Das letzte Mal bei Nexus:
Letzter Wille, Teil 3
Elli schlug die Augen auf. Vor ihr war nichts. Nichts außer Sand. Meilenweit nichts als Sand, unter einem grünen Himmel, an dem drei Monde Licht spendeten. Einer von ihnen befand sich im Zustand des Zerbröselns. Das Zweite, was sie merkte, war, dass sie nichts anhatte.
Totenkleider haben keine Taschen, klar, aber sie hätte gerne irgendwelche Kleider angehabt, denn so wie sie jetzt war, mochte Elli Sand nicht. Er war kratzig und rau und unangenehm und er war einfach überall. Außerdem war es hier ziemlich kalt …
Elli hob kurz vom Boden ab, als hinter ihr ein haariger Fuß von der Größe eines Schlachtkreuzers aufstampfte.
Elli drehte sich um und sah nach oben.
Sie sah noch etwas weiter nach oben.
Und dann noch ein bisschen …
"Oh, Schei-", murmelte sie noch, bevor sie vom anderen Fuß der Kreatur zertreten wurde.
Der Nexus bebte und stöhnte unter der Belastung, die ihm das Raum-Zeitkontinuum aufbürdete. Chloe hatte noch nie ein Erdbeben im Nexus erlebt. Möbel fielen um, Dekorationsgegenstände wackelten von den Tischen und Ellis Bar klirrte als würden die Flaschen jubeln.
"CHLOE!", brüllte Dean durch das Rumpeln. "WAS HAST DU ANGESTELLT!"
Chloe, durch ihre Allmacht fest mit dem Boden verankert, packte Dean grimmig, als er durch eine plötzliche Richtungsänderung der Schwerkraft an ihr vorbeischlitterte. Sie wankte dabei nichtmal.
"Ich hab doch gesagt ich gehe Elli holen", sagte sie. "Ich war mit dem gesamten Universum verbunden, Dean. Ich weiß wo sie hin ist. Und da gehen wir jetzt hin."
"Corbenic …", entfuhr es Dean fassungslos. "Chloe, du versuchst, an einen Ort zu gelangen, der nicht erreicht werden will! Mag sein, dass das ein paar Leute per Zufall geschafft haben aber Corbenic unterscheidet sich erheblich von anderen Universen. Elli hat es versucht, hat sie mir erzählt. Es hätte beinahe den Nexus zerstört!"
"Bin ich Elli?", fragte Chloe.
"Nein, aber-"
"Dann schreib mir nicht vor, dass ich nichts kann was sie nicht auch kann!"
Der Nexus bockte immer heftiger. Chloe spürte, wie etwas versuchte, die Amalgamierung so vieler Universen zu zerdrücken.
Und versagte.
Mit einem plötzlichen Ruck kam der Nexus zum Stillstand.
Die Three Moons Initiative ist eine Organisation, der das Wohlergehen der Menschheiten in allen Universen am Herzen liegt. Sie besitzt Zugang zu weit fortgeschrittener Technologie und eine Streitmacht, die wohl im gesamten Multiversum ihresgleichen suchte.
Einziges Problem: Sie waren alle tot.
Die Initiative agierte von Corbenic aus, der Welt der Toten, die kein ehemals lebendiges Wesen verlassen konnte. Das war aber kein großes Problem, denn Drohnen konnten trotzdem zwischen den Universen reisen. Was andere Universen anging gab es gerade einen kleinen … Aufruhr …
Sörensen, ein schmerbäuchiger und bärtiger Techniker für die Überwachung von Corbenics dimensionaler Integrität, klingelte Sturm beim Generalstab. Dann wurde endlich abgenommen.
"Hier Generalin Spiegel, wer stört?", wurde Sörensen durch den Hörer angeblafft.
Der Techniker leckte sich nervös die Lippen, bevor er antwortete.
"H-Hier ist Sörensen von der dimensionalen Überwachung, Frau General."
"Dimensionale Überwachung?", kam es mit mäßiger Überraschung aus dem Hörer. "Was ist los, ist eine neue Erde aufgetaucht?"
