Die Hexe, die Zauberin und die Dimensionsreisende, Teil 3

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Während Annemarie flog, zogen sich ihre Räder in das Innere des Fahrzeugs zurück und machten Steuerrudern und Turbinen Platz.

Die Bober war als Nebenfluss der Oder ein eher kleiner Fluss, aber er führte im Moment genug Wasser, um dem Auto genug Tiefgang zu erlauben.

Da Annemarie genug Geschwindigkeit aufgebaut hatte, hoffte Mirabilis, dass der schwarze Wagen, der wegen des Untergrunds nicht ordentlich bremsen konnte, in den Fluss gezogen und darin untergehen würde.

Womit sie aber nicht rechnete war, dass sich dessen Räder plötzlich um neunzig Grad zur Seite drehten. Als Resultat begann der Wagen auf dem Wasser zu schweben, während er durch seine Leine hinter Annemarie hergezogen wurde. Aber zumindest konnte er sie nicht mehr ausbremsen.

Dann drückte der große Vogel Annemarie plötzlich tiefer ins Wasser.

"Och, der Piepmatz nervt …", knurrte Mirabilis.

Sie begann einen Zauber zu weben, es war ein langer Zauber, der Zeit benötigte. Währenddessen hackte der Vogel auf die Windschutzscheibe ein und Ellis Auto tat sein Möglichstes, um Annemarie trotzdem zu verlangsamen.

Aber dann bekam sie den Zauber fertig.

Das Wasser um sie herum formte plötzlich zwei gewaltige Hände, die mit dem schwarzen Vogel im Zentrum zusammenklatschten, als hätten sie eine Mücke erschlagen.

Das machte dem Vogel leider nicht den Garaus, aber er gab einen markerschütternden Schrei von sich und plumpste in den Fluss. Offenbar war er so durchnässt worden, dass er zu schwer zum Fliegen war. Er versuchte sich an der Oberfläche zu halten und dümpelte den Fluss entlang, während die beiden Autos an ihm vorbeirasten.

"Gut", nickte Mirabilis. "Und jetzt zu dem Problem hinter uns …"

"Mademoiselle, wir 'aben ein Problem vor uns", merkte Markus an.

Mirabilis zog die Stirn kraus und schaute wieder nach vorn. Ihre Mundwinkel sackten stark nach unten.

Ein kleines Stück weiter vorn verschwand das Wasser der Bober urplötzlich in einem schwarzen Portal, das offenbar eine große Kuhle am Boden des Flusses beanspruchte. Das Loch war groß genug, sodass Annemarie hindurchfallen konnte.

"Annemarie, das YEET-Manöver!", befahl sie.

Der Trabant wurde urplötzlich leichter als Luft, was dazu führte, dass er sich wie ein Luftballon aus dem Wasser hob.

Mirabilis hatte allerdings nicht bedacht, dass der schwarze Wagen, dessen Greifhaken noch immer in ihrem Kofferraum steckte, seinen Kurs beibehielt und weiter auf das Portal zuhielt. Annemarie wurde mitgezerrt wie ein Ballon an einer Schnur.

Doch dann riss urplötzlich das Seil.

Mirabilis erhaschte einen Blick auf die Teppichhexe, die mit den Fingern eine Art magische Geste geformt hatte, bevor Annemarie durch das verlorene Gewicht nach oben katapultiert wurde.

"Annemarie, nach unten, nach unten!", rief Markus.

Ihr Fahrzeug erlangte die Beherrschung über sich zurück und schwebte langsam, getragen von seinem kinetischen Moment dem Boden entgegen.

Sie segelten über eine kleine Stadt hinweg, deren Bewohner sich sicherlich über den Trabant wunderten und landeten auf einer Weide.

Ein paar Kühe musterten den Wagen mit mäßigem Interesse, als ob es hier öfter vorkam, dass Autos nach ihrem Flug hier landeten.

