Trickster Heist, Teil 2

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Das letzte Mal bei Nexus:
Trickster Heist, Teil 1

"GpExpress?", fragte Viktor.

Von einer solchen Firma hatte er noch nie etwas gehört.

"Sind die gefährlich?"

Elli kicherte humorlos.

"GpExpress ist der Terminator unter den Speditionsfirmen. Wenn sie etwas liefern sollen, dann liefern sie auch. Unsere Aufgabe wurde gerade auf maximale Schwierigkeit gestellt."

"Naja, wenn Dean weiter jeden umboxt, kommen wir schon durch, oder?", mutmaßte Johnny.

"Vorausgesetzt, dass dieser Zug nur Individuen enthält, die ich 'umboxen' kann", erwiderte Dean sachlich. "Diese Leute sind sich nicht zu schade, Menschen mit besonderen Kräften einzustellen, um ihre Fracht zu beschützen. Wahrscheinlich hat Martínez uns deswegen hierhergeschickt. Die werden ihre Mittel haben, die Mitglieder der Antares-Gesellschaft zu erkennen."

Elli stöhnte, während sie überlegte. Dann würdigte sie die Wächterin mit einem kurzen Blick und maß dann Alice ab …

"Jo, Frau Haudrauf! Zieh das an!", forderte sie anschließend.

Alice gab ihr einem Blick mit genug Gift, um ganze Meere zu verschmutzen.

"Warum sollte ich? Wenn Sie das Teil unbedingt brauchen, ziehen Sie es selber an."

Elli setzte ein Lächeln auf, das allen Anwesenden klar machte, dass Alice mit dem Feuer spielte.

"Gute Frau, es geht darum, dass das Wachpersonal Sie im Falle des Gefechts für eine der Ihren hält, was ihnen wertvolle Sekunden verschaffen könnte, in denen Sie nicht von Kugeln durchsiebt oder von irgendwas gefressen werden."

"Und warum tragen Sie sie nicht, wenn sie doch so sicher ist?", fragte Alice.

"Weil ich seit einer kleinen Unterredung mit ihrem Compagnon hier weiß, dass er mich schonmal an einem Ort getroffen hat, an dem ich bisher noch nicht war. Als Zeitreisende bin ich dadurch im Moment gegen alles immun, was dieses Treffen verhindern könnte. Ich kann wortwörtlich nicht sterben. Also ziehen Sie das an, sonst sind Dean und ich am Ende die Einzigen, die hier rauskommen."

Alice schaute auf Viktor, der nur stumm nickte. Alice lief kurz rot an, fügte sich dann aber mit einem Seufzer den Worten der Frau.

"Umdrehen", knurrte sie.

Viktor, Dean, Johnny und Elli kamen der Aufforderung nach.

"Wo wir gerade bei Gruppierungen sind", sagte Johnny, "Wer ist eigentlich diese Antares Gesellschaft, die uns 'angestellt' hat?"

"Ihr voller Name lautet 'Antares Gesellschaft zur Erneuerung des Menschlichen Geistes'", erklärte Elli. "Sie glauben an die Existenz uns übergeordneter Wesenheiten, die uns eines Tages in eine glänzende Zukunft führen. Angeblich sind einige ihrer Mitglieder in der Lage, mit diesen Überwesen zu kommunizieren und Anweisungen von ihnen zu erhalten. Wie etwa, uns darauf anzusetzen, einen Schädel zu klauen."

"Und das macht sie fähig, unsere Erinnerungen zu löschen?", fragte Viktor skeptisch.

Elli grinste ihn ohne jeden Humor an.

"Sie können viel mehr als das. Telepathen, Geistermedien, Psychometriker, sie haben ein weites Arsenal an übersinnlich begabtem Personal. Sie könnten Ihr ganzes Gehirn auslesen und Ihre Biografie auf einer Filmrolle speichern. Sie sind fürchterliche Gegner, man weiß nie ob das was man sieht oder erreichen will nur Schall und Rauch ist."

Viktor schluckte.

"So ich bin fertig", dröhnte Alice hinter ihnen.

Als sich Viktor umdrehte, musste er zugeben, dass sie gar nicht schlecht in der Uniform aussah, allerdings hatte sie etwas breitere Schultern als die eigentliche Besitzerin.

"Das ging aber schnell", meinte Johnny.

"Bei den MTFs muss man schnell die Sachen wechseln können", verteidigte sich die Agentin. "Und ihr werdet gefälligst niemandem hiervon etwas erzählen!"

Viktor verkniff sich weitere Kommentare, während sich die Gruppe wieder in Bewegung setzte, um nicht Opfer von Alices QCQ zu werden, so wie Elli vorhin … Moment, da war doch was?

"Warum hast du Elli eigentlich angegriffen?", fragte er leise im Gehen.