Das war der eigentliche Zweck der dimensionalen Überwachung. Bereits dreimal in der Geschichte von Corbenic hatten sich Erden in diese Realität teleportiert und jedes Mal hatte es einen Krieg mit den nichtmenschlichen Bewohnern der Welt gegeben. Die Erntekriege. Die Ankünfte neuer Erden möglichst früh mitzubekommen und darauf zu reagieren war Sörensens Job. Nur, es war diesmal keine Erde, die von seinen Instrumenten erfasst worden war.
"Äh, nein, Frau General", sagte er daher. "Viel schlimmer … Die Irregularität ist hier!"
Tote haben keinen Bedarf an Essen oder Trinken, oder sogar Luft. Das Problem, Gewohnheiten legte man nicht so einfach ab, auch wenn man schon seit zehn Jahren tot war.
Elli war in ihrer kleinen, zweistöckigen Hütte, in der sich alles befand was Tote so brauchten. Oder auch nicht. Die schwarzen Lederhosen, das Lederhemd und die Jacke, ja, der Leser vermutet richtig, aus schwarzem Leder waren beispielsweise unnötig, aber die Leute legten auch im Tod Wert auf Anstand. Und auf Schuhe, wie Elli's Kampfstiefel. Die hatte sie einer Soldatin gestohlen.
Auf dem Boden lag eine gebrauchte und flachgelegene Matratze, in einer Ecke stand ein kleiner Tisch, auf dem eine Destillieranlage aufgebaut war, daneben standen drei Flaschen selbstgemachter Weinbrand.
Elli selbst saß an einem großen Tisch über einer Schüssel selbstgedrehter Cornflakes. Milch hatte sie keine, denn Milch war ein Luxusgut, deswegen hatte sie in einem Anfall von Ketzerei den Inhalt einer vierten Flasche Weinbrand hineingeschüttet und stocherte prüfend mit einem Holzlöffel darin herum.
Ein Ruck lief durch den Boden.
Die Blödmänner von der Initiative mussten wohl eine neue Waffe getestet haben …
Elli stocherte eine Weile weiter und nahm schließlich einen Löffel voll aus der Schüssel und führte ihn zum Mund.
Die Eingangstür wurde plötzlich von einem schwarzen Portal verdeckt.
Chloe trat daraus hervor und sah sich hektisch um, bis sie Elli erblickte.
Die schaute nur erstarrt auf den Anblick, der sich ihr bot und ließ den Löffel fallen.
"ELLI!", schrie Chloe und rannte so schnell zu ihr, dass sie fast vom Stuhl geworfen wurde.
"Chloe!?", kam es entgeistert von Elli. "Du bist tot!?"
Chloe schaute sie verwirrt an.
"Was? Nein!"
Dean trat aus dem Nexus, er hatte Ellis Tasche dabei. Das Portal schloss sich hinter ihm.
"Sie ist direkt nach deinem Tod hierher aufgebrochen", erklärte er. "Um wie viel hat sie deine Ankunft verfehlt?"
"Ich bin seit zehn Jahren hier", erklärte Elli, bevor ihr aufging, dass hier etwas gewaltig falsch lief. "Moment … Wie zur Hölle seid ihr hierhergekommen? Ich hab's versucht, damals bevor … der Sache mit dem Ende der Welten …"
"Irgendwas hat versucht, uns zu zerquetschen, aber der Nexus war zu stark", erklärte Chloe.
Elli ließ sich das durch den Kopf gehen. Offenbar hatte jemand mit aller Macht verhindern wollen, dass sie hierher kam … Und sie wusste, wer …
Aber wie hatte der Nexus andocken können? Corbenic war anders als normale Universen. Es existierte jenseits eines Abgrunds in der Existenz, den man als Lebender nicht überwinden konnte, so wie umgekehrt keine Toten Corbenic verlassen konnten. Moment …
"Dean", verlangte Elli. "Meine Tasche."
Dean trat heran und gab Elli was sie wollte. Sie kramte kurz darin herum und zog einen kleinen Messapparat heraus. Dazu noch einen kleinen Aufsatz mit einer Nadel dran. Nachdem sie beides zusammengefügt hatte, nahm sie Chloes Arm und stach hinein. Chloe zuckte kurz, ließ es aber über sich ergehen.
"Ah, wusste ich's doch …", murmelte Elli. "Chloe ist nicht mehr komplett menschlich."
