Das letzte Mal bei Nexus:
Trickster Heist, Teil 2
Das Einfangen des blauen Lastenkrokodils war noch in vollem Gange, als Viktor und die anderen den Waggon wieder erreichten. Mathilda erschien plötzlich am anderen Ende des Raums aus dem Nichts.
Ja, du hast es einfach, dachte sich Viktor grimmig und gab sein Bestes dabei, möglichst unauffällig an der grotesken, menschenartigen Kreatur vorbeizukommen, die das Krokodil in den Schwitzkasten zu nehmen versuchte.
Tatsächlich bemerkte ihn keiner, selbst wenn er direkt neben jemandem stand. Die Sicherheitskräfte schauten nie in seine Richtung.
Dean hingegen schien ein im wahrsten Sinne des Wortes größeres Problem zu haben. Er konnte sich wegen seiner Körperdimensionen weniger leicht an den Wachen vorbeischlängeln, die teilweise ziemlich dicht beisammenstanden oder hockten, um die Fressminen zu retten, die noch nicht explodiert waren. Anscheinend gingen sie nicht als Reaktion auf Explosionen hoch, die Artgenossen verursacht hatten …
Es herrschte Stille, nur unterbrochen vom leisen Gerangel mit dem Reptil.
Bis es mit dem Schwanz ausschlug.
Der Schwanzschlag eines Krokodils ist mit der Wucht eines korrekt geführten Baseballschlägers vergleichbar. Und die traf nun Johnny, der daraufhin gegen eines der zerstörten Aquarien stieß. Die übrig gebliebene Fressmine darin explodierte mit einem lauten Knall und warf den Mann, der sich um sie gekümmert hatte, zurück, wodurch er gegen Dean prallte, welcher wiederum seinen linken Fuß verstellen musste, um das Gleichgewicht zu halten und dabei einem weiteren Angestellten von GpExpress auf die Zehen trat.
Der Mann schrie eher vor Überraschung als vor Schmerz auf und sorgte dafür, dass die restlichen Fressminen ebenfalls explodierten.
Chaos brach aus, als die AVTs ihre Wirkung verloren. Jemand wollte nach Mathilda greifen, doch Viktor fragte sich plötzlich nur noch, wieso der Betreffende gegen die Wand gelaufen war. Elli hatte von irgendwo eine Pfanne hervorgeholt und benutzte sie mit mittelmäßiger Wirkung gegen die Angreifer.
Viktor selbst, sowie auch Johnny zogen sich in den Schutz von Dean und Alice zurück.
Ersterer riss einer Wache gerade die Dienstwaffe ab und warf sie zu Letzterer, welche dann zu feuern begann. Es gab kaum nennenswerte Deckung, daher traf sie immer irgendwas.
Das Problem, das würde auch umgekehrt gelten.
Allein die Tatsache, dass Dean immer mit mindestens einem Wachmann in der Gegend rumwedelte, machte ihn zu einem verlässlichen Unterstand, da niemand auf ihn feuern wollte aus Angst, Verbündete zu treffen.
Der Große ging mittlerweile dazu über, das Krokodil einfach K.O. zu schlagen.
Jedenfalls so lange, bis Mathilda plötzlich neben ihm auftauchte und dem Reptil das Klebeband von den Augen zog.
Es richtete sofort seine Augen auf die menschliche Kreatur, die daraufhin sofort zu Boden sackte. Das Krokodil revanchierte sich daraufhin für die grobe Behandlung, indem es am Kopf zubiss und herumzurollen begann, wohl um den nichtvorhandenen Hals zu verdrehen.
Elli, auf die aufgrund ihrer Gegenwehr inzwischen Pistolen und Waffen größeren Kalibers gerichtet wurden, lächelte nur müde und versuchte weiterhin, ihre Pfanne wieder aus dem Griff der Frau zu entwinden, die sie festhielt.
