit sagen wollte ist, wir können ihnen Chloe Winter nicht geben, weil wir sie nicht haben."

"Was?", kam es flach von Elli.

In ihr begann sich eine Diagnose abzuspulen. Es sollte ja inzwischen klar sein, wie wichtig ihr Chloe war, also hätte die Foundation als eine der kompetenteren Geheimorganisationen bereits einen von zwei Wegen einschlagen müssen. Entweder, was Elli vorgezogen hätte, Chloe auszuhändigen oder aber, sie wie vorgesehen als Geisel zu verwenden, um Elli in Gewahrsam zu nehmen. Jetzt zu behaupten, sie hätten Chloe nicht, brachte das nicht unerhebliche Risiko für die Foundation mit sich, dass Elli einfach immer weiter eskalierte, nachdem jetzt klar war, dass sie nicht aufgehalten werden konnte oder aber tatsächlich verschwand, beides kein guter Ausgang für die Organisation. Das ließ nur folgenden Schluss zu …

"Oh … Äh … Sorry … Wenn sie mich kurz entschuldigen würden …"

Elli sprang auf, sammelte den Kalender ein und sprintete zurück in den Nexus.


"Haben wir was gelernt, Elli?", fragte Dean lauernd, als sie wieder im Kosmoskopraum ankam.

"Nicht sofort auf die Leute schielen, bei denen du darauf vertraust, dass sie dich in die für deine Universumsbesuche obligatorischen Probleme verwickeln …", kam es mürrisch zurück.

"Warum hast du nicht einfach in der Nacht von Chloes Entführung nachgeguckt, wer es war? Du hast doch nun ein supertolles Kosmoskop.

"Das habe ich", erwiderte Elli genervt, während sie mit dem Gerät Stellen abzusuchen begann, die für Chloes Aufenthaltsort als wahrscheinlich galten. "Aber irgendwas hat noch bevor ich was dahingehend machen konnte, eine Realitätsverzerrung in Chloes Block verursacht. Der normale Mensch bekommt davon nichts mit, aber für das Kosmoskop wirkt das wie Nebel. Eigentlich hatte ich angenommen, dass die Foundation irgendwas mit ihren Realitätsankern zurechtgebogen hatte, aber das hier weitet die Auswahl jetzt stark aus … Es gibt viele Realitätsbeuger …

"Wenn es den ganzen Block betroffen hat, muss er entweder sehr mächtig gewesen sein, oder dich kennen", mutmaßte Dean. "Oder beides."

"Oder sie sind hinter der Macht in Chloe her", warf Elli ein.

"Kannst du die nicht aufspüren?", fragte Dean.

"Wenn Ku noch lebendig wäre, wäre das kein Problem, aber die göttliche Macht einer Leiche in einem Lebewesen aufzuspüren ist unmöglich. Dafür müssten wir schon Chloe mit einer Sonde stechen. Aber vielleicht kann ich …"

Im Kosmoskop klackte es wiederholt, als Elli einige Einstellungen änderte.

"Elli, was wird das?", fragte Dean.

"Wenn die Entführung so organisiert war, wird der Übeltäter Chloe vermutlich schon eine Zeit lang beobachtet haben. Wenn er das per Fernsicht gemacht hat wie ich mit dem Kosmoskop, dann …"

"Verstehe, wie wenn man einen Telefonanruf zurückverfolgt", sagte Dean.

"Genau, aber das Problem wird sein, den Moment zu finden …"

Der Nexus begann, sich auf der Zeitachse kontinuierlich nach hinten zu arbeiten.


Mittlerweile im Versteck des Bösen …

"Sehr gut, Made!", lobte das Nonplusultra der Ganoven. "Du hast erfolgreich den Kaugummiautomaten geknackt."

Besagter Kaugummiautomat befand sich im Trainingsraum und sah ziemlich teuflisch aus. Chloe hatte sich zuvor durch eine Bombe arbeiten müssen. Sie war sich ziemlich sicher, dass die meisten Kaugummiautomaten nicht mit einem Selbstzerstörungsmechanismus gesichert waren.