"Äh, was?", fragte Chloe.
"Da sind noch Spuren von Kus Macht übrig", erklärte Elli. "Neben einer ganzen Menge Göttlichkeit, die du von Uriel zurückbehalten hast, vermutlich hat sie deinen Körper nie verlassen, weil du zu seinem Gefäß geformt worden warst. Du bist teilweise Engel und teilweise göttliches Wesen."
Chloe sah besorgt aus.
"Keine Sorge, da ist nichts mehr was dich umbringt, es ist eher wie der Rest in einer umgeworfenen Flasche", fügte Elli hinzu. "Es gibt dir lediglich eine gewisse Resistenz gegen göttliche und dämonische Mächte und sowas, was ich als "Engelsaura" bezeichnen könnte. Und du kannst immer noch Dämonen wegbrutzeln. Und eine lebende Heilige bist du ja auch noch. Wage aber zu bezweifeln, dass normale Menschen das überhaupt mitbekommen. Trotzdem wirkt diese unwahrscheinliche Combo wie Nitro auf den Nexus, ein Upgrade, könnte man sagen … Du hast wortwörtlich das Unmögliche möglich gemacht. Wahrscheinlich bist du dadurch auch direkt bei mir rausgekommen."
"Sollte ich mich deswegen stolz fühlen?"
"Keine Ahnung", war Ellis ehrlich Antwort.
"Was isst du da eigentlich?", fragte Dean, der Ellis Mahlzeit skeptisch musterte.
"Cornflakes mit Weinbrand", antwortete sie. "An Milch zu kommen ist hier fast unmöglich, weil, keiner braucht Milch."
Dean zog die Augenbrauen zusammen.
"Und du isst Cornflakes weil?"
"Weil ich mich wieder mal ein wenig, nun, lebendig fühlen will. Außerdem ist nur Branntwein saufen langweilig. Ist nichtmal guter Branntwein, aber ich komme an keine besseren Zutaten … Moment …"
Sie kramte hoffnungsvoll in ihrer Tasche und fiel auf die Knie, als sie triumphierend ihren Flachmann in die Höhe reckte.
"Ja! Ja! JA!"
Sie schraubte die Flasche auf und nuckelte glücklich daran. Ihre Welt kam wieder ins Gleichgewicht …
"Meisterin, könntet ihr, wenn ihr schon eure Sexpartner nach Hause einladet-", kam es von der Treppe, doch der Satz brach ab.
Chloe und Dean drehten überrascht den Kopf. Sie hatten wohl nicht erwartet, dass hier noch jemand wohnte. In Chloes Augen blitzte Erkennen auf, als sie Ellis Mitbewohnerin erblickte.
"Sind Sie Lin?", fragte Dean. "Ehemalige Dienerin der kaiserlichen Konkubine Li Mang1?"
"Ihr?", entfuhr es der ehemaligen Dienerin, denn Dean hatte ins Schwarze getroffen.
Sie sah nicht viel älter aus als damals als Elli sie zum ersten Mal getroffen hatte.
"Wie kam es denn dazu?", fragte Dean Elli.
Elli löste sich nur ungern von ihrem Flachmann.
"Unsere gute Lin hier wurde nach ihrer Flucht leider von den kaiserlichen Truppen erwischt und enthauptet.
"Ouh …", machte Chloe.
Elli grinste nur.
"Aber Tod hin oder her, ich halte meine Versprechen, nicht wahr, Lin?"
Lin nickte hastig.
"Hast du was mit ihr angestellt?", fragte Dean.
"Ich hab' sie K. O. geschlagen und ihr ein paar fernbedienbare Elektroschocker eingepflanzt. Wirkt Wunder …"
Dean und Chloe zogen synchron und besorgt eine Augenbraue hoch.
"Meinst du nicht, dass du es etwas übertrieben hast?", fragte Dean vorsichtig.
"Das kleine Wiesel hat zweimal versucht, abzuhauen", erklärte ihm Elli sachlich. "Außerdem-"
Der Boden erbebte. Immer wieder in einem stärker werdenden Rhythmus.
"Was will der denn hier?", fragte Lin Elli.
