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Was?!?

Das war das erste, was Orlanda Stob dachte, als sie inmitten eines weißlich-bläulichen, leeren Raumes aufwachte. Nicht ganz leer.
Über die unendlich wirkende Ebene verteilten sich Objekte. Sie stand auf, etwas wackelig, um die Objekte näher zu inspizieren. Ein grosses schnörkelloses T mit einer futuristischen Tastatur obendrauf war ihr am nächsten. Nachdem sie die Eingabe-Taste angeschlagen hatte, sprang ein Fenster vor ihr auf. Sie erschrak.

Bitte geben Sie Ihren Freigabecode ein oder legen Ihren Sicherheitsausweis vor um auf die Datenbank zuzugreifen.

Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte, deswegen sah sie sich nach Hilfe um.
Ihr Blick fiel auf ein anderes Objekt. Ein einfacher Büroabfalleimer mit drei, vier zerknautschten Papierbögen. Orlanda, aus Nervosität ihr gutes Benehmen vergessend, fischte den obersten Bogen heraus und sah ihn an.
Es waren Berichte in einer geradeso verständlichen Fachsprache, die Orlanda von ihrem Dienst in der SCP-Foundation kannte. Zu verwirrt, um die Nerven zu haben, es zu entziffern, sah sie zum nächsten Objekt.
Sie sah sich den Aktenschrank an. Nachdem sie vergebens versucht hatte, das Möbel zu öffnen, rätselte sie weiter, wo sie war, wenn diese Büroutensilien hier mitten im leeren Raum standen.
Ein Piepsen erklang. Hecktisch drehte sich Orlanda um.
Ein Ball, aus dem drei Quadrate herausragten, schwebte drei, vier Meter vor ihr.
„Hallo“, grüsste eine Stimme sie, die scheinbar vom runden Objekt kam, das seine stilisierten Augen auf sie gerichtet hatte, „Wer bist Du?“
Orlanda salutierte. Ein Reflex, der ihre Erfahrungen mit Höhergestellten widerspiegelte. „Ich bin Orlanda Stob, Agentin von der MTF …“
Die Agentin stockte und sah erstmals an sich herab. Sie trug wie erwartet die Sicherheitsweste und was sie sonst bei einem Einsatz hatte. Das wäre nicht ungewöhnlich, wenn sie nicht sicher gewesen wäre, dass sie eigentlich auf der Krankenstation eines Standortes liegen sollte.
Die Agentin hatte das Objekt unruhig mit beiden Händen gepackt. „Sage mir, wo bin ich?“
„Freigabe unter dem Namen Orlanda Stob abgelaufen“, antwortete das Objekt, das Orlanda endlich als dreidimensionale Interpretation des SCP-Foundation-Logos erkannte.
Orlanda war panisch. „Seit wann?“
„Seit dem Tod der Agentin im Jahr 1985.“

Dr. Rochat saß verwirrt auf ihrem Bürostuhl. Für über zehn Minuten hatte sie der Interaktion zwischen der künstlichen Intelligenz KIRA und dem unbekannten Computerprogramm zugesehen. Letzteres nahm die Gestalt einer Frau Anfang vierzig an, in der Standarduniform der MTFs.
Die Robotik-Forscherin hatte KIRA augenblicklich eingeschaltet, als sie den Eindringling bemerkte, der ihren Schreibtisch durcheinander brachte.
Doch KIRA erkannte es nicht als Virus noch Wurm, sondern war in einer, für den Maßstab einer KI, hitzigen Diskussion, ob sie dem Programm unter dem Namen Orlanda Stob eine Freigabe erteilen durfte.
Dr. Rochat öffnete das SCyPe-Intranet und gab den Namen ein. Die SCP-Foundation hatte eine Agentin unter diesem Namen gehabt, doch war sie im Dienst durch eine Anomalie gestorben.
Die Forscherin überprüfte das Foto mit dem Avatar der Malware.
Wenn sie sich vorstellte, dass die Person einen Charakterersteller aus einem Videospiel benutzt hatte, käme es hin.
Dr. Rochat rieb sich die Schläfen. Sie wollte sich nicht spätabends den Kopf darüber zu zerbrechen, was gerade in ihrem Computer abspielte.
Als sie wieder auf den Bildschirm sah, erschrak Dr. Rochat.

Orlanda war blass geworden. Auf diesem Blatt Papier stand schwarz auf weiss, dass sie tot war. In einem Einsatz vor zwanzig Jahren umgekommen. Sie überprüfte das Datum nochmal. Vor 20 Jahren?
„Sie haben noch nicht die korrekte Freigabe vorgelegt!“, quengelte der Foundationball.
Orlanda versuchte den Ball davon abzuhalten, sie umzustoßen indem es gegen ihre Beine flog.
Ein Pfeifen drang an ihr Ohr. Sie sah nach oben. Ein Pfeil – nein, nur die Spitze – flog auf sie zu.
Rechtzeitig sprang sie zur Seite und das Projektil bohrte sich klickend neben ihr. Es wackelte einen Moment, bevor es sich wieder in die Luft begab.
„Tut mir leid, mein Lieber, aber ich sterbe nicht zweimal.“ Orlanda packte den Ball und warf ihn mit einer Kraft, von der sie selber überrascht war, sie zu besitzen. Das lebende Projektil quietschte und traf die Pfeilspitze. Ein Dach öffnete sich über Orlanda, ausgespuckt vom Foundationball, welches den Pfeil mit sich riss.
Orlanda fiel eine Tür auf, die sie noch nicht bemerkt hatte. Sie war sich sogar sicher, dass sie vorher noch nicht gewesen war
Sie rannte los, riss sie auf und knallte sie zu.

Dr. Rochat zog den USB-Stecker des externen Speichers aus dem Rechner. „Habe ich dich!“
Ihre Hände zitterten. Sie hielt das Gerät wie den heiligen Gral in die Höhe.
Dann fiel ihr ein, was noch auf dem Speicher war.

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