Der Dritte


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VORHER

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Die Türen zur Krankenstationen flogen auf und Aarons Sicherheitsleute strömten in den Flur. Hinter ihnen war der Aufseher in vollem Sprint auf den einzigen beleuchteten Raum. Seine Wachen flankierten die Tür, er rannte hinein und blieb nur einmal darin stehen, um Atem zu holen.

Es standen noch zwei weitere Leute im Raum, eine davon lag in einem Bett und war an mehreren lebenserhaltenden Maschinen angeschlossen. Die Amsel und Grün standen neben dem Bett, auf dem Sophia lag, Die Nazaräerin. Als er sie sah, stolperte Aaron hinüber zum Bett. Er legte eine verunsicherte Handfläche auf ihre Stirn. Ihre Atmung war flach.

"Was ist passiert?", fragte er mit rauer Stimme. "Was ist mit ihr passiert?"

Das Gesicht der Amsel war traurig, aber Grün schien leicht genervt. "Du weißt, was mit ihr passiert ist, Aaron.", sagte sie. "Sie wurde mit Seidennägeln aufgehängt. Sie ist verflucht. Das passiert Leuten, die verflucht sind."

Aaron schüttelte den Kopf. Er kannte die Wahrheit über das, was sie sagte, doch er hatte nicht geglaubt, dass es so schnell passiert. Er erinnerte sich an die erste Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, als sie ihm erzählte, wozu sie fähig war. Durch die Zeit tanzen nannte sie es. Er hatte gelacht. Dann, eines Tages, verschwand sie und als sie zurückkehrte, waren ihre Handgelenke mit dunklen Eisennägeln durchstoßen und ihre Seite war aufgespießt worden. Dann hatte er nicht gelacht.

Die Nägel jedoch. Felix hatte gewusst, was sie waren. Etwas Altes und Gefährliches. Er hatte sie damals davor gewarnt – davor gewarnt, was mit ihrem Blut passieren würde. Der Brunnen konnte sie vor Krankheit bewahren, aber …

Flüche?, hatte er gefragt. Nein, unglücklicherweise nicht. Flüche sind etwas Unnatürliches. Dies ist eine Wunde, die ich nicht reinigen kann.

Doch sie überstand es. Ihre Arbeit ging weiter und die Projekte, die sie verwaltete, blühten auf, doch sie hatte Anfälle von Schwäche und Qual, die tagelang andauerten, dann Wochen. Der letzte erstreckte sich über drei Monate. Felix hatte sie mit den von der Amsel empfohlenen Behandlungen versorgt, doch es wurde offensichtlich, dass sich ihr Zustand verschlechterte.

"Du sagtest, dass du das verhindern könntest", knurrte Aaron die Amsel an. "Du sagtest, deine Magie würde das verhindern."

Die Amsel hob die Hände. "Ich habe nie solche Versprechungen gemacht. Ich sagte, ich könnte das Unausweichliche hinauszögern, doch das ist unausweichlich, Mr. Siegel. Sie hat Glück, so lange durchgehalten zu haben. Diese Nägel wurden nicht für jemanden gemacht, der eine Kreuzigung überlebt hat."

Aaron wandte sich ihr wieder zu. Er fühlte, wie Hitze in seinem Gesicht brannte und etwas Scharfes und Zerbrochenes in seinen Eingeweiden eiterte. Sophias Haut begann dunkler zu werden, zuerst an ihren Armen und nun kroch es zu ihrer Brust hoch. Schwarze und graue Flecken, wie Erfrierungen. Sie hatten sie in Verbände gewickelt, um das Durchsickern zu verhindern, doch die Bandagen waren durchnässt.

"Wie lange noch?", fragte er.

Die Amsel seufzte. "Tage vielleicht. Wohl eher Stunden."

Aaron reagierte nicht. Der Raum war stickig und still, die einzigen Geräusche waren das Klicken und Piepsen der Maschinen, der sanfte Luftstrom bei jedem unterstützten Atemzug und das Ticken einer Uhr an der Wand.

"Ich wäre nachlässig", sagte die Amsel, "wenn ich dich nicht daran erinnern würde, dass unsere zuvor besprochene Vereinbarung dies verhindern könnte."

Aaron versteifte sich. "Dafür sind wir nicht hier."

Die Amsel zuckte mit den Schultern. "Vielleicht nicht. Doch die Bedingungen unseres Vertrags sind klar. Die Hand des Todes aufzuhalten. Das …", er deutete auf Olivias welkende Gestalt, "… ist der Tod. So sieht er aus."

"Du hast nicht mehr viel Zeit, dich zu entscheiden", sagte Grün, die ungeduldig mit ihrem Fuß auftippte. "Ist sie einmal fort, ist sie fort. Nichts holt sie mehr zurück."

Er fühlte die Hitze wieder. Blitzartig fragte er sich, ob sie ihren Zustand verschlimmert hätten, um ihn zu diesem Punkt zu bringen – eine Entscheidung zu erzwingen. Bei der ersten Aushandlung des Vertrags wurde fast einstimmig zugestimmt – besonders von jenen, die am meisten zu gewinnen hatten. Grün, Der Archivar, Der Unbedeutende. Doch Sophia hatte Widerstand geleistet, so auch Aaron. Es ist nicht unsere Bestimmung, für immer zu leben, hatte er gesagt. Es ist unsere Bestimmung, das Richtige durch die Foundation zu tun.