Eine Sicherheitskraft feuerte noch auf die Blondine, erlitt allerdings eine Ladehemmung, bevor sie zusammen mit dem Rest vom Lastenkrokodil umgewalzt wurde.
"Das sind zu viele", merkte Dean mit einem Ton an, als hätte er gerade festgestellt, dass der Kaffee alle ist.
Viktor überlegte fieberhaft, aber dann kam er auf eine Idee.
Ins nächste Abteil! Und das war meine Idee, Viktor!
Ist ja gut, Johnny!
Dean bekam offenbar mit, was vorging, denn er setzte sich zusammen mit dem Rest in Bewegung und nahm unterwegs zwei GpExpress-Mitarbeiter in den Schwitzkasten, damit niemand auf ihn schoss. Zudem überging er wortwörtlich Ellis Gegnerin.
Bevor er den Waggon verließ, rammte er seine Geiseln in die Wände neben der Tür.
"Elli!", rief Johnny. "Kannst du den Wagen abkoppeln?"
"Ich mag wie du denkst", kam es zurück. "Schau im anderen Wagen nach, da müsste in der Ecke ein roter Hebel sein, den umlegen. Ich mache dasselbe fix hier."
Viktor sah nicht, wo Elli hin hechtete und verwendete seine Kraft lieber auf den anderen Waggon.
Der Hebel befand sich tatsächlich genau in der Ecke.
Aber Kisten engten den Weg dahin stark ein.
Viktor und John versuchten, den Hebel zu erreichen, aber der Durchgang war zu schmal.
Auf dem anderen Gang waren ein lautes "KLACK!" und aufgeregte Rufe zu hören.
"JUNGS! BEEILT EUCH!", brüllte Elli. "SONST RASTEN SIE DEN WAGGON WIEDER EIN."
"Geht mal zur Seite, ihr Fettsäcke", sagte Mathilda süffisant hinter Viktor.
Mit grimmigen Gesichtern traten die beiden zur Seite und Mathilda quetschte sich in den Zwischenraum. Und tatsächlich …
"KLACK!"
Ein Ruck lief durch den Waggon, während sich Elli durch die Tür warf und mit dem Gesicht voran elegant auf den Boden klatschte.
Jetzt fühl ich mich dick …, hallte es in Viktors Kopf wieder.
Ich mich auch, Kumpel …
"Hab noch nie so viele verfehlte Schüsse, Ladehemmungen und leere Magazine erlebt", kommentierte Elli. "Ich sollte mich öfter retrokausal absichern …"
"Sicher?", fragte Dean. "Du weißt nie, wann du Leuten den Urlaub bezahlen musst."
Elli trat ihm gegen das Schienbein. Dean nahm es hin ohne mit der Wimper zu zucken.
Der Rest des Weges verlief ohne großartige Ereignisse. Dean musste sich unterwegs mit einem mechanischen Tintenfisch prügeln und Mathilda schaffte es beinahe, eine Ladung intelligenter Bärenfallen auszulösen.
Doch schließlich erreichten sie eine Kammer, die komplett mit Stahl ausgekleidet war. In der Mitte stand ein Glaszylinder mit dem Objekt der Begierde. Es war auf einer Stange aufgebahrt.
"Seht ihr diese beiden ofenartigen Teile zu beiden Seiten des Schädels?", fragte Elli. "Das sind Realitätsanker, wenn wir die abschalten, kann dieser Martínez wahrscheinlich wieder mit uns in Kontakt treten."
"Da ist ein Ausschalter", sagte Johnny.
Alle wollten sich in Bewegung setzen, aber Elli räusperte sich ungewöhnlich laut.
Viktor und die anderen hielten wieder an und ließen Elli vorbei, die sich mit merklichem Hüftschwung an ihnen vorbei bewegte. Sie riss sich ein Haar aus.
Dieses brachte sie in den Dreimeterumkreis des Glaszylinders.
Als sie eine unsichtbare Grenze überschritt, fing es Feuer.