"Keine Ahnung, vielleicht müssen wir ihm wieder helfen, das Einmaleins zu verstehen", vermutete sie. "Och, ich würde ja gerne sagen, dass mir Unterhaltungen mit dem Kerl auf die Kehle gehen, aber das Teil regeneriert sich zum Glück ständig …"
Sie bedeutete den anderen, ihr nach draußen zu folgen.
Zumindest Chloe bekam große Augen.
Noch etwa einen Kilometer entfernt von ihnen näherte sich ein Strider.
Strider waren ungefähr drei Kilometer große, yeti-ähnliche Wesen mit schwarzem Fell, die hier im Corbenic heimisch waren. Ellis Hütte lag in der Nähe des Eingangs zum Tal der Strider, am Anfang der Großen Wüste, wo das Grün allmählich verschwand und große Felsen nach und nach zu Sand zermahlt wurden. Daher war es nicht selten, dass einer vorbeilief, aber normalerweise ließen sie Elli in Ruhe, mit Ausnahme von dem hier. In dem grün bewucherten Tal lebten viele andere Menschen, mit denen sie sich die Zeit vertreiben konnten, meist indem sie ihnen die Gliedmaßen abrissen oder sie zertraten, wie ein Kind, das eine Fliege die Flügel ausriss. Da die Menschen dort unten freilich alle tot waren, waren selbst die schwersten Verletzungen nicht von Dauer, denn die Toten hier verfügten über extreme Regenerationskräfte, die sie selbst dann wiederherstellten, wenn sie nur ein Haufen Matsch am Boden waren. Anders war die Sache allerdings, wenn die Strider sie aus Jux fraßen, um sie auf ewig zu verdauen.
"Keine Sorge, der tut uns nichts, aber macht ihn nicht sauer", warnte Elli. "Der kann uns mit seiner Stimme allein in Stein verwandeln."
Der Strider war inzwischen heran.
"BLONDI!", grollte er glücklich.
Er hatte eine Stimme wie ein Erdbeben.
"GOMO!", brüllte Elli fröhlich zu dem haarigen Riesen empor. "LASS DICH KNUDDELN!"
Dean und Chloe schauten erstaunt zu, wie eine Pranke von der Größe eines Fußballfeldes Elli zwischen zwei Fingern packte und emporhob, damit Gomo sie mit beiden Händen an seine Brust drücken konnte.
Das dauerte zwar durch die titanischen Ausmaße des Striders ein wenig, aber dann merkte Elli, dass es trotzdem zu schnell ging. Sie war auf Kollisionskurs …
"WARTE, GOMO, NICHT SO HASTIG, WARTE-!"
Es folgte ein Übelkeit erregendes Knacken, als Elli von Gomo zerquetscht wurde. Es reichte leider nicht, um sie das Bewusstsein verlieren zu lassen.
"OH, TSCHULDIGUNG. WAR KEINE ABSICHT", entschuldigte sich der Titan und legte Ellis zuckende Überreste zurück auf den Boden.
Die Worte drangen wie aus weiter Ferne an ihr Ohr, während sich ihr Körper unter erneutem Knacken wieder ordnungsgemäß zusammensetzte.
Chloe verfolgte das Ganze mit einem Gesicht so weiß wie ihr Haar.
Gomo war in die Knie gegangen und musterte die Neuankömmlinge, vor allem Chloe, neugierig. Zwar starben in anderen Welten auch Kinder, aber gegen die Anzahl der restlichen Toten aufgerechnet waren sie eine Seltenheit.
"OH, IST DIE NIEDLICH. GOMO WILL STREICHELN."
Elli rappelte sich hektisch wieder auf, während Chloe schockstarr auf die hausgroße Fingerkuppe starrte, die sich auf sie herabsenkte.
"WARTE, GOMO. DAS IST GEFÄHRLICH!", brüllte Elli gestresst zu ihm hoch.
Tatsächlich kam der Finger zwei Meter über dem Mädchen zum Stillstand.
"WARUM, BLONDI?", fragte Gomo.
"DAS IST CHLOE", rief Elli beschwichtigend. "SIE IST NICHT SO WIE WIR. SIE SETZT SICH NICHT WIEDER ZUSAMMEN, WENN DU SIE STREICHELST. DAS MACHT SIE DANN GANZ TRAURIG. MICH ÜBRIGENS AUCH!"