Der Böse Overlord holte ein stabförmiges Gerät mit einer Anzeige hervor, über der in gotischen Buchstaben "SÜND-O-METER", geschrieben stand.

Er richtete das Gerät auf Chloe aus. Es summte kurz, ähnlich wie ein Metalldetektor, und zeigte dann die Zahl 0,002 und das Wort "GUTMENSCH" an.

"Ach Mist", jammerte der Eroberer aus der Dunkelheit. "Offenbar kann das Böse in dir noch keinen rechten Halt finden."

"Was misst das?", fragte Chloe.

"Deine Bösartigkeit, du Wicht. Es zieht deine vergangenen Taten und deine Motivation dafür heran und errechnet daraus deinen Bösartigkeitswert in Millisatans. Je nach Bereich kriegst du dann ein entsprechendes Prädikat verliehen. Schau dir das an."

Er wendete das Gerät auf sich an. Seine Bewertung lautete 500, "Triefend vor Bosheit".

"Jedenfalls", so sprach der Overlord weiter, "wird es noch ziemlich lange dauern, bis ich dich endlich korrumpiert habe."

Chloe hielt ihre Chance für gekommen.

"Vielleicht muss ich es einfach mal in echt probieren, nicht nur hier drin. Ein Fohlen lernt doch auch nicht zu galoppieren, wenn es nur im Stall steht."

Der Zerstörer der Liebe kratzte sich nachdenklich am Helm.

"Hm, wo du Recht hast, hast du Recht. Vielleicht sollte sich-"

Plötzlich stemmte er ärgerlich die Hände in die Hüfte.

"Hey Moment mal! Du willst doch nur raus um abhauen zu können!"

Chloe konnte gerade noch unterdrücken, mit der Zunge zu schnalzen. Manchmal war der Kerl doch cleverer als er den Anschein erweckte.

"Muhaha", lachte der Overlord. "Hast du wirklich gedacht du, ein kleines Mädchen, könntest mich, den Bösen Overlord, an der Nase herumführen? Tja, falsch gedacht! Zur Strafe werde ich dir das schrecklichste Abendessen auftischen, dass man sich vorstellen kann, TIEGELWURST!"

Es sollte an dieser Stelle angemerkt werden, dass Chloe zu der kleinen Gruppe von Menschen gehörte, die Tiegelwurst mochten. Das schien sich in ihrem Gesicht widerzuspiegeln, den der Overlord gab einen angewiderten Laut von sich und trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

"Na gut, dann eben … SÜLZE!"

Chloe holte sich immer welche, wenn sie im Angebot war. Der Overlord war mit ihrer Reaktion wohl immer noch nicht zufrieden.

"MILBENKÄSE!"

"Äh … SURSTRÖMING!"

"Haggis?"

Chloe schluckte, als ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Der Kerl sollte sich einfach für eins entscheiden, verdammt!

"Mädchen, hast du überhaupt eine Zunge?", entfuhr es dem Overlord ungläubig.

"Also, die letzten beiden hatte ich jeweils nur einmal, aber ich fand sie gut", verteidigte sich Chloe. "Schön kräftig im Geschmack."

"Uiuiuih … ", keuchte der Schlächter des Rechts. "Also gut. Zur Strafe kriegen heute alle Schokopudding. ALLE AUẞER DIR!"

"DU MONSTER!", entfuhr es Chloe.

Das war geschauspielert, um die Diskussion zu beenden, sie wollte nämlich liebend gerne abhauen. Und ihr kam auch schon die nächste Idee …

"Muhahahahaha, das ist es was passiert, wenn man versucht mich, den Bösen Overlord, zu hintergehen. Wälze dich in Gram, du-"

"Ich unterbreche ja nur ungern, aber kann ich endlich mal auf die Toilette?", bat Chloe. "Ich bin schon den ganzen Tag hier."