"Hochenergetische, elektromagnetische Strahlung", erklärte sie. "Kommt aus der Decke und wird vom Boden reflektiert. Ihr werdet beim Weiterlaufen von einer Wand aus Strahlung gekocht. Halt mal kurz …"
Sie gab Mathilda ihre Tasche, beugte sich bis zur Taille hinein und holte einen großen Standspiegel heraus.
"Warum haben Sie sowas?", fragte Viktor überrascht.
"Damit ich immer nachgucken kann, ob ich schick aussehe", gab Elli zurück. "Oder um mir beim Sex zuzusehen. Dean, halte den Spiegel bitte senkrecht nach-"
"Ganz sicher nicht", wehrte Dean ab. "Ich weiß, wo das Ding war, Elli …"
Elli verdrehte die Augen und zog ein Paar verspiegelter Handschuhe aus ihrer Tasche, mit denen sie den Spiegel anfasste. Sie wankte ein wenig, als sie ihn anhob, aber Dean und Mathilda liefen ohne gegrillt zu werden darunter hindurch und schalteten die Anker ab. Viktor merkte, wie über ihnen Teile der Decke schwarz anliefen. Dean umarmte anschließend den Glaszylinder und zerdrückte ihn. Auch wenn zahlreiche Glassplitter in ihm steckten, hielt ihn das nicht davon ab, nach dem Schädel zu greifen.
"Hoffentlich sind die versichert", murmelte er.
Er und Mathilda kamen wieder aus dem Bereich, gerade noch rechtzeitig, bevor Elli unter ihrem Spiegel einknickte.
"Am Besten, wir verlassen den Zug", keuchte sie, während sie ihren Spiegel mit merklicher Anstrengung wieder in ihre Tasche schob.
Es gab keine Seitentüren, daher mussten alle zurück auf das Stück zwischen den Waggons und von dort aus hinausspringen. Abrollen war erforderlich, denn die Zugabteile bewegten sich noch immer, wenn auch wesentlich langsamer.
Es war lausig kalt, vor allem mit kurzen Sachen. Viktor schätzte, dass er erfrieren würde, wenn er nicht bald wieder ins Warme kam.
Trotz ihrer Notlage ließ es sich Elli aber nicht nehmen, die AVTs wieder einzusammeln.
Vor ihnen erstreckte sich die weite russische Tundra.
"Und jetzt?", fragte Johnny mit klappernden Zähnen.
"Abwarten", gab Elli zurück und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Flachmann. "Wir sammeln uns in der kleinen Mulde da.
Er wusste nicht zu sagen, was es war, aber die Erde sackte in einem Bereich in der Nähe trichterförmig ab. Vermutlich war hier irgendwann mal eine Bombe eigeschlagen. Der entstandene Krater maßt etwa zehn Meter im Durchmesser und war mit Flechten und Moos bedeckt.
Es war nicht viel, aber nachdem sie ihn alle betreten hatten, merkte Viktor, dass er ein wenig vor dem kalten Wind schützte.
Vor ihm erschien plötzlich ein Funken in der Luft und breitete sich so weit aus, dass eine Scheibe entstand. Ein Mann in einem schwarzen Zweireiher schritt hindurch, scheinbar unverletzt durch die Flammen. Es war Martínez.
"Doctor Strange, bist du's?", kommentierte Elli trocken.
"Sehr witzig", gab Martínez genervt zurück. "Aber gute Arbeit, ich bin beeindruckt. Wenn ihr mir den Schädel nun bitte übergeben würdet?"
"Wo sind die Geiseln?", fragte Alice.
"Sie werden euch überstellt, sobald wir den Schädel in unserer Gewalt haben, gute Frau", entgegnete der Spanier. "Sie werden unversehrt an den Orten sein, an denen wir euch aufgelesen haben."
"Hey, Sie könnten die beiden einfach einbehalten", warf Viktor ein.
Er bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Elli den Schädel an sich nahm.