Das Richtige zu tun ist einfach, wenn es kein Zeitlimit gibt, hatte Grün geantwortet.

Er nahm einen tiefen Atemzug und dann noch einen. Er stand auf und richtete seine Krawatte. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Konzentriert.

"Tod", sagte er auf Latein, "mache deine Offenbarung wirklich. Erscheine jetzt."

Der Raum wurde kalt und still. Die Geräusche verebbten, bis nur noch Stille übrig war. Da war eine dunkle Gestalt in der Ecke, ein grimmiges Phantom, hinter dem das Nichts war. Aaron sah, wie die Amsel zitterte und Grün das Geländer von Sophias Totenbett umklammerte.

"Aaron Siegel", flüsterte die Stimme, die kaum ein Geräusch war. "Ich würde dir sagen, dass ich überrascht wäre, doch die Überzeugungen eines Menschen wurden schon für weniger verworfen." Die Gestalt richtete ihren leeren Blick auf das Bett. "Eine schreckliche Entscheidung wartet auf dich, nicht wahr?"

"Hol den Vertrag", sagte er. Seine Stimme war leer.

Es gab einen Luftzug, dem etwas wie rasselndes Gelächter folgte. Der Geist griff in seine zerrissene Robe und zog eine lange, schwarze Schreibfeder heraus. In der Luft vor ihnen erschien eine fauchende und schimmernde rote Linie, die zischte, während sie brannte und qualmte. Unter ihr erschienen die Worte JAMES AARON SIEGEL, O5-1. Aaron streckte die Hand aus, griff die Feder aus den Schatten und zog ihre rasiermesserscharfe Spitze über seine Handfläche. Eine dicke Linie aus Blut sammelte sich in seiner Faust und er griff das Ende der Feder so fest, bis sie gefüllt war. Dann kritzelte er mit einer schnellen Bewegung seines Handgelenks seinen Namen auf die Linie. Die Tinte zischte und brannte für eine Sekunde, als sie dort hing und die einzige Lichtquelle im Raum war, dann verschwand sie.

"Noch eine", sagte die Stimme und deutete hinunter auf Sophia. Ein strahlend weißes Gesicht grinste im Schatten. "Dreizehn Namen."

So wie es bei seinem Namen war, erschien nun auch eine Linie, diesmal mit den Worten JESU SOPHIA LIGHT, O5-2 darunter. Aaron griff nach unten und durchbohrte Sophia mit dem Ende der Feder knapp über der Brust, wo die sich ausbreitende Fäule noch nicht hingekommen war. Blut sprang hinein und mit ihrer Hand in seiner zeichnete Aaron ihren Namen in die Luft. Die Tinte tanzte für einen Moment durch die Dunkelheit, dann verschwand auch sie.

Dann waren alle da, eine lange Reihe aus Namen und Unterschriften.

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Es gab einen weiteren Luftzug – ein spöttisches Lachen, dachte Aaron – und dann gingen die Lichter wieder an. Die Gestalt in der Ecke war fort, so auch die Feder. Er schaute auf den Punkt in seiner Hand, wo die Feder Haut durchstoßen hatte, und sah nichts. Als er aufsah, sahen ihn die Amsel und Grün ungläubig an; dann schauten alle drei auf das Bett, als Sophia zu husten anfing. Sie hielt sich eine Hand vors Gesicht, rieb sich die Augen und blinzelte gegen das Licht. Als sie ihn sah, verdunkelte sich ihr Gesicht.

"Oh, Aaron", flüsterte sie mit heiserer Stimme. "Das hast du nicht."


JETZT

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Calvin ertrank. Er schwebte in einem Meer ohne Oberfläche und ohne Grund, und das dunkle Grau des Abgrunds umgab ihn, soweit er sehen konnte. Wasser füllte seine Lungen, seine Brust, seine Augen. Er schnappte nach Luft und umklammerte seine Kehle, verzweifelt, auch nur einen Atemzug zu tun. Er schrie stumm und dann wurde er von Wasser erfüllt.

Er erwachte mit einem Ruck, setzte sich schnell auf und ergriff den Rand der Plattform, auf der er lag, um sich zu stabilisieren. Als er seine Sachen einsammelte, wischte er mit der Hand über sein Gesicht – Wasser aus einem leckenden Rohr über ihm. Er nahm mehrere tiefe Atemzüge und sein Herz beruhigte sich wieder. Er nahm ein paar weitere Atemzüge und sah sich um.

Er saß auf einer gepolsterten Plattform, ein paar Meter über dem Boden. Der Raum, in dem er sich befand, war sehr klein, mit nur einer Tür an der Wand und einer Lüftung über ihm. Die Luft aus der Lüftung war kalt und er zitterte instinktiv. Er tastete sich ab und bemerkte, dass seine Waffe fehlte, doch seine anderen Habseligkeiten lagen ordentlich auf einem kleinen Tisch neben der Plattform. Er stand auf und hob sie auf.