Der Overlord seufzte. Er sah irgendwie aus, als hätte man die Luft aus ihm herausgelassen.
"Na schön, den Gang runter, zweite Tür links."

Während sich Chloe auf den Weg machte, empfand sie doch Erstaunen darüber, wie dämlich der Kerl sein konnte. Sie machte sich natürlich nicht zum Klo auf, denn sie hatte den Tag über nur wenig getrunken, sondern setzte sich sofort ab und versuchte, den Ausgang zu finden.

Nun, sie befanden sich unter der Erde, also erschien es logisch, nach oben zu gehen. Die Gänge waren ziemlich hoch, dasselbe galt auch für die Treppen, aber egal wie hoch sie ging, das rote Glühen um sie herum nahm nicht ab.

Es gab überall Patrouillen, aber Chloe schaffte es, sich vor allen zu verstecken. Selbst wenn sie gefangen würde, der Böse Overlord war erwiesenermaßen so ein Softie, dass er ihr vermutlich Hausarrest erteilen würde, ohne die Ironie dahinter zu begreifen.

Ungefähr eine halbe Stunde nach Beginn ihres Ausbruchsversuchs halten Hörner durch die Hallen und das hektische Gebrüll der Monster des Overlords folgte.

Plötzlich konnte Chloe überall um sich herum Schritte hören. Sie beschloss, ihre eigenen zu beschleunigen.

Nach genug Treppen fand sie schließlich eine große, doppelflügelige Tür. Sie bestand aus Eisen und schien derart gepanzert, dass es sich nur um eine Tür nach draußen handeln konnte. Sie war vermutlich so dick, um Eindringlinge abzuhalten.

Nur, dadurch war sie auch zu schwer für Chloe zu öffnen …

Sie sah sich in der großen Halle nach einem passenden Werkzeug um.

Und erblickte ein paar gepanzerte Knie. Langsam wanderte ihr Blick nach oben.

Die Augen des Boten der Finsternis blitzten wütend.

"Weißt du, ich habe versucht nett zu sein", tadelte er.

"Du hast mich gezwungen, eine Zeitbombe zu entschärfen", erinnerte ihn Chloe.

"Versucht, nett zu sein! Aber gut, wenn dir das nicht gefällt, dann machen wir halt die schnellere Variante. Ulf, den Gehirnwäschestrahler!"

Ein Troll brachte dem Overlord eine panzerfaustartige Waffe.

"Das hier ist mein Gehirnwäschestrahler. Sobald du von dem getroffen wirst, kann ich dein Hirn programmieren wie es mir passt", erklärte er und tippte auf dem Eingabefeld "SATANSBRATEN" ein.

Chloe machte sich bereit auszuweichen, aber zwei der Goblins hatten sich von hinten an sie herangeschlichen und packten sie nun an den Armen.

"Schön stillhalten, Jungs", bat der Verderber allen Spaßes. "Und du, Made, kannst dich auf was gefasst machen, denn davor wird dich nichts retten."

Plötzlich hallte der ohrenbetäubende Lärm des Ritts der Walküren, gespielt auf einem Dudelsack, durch den Saal. Die Kreaturen des Overlords hielten sich mit gequältem Gesicht die Ohren zu und auch ihr Meister schien von der Melodie angegriffen zu sein.

"Boah, ich hasse Wagner …"

Chloe derweil schaute sich nach der Geräuschquelle um und entdeckte Elli mit angewandtem Dudelsack, wie sie aus einem Nexusportal in einer Besenkammer neben der Treppe herankam. Sie beendete ihr Lied, als sie Chloe erreicht hatte.

"Wisst ihr, ich habe lange gerätselt, wer Chloe mitgenommen hat, hab sogar unterwegs eine Geheimorganisation in Angst und Schrecken versetzt. Aber ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet du dir das traust, Overlord."

"Ha, das Böse wird immer alle zur Verfügung stehenden Mittel benutzen um zu gewinnen", antwortete der Lieferant des Unbill großspurig.