Annemarie beschleunigte wieder, benutzte einen Hügel als Rampe und landete auf der Straße dahinter, die eigentlich durch einen Zaun blockiert war. Dort kam der Trabant augenblicklich zum Halt um nicht durch die wirkenden Kräfte im Straßengraben zu landen und beschleunigte wieder mit quietschenden Reifen.

Die Teppichhexe tauchte bereits wieder auf.

Mirabilis sah nicht was sie tat, aber plötzlich kam untypisches Eigenleben in die umgebende Pflanzenwelt, Bäume und Ranken beugten sich auf die Straße hinab im Versuch, Annemarie aufzuhalten.

"Mademoiselle?", meldete sich Markus vom Rücksitz. "Wenn isch darauf 'inweisen darf, wir 'aben noch das Booster-Pack, das letztens eingebaut wurde."

"Ah, gute Idee", lobte die Ladenbesitzerin. "Annemarie, Vollgas, aber jetzt richtig."

Annemaries Motor lief zu ungesund wirkenden Drehzahlen auf, während das kleine Auto so schnell beschleunigte, dass es seine Insassen in die Sitze drückte. Eine gewaltige Flamme fauchte aus dem Auspuff und der Reifenabrieb entzündete sich spontan durch die Reibungswärme, wodurch der Trabant zwei feurige Spuren hinter sich herzog.

Unterwegs überholte Annemarie einen Traktor, zwei PKWs und einen Laster, löste eine Radarfalle aus, die allerdings nur einen undeutlichen Schemen fotografieren konnte und ignorierte sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen, selbst innerhalb von Ortschaften.

Man könnte meinen es sei ein Wunder, dass keiner verletzt wurde, aber Annemarie hatte schnelle Reflexe. Außerdem war ihr Bremsweg unabhängig von der Geschwindigkeit immer 0 und durch das Boosterpack lief sie innerhalb von einer Sekunde von 0 auf hundert. Die Hexe verschwand bald hinter ihnen.

Sie erreichten ein Waldstück, als Annemarie wieder auf normale Geschwindigkeiten drosseln musste, um nicht heißzulaufen.

"Haben wir sie endlich abgehängt?", wunderte sich Mirabilis.

Die Antwort lag direkt vor ihr. Ellis Wagen raste mit einem Affenzahn auf sie zu. Keine Ahnung was er vorhatte, aber praktischerweise war er in der Schusslinie.

"Feuer eins …"

Annemaries linkes vorderes Blinklicht klappte auf und feuerte eine kleine Rakete ab, die dass sich nähernde Auto auf's Korn nahm.

Wenn es ein Ausweichmanöver versuchte, so war es zu langsam.

Das Projektil bohrte sich mit einem dumpfen "Donk!" in das Chassis, dann explodierte das merkwürdige Gefährt.

Offenbar hatte das Teil noch sowas wie einen Schleudersitz ausgelöst, denn der Riese, der Elli begleitet hatte, kam herausgeschossen.

Irrte sie sich oder brüllte er "CYNTHIAAAAA!"?

Mirabilis begriff zu spät, dass er sich selbst zum Projektil umfunktioniert hatte.

Annemarie versuchte ein Ausweichmanöver, aber der Riese krachte durch die kugelsichere Windschutzscheibe und brachte den Wagen durch die wirkenden Kräfte so vom Kurs ab, dass er durch die Leitplanke donnerte und einen Abhang hinunter mehrfach überschlug, bevor er schließlich auf dem Dach liegen blieb.

Annemaries Magie hatte dafür gesorgt, dass die Insassen unverletzt geblieben waren, aber Mirabilis wankte trotzdem ziemlich stark, als sie mit den Kaninchenhallimaschs aus dem Auto kroch und aufzustehen versuchte.

Markus stöhnte auf der anderen Seite von Annemarie. Der Riese derweil schob sich rückwärts durch die Windschutzscheibe und richtete sich auf. Das Einzige, was an ihm Schaden genommen hatte, schienen seine Klamotten zu sein.

"Beklecker' mich nochmal mit Dreck, dann komm ich wieder …", drohte er dem Auto.