Er bemerkte, dass das einzig andere in dem Raum ein kleiner Bildschirm neben der Tür war, der mit einem Lautsprecher verbunden war. Er ging darauf zu und beuge sich vor, um ihn genauer anzusehen. Der Bildschirm war dunkel und zeige einen sich langsam drehenden Punkt und Pfeile – das Foundation-Siegel – mit einem leuchtend roten Punkt in der Mitte. Als er sich näherte, pulsierte der rote Punkt. Eine Stimme knackte durch den Lautsprecher – eine Kinderstimme, doch die Betonung war falsch. Die Kadenz war seltsam, wie eine Annäherung an etwas, das wie eine Kinderstimme klingen sollte.

"Du bist wach", sagte die Stimme unheimlich blechern. "Du hast für eine lange Zeit geschlafen."

Calvin hustete. "Wo bin ich? Was ist das hier?"

"Hier lebe ich", antwortete die Stimme. "Meine Freunde brachten dich hierher. Sie brachten auch deine Freunde mit."

"Meine …", Calvins Stimme blieb in seiner Brust stecken. Er erinnerte sich an die Explosion und an das Flugzeug, das vom Himmel fiel. "Wo sind sie? Was hast du mit ihnen gemacht?"

"Sie sind hier. Ihr seid alle hier. Ich habe deine Freunde nicht getötet." Ein tiefer Basston hallte durch die Wände seiner Kammer. "Nicht so wie du. Du hast meine Freunde getötet."

Calvin trat vom Bildschirm zurück. "Wer bist du?"

Das Geräusch aus den Lautsprechern änderte sich abrupt und spielte nun Musik – eine verzerrte Mischung aus Popmusikstücken wie in einer Werbung. Am Ende dieses Jingles hörte er eine andere Stimme, seine eigene, aus einer Unterhaltung zwischen ihm und Anthony vor Monaten, als sie versuchten, den Standort des Buchhalters ausfindig zu machen.

"Die letzten drei sind schwierig", hörte er seine eigene Stimme sagen. "Der Gründer und Die Nazaräerin haben sich in Standort-01 verkrochen, doch der Dritte Aufseher, das Kind … nun, der Schreiber schien gar nichts von ihm zu wissen."

"Das Kind. Du bist der Dritte Aufseher?", fragte Calvin.

Das sich drehende Symbol begann etwas schneller zu rotieren. "Ich weiß, was du tun willst", sagte die Stimme "Du bist hier, um mich zu töten. Du willst auch meinen Vater und meine Mutter töten. Ich möchte nicht, dass du das tust. Mrs. Grün sagt, dass Menschen, die töten wie du es tust, böse sind."

Der Lautsprecher verstummte und das Symbol auf dem Bildschirm verschwand. Neben ihm hörte er das Schloss an der Tür klicken. Calvin schaute es für einen Moment an, öffnete dann langsam die Tür und trat hinaus.

Er stand in einem langen, dunklen Industrieflur, der von trüben Glühbirnen an den Wänden erleuchtet wurde. Er konnte ein Ende des Flurs in seiner Nähe sehen – eine Lichtleiste und Schalter hinter einem Stahlgitter. Am anderen Ende konnte er eine Kurve im Flur und Licht sehen, also ging er darauf zu. Von irgendwo tief unter ihm konnte er etwas Großes summen hören.

Die Stimme krächzte durch die Lautsprecher im Flur. "Ich beobachte dich schon seit langer Zeit, Calvin. Ich weiß, wo du geboren wurdest. Ich weiß, wo du aufgewachsen bist. Ich weiß über deine Mutter und deinen Vater, deine Freunde und alles Bescheid. Ich weiß, wie viele Atemzüge du in deinem Leben getan hast. Ich weiß, wie oft du geblinzelt hast."

Calvin ging den Flur entlang und die Stimme folgte ihm. "Bevor ich geboren wurde, gab es einen anderen O5-3. Sein Name war Anderson und er baute unmögliche Maschinen. Maschinen, die denken konnten. Maschinen, die lieben konnten. Doch seine größte Schöpfung war eine Maschine, die die Zukunft sehen konnte – eine, die mein Vater nutzte, um die bevorzugte Option zu finden, wenn nötig. Aber Anderson hatte keine Leidenschaft dafür und wollte an seinen denkenden Maschinen arbeiten, also verließ er den Rat und seine Maschine verfiel."

Die Stimme fuhr fort. "Mrs. Grün gab meinem Vater eine Idee. Sie fragte ihn, warum er sich mit dieser Maschine befasst, wenn Mr. Buchhalter und Mr. Amsel die allgemeine Form der Zukunft sehen können. Was für die Foundation nützlicher wäre, wäre nicht eine Maschine, die die Zukunft sieht, sondern eine Maschine, die alles sieht. Mit dem, was sie aus Andersons Tagebüchern und von ihren eigenen Ingenieuren wussten, rüsteten sie die Maschine um, damit sie genau dies tut."

Calvin verließ den Flur in eine hohe, dunkle und schmale Kammer, in der die Rohre über die gesamte Länge verliefen. Am Ende der Kammer konnte er einen Aufzug sehen. Er ging einen Schritt nach vorn und dabei öffneten sich die Lichter über ihm und er sah, dass die Wände des Raums mit zylindrischen Tanks voll brackiger, grüner Flüssigkeit sehen. Darin sah er Formen – menschliche Formen, groß und klein, manche waren im Krampf der Qualen eingefroren und andere hingen schlaff an Drähten, die in ihre Schädel führten. Er blickte nach oben und erkannte, dass sich hunderte, wenn nicht tausende Tanks bis nach oben zu einer Decke erstreckten, die er nicht sehen konnte.