"Hab ich ja auch gemacht", entgegnete Elli kurz angebunden.

"Leute, ergreift- Äh, wie bitte?"

"Du bist hier der Gute, Overlord. Ich bin doch wesentlich böser als du. Dementsprechend sollte dir klar sein, was passiert, wenn du mit mir Streit suchst."

"Pah", spie der Unterwerfer aller Freuden. "Jemand der böser ist als ich? Wovon träumst du nachts? Ich kann sogar wissenschaftlich belegen, dass du Wunschträumen nachhängst."

Er holte sein Sünd-O-Meter hervor und vermaß Elli.

Die Bewertung lautete 2000, "LAUF, DU TROTTEL!"

"Wah- äh …", machte der Böse Overlord und schüttelte das Gerät.

"Wir gehen, Chloe", gebat Elli und begann wieder zu spielen. Dieses Mal den Kaisermarsch.

Während sich die Monster wieder die Ohren zu hielten und Elli mit Chloe im Nexus verschwand, blickte der offenbar nicht ganz so Böse Overlord fassungslos auf sein Messgerät.


"Da hast du mir aber einen Schrecken eingejagt", kommentierte Elli im Nexus, während sie ihren Dudelsack in ein Regal räumte. "Der Overlord ist zwar größtenteils harmlos, aber wenn er sich dazu durchringt Ernst zu machen, ist er kaum aufzuhalten. Zum Glück hat er ein Ego mit der Größe eines Gasriesen."

Chloe war etwas mulmig zumute.

"Äh, Chloe, wegen dieser Bösartigkeitsmessung …"

Elli winkte ab.

"Sucht verfälscht das Ergebnis. Ich trinke grundsätzlich aus Eigennutz und ohne Rücksicht auf meine Umwelt."

Wie um ihre Worte zu bestätigen kramte sie ihren Flachmann hervor um einen Schluck zu nehmen.

Chloe wusste nicht, was sie davon halten sollte …

Ellis Gesicht nahm einen strengen Ausdruck an, den sie bei ihr bisher noch nie gesehen hatte.

"Aber jetzt mal zu dir. Ich weiß, du hast gerade eine Entführung hinter dir, aber so angespannt wie du gerade bist, ist das wohl die beste Gelegenheit."

Sie holte Chloes verunstaltetes Porträt von Susanne aus der Tasche.

"Ich habe versucht mich an dich heranzutasten um dich nicht zu sehr zu belasten, deswegen habe ich es auf unseren Reisen nie angesprochen, aber wenn ich sowas sehe und dich sagen höre, das Mädchen wäre in Ordnung, dann muss etwas im Argen sein. Verstehst du überhaupt was ich dir sagen will?"

Eine Weile stand Chloe einfach nur da. Ihre Gutmütigkeit rang mit ihrem neu gefundenen Egoismus. Am Ende gab sie sich, oder vielleicht war es auch Ku in ihr, einen Ruck.

"Bitte hilf mir, Elli …"

"Nein, Chloe du- Hä?"

Chloe holte tief Luft.

"Ich weiß nicht was mich geritten hat, einfach alles auszublenden was passiert ist, aber jeden Tag werde ich in die Mangel genommen. Nicht nur von Susanne, sondern von der ganzen Klasse."

Es war unangenehm, das zu sagen … Vor allem, weil sie genau wusste was der Auslöser gewesen war …

Elli schaute ehrlich verwirrt drein.

"Woher- Hat der Overlord irgendwas mit dir angestellt?"

Chloe zuckte mit den Schultern.

"Er hat versucht mir beizubringen böse zu sein. Irgendwo hat es wohl geklappt."

"Und der Kerl glaubt er sei der Böseste von allen? Ha! Von wegen …", bemerkte Elli. "Da das aus dem Weg ist, interessiert mich nun aber noch was. Bei unserem Gespräch in der Schule kamst du von dir aus mit einem Problem zu mir. Was war das?"

