Historisches Dokument H77451-CH-04

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Archiv für historische Dokumentationen über Anomalien

Dokumentgruppe: Schreibmaschinendokument von POI-D-037-CH
Dokument Nr.: H77451-CH-04
Kommentar: Dieses Dokument wurde von POI-D-037-CH 'Dorien Esthar' selbst verfasst, scheinbar, um seine Opfer zu würdigen. Es wurden mehrere Schriftstücke dieser Art aus diversen Epochen aufgefunden. Bitte wenden Sie sich an das Personal des Archivs für alle Dokumente.

Datum
7. August 1909


"Dort stand sie, direkt vor mir. Und blickte mich an.

Eben noch hatte sie sich über den leblosen Leichnam meiner Frau gekrümmt, schmatzende und schlürfende Geräusche von sich gegeben, und nun starrte sie mich an. Durchdringend ihre Augen, scharfsinniger als die eines Tieres sein sollten.

Die Schnauze öffnete sich zu einem bedrohlichen Knurren, Blut und Geifer troffen heraus und verteilten sich in dem dunkelbraunen Pelz.

Die Zähne gebleckt machte sie einen Schritt auf mich zu.

Ich war noch immer erstarrt von dem Anblick meiner Frau – mein einst geliebtes Weib, das sich jahrelang um den Hof und die Tiere, vor allem aber um mich gekümmert hatte. Das ich hinter ihrem Rücken betrogen hatte. Nun waren ihre Augen gebrochen und schienen mich vorwurfsvoll anzustarren, aus dem zerfetzten Gesicht, an dem das Blut herab lief.

„Renn', du elender Tor!“, dachte ich, doch meine Glieder wollten mir nicht mehr gehorchen.

Das aufrecht gehende Tier machte erneut einen Schritt auf mich zu, musterte mich. Halt – es musterte mich?! Es war nur ein Tier - zumindest sollte es das sein!

Es hob seine klauenbewehrte Pranke und die Sehnen und Muskeln unter dem Fell spannten sich, es beugte sich leicht vor und erneut war dieses tiefe Knurren, das wie nahendes Donnergrollen klang, zu vernehmen.

Nein, dies war kein Tier. Nur langsam sickerte diese Erkenntnis in meinen vor Furcht gelähmten Geist. Es war eine Bestie. Gesendet vom Teufel höchstselbst, um mich für meine Vergehen zu bestrafen und zu sich zu holen.

Die Bestie setzte zum Sprung an und ich stieß einen heiseren Schrei aus, der die Lähmung brach und mich endlich auf dem Absatz kehrt machen ließ. Endlich konnte ich mich von dem Anblick losreißen und rennen. Weg aus dem finsteren Nadelwald, durch das Unterholz, das mir die Beinlinge aufriss und die dünne Haut darunter verletzte.

Hinter mir hörte ich das Stampfen der krallenbewehrten Pranken, das Brechen von Ästen und das leise Hecheln, das die erregte Kreatur ausstieß.

Laufen, nur laufen, aus mehr bestanden meine Gedanken, mein Sein, nicht mehr.

Meine Lunge und meine Muskeln brannten, meine Augen tränten vor Anstrengung; und doch konnte ich nur vorwärts.

Endlich, Licht!

Der Wald lichtete sich, die Bäume wichen einer offenen Wiese und gaben den sternenklaren Himmel frei. Schnell wurde mir jedoch klar, dass dies mir zum Nachteil gereichte.

Die Bestie – mittlerweile auf allen Vieren – konnte nun schneller laufen und musste den Bäumen und dem Buschwerk nicht mehr ausweichen.

Ich konnte ihren heißen Atem schon regelrecht im Nacken spüren, jedoch spornte mich das nur noch mehr an.

Am Feld unseres Hofes vorbei, über die niedrige Umzäunung des Hofgebäudes und zu den Stallungen. Hier lagen noch immer die Kadaver eines toten Pferdes und zweier gerissener Schafe, wegen der wir erst in den Wald waren, um den vermeintlichen Wolf zu verjagen. Mit Fackeln und einer Bärenfalle sind mein Weib und ich ausgezogen.

Nun war sie tot und die Bärenfalle ohnehin nutzlos, bei der Größe der Bestie. Die Fackeln waren erloschen, als sie auf den feuchten Waldboden fielen.

Nur ein kleines Messer steckte noch in meinem Gürtel – keine ernsthafte Waffe in den Händen eines Ungeübten.

Diese und noch so viele Gedanken mehr jagten mir durch den Kopf, als ich schließlich das Haupthaus erreichte und mich mit der Schulter gegen die Eingangstür warf. Sie war nur aus dünnem Holz gefertigt, trocken und alt, und brach sofort.

Allerdings hatte ich meine Kraft unterschätzt und stolperte nun unkontrolliert in den Wohnbereich und über die Überreste der Tür.

Noch bevor ich richtig auf den Boden aufschlug, war die Bestie über mir.

Giftiger, heißer Atem strich über mein Gesicht und blutiger Speichel rann in meine Kleidung.

So sollte es nun also enden.

Der flache, tierische Schädel beugte sich langsam über mich, die Augen glitzerten triumphal und wirkten verwirrend menschlich.

Nein, dies war kein Tier. Das war ein Mensch im Wolfspelz. Ob der Teufel so die Sünder bestrafte?

Mir blieb nicht mehr genug Zeit, um meine Gedanken zu einem richtigen Ende zu bringen. Der lang gezogene Kiefer der Kreatur klappte auseinander und mit einem boshaften Bellen gruben sich die Zähne in mein Gesicht.

Zumindest musste ich nicht lange leiden, bevor Er mich zu sich holte."

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