"Der Stress dieser Maschine erwies sich für so viele als zu groß. Die Wahrnehmung überflutet die Sinne mit Geräuschen – sie brauchten einen reinen Geist, um diese Maschine zu bedienen, einen, der nicht so viele Ablenkungen hatte. Etwas Perfektes und Reines. Darum weckten mich mein Vater und meine Mutter auf. Ich war nicht abgelenkt. Es war mein Schicksal, als ein Opfer eines Gottes vom Saturn zu sterben, doch sie retteten mich. Sie durchschnitten mein Rückenmark und gaben mir eine neue Sicht durch das Allsehende Auge. Sie gaben mir ein neues Leben. Seitdem habe ich zugesehen."

Calvin ging durch den Raum mit den Tanks in den Aufzug, der von selbst nach unten fuhr. Über ihm begann blecherne Fahrstuhlmusik zu spielen.

"Ich weiß alles, was es über dich zu wissen gibt, Calvin. Ich weiß, dass die Insurgency nur die Gelegenheit hatte, dich zu rekrutieren, weil das Militär dich entließ, weil du diese Frau mit deinem Auto getötet hast. Ich weiß auch, dass du in dieser Nacht betrunken warst. Ich sah zu, wie es passierte, Calvin. Ich könnte es dir jetzt zeigen, wenn du es sehen wolltest."

"Warum erzählst du mir all das?", fragte Calvin, in dessen Nacken sich eine dünne Schweißlinie formte.

Die Stimme lachte. "Weil ich weiß, dass du denkst, dass dies eine rechtschaffene Mission ist, auf der du dich befindest. Die Welt vom Bösen zu reinigen. Vincent Arians glaubte das auch, aber du und er und ihr alle seid fehlerhaft. Deine ist nicht die Stimme, die das Schicksal der Welt entscheiden sollte."

"Ich habe Fehler gemacht, als ich jünger war", sagte Calvin, "Fehler, für die ich bezahlt habe. Das haben wir alle. Aber die Struktur des Universums zum persönlichen Vorteil zu zerstören, ist …"

"Du führst einen ideologischen Krieg aufgrund einer Studie, die von einem in Ungnade gefallenen, ehemaligen Foundation-Forscher gemacht wurde und die fragwürdige Ergebnisse und unzusammenhängende Realitätsanker-Daten hervorgebracht hat, die von zweifelhaften Quellen stammen. Dir wurde schon oft gesagt, dass du fehlgeleitet bist und dass dein Weg nicht durch Vernunft, sondern durch Hass und Unwissenheit begründet ist. All das, und dennoch machst du weiter. Du bist schon über Naivität hinaus, Calvin Lucien. Du hast keine moralische Grundlage. Du bist gefährlich."

Der Aufzug hielt an und öffnete sich zu einer Plattform, die sich soweit er sehen konnte über einen riesigen Schacht erstreckte. An einer Wand in seiner Nähe standen in Weiß die Worte DEEPWELL-1 und überall an den Betonwänden waren Röhren und Lichter, Schläuche und Schalter, die aufleuchteten, sich schlängelten und mit einer glatten, zylindrischen Maschine in der Mitte der Plattform verbunden waren. An ihrer Seite war ein Bildschirm mit demselben Logo und den Augen wie die anderen, doch als Calvin ihn sah, fühlte er sich beobachtet. Etwas war dahinter.

"Ich brachte dich her, Calvin, weil es an der Zeit ist, dass deine Reise endet. Ich bin mit perfektem Denken, perfektem Bewusstsein und perfekter Erkenntnis gesegnet. Das Allsehende Auge hat deine Absichten beurteilt und dich für mangelhaft befunden. Dafür und für deine Verbrechen muss die Strafe der Tod sein."

Über sich hörte Calvin ein surrendes Geräusch und eine Plattform senkte sich von oben herab, um neben seiner stehenzubleiben. Darauf standen Olivia und Adam, beide unversehrt aber in Stahlfesseln, gegen die sie sich wehrten. Calvin ging einen Schritt auf sie zu und blieb beim Geräusch einer Waffe stehen, die entsichert wurde. Als er sich danach umdrehte, sah er die vier Angreifer vom Flughafen, die kleinste von ihnen hatte ihr Gewehr auf Calvin gerichtet und war bereit zu feuern.

"Olivia Torres, Adam Ivanov", sagte die Stimme, "für eure ungerechtfertigte Feindseligkeit gegenüber der Foundation und für die Ermordung vieler Unschuldiger werdet auch ihr sterben."

Calvin schaute sie an und dann hinüber zur Frau mit dem Gewehr, dann zum Zylinder in der Mitte des Raums. Er hatte keine Optionen mehr.

"Irantu,", sagte die Stimme. "Exekutiere sie."

Der größte der vier schritt auf Calvin zu, seine Augen starrten in an. Calvin ging einen Schritt zurück, dann noch einen und er bemerkte etwas Seltsames. Zwischen ihm und Irantu baumelte eine weiße, schimmernde Linie. Er runzelte die Stirn und sah Irantu, der dasselbe tat. Die Linie tanzte und wackelte und dann waren mehr davon da, die aus einem Punkt im Raum erschienen. Dann kamen eine Spule und der Griff einer Stange. Dann eine Hand und endlich ein Gesicht.

