Letzter Wille, Teil 3

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Das letzte Mal bei Nexus:
Letzter Wille, Teil 2


"Und du bist sicher, dass das funktioniert?", fragte Dean skeptisch.

Elli hatte den Göttlichkeitssauger aufgebrochen und einige Kabelanschlüsse geändert. Jetzt füllte sie gerade zwei Gläser Link ab.

"Ja natürlich, Dean. Ich bin betrunken", antwortete sie genervt.

Chloe hatte derweil auf einem der beiden Betten unter dem Absauger Platz genommen und verbrachte die Zeit damit, mit spitzen Fingern ihre anderen Finger vom Laken zu befördern …

"Lawrence hat es geschafft, ihr Ku zu entziehen und ich gehe dieses Mal mit in ihren Geist und stelle sicher, dass auch wirklich nur Ku verschwindet. Du bleibst hier und erzeugst mit der Maschine den Unterdruck, der Ku festhält, wenn ich ihn losgestemmt habe. Alles eine Frage des Hirnschmalzes, wie damals, als mich Chloe vor dem Oneiroi Kollektiv gerettet hat."

"Hrm …", machte Dean und begab sich zum Steuerpult.

Elli legte sich neben Chloe auf das Bett und gab ihr ein Glas Link.

"Eigentlich müsste ich dir als moralisches Vorbild von Drogen abraten, aber dieses Mal ist es absolut notwendig. Prost."

Beide tranken ihr Glas auf ex. Elli bereite sich geistig auf das vor, was sie gleich tun würde.

Dean klatschte in die Hände.

"Also gut, Leute, ich starte in drei … Hoppala-"


Dieses Mal war Elli dank der Maschine auf der Empfängerseite, als das Link seine Wirkung entfaltete. Wie durch ein langes, dünnes Rohr wurde sie in Chloes Geist gezogen und landete schließlich in einer Bibliothek.

Einer, die sich M. C. Escher ausgedacht haben musste. In der Luft schwebten blau durchscheinende Kugeln, in denen eingerollt verschiedene Lebewesen schliefen. Manche irdisch, manche nicht.

Chloe stand neben ihr, mit ihrem normalen Aussehen, und vor ihr …

"Du musst Ku sein", mutmaßte Elli. "Sieht man an den Augen."

Ku lächelte, während er zu ihnen trat.

"Freut mich außerordentlich, Sie mal in Person zu treffen", sagte er enthusiastisch. "Und Chloe, gefällt dir, was ich hier gemacht habe?"

"Es ist ekelerregend", knurrte Chloe.

"Och …"

Elli derweil musterte interessiert den Schmuck in der Luft.

"Das, was hier so in der Luft hängt, sind das die Geister der Lebewesen, die Chloe ersetzt?", fragte sie.

"Oh ja, ich habe sie konserviert für den Zeitpunkt, an dem Chloe ihren Wunsch erfüllt hat", erklärte Ku quietschfidel.

"Du weißt, dass er niemals komplett erfüllt werden kann", merkte Elli an.

"Pff, und wenn schon, was kümmert dich das? Du hast jetzt ein Zuhause, mit Chloe, schon vergessen? Ein ganzes Universum, bereinigt von allem, was dir Böses wollen könnte. Du wirst geschützt von einer Macht, die mit jeder Minute weiter wächst. Mit genug Zeit, wer weiß, dann kann sie es sogar mit den mächtigsten Wesen der Existenz aufnehmen. Du wärst endlich frei. Du müsstest nie wieder weglaufen. Genau wie Chloe es sich gewünscht hat."

"Oh ja, schau, was es ihr bis jetzt gebracht hat."

"Touché."

Elli packte den toten Gott am Kragen.

"Lass sie gehen!"

"Ich kann nicht", entgegnete Ku verbindlich mit einem Lächeln. "Ich bin eine Gottesleiche, die an Regeln gebunden ist. Du musst es wissen, du hast versucht, sie zu brechen. Unauffällig, im Nexus. Hat da drin funktioniert, aber hatte außerhalb keinen Bestand, immerhin bin ich nichts, was sich nur auf ein Universum beschränkt. Nicht wahr?"

"Regeln", äffte Elli nach. "Bei eurem Pack geht es um Symbolik, das ist alles. Lass es mich vorführen."

"Was hast du-", fragte Ku noch, aber es war schon geschehen.

Chloes Gesicht schlief ein, als sie sah, wie Elli ihre Zähne in Kus Schulter versenkte.

Und ein Stück herausbiss.

Der Gott schien davon wenig gestört.

"Ziemlich gerissen …", sinnierte er und schüttelte lachend den Kopf.

Der Raum begann zu beben. Risse bildeten sich im Boden. Überall fielen Bücher herunter.
Und das Traumkonstrukt brach zusammen …


Elli befand sich in einer Welt aus Schwärze. Nur sie und Kus Überreste waren da. Er sah überrascht aus. Und zufrieden mit sich selbst.