"Ich fürchte, ich sitze hier am längeren Hebel, mein Herr", meinte Martínez völlig humorlos. "Aber ich halte meine Versprechen, ihr erhaltet eure Freunde unversehrt zurück."
"Ouh, ist das Ding schwer!", keuchte Elli plötzlich und wankte unter dem Gewicht des Schädels.
"Hey, hey hey!", rief Martínez. "Nicht fallen lassen!"
Er lief los, um Elli zu helfen. Dabei durchquerte er den tiefsten Punkt der Mulde.
Und fiel schreiend durch ein schwarzes Loch, das sich unter ihm auftat.
Elli hörte auf, so zu tun als sei ihr der Schädel zu schwer und gab ihn an Dean zurück.
"Keine Heist ohne doppeltes Spiel", kommentierte sie mit grimmiger Zufriedenheit.
"Wa- Haben Sie sie noch alle?", entfuhr es Alice. "Was wird jetzt aus den Geiseln?"
"Welchen Geiseln?", fragte Elli grinsend und zog einen Computerausdruck aus der Tasche, den sie Alice in die Hand drückte. Viktor, John und Mathilda stellten sich neben sie um zu lesen, was darauf geschrieben stand.
Vorfall DE-ᛏ-23
Beginn: [ZENSIERT]
Status: Dauert noch an
Zusammenfassung: Seit dem [ZENSIERT] gelten die Anomalien SCP-140-DE, SCP-121-DE-A1, SCP-187-DE und Agentin Peterson als vermisst. Agenten, die zur Beobachtung abgestellt worden waren, wurden bewusstlos aufgefunden und gaben an, sich an keine ungewöhnlichen Vorfälle erinnern zu können. Zur Zeit laufen Bemühungen, um die Anomalien und Agentin Peterson über ihre Ortungschips zu lokalisieren. Die Leitung der Operation führt Dr. Ainsworth.
"Stand von vor einer halben Stunde", merkte Elli an.
"Moment …", bat Mathilda. "Also haben sie die Doktorin gar nicht?"
"Scheint so", sagte Johnny verwirrt. "Aber was ist mit eurer Geisel, dieser … Chloe?"
"Die verweilt in einem völlig anderen Universum, die können sie gar nicht haben", erklärte Elli.
"Woher wollen Sie das wissen?", fragte Viktor. "Ihr Gedächtnis wurde gelöscht."
"Eures auch", gab Elli zurück. "Und ratet mal, warum."
Viktor dachte kurz nach.
"Natürlich!", ging es ihm dann auf. "Damit man uns leichter über's Ohr hauen kann."
"Aber was ist mit den Fotos?", fragte Alice verwirrt.
"Seelenfotografie", gab Elli als Antwort. "Wer eure Erinnerungen löschen kann, kann auch per Psychometrie ein Foto von einer Person erzeugen, die ihr gern habt. Bei mir haben sie vier Leute gebraucht, weil die drei Leute, die vorher in meinem Kopf rumgeschnüffelt haben Schlaganfälle erlitten."
"Wa-", entfuhr es Viktor. "Woher wollen Sie das wissen?"
Elli steckte sich ihren kleinen Finger ins Ohr und drehte ein wenig.
"Yeah, die Sache ist die. Ich habe gelogen. Um Martínez in Sicherheit zu wiegen, solange wie er uns beobachten konnte. Mein Gedächtnis kann nicht verändert werden, das schließt Blockaden mit ein. Dem Vierten, den sie für meine und Deans Bereinigung angeschleppt haben, habe ich mich erbarmt, damit er ein Foto machen kann. Danach hat er einfach geflunkert, um sich den Trip ins Krankenhaus zu ersparen."
"Mo-mo-mo-moment!", stotterte Alice. "Jetzt erklären Sie uns mal bitte lang und breit, was Sie eigentlich gespielt haben."
Elli zuckte mit den Schultern.