"Dachte, das könntest du gebrauchen", sagte Alison und zwinkerte ihm zu. "Viel Glück."

Calvin griff danach und hielt sie vor sich. Irantu trat vor, um sie zu schnappen, aber bevor er es schaffte, hatte Calvin die Angel ausgeworfen. Als sie hängenblieb, zog er.

Etwas um sie herum gab nach. Ein Geräusch hallte durch den Schacht, als würde etwas Dickes und Feuchtes daran reißen und eine intensive Hitze erfüllte den Raum. Von dort, wo das Ende der Angel in der Luft gelandet war, öffnete sich ein langer Spalt im Raum, hinter dem eine gleichsam intensive Kälte war. Eis und Schnee bliesen aus der Öffnung und Irantu stolperte rückwärts davon weg. Die Frau feuerte das Gewehr, verfehlte aber. Der nächste Schuss wurde von einer grausamen, weißen Hand aufgehalten.

Die Hand, die sich aus dem Spalt erstreckte, fing die Kugel. Sie hielt die Kugel in ihrer flachen Handfläche, dann zitterte sie heftig und krampfend und die Kugel war verschwunden. Die Hand hielt sich am Rand der Öffnung fest und dann folgte eine weitere. Dann noch eine. Und dann noch Dutzende. Aus dem Innern des Spalts erschien etwas Schreckliches – irgendwie menschlich mit zu vielen Armen, zu vielen Beinen und zu vielen Händen. Seine Brust war eingefallen und skelettartig und entlang seines Nackens und Rückens waren unheimliche, schwarze Tattoos. Anstelle eines Kopfes hatte es eine breite, flache Scheibe, geschmückt mit flammenden Glyphen, die pulsierten, als es sich bewegte und wenn es sich bewegte, tat es das unnatürlich und ruckte und krampfte dabei vorwärts. Als es sich hinaus in den Schacht zog, dachte Calvin, er könne das Geräusch von Trommeln hören, erkannte dann aber, dass es das pochende Herz der Kreatur war. Ein Chor leiser, singender Stimmen strömte von der Kreatur aus. Als sie die vier Foundation-Agenten sah, wurde das Pochen lauter.

"Oh, fuck", sagte die größere Frau.

Das Wesen aus dem Inneren Spalts schwebte vorwärts, ihre sechs Beine waren unter ihr und die Ketten an den Handgelenken klapperten bei jeder ruckartigen, strampelnden Bewegung. Die kleinere Frau feuerte erneut ihre Waffe ab, doch die Kugel zerplatzte vor der Kreatur in schillernd bunte Stücke. Irantu zog eine lange Klingensäge aus seinem Gürtel und schwang sie gegen die Kreatur, wobei er sie an einer ihrer Handflächen erwischte. Die Trommelschläge nahmen an Intensität zu, als aus der Wunde der Säge eine dicke, graue Flüssigkeit sickerte. Eine andere Hand traf Irantu unterm Kinn und ließ ihn rückwärtstaumeln.

Die anderen drei eröffneten das Feuer auf die Kreatur und mussten ausweichen, als Feuer und Blitze aus ihren Fingerspitzen schossen. Calvin duckte sich hinter einen Stützbalken und rannte dann dorthin, wo Adam und Olivia angebunden waren. Er zog ein Messer aus seiner Tasche, hielt die Fesseln und schnitt sie durch, um beide zu befreien. Als sie auf dem Boden aufkamen, sprangen beide auf ihn zu und schlangen ihre Arme um ihn.

"Oh mein Gott", sagte Olivia, "wir dachten, du wärst tot."

"Dachtet ihr? Ich dachte, ihr wärt tot.", sagte Calvin und umarmte sie. "Das Flugzeug – ich sah, wie es vom Himmel geschossen wurde. Wie seid ihr entkommen?"

"Wir sind ausgestiegen, um nach dir zu suchen, als wir Schüsse hörten", sagte Adam. "Wir dachten, du könntest in der Nähe sein, doch dann kamen sie zu uns und wir wurden überwältigt."

Ein glühender Lichtstrahl versenge die Luft in ihrer Nähe und dann sahen sie die verkohlte Gestalt einer der vier Angreifer einen Moment in der Luft hängen, bevor sie zu Staub zerfiel. Der Raum um sie herum summte und aus dem Becken mit Flüssigkeit schoss ein Glastank hervor, öffnete sich und eine identische Kopie des Humanoiden kletterte hinaus. Ein Blitz schoss durch den Raum auf Irantu zu, der ihn in die Brust traf und in Flammen aufgehen ließ. Ein weiterer Tank erhob sich unter ihnen, aus dem Irantu kroch, und beide Tanks sanken wieder in die Flüssigkeit.

"Wir brauchen einen Plan. Schnell!", sagte Olivia, die den Raum absuchte. "Was ist das für ein Ding?"

"Keine Ahnung", antwortete Calvin, der ihren Augen folgte. "Das Mädchen, das wir in den anderen Welten trafen, brachte es hierher."