Es hupte entschuldigend.

Der Bereich hinter der nun zerstörten Windschutzscheibe verfärbte sich schwarz und Elli kletterte aus dem entstandenen Loch. Ihr folgte dieses entsetzlich dürre Mädchen Chloe.

"Du hast mein Auto zerbombt!", tadelte die Blondine.

"Du hast versucht unseres in dein Loch zu ziehen", konterte die Magierin.

Elli drehte ihren kleinen Finger im Ohr.

"Yeah, das liegt daran, dass ihr was von einer Diebin geklaut habt, die vorher uns beklaut hat. Rück die Pilze wieder raus, Mirabilis."

"Da steht nirgendwo dein Name drauf, außerdem haben wir sie fair und ehrlich gemopst."

Sie begann einen Zauber zu weben.

Elli verdrehte die Augen und krempelte die Ärmel hoch.

Nur bekam sie plötzlich Deans Rückhand ins Gesicht.

Elli schaute weniger ärgerlich und mehr überrascht zu Dean.

"Hast du mir gerade eine Zuhälterschelle verpasst?"

Jetzt bemerkte auch die Verkäuferin, dass sich der Große merkwürdig abgehackt bewegte. Sie meinte, das Geräusch von Elektromotoren zu hören, die gegeneinander arbeiteten. Mirabilis drehte sich zu ihrem Kollegen um, der immer noch hinter Annemarie stand. Seine linke Hand bewegte sich wie die eines Puppenspielers.

Markus hatte ihn an seinen Fäden …

"Ich habe keine Ahnung was hier vorgeht, Elli", verteidigte sich sein Opfer. "Mein Körper bewegt sich ohne jeden Input."

Elli musste sich unter seiner Faust wegducken.

"Das ist was für's nächste Update, Dean", kommentierte sie.

Mirabilis nutzte die Gelegenheit, um ihren Zauber fertig zu weben.

Aus allen Richtungen kullerten Steine und Felsbrocken herbei und setzten sich zu einer vage humanoiden Gestallt zusammen. Das Wort "אמת" prangte auf seiner Stirn.

"Sag hallo zu meinem großen Freund!", stellte sie den neu erschaffenen Golem vor. "Golem, versohl ihr den Hintern!"

Elli zog nur eine Augenbraue hoch.

". ציית רק לפקודות שלי. למחוץ את כל אויבי"

Der Golem drehte sich um und schlug mit seinen langen Armen nach Mirabilis.

"Ja was zum-", entfuhr es ihr erschrocken.

Das Steinwesen sollte eigentlich nur den Befehlen gehorchen, die sein Schöpfer ihm gab.

"Ich kenne diesen Zauberspruch, auch wenn ich ihn nicht anwenden kann", erklärte Elli, während sie vor Dean zurückwich, der dagegen ankämpfte, nach ihr zu schlagen. "Er kann zwar Befehle seines Schöpfers in jeder Sprache empfangen-", sie wich einem linken Haken aus, "-aber hartkodieren kann man ihn nur auf Hebräisch."

Der Golem stoppte plötzlich, als Markus seine andere Hand benutzte, um ihn zu kontrollieren. Mirabilis nutzte die Gelegenheit, um zu seiner Stirn hinaufzulangen und den Buchstaben "א" wegzuwischen. Der Golem zerfiel sofort in seine Einzelteile.

Dean kam plötzlich von Markus' Kontrolle frei. Als sich Mirabilis umdrehte, sah sie wie Chloe seine Finger mit beiden Händen gepackt hatte.

Als sie sich zurückdrehte, war Dean bereits auf Kollisionskurs mit Markus gegangen.

Sie bekam gar nicht mehr schnell genug den Mund auf, bevor Elli mit einer Pfanne auf sie losging.

Bevor sie jedoch zuschlagen konnte, erklang über ihnen ein tiefes, zorniges Kreischen.

Durch das Blätterdach der Bäume schoss der Höllenvogel herab.