"Das war interessant", merkte er an. "Aber bist du sicher, dass das die richtige Entscheidung war? Du haderst hier mit Gesetzen, die über einem bloßen Universum stehen. Ihnen unterliegt alles. Nicht mal dein ach so geschätzter Nexus wird dich davor retten."

Elli lächelte. Es war warm.

"Weißt du, Ku, vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Ich habe wahrhaft Unzählige getötet, und trotz all derer, die mir ihr Leben verdanken, habe ich diejenigen nicht wahrhaft retten können, die mir am nächsten standen. Keinen Roboter, der einfach nur leben wollte und auch nicht das kleine Mädchen, das nur zur falschen Zeit am falschen Ort war. Immer auf Achse mit mir, von einer Gefahr in die nächste."

Ku verdrehte grinsend die Augen.

"Du verkaufst dich unter Wert. Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass für die Beiden vielleicht einfach allein die Reise zusammen mit dir zum Ziel geworden ist?"

Elli dachte darüber nach und nickte amüsiert.

"Durchaus. Aber jede Reise ist irgendwann zu Ende."

Ku schloss die Augen in Zustimmung.

"Auch das ist ein Gesetz, das über allen anderen steht …"


K5-1 schreckte hoch. Was war passiert? Gerade eben war er in einer Besprechung gewesen, und jetzt saß er auf einem Stuhl im Wartesaal … Er sah auf die Uhr.

Es waren fast zwanzig Stunden vergangen … Und mehrere Wochen ...

Neben ihm regten sich auch andere Personen. Der ganze Raum war voll mit ihnen.

Sein Telefon klingelte. Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Stirnrunzelnd ging er ran.

"Hier K5-1, was gibt’s?"

"Hallo, äh, haben Sie auch gerade was vergessen?"

Klang nicht gut …

"Ja, was ist passiert?"

"Wissen wir noch nicht, aber das Phänomen scheint auf der ganzen Welt aufgetreten zu sein. Alle haben die letzten drei Wochen vergessen. Die Abteilung für innere Sicherheit wertet die Kameraaufzeichnungen aus, aber insbesondere in Sondereinrichtung-12 scheinen mehrere Bänder gelöscht und überschrieben worden zu sein. Neben anderem Zeug aus der Datenbank."

"Was fehlt?", verlangte K5 zu wissen.

"Das wissen wir nicht, wir können nur sagen, dass es eine ganze Menge ist, denn wir haben Eindämmungseinrichtungen und Ausrüstungsgegenstände für Sachen, die wir offenkundig gar nicht haben und laut Datenbank nie hatten.

"Alles klar, halten Sie mich auf dem Laufenden."

"Jawohl, bis später."

K5-1 legte auf. Er musste sich mit dem restlichen K5-Rat beraten, was passieren würde …


Elli hatte ein Nexusportal vor ihrem Haus geöffnet, durch das die drei schritten. Alle waren erschöpft, vor allem Elli selbst sah sehr blass aus und hatte dunkle Augenringe. Chloe schaute nicht viel besser aus, aber wenigstens war sie wieder normal, mit gesunder Hautfarbe und Körpermuskel- und -fettanteil. Die weißen Haare hatte sie allerdings immer noch …

"Bist du sicher, dass sie uns nicht mehr zurückholen können?", fragte sie.

Elli winkte müde ab.

"Wenn du alles, inklusive den NIVEA hierhergebracht hast, klar. Meine Würmer haben sich um den digitalen Kram gekümmert und da du kurzzeitig an dem Geist jedes Wesens im Universum rumgepfuscht hast, haben sie die letzten paar Wochen vergessen. Alles ist tutti."

Dean schaltete sich ein.

"Dafür hast du aber die Rüstung schön geschrottet. Ich habe dir gesagt, viele der Schaltkreise da drin sind provisorisch. Und dank diesem Einsatz sind sie jetzt alle durchgebrannt. Das müssen wir reparieren, sonst bringst du dich um, wenn du das Ding das nächste Mal anlegst."

Elli kicherte humorlos.

"Manche Gegebenheiten erfordern extreme Maßnahmen, Dean. Hätte ich vom SKP einen Panzer klauen sollen?"

"Du hast ihm genug Kriegsgerät gestohlen, um ein Land zu überfallen", bemerkte Dean mit einem Blick auf die immer noch am Himmel stehende Erdenkopie.

Elli verdrehte die Augen.

Während ihr Gesicht Risse bekam …

"ELLI!", entfuhr es Chloe erschrocken, während die Angesprochene plötzlich kraftlos in die Knie ging.

Sie schaute überrascht auf ihre Finger, die zu bröckeln begannen.

"Oh, so schnell?", kommentierte sie, seltsam zufrieden. "Dachte ich habe mehr Zeit, aber das passiert wohl, wenn man einen Gott mit Gewalt verschlingt …"

Chloe nahm sie in die Arme, bevor sie nach vorn fallen konnte.