Alice sammelte sich kurz.

"Sie hat im Wagon rumgelümmelt als ob sie auf der Suche nach irgendwas war. Ich nahm an ich wäre das gewesen aber anscheinend hat sie diesen Dean gesucht. Ich dachte mir es wäre vielleicht besser, wenn ich sie finde bevor sie mich."

"Du vermisst deine Arbeit, oder?", fragte Viktor.

"Ja … Ein wenig …"

"BONK!"

Nun standen sie vor der Tür zum nächsten Wagon. Eine Wache rutschte neben Dean bewusstlos die Wand hinunter und wurde von ihm in den toten Winkel einer nahen Kamera geschleift.

"Johnny", bat Elli. "Bitte setze dich mit allen außer mir und Dean in Verbindung und halte diese, damit ihr einen Funkkanal improvisieren könnt."

"Kann ich machen, aber warum soll ich euch außenvorlassen?", fragte der Telepath.

"Weil ich dir sonst wieder in die Klöten treten muss", lautete die kurze Antwort.

"Macht Sinn …"

Der nächste Wagon schien eine Art großes Aquarium zu sein, allerdings hatte Viktor noch keinen der merkwürdigen Organismen je zuvor gesehen. Sie sahen aus wie orangengroße, gelb leuchtende Pac-Mans, mit einem zahnbewehrten Maul und in einem besonders großen Tank döste etwas, das Ähnlichkeit mit einem silberblauen Krokodil hatte. Mathilda hätte es mit einem Happs fressen können. Viktor bemerkte, dass man ihm mit Klebeband die Augen zugeklebt hatte.

Zwei weitere Wächter patrouillierten den Wagon. Im Moment schienen sie eine der kugelrunden Kreaturen zu begutachten und murmelten immer wieder betont leise etwas, aber sie würden angerempelt werden, wenn jemand an ihnen vorbei wollte. Der Gang war zu eng. Die unfreiwilligen Einbrecher gingen in Deckung.

Die Kugeln sind Fressminen, hallte es in Viktors Kopf wider, während Johnny Ellis Geflüster übertrug. Aasfresser. Leben normalerweise in der Tiefsee. Ihr Verteidigungsmechanismus besteht darin, mit der Wucht einer Granate zu explodieren. Sie reagieren dabei auf kinetische Impulse und Schwankungen in der Stabilität metaphysischer Ebenen. Man setzt sie daher als biologische Thaumaturgie- und Magie-Detektoren ein, etwa um Teleporte und Fernsicht aufzudecken. Klopft nicht an das Glas und macht keine lauten Geräusche.

"Und der Große?", fragte Johnny leise.

Kurz darauf kam für Viktor die telepathische Antwort.

Ein blaues Lastenkrokodil. Wenn ihr nicht in seinem Sichtfeld seid, ist alles in Ordnung, es kann die Schwerkraft in seinem direkten Sichtbereich erhöhen.

"Ich versuche, die Wachen in einen breiteren Bereich zu locken", meldete Alice. "Dann könnt ihr euch an ihnen vorbeischleichen.

Bevor irgendwer etwas erwidern konnte, kam sie aus ihrem Versteck und näherte sich den Wachen mit einem großen Lächeln.

"Hey, hello! I am new here, can you help me really quick?"

Die Wachen drehten sich verwirrt zu ihr um. Beide entpuppten sich als Asiaten.

"不好意思,你说啥?", fragte einer der beiden.

Hätte ja klappen können …

"Äääääh", machte Alice, bevor sie sich auf einen der beiden stürzte und ihn niederrang.

Der andere wollte seinem Kollegen zu Hilfe eilen, doch neben ihm tauchte plötzlich Mathilda aus dem Nichts auf und stellte ihm ein Bein. Er klatschte der Länge nach hin und gab ein ersticktes Röcheln von sich, als Dean sich per Slam-Dunk auf ihn warf.

Elli, Viktor und Johnny bekamen tellergroße Augen und erwarteten mit angehaltenem Atem das Beben, das diesem Manöver folgen musste.

Der Wagen wankte aber nur leicht beim Aufschlag und die Fressminen fletschten lediglich die Zähne.

Der Wagon war offenbar erschütterungsfrei gelagert wegen der Fracht …

Die Drei atmeten erleichtert aus, während Alice weiter mit ihrem Opfer rang und es in den Schwitzkasten zu nehmen versuchte, während sie gleichzeitig verhinderte, dass er genug Luft zum Laut-Rufen bekam.

Dean eilte ihr zu Hilfe, doch genau in dem Moment erreichte das Gerangel einen Punkt, an dem der Asiate der Agentin die zupackende Hand wegschlug.

