Menschlicher Bausatz

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Lilith und Samson | Hub | Die Wölfin und die stählerne Jungfrau



Prof. Dr. Frost und Dr. Vendel gingen einen Flur eines Standorts des Institut für menschliche Bildung und Weiterentwicklung entlang, beide in ihre Gedanken versunken.
Die beiden Forscher kamen von relativ unterschiedlichen Fachgebieten. Prof. Dr. Frost kam aus der medizinischen Abteilung B-5. Dr. Vendel hatte seinen Master in Maschinenbau und Technik und war in C-3 zu finden. Sie konnten sich nicht wirklich leiden, aber die Arbeit im Institut überbrückte die persönlichen Differenzen.
In Kürze würden sie zwei Vertreter des Waffengiganten Raptor Tec. Industries empfangen, was auch der Stein des Anstoßes für ihre jetzigen Gedanken war. Seitdem das Institut in Verzug mit der Überweisung des Betrages für das Lernprogramm gekommen war, hatte sich R.T.I. etwas kalt für die Zusammenarbeit bedankt und war verschwunden.
Und jetzt kam R.T.I. zu ihnen. Was hatte dies zu bedeuten? Und warum sandte Prof. Haas gerade sie beide?


„Sie sind genau Punkt Halbzwei hier“, rief Dr. Vendel die Gäste von weitem zu. „Wir heißen sie willkommen“, korrigierte Prof. Dr. Frost die unhöfliche Begrüßung ihres Kollegen.
Die zwei Personen, eine kurzhaarige Frau und ein freundlich lächelnder Mann, die vor den Angestellten des Instituts standen und in einem Gespräch vertieft gewesen waren, sahen wie Zwillinge aus, nur Einzelheiten unterschieden sie. Beide drehten sich zu den Forschern.
„Nochmal Guten Tag. Sie sind doch die Agenten von Raptor Tec. Industries?“
Prof. Dr. Frost stieß Dr. Vendel ihren Ellbogen in die Seite, bevor sie das Wort ergriff: „Tut mir leid, wir sind nur etwas nervö…überrascht über Ihren B…Besuch. Wir…“
Die Frau unterbrach sie, in dem sie etwas lieblos die Hand ausstreckte. Ein Angebot, das Eis mit einem Händeschütteln zu brechen. So schien es zumindest.
„Elisa Ridter. Erfreut.“
Eine deutliche und gleichmässige Stimme kam aus dem Mund der Frau.
Prof. Dr. Frost ergriff zögerlich die Hand der Frau.
„Und das ist mein Bruder.“
Der Mann machte scherzhaft eine Verbeugung. „Thomas. Thomas Ridter."
„Ebenso erf…freut. Ich bin Prof. Dr. Irene Frost. Dies hier ist Dr. Marthin Vendel. Wollen Sie uns… vielleicht folgen?“




Wie das allgegenwärtige Ticken einer Uhr, erinnerten die Schritte hinter den zwei Forschern an die Präsens der R.T.I.-Repräsentanten und der Erfolg dieses Treffens. Dr. Vendel hatte stillschweigend Prof. Dr. Frosts Führung akzeptiert. Sie war sich nicht sicher ob sie sich freuen sollte, weil er so keine Schwierigkeiten machen konnte, oder frustriert sein sollte, wegen der delikaten Situation.

Elisa Ridter näherte sich der Frau, die an der Spitze ihres kleinen Prozession ging. Die Forscherin wirkte erfahrener als ihr Kollege. Elisa machte auf sich aufmerksam indem sie eine Hand auf dem Arm der Forscherin legte. „Entschuldigen Sie. Kann ich Sie was persönliches fragen?“
Die Forscherin zuckte zusammen. Elisa nahm an, dass es wegen ihrem lautlosen Gang war und notierte sich im Kopf weniger anzuschleichen.
„Natürlich! Was möch…möchten Sie fragen?“
„Was genau- Wie genau muss ich mir Ihre Arbeit vorstellen?“
Es kam nicht gleich eine Antwort. Mehrmals wurde der Mund auf und zu gemacht, bis ein: „Wir befassen uns mit der Erweiterung des menschlichen Bewusstseins und Verbesserung der Effizienz des menschlichen Körpers. Dafür nutzen wir alles was die bekannte Wissenschaft kennt und darüber hinaus. Davon leitet sich auch unsere langer Name ab“, herauskam.
Prof. Dr. Frost lachte gezwungen und sah unsicher ihr Gegenüber an. Auf Elisas Gesicht erschien ein kleines Lächeln. Prof. Dr. Frost sah erleichtert aus. „Wenn ich Sie das fragen darf: Warum wollten Sie das von mir wissen?“
Elisa Ridter machte eine nachdenkliche Mine. „Ich befasse mich mit der Frage, was genau mich und mein Bruder so unterscheidet in Motivation und Sicht auf die Welt. Er ist so ungezwungen und hinterfragt unsere Aufträge nie. Ich wollte Ihre Sicht hören, um vielleicht eine Antwort zu erhalten.“
„Wäre Ihr Bruder nicht besser geeignet für diese Fragen als ein wild Fremde Forscherin, die selber nicht so gut in solchen Dingen ist?“, Prof. Dr. Frost schien durch Elisas Offenheit Mut gefasst zu haben, Elisa sah sie aber lange an, was sie wieder unsicher machte.
„Sie haben Recht“, sagte Elisa und fügte noch ein etwas verwackeltes Lächeln auf.