Die beiden Frauen hechteten zur Seite, als das riesige Wesen mehr schlecht als recht auf dem Boden aufsetzte. Er war immer noch feucht vom Flusswasser und dadurch wohl zu schwer für richtiges Fliegen. Er erzeugte dadurch wohl auch keine brennende Asche mehr.

Neben ihm senkte sich die Hexe auf dem Teppich herab.

Und begann auf Thailändisch zu nörgeln.

Mirabilis und Elli rappelten sich wieder auf.

"Was sagt sie?", fragte die Verkäuferin.

"Sie ist sauer, weil sie ihren Vertrauten beschwören musste", übersetzte Elli. "Und sie will deine Pilze oder sie sagt dem Vogel, er soll dich picken. Außerdem hat sie die Pilze angeblich zuerst entdeckt."

Mirabilis dachte kurz darüber nach. Sie hatte wahrscheinlich die einzigen Kaninchenhallimaschs in ganz Polen in der Hand und würde so schnell keine neuen mehr finden.

Andererseits war das da ein ziemlich großer Vogel …

"Äh … Kannst du ihr sagen, dass ich ihr den Beutel gebe, wenn sie verspricht, das Federvieh zurückzurufen?"

Elli tat wie geheißen mit einem ziemlich kurzen Satz. Er beinhaltete die Wortkombination "Fuck off".

Die Hexe rief irgendwas und der Höllenvogel ließ seinen Schnabel auf Mirabilis herniederfahren. Er war allerdings so langsam, dass sie ausweichen konnte. Hielt sich der Vogel etwa zurück? Egal, Fluchen war jetzt wichtiger.

"VERDAMMT, ELLI!", brüllte Mirabilis wütend.

"Das war für die Nummer mit dem Dschinn in Bagdad", entgegnete Elli gehässig. "Wenn du jetzt den Beutel fallen lässt, kann ich-"

Sie musste abbrechen, weil der Vogel sie ebenfalls auf's Korn nahm.

Mirabilis sah sich gehetzt nach Markus um, aber der hing in Deans Schwitzkasten fest. Er hatte seine Finger gepackt, damit er sie nicht bewegen konnte.

Und dann pickte plötzlich ein wesentlich kleinerer Rabe an der Hand, in der sie den Beutel hielt. Sie schlug ihn mit der anderen Hand weg.

Die Hexe auf ihrem Teppich ließ ihre thaumaturgischen Muskeln spielen und bereitete irgendeinen unschönen Spruch vor.

Nur, was auch immer sie ausführen wollte, trat nicht ein. Statt des gewünschten Effekts büßte ihr Teppich plötzlich seine Flugeigenschaften ein und fiel zu Boden.

Der Vogel wurde dadurch abgelenkt und erlaubte Mirabilis, einen Spruch zu formulieren, der niedere Dämonen von dieser metaphysischen Ebene verbannen würde.

Elli bemerkte, was sie vorhatte. Ihr Gesicht schlief ein.

"MIRABILIS, NICHT! Höllenraben dieser Größe sind -"

Doch es war zu spät. Mirabilis ließ ihrer Magie freien Lauf. Der Vogel wurde weggeschleudert, verschwand aber nicht, selbst als er gegen eine Eiche krachte.

Mirabilis legte den Kopf schräg.

"Ganz toll", kommentierte Elli trocken. "Der Spruch funktioniert nicht bei Dämonen mittleren Ranges. Du hast nur den Kontrakt dieser Hexe aufgehoben …"

"Sollte er dann nicht verschwinden?", vergewisserte sich die Verkäuferin.

"Nein", klärte Elli sie auf und grinste dabei ohne jedweden Humor. "Du hast ihn gerade von den Regeln von Himmel und Hölle freigestellt, bis er wieder verbannt wird. Wenn ich du wäre, würde ich einen heiligen Feuerlöscher bereithalten …"

Die Hexe versuchte vergeblich, dem Vogel Anweisungen zu geben, während sich dieser schwerfällig wiederaufsetzte.