"Ich glaub, ich scheiß' mir gleich ein …", wimmerte Chloe leise unter dem Finger.
Aber dann zog ihn der Strider zum Glück weg.
"OH, SCHADE", brummte Gomo niedergeschlagen. "WAS IST MIT DEM GROẞEN?"
"DASSELBE!", log Elli. "DIE BEIDEN KOMMEN VON GANZ WEIT WEG."
"UIH!", freute sich Gomo.
"Wie hast du dich mit dem Kerl angefreundet?", fragte Dean betont leise von der Seite.
"Erinnerst du dich an die memetischen Triggerphrasen, die ich in Chloes Unterricht und in Gefahrensituationen verwende um Menschen zu besänftigen2?", flüsterte Elli zurück. "Die Dinger sind abartig wirksam gegen Strider."
Elli merkte, dass sie abgelenkt worden waren. Gomo war wegen irgendwas zu ihnen gekommen, denn Strider kamen nicht einfach auf einen Plausch vorbei. Sie kamen entweder um Leute zu zerreißen und zu zertreten oder um sie zu fressen. Oder in Ellis Fall, weil er Fragen hatte.
"WAS GIBT'S DENN EIGENTLICH, GOMO?", fragte sie laut.
"AH", kam es von oben wie eine Lawine. "BLONDI, GOMO WILL WISSEN, WARUM DA SCHRAPP-SCHRAPPS ZU DIR WOLLEN?"
"Schrapp-Schrapps?", fragte Dean.
"Er meint Hubschrauber", übersetzte Elli und fügte an Gomo gewandt hinzu: "WOHER WILLST DU WISSEN, DASS SIE ZU MIR WOLLEN?"
"WEIL SIE GENAU AUF DICH ZU KOMMEN, GUCK MAL!"
Der Strider deutete nach rechts, tatsächlich näherte sich von dort ein kleines Geschwader Kampfhubschrauber. Elli musste nicht mal genau hinsehen, um zu wissen, dass sie von der Three Moons Initiative waren. Dass so viele kamen, war nicht verwunderlich, schließlich mussten sie sich die Strider vom Leib halten, aber Elli fragte sich, wie sie sie gefunden hatten. Sie war dank ihres Wissensschatzes eine der größten Begierden der Initiative, daher hatte sie alles daran gesetzt, unentdeckt zu bleiben, darum lebte sie auch so weit weg von anderen Menschen. Aber spätestens seitdem sie erfolglos versucht hatte, dem Elefantenkönig der Marmorhallen den Alkohol zu klauen, wusste die Initiative von ihrer Anwesenheit in Corbenic. Deswegen und vermutlich wegen der One-Night-Stands …
Dann ging es ihr auf. Sie zielten nicht direkt auf sie, sondern auf Chloe. Denn sie hatte den Nexus hierhergebracht.
"Chloe, Dean, zurück in den Nexus", befahl sie.
"Was ist mit dir?", fragte Chloe. "Ich bin extra wegen dir hierhergekommen."
"Meine Zeit ist um, Chloe", erwiderte Elli. "Ich könnte Corbenic mit dem Nexus durchaus verlassen, aber wozu? Ich gehöre nicht mehr in deine Welt."
"Hast du vorher auch nicht", gab Chloe zurück. "Und trotzdem hast du alles getan um mir und Dean zu helfen."
Elli schnalzte mit der Zunge und vermied es, Chloe anzusehen.
"Wir diskutieren das später aus, jetzt geht erstmal bis diese Idioten wieder weg sind, GEHT!"
"Ich kann nicht, Elli."
Elli knirschte mit den Zähnen.
"CHLOE, MARSCH AB MIT DIR, ICH KANN-"
Chloe unterbrach sie.
"Nein, Elli, du verstehst nicht, ich kriege kein Portal zum Nexus auf!"
"Was?"
Die Hubschrauber waren über ihnen.
"GOMO, DIE SIND BÖSE", rief Elli über den Lärm der Motoren hinweg. "BITTE RETTE UNS!"
"GOMO MAG KEINE SCHRAPP-SCHRAPPS!", brüllte der Strider in einem kindsartigen Zorn und brüllte die Helikopter mit einer Stimme an, die alles vor ihm zu Stein werden ließ.