"Wenn Sie möchten. Als ich aufgewacht bin, habe ich den Raum nach thaumaturgischen Sensoren und Kameras abgesucht. Ich fand es ziemlich lustig, dass ich keine gefunden habe, dabei haben Sie mich überrascht. Ich habe mich euch daraufhin angeschlossen, weil ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob eure Doktorin Ainsworth nicht doch in ihrer Gewalt ist, auch wenn sich alles als Schall und Rauch entpuppt hat. Der erste Hinweis, dass irgendwas nicht stimmt, hätten euch die Fressminen liefern müssen."
"Warum?", fragte Mathilda.
"Erinnert euch, Martínez sagte, er würde uns beobachten. Ins Überwachungsnetzwerk konnte er nicht eingedrungen sein, denn der Raum hatte keine Kameras. Er konnte uns so also nicht sehen. Also musste die Überwachung per Fernsicht erfolgen. Und was habe ich euch zum Einsatz von Fressminen gesagt?"
"Stimmt, sie wären durch die Thaumaturgie sofort explodiert", sagte Johnny. "Aber Moment, hätte er nicht einfach den Raum meiden können?
"Wenn er gewusst hätte, wo die Fressminen sind, hätte er uns auch das Risiko der Entdeckung ersparen können, indem er uns gesagt hätte, dass wir in die falsche Richtung gehen", belehrte ihn Elli. "Ergo, er hatte überhaupt keine Ahnung, was wo im Zug ist, außer uns natürlich, weil er den Waggon in dem wir aufgewacht sind im Auge behalten hat. Wir waren also unbeobachtet, außer wahrscheinlich, wenn wir die Waggons gewechselt haben, er hat wahrscheinlich den Zug als Ganzes im Blick gehabt, sonst hätte er uns hier nicht gefunden. Da ich aus euren Unterhaltungen heraushören konnte, dass ihr zur Foundation gehört, habe ich mich deswegen am Terminal in ihre Datenbank gehackt, um mich nach Ainsworth zu erkundigen. Und voilà."
"Und wir haben den Zug daraufhin nicht verlassen, weil?", fragte Viktor.
Elli presste die Lippen zusammen.
"Ich habe euch daraufhin eingespannt, um Martínez habhaft zu werden. Die Antares-Gesellschaft benötigt offenbar ein Exempel, wenn sie versucht, mich hinter's Licht zu führen."
"Wat?", machte Mathilda. "Wir mussten durch eine Schießerei, nur damit Sie ihre Rache nehmen können!?"
"Es ist ja nicht so, dass ich Schusswunden sofort wieder heilen könnte, solange ihr am Leben bleibt", verteidigte sich Elli. "Außerdem habe ich am Ende das Feuer auf mich gezogen, erinnerst du dich?"
"Trotzdem, Sie haben uns unnötig in Gefahr gebracht", wetterte Alice.
"Hätte ich so oder so, denn ich habe absichtlich den Hackeralarm ausgelöst, damit eure Sicherheits-KI mein Terminal tracen kann", bemerkte Elli. "Das hat dann das da zur Folge, was uns ebenfalls in ein Scharmützel gezogen hätte. Wären wir eher ausgestiegen, wären wir vermutlich erfroren, bevor sie kommen."
Sie deutete hinter Viktor.
Er hörte es bereits, bevor er sich umdrehte. Ein russischer Transporthelikopter hielt genau auf sie zu.
Das Gefährt landete nur eine Minute später neben ihnen und ein großer Mann mit kantigem Gesicht stieg aus. Er überprüfte etwas auf einem Armbandcomputer.
"Ihr seid von deutsche Foundation?", fragte er in gebrochenem Deutsch.
"Äh, ja?", gab Viktor zurück. "Und wer sind Sie?"
"Agent Mikail Swanikow, russische Foundation. Wir haben bekommen Tipp von uhh … Schlauer Computer, ich nicht kennen richtige Wort, heißt KIRA. Sagt, hier sind Hacker. Aber habe Gesichter-Software für gesuchte Personen. Heißt ihr seien weg, verschwunden, richtig?"