Dann brüllte er und hackte nach seiner ehemaligen Partnerin. Sein Schnabel drang mehrfach tief in den Boden ein, während die Teppichhexe wegzurennen versuchte.

Mirabilis versuchte, das Problem mit einem weiteren Spruch zu beheben, aber der Höllenrabe nahm sie ins Visier, als er ihre Formeln hörte.

Er holte tief Luft …

Die Ladenbesitzerin versuchte, ihren Spruch zu beschleunigen, biss sich dabei aber nur auf die Zunge und musste abbrechen.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie irgendwas Weißes an ihr vorbeilief.

Ähnlich wie ein Drache begann der Vogel, Feuer zu speien. Die Flammenzunge hielt genau auf sie zu.

Doch Ellis weißhaarige Begleiterin trat ihr in den Weg.

"BIST DU WAHNSINN-", brachte Mirabilis noch heraus, dann wurde das Mädchen, Elli und sie selbst von den Flammen eingehüllt.

Nur ihre linke Hand brannte, darum zog die Ladenbesitzerin sie reflexhaft an den Körper und fuchtelte damit herum, um sie zu kühlen.

Mehr passierte aber nicht.

Sie befand sich zwischen zwei Feuerzungen, vor ihr teilten sich die heranbrausenden Flammen vor Chloe, ohne sie zu verletzen. Sie schritt ungerührt auf den Vogel zu, selbst als der Feuerstoß verebbte.

Der Vogel musterte sie mit Verwirrung und schrie qualvoll aus, als sie ihm gegen das Bein trat.

Mirabilis wusste nicht so recht, was sie erwartet hatte, jedenfalls nicht, dass sich der Vogel plötzlich zur Seite warf, während sein Bein in blauweißen Flammen aufging, die sich daran machten, seinen gesamten Körper in Asche zu verwandeln.

Der Vogel verging mit einem letzten, erstickten Krächzen.

"Äh, was war das?", fragte Mirabilis.

"Das passiert Dämonen, die von einer lebenden Heiligen zur Reliquie gemacht werden. Plus und Minus ergeben Neutral", erklärte Elli.

Sie klang ähnlich verdutzt.

Die Magierin hatte so viele Fragen …

"Wie zur Hölle ist dieses Mädel-"

"Frag nicht", knurrte die Weißhaarige lauernd.

Mirabilis hob abwehrend die Hände.

Und merkte, dass der Beutel mit den Pilzen nicht mehr darin war.

Sie hatte ihn in der linken Hand gehalten, als das Höllenfeuer sie erreicht hatte.

Und aus Reflex losgelassen …

Um sie herum brannte der Waldboden, aber das Mädchen machte sich bereits ans Löschen, indem sie einfach durch die Flammen lief.

Der Beutel mitsamt Inhalt aber war zu einem Haufen Asche verbrannt.

Die Hexe trat zu ihnen und fing an zu zetern.

"Jetzt schaut, was ihr angerichtet habt!", übersetzte Elli simultan. "Jetzt kann keiner von uns die Hallimaschs benutzen.

Die Blondine zog die Augenbrauen zusammen und wies die Frau in ihrer Muttersprache wohl daraufhin, dass es ihr Vogel gewesen war, der die Pilze verbrannt hatte. Sie bekam eine geharnischte Antwort.

"Sie sagt, wenn du den Höllenraben nicht freigegeben hättest, wäre das überhaupt gar nicht erst passiert", gab Elli an Mirabilis weiter. "Sie hat dich Bitch genannt."

"Tja, wenn ein gewisser Jemand meine Aufgabe ordentlich übersetzt hätte, dann wären wir gar nicht in dieser Situation!", gab die Verkäuferin schnippisch zurück.

"Wer wollte den Beutel nicht rausrücken?", konterte Elli.

"Hey, die Hexe hat ihn zuerst geklaut."

Die Thailänderin sagte etwas.

"Sie fragt was wir diskutieren", übersetzte die Blondine.