Prof. Haas stand schon von Weitem ersichtlich am Ende des blautürkisenen Ganges.
„Guten Tag, Frau und Herr Ridter. Haben Sie dank meiner Angestellten zu mir gefunden? Natürlich haben Sie das. Sie wissen nicht wie erfreut ich bin.“, Prof. Haas strömte die Aura eines Mannes aus, der das Schleimen beherrschte ohne auch nur eine Sekunde seine Würde zu verlieren.
Thomas Körper zuckte, wie als würde es ihn schaudern vor so viel ‚Selbstgefälligkeit‘.
„So kommen Sie doch in mein Büro. Dort können wir bei einer Tasse warmer Schokolade die nächsten Schritte besprechen.“
Elisa und Thomas nahmen das Angebot an, gefolgt von zwei unsicheren Forschern. Prof. Haas linste missbilligend zu Prof. Dr. Frost und Dr. Vendel, bevor er den zwei Forschern je eine Hand auf die Schultern legte und ihnen etwas zuflüsterte. Die Gesichter der Angestellten wurden bleich.
„Aber… Aber…“, brachte Prof. Dr. Frost gerade so heraus. Doch ohne ein Wort und fast fluchtartig verschwanden die beiden.
Prof. Haas drehte sich immer noch lächelnd um: „Tut mir leid für die klitzekleine Unterbrechung. Wollen Sie sich nicht setzen? Und vielleicht was trinken?“
„Danke. Sie sprachen von einer Tasse Schokolade“, biederte sich Thomas an. Etwas zu lässig warf sich Prof. Haas in seinen Sessel und zauberte aus einem Korpus zwei Tassen.
„Wissen Sie warum ich allen meinen Gästen eine Schokolade anbiete? Weil es schlau macht, nur nicht so stark, dass wir den Unterschied merken. Also habe ich meine Angestellten gebeten, Kakaobohnen zu züchten, die unser Nervengewirr hier drin“, er tippte gegen seine Schläfe, „etwas dopen. Ich gebe Ihnen die Möglichkeit es selber auszuprobieren. Sie müssen keine Angst haben, wir haben es natürlich vor…“
Die Ridters nahmen die Tassen und tranken sie in einem Zug leer. Prof. Haas war irritiert.
Sowohl auf dem Gesicht von Thomas also insbesondere Elisa erschien ein begeisterter Ausdruck. „Ausgezeichnet!“, faste Thomas die Reaktion der beiden zusammen. „Wollen wir zum Geschäftlichen kommen. Wie Sie aus unseren Newsletter entnehmen können, plant Raptor Tec. Industries eine Serie von Robotern mit einem menschlichen Aussehen. Da sich unsere Firma bisher nicht an solche Vorgaben halten musste, haben wir momentan kein Fachpersonal in diesem Bereich. Wir bieten einen neues Handelsabkommen mit ihrer Institution an, das vorsieht, dass Sie uns bei der Modellierung helfen und dafür aus erster Hand Zugang zu unseren Daten über dieses Projekt erhalten. Die fehlenden zwei Zahlungen werden mit dem Wissen und der Arbeit Ihrer Angestellten abgegolten.“
Elisa und Thomas nahmen das Aufblitzen in Prof. Haas‘ Augen war. Der Forscher hatte angebissen.
„Sehr gerne helfe ich Ihnen! Ich habe einen Geistesblitz: Ich zeige Ihnen gleich, welch gescheiter Schachzug es war, zu meinem Institut zu kommen.“
Wie ein Springteufel federte Prof. Haas auf und beim herausgehen zog er seinen Besuch hoch. Besser gesagt: versuchte es, da er sich fast die Arme aus den Schultern riss. Glücklicherweise für seinen Stolz fiel er nicht auf den Rücken. Den Ausruf der Überraschung und des Schmerz konnte er aber nicht unterdrücken: „Arkg!“
Elisa und Thomas sprangen auf. Dabei werfen sie fast die Stühle um.
„Haben Sie sich irgendwo angestoßen?”
„Ich weiß nicht …“, Prof. Haas rieb sich die Schultern, „Höchstwahrscheinlich. Aber ich kann Ihnen immer noch die Einrichtung zeigen.“