"Äh ja …", erwiderte Alice.
Viktor merkte plötzlich wieder, wie kalt ihm eigentlich war.
"Huah, können Sie uns vielleicht Decken geben oder so? Es ist lausig kalt hier. Und unseren zwei … Kollegen hier auch."
Agent Swanikow schaute ihn verwirrt an.
"Entschuldigung, was meinen mit 'Kollegen'? Ich haben alle von euch hier in Datenbank."
"Na, die beiden-", sagte Viktor und drehte sich um, um auf Elli und Dean zu zeigen.
Nur, die beiden waren verschwunden.
Ihre Fußstapfen führten zum Zentrum der Mulde und brachen dort abrupt ab. Sie mussten dieses komische Portal benutzt haben, von dem Matìnez gesprochen hatte …
"Die Wichser haben den Schädel mitgenommen!", bemerkte Johnny ärgerlich.
"GYAAAAAH!"
Elli trat aus dem Raum, in dem sie Martínez untergebracht hatte. Sein Geschrei verstummte, nachdem sich die Tür geschlossen hatte und schlenderte ins Wohnzimmer. Dean war da und machte, was er am Besten konnte, nämlich sauber.
"Wie lange bleibt der da drin?", fragte er.
"Eine halbe Stunde, danach landet er vor den Anführern der Antares-Gesellschaft mit einer netten kleinen Grußkarte von mir. Die mit dem lustigen Gecko drauf."
Sie seufzte erschöpft und ließ sich auf das Sofa plumpsen. In ihren Händen materialisierte sich eine Flasche Bourbon.
"Dean, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie anstrengend es ist, Erwachsene zu babysitten."
Dean sah sie geschlagene zehn Sekunden an, bevor er trocken antwortete.
"Ich glaube, das kann ich ziemlich gut, Elli … Außerdem warst du nicht sehr nett zu ihnen."
"Uns beide durch diese Todesfalle zu bugsieren wäre kein Problem gewesen, aber woher hätte ich bei unserer Gefangennahme wissen sollen, dass das eine Eskortmission wird?"
"Die haben dir zweimal den Hintern gerettet, Elli. Vergiss nicht, dass du ihnen was dafür schuldest."
Elli ächzte und verdrehte die Augen.
"Ich kann nicht vergessen, Dean, was glaubst du, warum ich saufe? Mach dir da mal keine Sorgen."
Sie machte die Flasche auf und nuckelte eine Weile müde daran.
Dann schlich sich ein tückisches Grinsen in ihr Gesicht.
"Wo wir gerade dabei sind, dieser Viktor hat mir praktischerweise nicht gesagt, wie und in welcher Art und Weise ich ihn nach Venedig geschickt habe … Da wird wohl etwas Recherchearbeit erforderlich sein … Diese postmortale Psychometrie hat er sicher nicht selbst erworben, da war etwas an seinen Augen … Hm … Vielleicht kann ich seinen 'Chirurg' einspannen …"
Dean näherte sich besorgt.
"Willst du ernsthaft deinem Lebensretter ans Bein pinkeln?"
"Dean, das Erste, was er bei unserer Begegnung getan hat war, mir ins Gesicht zu schlagen", entgegnete Elli verbindlich. "Ich glaube das ist nichts, was ich noch abwenden kann … Hehehe …"
"Du versuchst es ja nicht mal …"
Elli sah ihn an.
"Dean, merk dir eins. Du verarschst Elli nicht. Elli verarscht dich."
Sie erhob sich schwankend.
"Hm, ich glaube, ich nehme Chloe zum Ball mit … Sie wird ein Kleid und eine Maske brauchen … Komm Dean, wir gehen shoppen!"
Dean sah aus, als hätte man ihn gerade zum Tode verurteilt.
"Oh nein, bitte nicht shoppen!"
Das nächste Mal bei Nexus:
St. Chloe, Teil 1