Alle Blicke, sogar die der beiden Kontrahenten, folgten dem Gliedmaß, während es einen Bogen beschrieb und gegen das Aquariumglas schlug.

Alice presste die Lippen aufeinander, während Dean seufzend Mathilda gegen ihren Willen packte und sie über seinen Kopf an die Decke hielt.

Aber nichts passierte.

"Das Glas ist vibrationsgedämpft", flüsterte Elli.

Wieder erleichtertes Ausatmen von allen Anwesenden.

Die Decke des Wagons schien aber lange Zeit nicht mehr geputzt wurden zu sein, weshalb sich merkliche Mengen an Staub dort angesammelt hatten. Mathilda, die in Deans Griff nur eine Handbreit davon entfernt war, bekam etwas davon in die Nase.

Und es kam, wie es kommen musste …

"Ha- Ha- HATSCHI!"

Die Fressminen begannen zu vibrieren …

Elli öffnete mit ausdruckslosem Gesicht die Tür nach draußen und hielt sich an einem Sicherheitsgriff fest.

Die Aquarien explodierten. Kleine Splitter und Metallrahmen flogen durch die Luft und beschädigten den Tank des Lastenkrokodils. Dieses schreckte aus dem Schlummer hoch und warf sich erschrocken mehrfach gegen das angeknackste Glas, welches daraufhin vollständig zu Bruch ging.

Die Alarmglocken schrillten, während das Wasser mit den Resten der Fressminen durch die geöffnete Tür abfloss.

Mathilda war wie von Dean vorgesehen als einzige vom Splitterhagel verschont und trocken geblieben. Das alleinige Gute war, dass Alice es in dem Chaos geschafft hatte, ihren Kontrahenten K.O. zu schlagen. Viktor stellte fest, dass sich niemand verletzt hatte. Offenbar waren die Aquarien mit einem solchen Phänomen im Hinterkopf konstruiert worden um die Sicherheit zu erhöhen.

Elli rieb sich die Nasenwurzel.

"Okay, neuer Plan, in die Ecken neben der Tür auf der anderen Seite. Und tretet mir nicht auf das Krokodil oder die übrigen Fressminen."

'Nicht auf das Krokodil treten …' Das ist das erste Mal, dass ich so einen Befehl bekomme, kommentierte Johnny in Viktors Gedanken.

Sie hatten sich gerade in den Ecken postiert, als auch schon weiteres Personal in den Raum eilte um zu erfahren was los war.

Ein erstaunlich großes, nun, humanoides Wesen mit bis zum Boden reichenden, baumdicken Armen nahm es auf sich, das Lastenkrokodil zu sichern.

Das Reptil wehrte sich zwar ein wenig in seinem Griff, schien aber nicht ausbrechen zu können.
Als niemand mehr in den Wagon kam, machte Elli vorsichtige Schritte zur Tür. Keiner bemerkte sie, darum folgte ihr der Rest.

"Ihh! Das Seegras kriege ich ja nie wieder aus den Hosen raus!", nörgelte Dean.

"Sie sind wenigstens nur bis zu den Knien nassgeworden", knurrte Alice.

"Zu meiner Verteidigung, werte Frau, wer hat denn nicht gewartet, bis wir einen Plan hatten?", fragte Dean.

"Haben Sie eine Ausbildung für bewaffnete Auseinandersetzungen?", erwiderte Alice schnippisch. "Entschuldigen Sie, wenn ich versuche meinen Job zu machen und meinen Haufen hier zu beschützen."

"Ich war bei der Französischen Fremdenlegion", erwiderte Dean und fügte mit einem Seitenblick auf Elli hinzu: "Fünfzehn Jahre lang."

"Ich habe dir schonmal gesagt, es tut mir leid!", erwiderte Elli. "Ich habe mich im Zeitfenster geirrt, shit happens! Ich habe auch schonmal dreiundzwanzig Jahre im Palast von Nofrusobek1 festgesteckt, also mach mal halblang."

"Du warst ihre engste Beraterin!", gab Dean ärgerlich zurück. "Und deine Art der Diplomatie bestand darin, die Gesandten anderer Staaten flachzulegen."

"Es hat funktioniert", verteidigte sich Elli. "Und hast du mal gesehen, wie gut die Männer teilweise aussahen, Es wäre ein Verbrechen gewesen, wenn ich ni-"

"Lenken Sie nicht vom Thema ab!", meldete sich Alice wieder. "Sie sind immerhin der Auslöser für die Explosion."

"Das war das Mädchen", wehrte Dean ab.

Mathilda schniefte kurz.

"Sie haben sie hochgehoben", beharrte Alice.

"Es wäre nicht so weit gekommen, wenn jemand gewartet hätte", erwiderte Dean.

Viktor beschloss, die beiden streiten zu lassen. Der Wagon vor ihnen war wieder mit zahlreichen Kisten vollgestellt.

