Gestatten, mein Name ist Ridter

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Das Windspiel an der Ladentür kündigte mit seinem leisen Bling-Bling einen neuen Besucher an.
Der Mann mit der Maske sah von seiner Lektüre auf und wirkte überrascht. Die Riesin, die mit dem Maskierten an einem Gartentisch saß und begeistert ihr drittes Himbeertörtchen verspeiste, stockte.
Die beiden hielten ihre Augen auf die Person gerichtet, bis sie den Verkaufstresen erreichte. Erst jetzt wandte sie ihren Kopf zu den Beobachtern.
„Kann ich die Besitzerin sprechen?“
Es war eine ruhige und beherrschte, fast monotone, Stimme.
Der Mann antwortete: „Mademoiselle wird sicher gleisch kommen“
Wie erwartet hörte man den leichten Schritt einer Frau. Als der Vorhang klimpernd zur Seite geschoben wurde, erschien eine freundlich lächelnde, junge Frau. Ihr Lächeln verrutschte ein Stück, als sie die „Kundin“ sah, doch gleichzeitig zeigten ihre Augen Neugier.
„Wie kann ich helfen?“, die Ladenbesitzerin hatte eine freundliche und sanfte Stimme.
Die Besucherin drehte sich langsam um. Sie zeigte auf den kleinen Anstecker in Form von drei Buchstaben vor einen rotem Motiv. „Ich stelle mich besser vor: Ich bin Elisa Theodora Ridter, eine Agentin der Firma Raptor Tec. Industries. Haben Sie schon von uns gehört, Frau…?“
Ms Mirabilis. Ja.“, kam es kurz angebunden von Ms Mirabilis,„In welcher Weise sind Sie an uns interessiert?“
„Ich bin neugierig was Sie verkaufen, da ich gerade erst diesen Laden entdeckt habe.“
Einen Moment war es still.
„Ich und meine Freunde stellen Hilfsmittel und Spielereien her. Sie wissen wirklich nichts über uns?“
„Nein.“, antwortete Frau Ridter ehrlich.
Sie war für einen Augenblick still, während sie sich im Laden umsah: „Wären Sie interessiert mit uns zusammenzuarbeiten? Wir wären vielleicht bereit Sie und Ihre Entourage“, Frau Ridter wies diskret auf die beiden Beobachter hinter ihr, „in unsere Firma aufzunehmen.“
Ms Mirabilis lehnte sich über den Tresen. Sie verbarg die Verwirrung, dass eine Angestellte von einer Technik-orientierten Firma Interesse an Esoterik und Aberglauben zeigte. „Denken Sie wir wollen das? Ganz zu schweigen von unseren verschiedenen ‚Firmenpolitiken‘!“
Frau Ridter verzog keine Miene. „Ich entnehme Ihrem Verhalten, dass Sie nicht interessiert sind.“
„Ja, ich bin nicht Feuer und Flamme für Ihr Angebot. Ich möchte Personen helfen und Ihre Firma teilt diese Einstellung meiner Meinung nach nicht. Eher das Gegenteil. Es ist Ihnen frei überlassen hier zu verweilen, ich sehe aber keinen Grund dazu.“
Frau Ridter dachte scheinbar für einen kurzen Augenblick nach. „Schade. Falls Sie doch noch ihre Meinung ändern sollten, hier meine Karte.“ Sie fischte wie versprochen ein Kärtchen aus ihrem Anzug und schob es über den Ladentisch.
Ms Mirabilis nahm es aus Höflichkeit an. Sie studierte es einen Moment.
„Ich werde, wie Sie mir empfohlen haben, jetzt gehen.“
Ohne Eile, aber trotzdem zügig, durchquerte Frau Ridter den Laden.
Wieder war ein leisen Bling-Bling zu hören, bevor es still wurde.
Die beiden Zeugen am Tisch zögerten.
„Étrange…“, kommentierte der maskierte Mann.
„What?“ Die Riesin verstand nicht was er meinte.
„Seltsam, ‘strange’“, erklärte er.
„Ich stimme Markus zu. Seltsamer Auftritt“, kam es von Ms Mirabilis.
Der Mann, der offenbar auf den Namen ‚Markus‘ hörte, und die Riesin erhoben sich und eilten zur Theke.
„Warum is' eine Weapon-Dealer an Ma‘am interessiert?“ Trotz ihres mühseligen Versuches war herauszuhören, dass Deutsch für sie eine Fremdsprache war, was durch das aufgesetzte Posh-Englische, mit dem sie ihren breiten amerikanischen Akzent verdecken wollte, verdeutlicht wurde.
Markus zuckte mit den Schultern: „Auch ich 'abe keine Antwort darauf, Candis.“ Er sah zu seiner Chefin und stupste dann die riesige Candy an.
Ms Mirabilis war offenbar vollkommen darin vertieft, über das Geschehene nachzudenken.
Der RTI-Saurierschädel starrte sie böse an.