Chloe wurde unsanft an den Fakt erinnert, wie begrenzt ihre Lebensdauer war. Aber wenn Elli schon nicht wusste, was Kus Gegenwart in ihr anrichtete, dann brauchte sie sich wahrscheinlich keine Hoffnungen machen, dass sie eine Lösung dafür finden würde. Und dass Elli sie belog, wollte sie nichtmal in Erwägung ziehen. Dieses Mal siegte Chloes Gutmütigkeit, als sie beschloss, Elli und Dean damit nicht zu belasten. Sie konnte förmlich fühlen, wie Ku in ihr den Kopf schüttelte.

"Das hat sich erledigt", sagte sie. "Nichts was dich betreffen würde."

Elli maß sie mit einem abschätzenden Blick, zuckte dann aber mit den Schultern.

"Na dann ist ja alles wieder in Butter", frohlockte sie.

Dean, der sich unauffällig hinter sie gestellt hatte, rollte ärgerlich mit den Augen und holte zum Schlag aus …


3 Minuten nachdem Elli Standort-DE19 verlassen hatte …

Die Stimmung im O4-Rat war angespannt.

"Sie scheint uns wider Erwarten geglaubt zu haben … ", sagte O4-8 langsam.

"Schon, und jetzt?", fragte O4-2, bevor sein Telefon klingelte, dicht gefolgt von denen aller anderen O4s.

"098-DE wurde urplötzlich eingefangen und befindet sich wieder in seiner Zelle!"

"091-DE wurde aus dem Transporter geklaut und befindet sich auch wieder in seiner Zelle!"

"077-DE wurde offenbar K.O. geschlagen und wurde durch ein Portal wieder in seine Eindämmung geworfen …"

"Ich kriege von überall Meldungen, dass sämtliche Personen, die während dieses Vorfalls verletzt wurden, wieder vollständig geheilt sind. Offenbar durch SCP-500. Ich gebe eine Anfrage an die Mutter-Foundation durch, sie soll nachzählen."

"Diese Elli hat offenbar gerade klammheimlich 180-DE zurückgelegt."

Es wurden noch mehr erfreuliche Nachrichten durcheinander gerufen, bevor O4-11 erschrocken zur Tür zeigte. Sie hatte sich geöffnet und offenbarte nur Schwärze.

Dann trat die inzwischen berüchtigte Elli daraus hervor. Sie hatte einen Handkarren dabei, auf dem wie es schien ein paar Goldbarren lagen. An ihrem Hinterkopf entwickelte sich eine wunderschöne Beule.

Sie machte ein Gesicht wie ein kleines Kind, das man gerade mit den Fingern in der Keksdose erwischt hatte.

Die O4s dachten kurz über das Weglaufen nach, aber Elli blockierte den einzigen Fluchtweg mit ihrem Portal. Fenster gab es in diesem Raum nämlich nicht. O4-7 drückte trotzdem pflichtbewusst den stummen Alarm.

"Äh … ", begann sie unsicher. "Das mag jetzt etwas peinlich für alle Beteiligten sein, vor allem für mich, aber … Es tut mir Leid …"

Die Ratsmitglieder entspannten sich leicht.

"Sie haben zwar offenbar alles, was Sie freigelassen haben, wieder eingefangen, aber die Schäden belaufen sich auf Millionen", hielt ihr O4-1 vor. "Denken Sie wir belassen es bei einer Entschuldigung?"

"Nein", gestand Elli trocken. "Aber deswegen bin ich ja hier."

Sie machte Aufmerksamkeit heischende Gesten in Richtung des Goldes.

"Hundert Prozent reines Gold, direkt aus dem Gold-Universum."

"Gold-Universum?", wiederholte O4-3 verwirrt.

"Hätten Sie lieber was aus dem Porno-Universum gewollt?", erkundigte sich Elli, bevor sie offenbar von Nostalgie ergriffen wurde. "Geile Zeit …"

"Moment", bat O4-12. "Wollen Sie uns sagen, Ihre Portale führen nicht nur durch Zeit und Raum, sondern auch in andere Universen?"