Dann sah er den Geist vor sich.

Erschrocken packte er Elli an der Schulter und zog sie zurück.

"Was ist?", fragte sie.

"Auf dem Boden da scheint jemand gestorben zu sein", erwiderte er. "Aber irgendwas stimmt nicht. Hier drin dürfte es keine Abbilder geben, was ich sehe ist immer stationär …"

Elli runzelte die Stirn.

"Wie ist der Mann gestorben?"

Viktor schaute sich den Mann an. Er trug einen Geschäftsanzug und hatte den Mund sehr weit offen. Er versuchte ihn vergeblich zu verschließen. Er teilte Elli das mit. Sie griff in ihre Handtasche und holte eine Art Stimmgabel mit einem Bildschirm im Griff hervor.

"Ah, thaumaturgischer Seelenmagnet", sagte sie, nachdem sie eine Weile auf die Anzeige gestarrt hatte. "Wirkt wie ein schwarzes Loch auf Akiva-Strahlung. Kein Wunder, dass es hier postmortale Rückstände gibt."

"Ist das gefährlich für uns?", fragte Viktor.

"Oh ja", bestätigte die Blondine. "Wenn wir zu nahe ran gehen, zieht es uns unsere Lebensessenz aus dem Körper. Da ist eine rote Linie um die Kisten herum, wahrscheinlich ist das der Abstandshalter."

Viktor kam eine Idee. Die hochnäsige Art dieser Dame ging ihm nämlich langsam auf den Senkel …

"Dann habe ich Ihnen gerade das Leben gerettet, oder?"

"Ähm, jaaaa?", antwortete Elli langsam. "Ich vermute aber eher, dass das an meiner temporalen Immunität liegt. Warum?"

Viktor setzte ein verbindliches Lächeln auf.

"Naja, eine Gegenleistung wäre trotzdem angebracht, meinen Sie nicht?"

Elli maß ihn von oben bis unten, als würde sie ihn durchleuchten. Er fühlte sich leicht beleidigt, als sie mit besonders skeptischem Blick an seiner Beckenregion verharrte …

"Vielleicht? Was wollen Sie denn?", fragte sie dann.

"Ein Wochenende in Venedig, zusammen mit MTF-Agentin Emilia. Sie finden schon raus, wen ich meine."

"Mhm", machte Elli wenig amüsiert. "Vorausgesetzt, ich lasse mich auf so eine hirnverbrannte Forderung ein, was macht Sie da so sicher?"

"Sie haben es bereits geschafft."

Es dauerte einen Moment, aber dann nahm Ellis Gesicht einen Ausdruck beeindruckter Überraschung an.

"Was für ein Mistkerl!", entfuhr es ihr, bevor sie sich pikiert von ihm wegdrehte und in den nächsten Waggon schritt.

Ein Schatten fiel auf Viktor.

Er gehörte einem lächelnden Dean.

"Äh, ist was nicht in Ordnung?", fragte Viktor vorsichtig.

Nicht hauen! Bitte nicht hauen!

"Oh nein, es ist nichts, mich amüsiert nur, wie Sie temporale Physik gegen Elli benutzt haben, nachdem sie so überheblich war. Ich werde sie später daran erinnern, wenn sie es 'vergessen' hat. Ich freue mich schon drauf …"

Viktor betrat mit einem kurzen Stirnrunzeln den nächsten Wagon. Er war leer mit Ausnahme einiger Computerterminals und Serverblöcke.

"Uh, mit Internet!", freute sich Elli. "Lass mich mal kurz hier ran …"

Sie holte einen USB-Stick mit Kätzchenaufklebern hervor und steckte ihn an eines der Terminals. Dann begann sie auf der Tastatur zu klimpern, als erlitten ihre Hände einen epileptischen Anfall.

"Was wird das?", fragte Johnny.

"Diese Terminals haben vermutlich eine Frachtliste und die Position besagter Fracht", erklärte Elli. "Damit kann ich herausfinden, wo das Ding überhaupt ist."

Es dauerte kurz, dann stöhnte Elli auf.

"Was ist?", fragte Mathilda. "Hat man uns bemerkt?"

"Nein", sagte Elli. "Wir sind in die falsche Richtung gegangen. Der Schädel ist am anderen Ende des Zuges …"

Kollektives Seufzen entrang sich den Versammelten.

Viktor drehte sich wieder um, um zusammen mit Alice wieder den Waggon zu wechseln. Dadurch bemerkte er nicht, wie Elli hinter ihm noch weiter arbeitete und schließlich zu grinsen begann.

"Oh, na wer hätte das gedacht …"

Sie drückte [Strg] + [P] …

Das nächste Mal bei Nexus:
Trickster Heist, Teil 3

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