Eine Hand der Kreatur zuckte leicht auf sie zu, der Boden unter ihnen begann sich zu wölben und zu schwanken und sammelte sich um ihre Füße wie Sirup. Sie sprangen gerade noch rechtzeitig davon, um zu sehen, wie er sich bog und in das Becken unter ihnen zusammenbrach und noch mehr Blitze durch die Luft schossen. Plötzlich war der Raum von lautem Summen erfüllt und aus Öffnungen in den Wänden kamen Drohnen, jede bewaffnet und auf die vielgliedrige Kreatur mitten im Raum fixiert. Die Kreatur schlug mit Windböen auf sie ein, ergriff die kleinste Frau mit einer Hand und hob sie zur flachen Diskette auf seinem Nacken hoch. Die Glyphen brannten hell und die Frau schrie, als ihr Fleisch versengt und verschmort wurde. Als es sie losließ, fiel sie schlaff auf den Boden und ein weiterer Tank brach aus dem Becken hervor.

"Sieh", sagte Adam, der auf die vier Humanoiden zeigte, "sie locken das Ding von dem Ding in der Mitte des Raums weg. Da muss was Wichtiges drin sein."

"Lass uns näher rangehen", sagte Calvin, doch als er sich umdrehte, hatte sich ihnen eine Drohne genähert, die das Feuer eröffnete. Er fühlte, wie heißes Metall seine Schulter streifte und duckte sich hinter die Plattformen, an denen sie gefesselt waren. "Hat einer von euch eine Idee?"

Adam zuckte die Achseln, aber Olivia durchwühlte hastig ihre Tasche. Sie zog einen Pinsel und einen kleinen Behälter mit dicker, blauer Farbe heraus und drehte den Deckel ab.

"Ihr werdet verstehen, dass das hier etwas chaotisch wird", sagte sie und tauchte den Pinsel in die Farbe, "aber die Zeit drängt."

Sie wirbelte herum und zog den Pinsel mit einem Schnörkel durch die Luft. Ihm folgte eine schillernde Spur aus blauem Feuer in sechs konzentrischen Kreisen und mit einem weiteren Pinselstrich tanzen sie durch die Luft und auf die Drohnen zu. Die Drohnen, die durch die Spur aus Flammen flogen, zerbrachen in Stücke aus schimmernden Funkenexplosionen und jene, die zu nah an den Explosionen waren, destabilisierten sich und fielen runter. Weitere Schüsse kamen durch den Raum, dieses Mal von dem kleineren der beiden Männer und Olivia zog den Pinsel herum und auf sie zu. Ein körpergroßer, funkelnder Cyanschild materialisierte sich vor ihr und dahinter eilten die drei durch den Raum zum zentralen Zylinder, während die Kugeln um sie herumflogen. Die Trommelschläge nahmen zu, und sie sahen den Torso und Arm desselben Mannes, die zur entfernten Ecke des Raums flogen und in die Wand krachten.

Olivia zog eine Waffe aus ihrer Tasche und gab sie Calvin, der hinter dem Zylinder hervorkam und auf den nächsten der Humanoiden schoss. Adam fuhr mit seiner Hand über den Zylinder, bis er etwas Auffälliges fühlte, daran zog und ein Bedienfeld enthüllte. Er griff in seinen Rucksack, holte ein Gerät mit einem kleinen Bildschirm und mehreren komischen Kabelverbindungen heraus und machte sich daran, es mit dem Bedienfeld zu verbinden. Sie hielten inne, um sich kurz hinter den Zylinder zu drängen, als ein Feuerstrahl durch den Raum schnitt, der aus einem Riss genau vor der vielgliedrigen Kreatur kam. Calvin traf Irantu in den Schädel, ein weiterer Tank tauchte aus dem Becken unter ihnen auf und ein weiterer Irantu krabbelte hoch auf die Plattform.

"Wir müssen auch was gegen die da unternehmen", sagte Calvin und zeige auf die Tanks unter ihnen. "Was hast du?"

Olivia kramte eine Sekunde herum und hörte nur auf, als eine Minigun graue Stücke aus Fleisch auf sie zuschickte. Nach einem Moment zog sie noch einen Farbbehälter und eine runde Papierscheibe hervor. Sie legte das Papier auf den Boden und begann dünne, schwarze Linien darauf zu zeichnen.

"Ich weiß eigentlich nicht, was das bewirken wird", sagte sie mit gleichmäßiger und vorsichtiger Stimme, "aber es ist wahrscheinlich besser als nichts."

Das komplizierte Design, das sie gemalt hatte, war eine faszinierende Darstellung aus Linien und Formen, dann ergriff sie den Papierkreis am Rand. Sie stand auf, machte einen fließenden Schritt und warf ihn wie ein Frisbee aus ihrer Hand. Er schwebte durch den Raum und landete genau über den Tanks im Wasser.

"Moment mal!", rief Olivia, doch sie hörten nur das erste Wort, als die Luft im Raum plötzlich weggerissen wurde. Es gab ein ohrenbetäubendes Gebrüll, dann nichts und von seinem Platz aus, sich verzweifelt am Boden festhaltend, konnte Calvin sehen, dass die Scheibe zu einem flachen, schwarzen Kreis geworden war, hinter dem sie Sterne sehen konnten. Das Wasser unter ihnen und die Drohnen wurden darauf zu gezogen, genauso wie einer der Humanoiden.