Eine der Flugmaschinen samt Besatzung fiel nicht nur wie, sondern auch als ein Stein zu Boden, bevor die anderen Eine Art Lautsprecher auf Gomo richteten.
Anti-Wellen-Generatoren. Sie sorgten dafür, dass Gomos Gebrüll sie nicht mehr erreichte, indem sie für jede Schallwelle eine Anti-Welle erzeugten.
Alle bis auf einen Helikopter eröffneten daraufhin mit allen Geschützen die sich an Bord befanden das Feuer auf den Strider, die durch die pure Wucht nach hinten geworfen wurde.
Der letzte Hubschrauber landete neben Ellis Hütte und spuckte sechs Soldaten in weißer Taktik-Ausrüstung aus. Ihre weißen Helme hatten schwarze Visiere und gefühlt jedes Kleidungsstück trug das ☽☽☽-Symbol.
"☽☽☽ INITIATIVE, AUF DEN BODEN!", polterte einer von ihnen über den Lärm des anhaltenden Bombardements auf Gomo hinweg.
Lin warf sich der Länge nach hin.
"Lin, das sind Pacifier", merkte Elli trocken an. "Sterblichenmunition, die piekt nur ein bisschen."
"Sie durchlöchert ihre Ziele!", kam es vom Boden.
"Und noch dazu, was ist mit Chloe?", fragte Dean von der Seite.
"Siehst du sie irgendwo?", fragte Elli.
Dean sah sich kurz um. Wie Elli bereits zuvor bemerkt hatte, war Chloe nicht mehr da, sie versteckte sich hinter einem großen Felsbrocken neben der Hütte.
"Hm, nö."
Elli nahm einen Schluck aus ihrem Flachmann.
"WIRD'S BALD?!", brüllte der Soldat.
"Okay, erstens", begann Elli. "Nicht in diesem Ton, Freundchen. Zweitens, was ist euer Problem? Ich hatte gerade einen schönen Plausch mit meinem Kumpel da", sie deutete auf den Strider, der unter Bombeneinschlägen zurückwich, "und dann kommt plötzlich ihr Eimer vom Himmel geplumpst."
Die Soldaten sahen sich gegenseitig an, bevor sie sich wieder Elli zuwandten.
"Uns liegen Hinweise vor, dass es hier zu einem von JALAKÅRA, möge er für immer gepriesen sein, höchstpersönlich verbotenen Dimensionsübergang gekommen ist. Wir sind hier, um die Verantwortlichen festzunehmen und vor Gericht zu stellen."
"Hast du hier ein Portal in ein anderes Universum gesehen, Dean?", fragte Elli.
Dean schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.
"Dann könnt ihr mal marsch wieder in euren Helikopter steigen und euch verpissen. Dann verzeihe ich euch vielleicht noch, was ihr da dem armen Gomo gerade antut. Ihr habt ihn voll erschreckt."
Elli war vollkommen klar, dass sie einen Angriffsbefehl gebrüllt hatte, aber so wie sie die Maschinen der Initiative kannte, hatten sie das über den Motorenlärm nicht gehört.
"Ach, was soll's", murmelte der Sprecher der Soldaten. "Schießt sie über den Haufen."
Dean war noch clever genug, sich nach vorne fallen zu lassen, um den Geschossen zu entgehen, aber Elli bekam sieben Kugeln in Kopf und Oberkörper.
Die Welt begann sich um sie zu drehen als Ihr Gehirn plötzlich seine Nervenbahnen umstellen musste, während sich die Einschusslöcher bereits wieder schlossen.
Elli fiel nach hinten. Sie spürte, wie ihr Handschellen angelegt wurden.
"Durchsuchen!", rief jemand.
Es nahm ein paar Augenblicke in Anspruch, bis ihre Wunden wieder verheilt waren, aber dann hörte Elli Chloes erschrockenes Quieken. Sie versuchte sich aufzubäumen aber bekam dafür einen Gewehrschaft gegen die Schläfe.
Elli fiel wieder zu Boden. Sterne tanzten vor ihren Augen.
Dann wurde lautes Rufen laut. Sie sah, wie Chloe zum Helikopter gezerrt wurde, und wie sich ein gewaltiger Schatten über sie senkte. Der Helikopter hob ab.