"Den Schlamassel, den sie uns eingebrockt hat."

Elli gab das trocken an die Teppichhexe weiter.

Die schlug Elli daraufhin ins Gesicht. Sie wollte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und holte für eine Backpfeife aus, allerdings duckte sie sich, wodurch Ellis Faust durch ihren eigenen Schwung weitergetragen wurde und Mirabillis traf, die aufkeuchte und nach dem Gleichgewicht rang. Reflexhaft hielt sie sich dabei an den Haaren der Hexe fest, die schmerzhaft aufschrie.

Die drei Frauen wechselten danach stumm einen Blick.

Und eine wunderschöne Prügelei schloss sich an.


Etwas entfernt, hinter einem Trabant, dessen Einzelteile von seltsamem Eigenleben beseelt langsam aber stetig wieder auf das Wrack zukrochen, hatten Markus und Dean ihren Kampf inzwischen eingestellt und betrachteten stumm, wie sich die drei Kontrahentinnen gegenseitig schlugen, kratzten und traten.

Ein zerzauster Rabe landete auf Deans Schulter.

"Will jemand Wetten abschließen?", fragte er krächzend.

"Fünf Euro auf Elli!", rief Chloe, die noch immer mit dem Löschen des Dämonenfeuers beschäftigt war.
"Einen Zehner auf meine Mademoiselle!", sagte Markus.

"Zehn auf meinen Boss", sagte der Rabe.

Dean seufzte. Er hatte seine Rache an dem Auto und der Marionette, die ihn wie einen Roboter zu bedienen versucht hatte, bekommen, der Rest interessierte ihn inzwischen nicht mehr.

"Fünfundzwanzig darauf, dass die Schwarzhaarige zuerst ohnmächtig wird und sich Mirabilis und Elli anschließend gegenseitig K.O. schlagen …"


Unberührt von dem Chaos, mit dem sich der Sicherheitsdienst rumschlagen musste, durchkämmten die Mitglieder der Polnischen Vereinigung für das Sammeln anomaler Pilze den Nationalpark Riesengebirge nach Raritäten und außergewöhnlichen Funden. Eine ältere Frau mit Wanderausrüstung und Gehstock stieg zusammen mit einem ähnlich betagten Kollegen einen baumbedeckten Hügel hinauf.

"Anja, lass gut sein", sagte der Mann. "Wir finden heute nix mehr. Überlassen wir den Jungspunden das Feld."

"Nix finden? Nix da, Radek!", verweigerte sich die Frau. "So schnell geb ich nicht auf und- OOOOH!"

Sie erreichte die Spitze des Hügels, die sich als ziemlich breit herausstellte. Und auf dieser Spitze präsentierte sich ihnen ein dicker Hexenring mit mindestens drei Metern Durchmesser. Einer der ganz besonderen Art …

"Kaninchenhallimaschs!", jubelte Anja. "Komm, Radek, mach ein Foto! Oh, damit können wir mindestens zehn Jahre lang angeben!"


Chloe fühlte sich ausgelaugt, als sie an diesem Abend aus dem Schrank torkelte. Und dabei hatte sie nicht mal viel gemacht …

Sie fragte sich immer noch, warum ihr Instinkt ihr gesagt hatte die Flammen seien harmlos … Vielleicht das Gespür einer Heiligen …

Chloe schüttelte sich bei dem Gedanken. Sie mochte die Kirche noch immer nicht.

Moment, sie schüttelte sich nicht, sie zitterte!

Sie versuchte, sich an ihrem Tisch festzuhalten, aber ein Schwächeanfall zwang sie in die Knie und sie begann fürchterlich zu husten. Lange und schmerzhaft.

Sie hielt sich die Hand vor den Mund und war nicht mal überrascht, als sie, nachdem es vorbei war, auf eine Pfütze aus Spucke und Blut hinabblickte, die sich in ihrem Handteller gesammelt hatte …

Das nächste Mal bei Nexus:
Der Gefallen, Teil 1

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