Sie fühlte sich unangenehm leicht und fragil an.

"Elli, was hast du gemacht?", fragte Chloe erschrocken.

Elli umarmte sie.

"Ich konnte Ku nicht aus dir rausreißen und in einer Maschine speichern, Chloe. Egal was ich tue, bis sein Gefäß stirbt, hängt er an dir. Außer natürlich, er bekommt ein Neues … Scheint, als ob meine Existenz ihm wesentlich weniger Halt gibt als deine. Das ist also das Gefäß Uriels … Tschuldige, dass ich euch angelogen habe …"

Chloe sah erschrocken, wie Staub unter Ellis Hemd hervorzurieseln begann.

"Elli, heile dich! Du bist im Nexus!"

"Und ich könnte ihn nie mehr verlassen, Chloe", hielt sie dagegen. "Sicher, ich könnte Ku vernichten, aber der Schaden an meiner Existenz ist unumkehrbar im Universum des SKP angerichtet worden. Und er wird mich wieder einholen, wenn ich meine Domäne verlasse. Dasselbe, wenn ich mir was wünsche …"

Chloe stiegen die Tränen in die Augen.

"Dann bleib' doch hier. Du kannst hier alles tun was du willst. Ich könnte dich besuchen kommen und wir-"

Elli drückte fester zu. Es knirschte hörbar.

"Um für immer in einer Welt gefangen zu sein, in der es keine Wunder zu sehen gibt?", fragte Elli. "Chloe, für mich ist das kein Leben. Das ist Siechtum. Und außerdem, ich bin längst überfällig. Klone werden normalerweise nach spätestens tausend Jahren aussortiert. Nicht mehr zeitgemäß, wenn du verstehst, was ich meine."

"Du bist mehr als ein Klon", widersprach Chloe fest.

Elli kicherte und hustete ihr Staub auf die Schulter.

"Kommt drauf an wen du fragst …"

Im Nexus wurde mechanisches Knicken und Knistern hörbar.

"Was ist das?", fragte Dean, der hilflos neben den beiden stand.

"Ich übertrage Chloe die Befehlsgewalt über den Nexus", erklärte Elli. "Da wo ich hingehe, kann ich ihn nicht mehr gebrauchen."

Sie meinte es tatsächlich ernst!

"Elli, bitte geh' nicht!", heulte Chloe und packte Elli fest, als könnte sie damit den Prozess ihres Zerfalls aufhalten. Alles was sie schaffte war, ihr den Rücken einzudrücken. Elli gab keine Reaktion von sich, sondern streckte einen Arm nach Dean aus. Er kniete sich hin und sie umschlang seinen Hals.

"Wisst ihr, ich habe so unglaublich viel erlebt in diesem Multiversum, wahrscheinlich sogar mehr als die meisten Gottheiten …", flüsterte sie, kaum mehr hörbar.

Dean legte die Arme um sie. Er konnte nicht weinen, aber Chloe liefen die Tränen in Bächen über die Wangen.

"Elli, nicht …"

Sie bedachte Chloes Flehen mit einem letzten Lächeln.

"Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war das Beste, das mir je passiert ist, euch zu treffen …"

Ellis Körper zerfiel zu feinem Staub. Ihre Kleidung fiel leblos aus Chloes und Deans Händen.

Elli war fort.

Chloe gab sich ganz den Tränen hin, während Dean versuchte, die ganze Tragweite von Ellis letzten Worten zu erfassen …

Im Nexus begann es zum allerersten Mal zu regnen.


Dean suchte für Chloe trockene Kleidung. Elli hatte alles, was sie ihr je gemacht hatte aufgehoben, und der Kleiderschrank war inzwischen seine eigene Modeboutique.

"Du musst nicht", kam es tonlos von hinter ihm.

Er drehte sich um. Chloe war komplett trocken und sah grimmig aus.

"Du scheinst schon Pläne zu haben", schloss Dean. "Wo gehen wir hin?"

"Da hin, wo Elli ist."

Dean hob eine Augenbraue.

"Ich hatte das Wissen eines ganzen Kosmos' in meinen Hirn", fuhr Chloe entschlossen fort. "Und etwas davon ist immer noch da. Irgendwo, irgendwie … Ich weiß, wo sie ist."

Dean hob abwehrend die Hände.

"Chloe, tu das nicht! Elli selbst hat mehrmals versucht, diesen Ort zu erreichen, aber-"

"IST MIR EGAL", donnerte Chloe. "Nur weil sie sich geopfert hat, gebe ich sie nicht auf!"

"Selbst, wenn das ihr Wunsch war?" fragte Dean skeptisch.

"Selbst dann. Ich zeige ihr, wie das ist, wenn jemand andere Pläne hat als man selbst!"

Sie richtete sich an den Nexus im Allgemeinen.

"Bring mich zu Elli!"

Und der Nexus gehorchte …

Das nächste Mal bei Nexus:
Abschied, Teil 1

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