Und Elli wurde unter irgendwas Großem zerquetscht.
Der Vorteil an Leder ist, man sieht die Blutflecken nicht so deutlich und es wird nicht so einfach von herausgetretenen Knochen durchspießt.
Elli setzte sich wieder zusammen und hörte, wie Lin neben ihr stöhnte.
Sie setzte sich auf, als es ihre Wirbelsäule wieder zuließ.
Gomo ersetzte den Himmel über ihr und schaute mit wissenschaftlichem Interesse dabei zu, wie sie regenerierte.
Sie befand sich in einer Vertiefung, hinterlassen von der Hand des Striders. Dean schien es noch geschafft zu haben, zwischen seinen Fingern zu landen, denn er war intakt und etwa zwei Höhenmeter über ihr.
Aber Chloe war weg.
Sie hatten sich gerade erst wieder getroffen und schon waren diese Spaten aufgekreuzt, die sich für so viel besser als der Rest des Universums hielten. In Elli kochte Zorn hoch …
"FfffffffffffffFFFFFFFF-", schäumte sie, schaffte es aber nicht, ihren Fluch zu Ende zu führen, da sich Gomo zu Wort meldete.
"DIE WAREN VOLL GEMEIN!", nörgelte er.
"OH, DANKE FÜR DEINE EINSCHÄTZUNG!", brüllte Elli genervt zu ihm hoch und riskierte unwissentlich, von ihm gefressen zu werden.
Aber zu Glück hatte Gomo sie dafür zu gern.
"Was war das denn?", fragte Dean von oben.
"Das, Dean, waren die wohl überheblichsten Arschlöcher des Multiversums", keifte Elli. "Die Three Moons Initiative hält sich für sowas wie den Samariter der Menschheit. Sie glaubt, dass ihre und nur ihre Form zu leben die Richtige ist. Dementsprechend werden alle Toten, die von ihr aufgelesen werden auch von einem Gremium für ihre Lebensentscheidungen bestraft oder belohnt. Währe nur halb so schlimm, hätten sie nicht einen Gott als Sponsor und Technologie, die noch viel weiter entwickelt ist als die des SKP."
"Ouh …", machte Dean. "Und was machen wir jetzt?"
"Ja was wohl?", schnappte Elli. "Das was wir immer gemacht haben. Wir holen Chloe zurück. Sie wird wahrscheinlich auf einen der Monde verfrachtet, immerhin ist es der Oh-so-heilige-dass-ich-mir-einscheißen-könnte- JALAKÅRA, der hier wortwörtlich die Fäden zieht. LECK MICH, DU ÜBERGROẞE TARANTEL!"
Es blieb kurz still, allerdings schien Elli keine göttliche Vergeltung zu erfahren, darum zeterte sie weiter.
"Wahrscheinlich hat er Chloe davon abgehalten, den Nexus zu öffnen …"
Dean zog eine Augenbraue hoch.
"Ein Gott kann den Nexus blockieren?", fragte er.
"Wenn sein Nutzer unerfahren ist, ja", entgegnete Elli. "Es braucht etwas Übung, um Nexusportale zu meistern. Aber sei's drum. An sich hat der Weberknecht bereits gewonnen, aber ich habe noch ein Ass im Ärmel. Aber dafür muss ich mit dem Ewigen Präsidenten reden."
"Aber der ist doch auch in der Undurchdringlichen", erwiderte Lin. "Wie wollt Ihr da hochkommen, Meisterin? Diese Festung ist Lichtjahre von uns entfernt."
"Erstens, ich muss nicht bis zu Undurchdringlichen, ich muss nur auf einen der Monde. Und zweitens, Lin, ich geh da nicht hoch", sagte Elli grimmig. "Wir gehen da hoch. Und ich weiß auch schon wie. GOMO!"
"JA!", kam es von oben.
"BRING UNS ZUM BOSS. ICH ERZÄHL DIR AUCH NEUE WITZE AUF DEM WEG!"
"JUHU!", freute sich der Strider, während Lin zu weinen und zu schreien anfing.
"Oh nein, nicht die Hexen-Königin!"
"KLAPPE, LIN!"
Das nächste Mal bei Nexus:
Abschied, Teil 2