Die riesige, vielgliedrige Entität wandte sich ihm zu und trotz der Stille des Vakuums konnte Calvin die wilden Trommelschläge ihres wütenden Herzens hören. All ihre Hände kamen vor ihr zusammen und als es sie zurückzog, waren es Hunderte mehr, spektral und schimmernd, und gemeinsam tanzten sie einen winkenden, schrecklichen Tanz. Die Spektralhände fielen in die echten zurück, welche strahlend weiß gegen die Dunkelheit des Raumes brannten. Die Kreatur schwebte auf das Loch im Raum zu, stützte sich mit seinen sechs Beinen am Boden des Beckens, griff die Ränder des Lochs und zog es zu.

Die Kreatur hielt für einen Moment dort inne, wo das Loch gewesen war, als ob sie die Tanks unter ihr zum ersten Mal sehen würde. Sie beugte sich zu ihnen hinunter, hob einen in die Luft und dann noch einen. Plötzlich rissen all ihre Arme den kompletten Mechanismus wütend auseinander; Kabel, Stahl und Schläuche flogen durch die Luft und Blut regnete zwischen den Stücken der zerstörten Maschinerie.

Die drei übrigen Gestalten wollten fliehen, doch die Kreatur kam zu schnell auf sie zu. Mit flachen Handflächen begann sie, sich in einer weiten Bewegung zu drehen, der Boden unter den Humanoiden wurde glatt und sie fielen auf die Plattform. Die Kreatur drehte ihre Handflächen nach oben, dann hingen sie in der Luft und konnten sich nicht mehr bewegen, sondern nur noch schreien und brüllen. Die Kreatur schloss ihre Fäuste und einer nach dem anderen wurde zu einer faustgroßen Kugel aus Fleisch und Eingeweiden gepresst. Als sie ihre Fäuste wieder öffnete, ergossen sich ihre Überreste über die Kammer wie explodierende, blutrote Ballons.

Es hing einen Moment schweigend da und bewegte sich nicht. Dann, als zwei ihrer Hände vor ihr auftauchten, um krampfartig zu gestikulieren, bewegte sie sich abrupt seitwärts und verschwand. In der Kammer war es still.

Dann folgte ein langes, tiefes Wimmern, das Geräusch von etwas, das vor Qual und Wut schreit. Es kam durch die Wände, durch den Boden, aus der dunklen Decke über ihnen und verstummte dann auch.

"Genug. Genug. Genug.", sagte die Stimme, die durch den Schacht hallte. "Ich habe genug. Keine Tricks mehr. Keine Monster. Nichts mehr."

Calvin hörte, wie sich etwas auflud und schaute rechtzeitig über seine Schulter, um zu sehen, wie der Lauf einer Waffe, die aus der Wand kam, auf sie gerichtet war. Er zog seine eigene Waffe und feuerte darauf, doch es stieg nur eine einzelne Rauchwolke aus dem Ende des glatten Metallrohrs auf. Er hatte genug Zeit, um zu Olivia zu schauen, deren Gesicht verzerrt und verwirrt aussah. Sie hatte keine Zeit mehr, um zurückzublicken oder gar zu atmen, bevor die Kugel durch ihren Hinterkopf schoss und zwischen ihren Augen hinaustrat. Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher und sie sah aus, als wollte sie etwas sagen und brach dann zusammen.

Calvin schrie. Er wandte sich zu Adam, der fassungslos mit leerem und erschüttertem Gesichtsausdruck am Schaltpult saß und nach seinem Rucksack griff. Er nahm den verzierten Metallzylinder heraus und daraus zog er den Speer des Ungläubigen. Er nahm ihn in beide Hände, schob ihn in das Schaltpult und stieß ihn mit einem unmenschlichen Gebrüll durch die andere Seite der Maschine. Ein weiterer Gewehrlauf tauchte auf und Calvin drehte sich um, um auch auf diesen zu schießen, doch eine weitere Kugel kreischte durch den Raum, bevor er ihn außer Gefecht setzen konnte. Adam schrie auf, griff sich an den Rücken und brach dann auch zusammen.

Calvin griff unter den Speer und schrie, er zog ihn nach oben, als Sirenen heulten und rote Lichter um sie herum blinkten. Er hörte etwas wie rauschendes Wasser und seine Arme und Beine wölbten sich vor Anstrengung. Mit einem großen Ruck hievte er den Speer nach oben und das Stahlgehäuse des Zylinders rutschte nach oben. Mit beiden Händen zog er den Speer weiter nach oben und die Ummantelung fiel von der Oberseite des Zylinders auf den Boden.

An ihrer Stelle war ein Glastank, der von kleinen Schalttafeln und elektrischen Lichtern bedeckt war. Durch das Glas konnte er etwas in der Flüssigkeit darin schweben sehen, etwas Kleines und Entstelltes. Es war ein Säugling, ein menschliches Baby, aber grotesk entstellt und verkrümmt. Seine Augen waren leere Höhlen mit weißem Eiter, sein Mund und seine Ohren waren zugenäht und eine arkane Tätowierung eines Kreises mit drei Pfeilen, die einen roten Punkt umgaben, war auf seiner Stirn. Es war mit Kabeln und Schläuchen an die Maschinen angeschlossen, die es umgaben, und sobald sich das Stahlgehäuse gelöst hatte, kreischte ein Geräusch durch die Lautsprecher um sie herum. Etwas Entsetzliches. Etwas Animalisches.