"Ganz richtig", bestätigte Elli. "Und ich weiß, dass ihr euch auch mit Geld nicht zufriedengeben werdet, deswegen lege ich um mein Bedauern über diese Verwechslung zu bekunden, noch eins drauf. Dank meiner Reisen habe ich sehr viel über das erfahren, was ihr das Anomale nennt. Daher gewähre ich euch einen Gefallen. Ich stehe euch für einen Fall eure Wahl zur Sei-"

"Sie werden gar nichts", knurrte O4-4. "Sie werden aussagen, mehr nicht. Denken Sie, wir lassen so jemanden wie Sie frei draußen rumlaufen?"

Elli richtete ein Grinsen auf O4-4, das vermutlich sogar einen tollwütigen Bären vor Schreck hätte erstarren lassen.

"Gute Frau, ich bin nur wegen eurer Einmischung überhaupt auf euch gekommen. Und Sie haben gesehen, wozu das geführt. hat. Ich habe Ihnen bereits vorhin gesagt, dieses Mal war ich noch nett. Aber sollten Sie, oder irgendjemand von Ihnen …"

Sie sah bei diesen Worten alle im Raum an.

"… auf die Idee kommen, mich oder meine Freunde einsperren zu wollen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass Ihnen der Laden hier vollständig um die Ohren fliegt. Verstanden?"

Einige O4s nickten langsam. Diese Frau hatte sich tatsächlich nur auf eher harmlose Anomalien beschränkt, obwohl sie wahrscheinlich ohne Weiteres auch mächtige Keter-Anomalien hätte freisetzen können.

"Aber wie auch bereits erwähnt, ich will mich entschuldigen, daher gewähre ich Ihnen meine Hilfe bei einem Ihrer Probleme. Und glauben Sie mir, ich werde das Multiversum von vorne bis hinten umkrempeln, um es zu lösen, wenn nötig. Wenn Sie sich entschieden haben, O4-1 hat meine Nummer. Wählt mit Bedacht."

"Äh … ", meldete sich O4-12. "Eine Sache müssen Sie uns versprechen, andernfalls werden wir Ihnen unsere Leute hinterherschicken müssen. Sie dürfen keine Anomalie publik machen, andernfalls sind wir sofort auf Ihrer Spur, ob uns das nun umbringt oder nicht."

Elli gluckste nur.

"Ich arbeite seit ein paar Wochen als Lehrerin. Und ich habe tagtäglich "Anomalien" …"

Sie malte bei dem Wort Anführungszeichen in die Luft.

"..eingesetzt, ohne das es jemand gemerkt hat. Keine Sorge. Aus der Geschichte sollten Sie wissen, dass ich versuche, mich bedeckt zu halten. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss noch ein paar Leistungskontrollen korrigieren. Tschüüüs."

Sie begab sich im Sprungschritt wieder durch das Portal, das sich hinter ihr schloss.

Die O4s schauten sprachlos auf das Gold, bis O4-4 der Kragen platzte.

"WAS ZUM TEUFEL IST GERADE PASSIERT!?"


Susanne mochte Frau Jägers Unterricht. Sie sah zwar aus wie eine dumme Tussi, aber ihre Fähigkeit Dinge zu erklären stand im krassen Kontrast dazu.

Dementsprechend war sie auch immer etwas sauer, wenn die Glocke läutete. Aber egal, das war etwas, das sie an Chloe auslassen konnte. Das Mädchen saugte anderer Leute Stress auf wie ein Schwamm. Und sie holte einem das Gratisessen.

Nur noch fix die Truppe zusammentrommeln und dann …

"Susanne?", rief Frau Jäger zu ihr. "Bleib mal noch da, ich habe da was mit dir zu besprechen."