„Wie Sie sehen können“, Prof. Haas zeigte auf die Reihe von verspiegelten Fenstern, „hat unsere Kybernetik- und Bionik-Abteilung seit unserem Handelsabkommen im Bereich der Prothesen große Vorschritte gemachte. Doch überzeugen Sie sich selbst“.
Er hielt vor einem der Glasscheiben an. Der Raum dahinter war wie eine Praxis eingerichtet, dazu passend befand sich ein Pfleger und zwei Forscher in Kitteln. Wenn der Beobachter genau hinsah, konnte Prof. Dr. Frost als einer der Anwesenden identifiziert werden.
Der Pfleger überprüfte scheinbar gerade das letzte Mal ob alles am richtigen Platz war, bei einem Mann auf einer Liege mit einen metallisch wirkenden Arm.
Prof. Haas drückte einen kleinen, unauffälligen Knopf, was scheinbar die beiden anwesenden Forscher auf Beobachter aufmerksam machte, was am kurzen Aufblitzen einer vom Fenster aus nicht sichtbaren Lampe zu erkennen war.
Aus Lautsprechern oberhalb vom Fenster ertönte die leicht verzerrte Stimme von Prof. Dr. Frost: „…Testreihe 15 von 20. Proband ist ein dreißigjähriger Mann, der seinen rechten Arm unterhalb des Ellbogens bei einen Unfall verloren hat. Er hat sich bereiterklärt, an einer Versuchsreihe von unserer Armptothesen der sechsten Generation teilzunehmen. Teststart um… 16:38“ Die Lautsprecher verstummten wieder.
Der zweite Forscher tippte und wischt auf einen Tablet. „Bitte heben Sie den Arm.“
Der Mann kam zögernd dem Befehl nach und bewegte die Prothese, die ohne ein Zittern gehorchte. Etwas mutiger bewegte er die Finger, die geschmeidig wackelten. Auf dem Gesicht des Mannes fing an vor Begeisterung zu strahlen, doch dann lies er ruckartig den Arm wieder sinken und sprang fast auf. Aus einem unersichtlichen Grund schien er Schmerz zu haben, was man am weit aufgerissen Mund und den Tränen erkannte, die sich zwischen die verkrampft zusammen gedrückten Lider zwangen. Panisch versucht der Pfleger herauszufinden, was los war, während der unbekannte Forscher die Vorhänge zu zog.
Prof. Haas‘ Mund war zu einem Strich geworden. „Leider haben wir immer noch Rückschläge zu verzeichnen…“, entschuldigte er sich trocken.
Aus einer Tür, die neben dem Fenster war und wegen ihrer Farbe und Form mit der Wand verschmolz, kam Prof. Dr. Frost heraus. Sie wirkte frustriert und durcheinander, weswegen sie erst nach dem sie die Tür geschlossen hatte ihren Vorgesetzten und die Ridter bemerkte. „Ah!“, entwich ihr, als sie zusammenzuckte, sie fing sich überraschend schnell.
„Prof. Haas, ich sag Ihnen ganz ehrlich: Ich weiß nicht mehr weiter! Wie ausgeklügelte auch unsere Technikabteilung die Prothese macht, ich weiß mit meinem medizinischen Wissen nicht weiter.“
Die verängstigte und unsichere Persona von vorhin war verschwundenen und sie zeigte ihre Frustration und Wut. Bevor Prof. Haas seinen Unmut in Worte fassen konnte ging Elisa zu Prof. Dr. Frost.
„Was genau ist die Problematik auf die Sie gestoßen sind?“
Müde sich die Augen reibend antwortete die Forscherin: „Ich bin nur etwas überarbeitet… Was sie gesehen haben, war nur einer der wenigen Fehlschläge. Wir konnten sonst die Gyrfalcon-Modele, die wir von unserer Gönnerin, der Baronin de’ Rosen, so weit modifizieren, dass sie kaum noch Fehlfunktionen haben, auf Kosten der künstlichen Haut.Wir versuchen gerade Kinderkrankheiten, die durch die Vernetzung des menschlichen Nervensystem mit dem künstlichen in der Prothese auftreten, auszumustern.“
Elisa dachte kurz nach. „Könnte es sein, dass Prothese und Testperson nicht kompatibel sind?“
Prof. Dr. Frost war von der Frage überrumpelt: „In welcher Form? Die Materialien aus denen die Prothese sind, sind auf biologischer Ebene eigentlich reizungsfrei und verträglich.“
„Ich bin in diesem Bereich nicht so erfahren, doch ist es möglich, dass die Schwierigkeiten auf der Ebene der Wahrnehmung liegt?“
Die Augen der Forscherin weiteten sich.
„Du meinst, die Patienten finden die Prothesen zu fremdartig und haben Mühe sie deswegen als neues Körperteil anzuerkennen?“, dass sie Elisa duzte fiel ihr nicht auf, als sie ihren Gedanken weiter in Worte fasste, „Daran habe ich nicht gedacht, macht aber auch wieder Sinn. Schlichtweg sie sehnlich angenehmer gestalten.“
Prof. Dr. Frost hätte wahrscheinlich einen Freudentanz vollführt, wenn ihr Vorgesetzter nicht anwesend gewesen wäre. Elisa spürte den Blick der von Thomas kam.