Elisa Ridter ging energisch durch den Gang. Ihr Gesicht war wie an jedem anderen Tag ausdruckslos. Im Kopf formulierte sie die Ergebnisse ihres Ausflugs in den kleinen Seitenladen.
„Elisa! Hey, Schwester!“
Die laute Stimme eines jungen Mannes heischte nach ihrer Aufmerksamkeit.
Ohne groß zu verlangsamen, drehte sie ihren Kopf.
„Hallo, Thomas“, ihre Miene blieb gleich. Weder erfreut noch abweisend.
Thomas Ignaz Ridter holte sie ein und zog mit zwei Fingern ihre Mundwinkel hoch.
„Du schaust immer so gleichgültig in die Welt. Lächle doch mal!“
Wie eine Schlafwandlerin zog sie die Finger weg.
„Ich habe nie einen Grund“, sie versuchte ihrem Gegenüber zuliebe ein Lächeln aufzusetzen. Es war wackelig und sah gequält aus.
„Sieht nicht so überzeugend aus. Komm, ich zeig dir wie es geht“
Elisa ging weiter. „Lassen wir Frau Morosowa nicht warten“
„Ihr müsst euch nicht mehr beeilen. Ich bin schon hier“, begrüsste sie eine grosse Frau mit einer tiefen Stimme mit starken tschechischen Akzent.
Die beiden Ridter verbeugten sich, jeder auf seine Art, Elisa förmlich mit einer Hand auf der Herzregion und Thomas affektiert und tief.
Die Frau sah sie mit ihrem braunroten, menschlichen Auge und ihrer „R.T.I Argus“-Augen-Augmentation an. Eine E-Zigarre im Mundwinkel.
„Ich habe schon eure Berichte erhalten. Ihr erreicht bei eurem Auftrag neue Handelspartner anzuwerben eine Erfolgsquote von 95%. Ich bin heute so gnädig und berücksichtige, dass einige schwierig waren.“
„Danke“, sagten Elisa und Thomas unisono.
„… leider misslang es mir, eine von mir heute entdeckte Gruppe anzuwerben. Ich werde einen vollständigen Be…“, wollte Elisa anfügen.
„Das ist nicht so schlimm. Mit dem "Stählerne Falken", "Liebhaber des Besonderen" und den "Söldner mit Skrupel" haben wir drei große Fische. Ich entlasse euch. Geht zu euren Routineuntersuchungen bei Prof. Veloce“
„Wie sie befehlen, Frau Morosowa“, wieder verbeugten sich die beiden synchron.



Die Schüsse verhalten mit dem Geräusch der Patronenhülse, die auf dem Boden aufkam.
„Ausgezeichnet! Sie haben sich im Vergleich zum letzten Mal um einiges verbessert“
Prof. Veloce, der sich hinter einem gegen R.T.I.-Geschosse gesichertes Panzerglas befand, schaltete die Trainingsdronen aus. Er war schmächtig und seine Haut war mit Narben bedeckt. Er kam aus dem Sicherheitsbereich, dabei unmerklich humpelnd.
Elisa strich über die untere Hälfte des Armes, mit dem sie gerade geschossen hatte.
„Ich bin sicher, dass Sie bis nächste Woche ihre Fähigkeiten weiter verfeinert haben“, Prof. Velocee machte sich eine Notiz in seiner kindliche wirkenden Handschrift. Thomas, der bisher abseits gestanden hatte, sah still zu seiner Partnerin. Er bemerkte die leichte Veränderungen in ihrem Verhalten.
„Du wirkst passiver als sonst. Was beschäftigt dich?“
Prof. Veloce sah leicht auf. „Finden Sie? Ihre Werte sind gut, also kann es nichts großes sein.“
Der Forscher machte eine Geste, mit dem er den beiden das Zeichen gab, dass er fertig mit den Test ist.
Thomas wartete bis sie das Testgelände verlassen hatten bevor er Elisa zur Seite nahm.
„Erzähl mir schon, Schwesterchen. Was geht in deinem Kopf vor sich?“
Elisa antworte immer noch nicht. Ihr Blick war umherschweifend, den geraden Flur hinunter.
„Was denkst du, was unsere Firma macht?“, ihr Stimme war emotionslos, doch etwas schwang mit. Etwas wie … Zweifel?
Thomas sah sie stirnrunzelnd an und fragte: „Was meinst du? Unsere Aufgabe ist der Verkauf von Produkten. Was der Kunde mit unseren Drohnen und Maschinen macht interessiert uns nicht, so lange es uns weitere Kunden einbringt.“
„Also helfen wir ihnen nicht?“
„Was für eine komische Frage. Vielleicht ja, wir helfen ihnen bei der Erreichung ihrer Ziele. Aber wie schon gesagt, weiter nichts. Das eine Mal, dass wir einen Kunden nicht weiterbelieferten war auch nur weil sie uns ihre Ideologie aufzwingen wollten. Ich denke, du brauchst nur etwas Zeit alleine.“
Thomas wuschelte ihr durch das kurze Haar. Ihr Arm schoss hoch und packte seine Hand.
„Bitte lass das. Habe mehr Respekt vor deiner älteren Schwester.“ Selbst jetzt veränderte sich ihr Tonfall nicht, obwohl solch ein Verhalten sehr ungewöhnlich für sie war.
Thomas erschrak einen kurzen Augenblick bevor er, immer noch verwirrt, ein für ihn so typisches Lächeln aufsetzte.
„Tut mir leid, ältere Schwester.“
Leichtfüßig und ihr zuwinkend huschte er in einen Seitengang. Dabei flatterte das Ende seiner Jacke wie der Umhang eines Tagediebes hinter ihm her.

Elisa zog, als sie sich unbeobachtet fühlte, das kleine Kärtchen das sie vom Laden mitgenommen hatte hervor. Sie sah lange auf die Buchstaben, die als eine Art Logo fungierten. Sie holte ihr Mobiltelefon hervor. Wie auf der Karte beschrieben wählte das Gerät selbstständig die Nummer.



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