Sie runzelte die Stirn. Frau Jäger behielt nie jemanden da. Kurz überlegte sie, ob es wegen der Noten war, aber sie schrieb wie die meisten Anderen bei der Frau immer glatte Einsen oder gute Zweien.

Mit gemischten Erwartungen trat sie an das Pult vor, während der Rest das Zimmer verließ.

"Setz dich", kam die kurze Aufforderung.

Susanne setzte sich auf den Stuhl vor dem Lehrertisch, während Frau Jäger etwas auf ihrem Smartphone heraussuchte.

"Hast du Ärger daheim?", fragte sie unvermittelt.

"Was?", fragte Susanne aus Reflex. "Nein."

"Irgendwelcher Stress mit Freunden, Verwandten oder anderweitig? Irgendwas das dir Kummer bereitet?"

Susanne schüttelte verwirrt den Kopf. Frau Jäger seufzte.

"Dann fehlt mir das Verständnis hierfür."

Mit diesen Worten hielt sie Susanne ihr Smartphone hin, auf dem ein Video lief. Es war eine Aufnahme von ihr, wie sie Chloe verprügelte.

Ihr schlief das Gesicht ein.

"Chloe steht im Moment unter enormen Druck, weißt du? Wohl nicht zuletzt wegen dir."

Ihr Herz rutschte in die Hose.

"Was machen Sie jetzt mit mir?", fragte Susanne.

Ihre Stimme klang seltsam erstickt.

"Nun, zu unserem gemeinsamen Glück hat sich Chloe mir allein anvertraut. Ich bin eine ziemlich faule Lehrerin und habe deswegen keine Lust, mich damit zu befassen. Deswegen lasse ich dich mit einer Warnung davon kommen.

Susanne ließ die angestaute Luft entweichen.

"Aber", kam es im strengen Tonfall von der anderen Seite des Tisches, "Sollte Chloe mir jemals berichten, dass es nach dieser Unterredung von deiner Seite wieder irgendwelche … nennen wir es "Übergriffe" … gegeben hat, werde ich diesen Fall mit dem Lehrkörper teilen. Du kannst dann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Verweis rechnen. Und wenn nicht, lasse ich mir persönlich was für dich einfallen, alles klar?"

Susanne nickte abgehackt.

"Gut, dann marsch durch die Tür dort."

Susanne beeilte sich, rannte geradezu aus dem Zimmer.

Und fand sich an einem dunklen Raum wieder. Eine Öllampe spendete spärliches Licht, der den Blick auf mehrere Geräte offenbarte, die Susanne nach längerem Hinsehen als blutbefleckte Folterinstrumente identifizierte. Eine Streckbank, Daumenschrauben, Brenneisen …

Moment, die Tür führte doch raus auf den Gang, nicht in diese Kammer, wie war das-

Sie schrie vor Angst auf, als Frau Jäger ihr von Hinten die Hände auf die Schultern legte. Ihre strenge Miene war einem wölfischen Grinsen gewichen.

Susanne brach der kalte Schweiß aus.

"Ich persönlich bin ein Freund visueller Warnungen. Wirkt wesentlich besser als wenn ich es den Schülern nur erzähle, meinst du nicht auch?"

Susanne nickte hastig.

"Schön, dass wir uns verstehen. Schick mir als nächstes Dennis, Ich habe ein Wörtchen mit ihm zu reden … "

"Ja!", quiekte Susanne hysterisch, während sich auf der anderen Seite der Folterkammer ein Tor in den Gang vor der Sporthalle öffnete …

Sie wusste jetzt, dass diese Lehrerin eine Hexe sein musste. Eine Hexe unterrichtete an ihrer Schule!


Tief in Chloes Inneren saß das, was Ku übrig geblieben war und blätterte in ihren Erinnerungen. Es grinste selbstgefällig, während sich um es herum der Nebel verzog.

"Na dann, Chloe Winter", sagte er in die Leere. "Dein Leben ist kurz, mach was daraus. Und aus mir …"

Das nächste Mal bei Nexus:
Schnittlauch und Beifuß, Teil 1

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