Prof. Haas spielte mit einem Stressball herum, als Prof. Dr. Frost hereintrat. Die R.T.I.-Repräsentanten waren vor einer halben Stunde gegangen und seit dem schien der Professor zu grübeln.
„Sie wollten mich sprechen, Prof. Haas?“, zog Prof. Dr. Frost unfreiwillig die Aufmerksamkeit auf sich.
„Ja“, der Professor hörte auf den Ball zwischen seinen Händen zu werfen, „Ich beobachtete, dass Sie sich sehr gut mit Frau Ridter verstanden. Ist das korrekt?“
„Ja, Herr Professor…“, verständlicherweise war Prof. Dr. Frost unruhig.
„Ich möchte das nutzen. Sie werden für das neue Austauschprogramm direkt mit den Forschern von Raptor Tec. Industries zusammenarbeiten.“
Prof. Dr. Frost war perplex. Sie hatte sich innerlich auf die sonstige Kritik eingestellt, doch Prof. Haas wirkte fast sehr zufrieden mit dem spitzbübischen Schmunzeln. „Machen Sie mich stolz!“




Epilog

Ms Mirabilis, Candis und Mario sahen auf das Mobiltelefon, dass zwischen ihnen lag. Es war still. Was sollten sie auch in so einer Situation sagen?
Mit einem fast ohrenbetäubenden Geklirre trat ein spangenlanger Hansel, der auf den Namen Nils hörte, ein. „Ihr wisst nicht, was für Leute ich heute getroffen habe. Nein, ich angefixt habe! Da wäre dieser Bänker…“, Nils verstummte.
Er watschelte, etwas weniger groß, zu den drei. Er schielte auf das Objekt und äffte die Haltung der anderen nach.
„Wartet ihr, dass das Telefon spricht? Ihr wisst, dass das etwas normales ist, oder?“
„Es hat already geklingelt“, nuschelte Candis.
„Das ist auch normal“
Mirabilis seufzte.
Mario erklärte: „Es war diesche Waffenfirma Raptor Tec. Industries. Weisscht du wer das ischt?“
Nils kniff die Augen kurz zusammen.
„Ich denke schon. Ja, ich und meine Clownkumpane haben mal einen ihrer Roboter-Dudes in psychedelischen Farben bemalt. Nein, warte, das war Andrés Bot…“
Candis und Mario blicken verwirrt. Ms Mirabilis stand auf. „Diese Ridter hat jetzt zum zweiten Mal angerufen. Beim Ersten hat sie es nur paarmal klingen lassen und aufgelegt, bevor ich abnehmen konnte. …“
„… Diesmal hast du sie erwischt?“, vervollständigte Nils.
„Ja“, bestätigte seine Chefin.
„Und warum seid ihr so komisch drauf?“
„Es ist… Sie hat gefragt, ob es okay ist, dass sie ihren Bruder den Laden zeigt.“




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