Calvin ergriff wieder den Speer und schlug ihn auf das Glas, dann wieder und wieder. Beim vierten Mal zersprang und zersplitterte das Glas und die brackige, gelbe Flüssigkeit strömte auf den Boden. Alles, was übrigblieb, war die entsetzliche Gestalt des Kindes, das an Kabeln an den Maschinen hing, die es am Leben hielten. Calvin zog das Glas mit den bloßen Händen zurück, bis sie nichts mehr trennte.

"Ha", das Geräusch aus den Lautsprechern veränderte sich. "Ha. Ha. Ha, ha, ha. Ha, ha, ha, ha, ha. Ha. Ha."

Blind vor Wut griff Calvin durch die Öffnung und packte das matschige, zappelnde Kind mit den bloßen Händen. Er drückte so fest zu, dass er dachte, die Arme des Kindes würden brechen und seine Augen würden in seinem Schädel explodieren. Er drückte, bis die Hände des Kindes krachten und seine Rippen ächzten. Er drückte, bis er fühlte, wie Fleisch und Blut zwischen seinen Fingern rannen bis alles, das gebrochen werden kann, gebrochen war. Er drückte, bis das hallende Gelächter in der Kammer in den Geräuschen von fließendem Wasser und Adams Keuchen verschwand.

Er ließ das, was vom Aufseher übrig war, in die Pfütze seiner Organe auf dem Boden des Tanks fallen und stolperte rückwärts. Er wandte sich zu Adam, der sich am Boden krümmte und nach seinem Rücken griff.

"Calvin, meine Beine", murmelte er durch zusammengepresste Zähne. "Ich kann meine Beine nicht fühlen, gottverdammt, ich kann sie nicht fühlen." Er schaute zu Olivia, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. "Olivia … nein, nein, nein, Olivia nein, Calvin, bitte …"

Calvin beugte sich hinunter, schob den Speer in seine Dose und befestigte ihn an seinem Gürtel. Er griff wieder nach unten und hob Adam auf, der vor Schmerz aufschrie, als er vom Boden gehoben wurde. Er tat dasselbe mit Olivia und mit beiden auf seinem Rücken stolperte er und kämpfte sich auf den Aufzug zu. Nur in dessen Innern konnte er die Ursache des Geräuschs hören – Wasser durchbrach die beeinträchtigte Struktur des Schachts von oben. Von Zeit zu Zeit ergoss sich ein größerer Strom von oben herab und dann noch einer. Als der Aufzug losfuhr, gab eine Mauer nach und das Wasser stieg über die Plattform.

Sirenen ertönten weiter, als er sich und die anderen durch den Standort schleppte, der bis auf die blinkenden Notlichter dunkel war. Er stolperte in die Dunkelheit, seine Augen konzentrierten sich auf jede Tür, jeden Flur und jeden möglichen Ausgang. Er konnte spüren, wie der Standort um ihn herum zusammenbrach und von Zeit zu Zeit musste er umdrehen, wenn ein Flügel in den Schacht gefallen und verschwunden war.

Er kam zum Ende des letzten Flurs und an dessen Ende war eine Tür. Mit den letzten Anstrengungen drückte er sich dagegen und fiel hinaus ins Sonnenlicht. Er ließ Adam und Olivia fallen und schlug mit letzter Kraft die Tür hinter sich zu. Sie lagen auf einem Hügel neben einem Stausee und hinter ihnen konnte er das Geräusch des Wassers hören, das in die Grube fiel.

Calvin drehte sich um und sah Adam. Sein Gesicht wurde weiß und seine Lippen blau. Blut hatte sich um seine Taille gesammelt und er schrie nicht mehr. Er sah, wie sich seine Augen verdunkelten und seine Haut straff wurde. Adam schaute auf Calvin, doch Calvin war sich nicht sicher, ob er ihn wirklich sehen konnte. Er kroch zum jungen Mann hinüber und griff nach seinem Gesicht. Adams Atmung war kurz.

"Nein, Kleiner, komm schon", Calvin konnte heiße Tränen auf seinem Gesicht spüren. "Du nicht auch noch. Du nicht auch noch."

Er tastete nach einem Telefon, nach einem Transponder, nach irgendwas. Dann fühlte er es, etwas Schweres in seiner Tasche. Er griff hinein und zog es heraus, im Licht der Sonne schimmerte eine Phiole mit blauer Flüssigkeit. Er hielt sie hoch und sein Puls beschleunigte sich. Er schaute auf Adam hinunter, der nun auch auf die Phiole blickte. Adams Augen richteten sich wieder auf Calvin.

"Nein", flüsterte der Junge mit von Blut erstickter Stimme. "Nein."

Calvin schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid. Es tut mir leid. Du nicht auch noch."

Er zog den Korken aus der Phiole und leerte sie in Adams Mund. Als sie leer war, drehte er den Kopf des Jungen nach hinten und zwang ihn zu schlucken. Die Folgen kamen augenblicklich – Farbe schoss zurück in seine Haut und seine Augen waren sofort klar. Er hustete Blut, doch einen Moment später normalisierte sich seine Atmung. Seine Beine bewegten sich, Adam griff verzweifelt hinter sich und zog eine Kugel aus seinem Rücken. Er lag keuchend auf dem Boden und seine Augen starrten in den Himmel.

"Warum?", fragte er nach einem Moment. "Calvin, warum? Warum?"

Calvin stand vorsichtig auf. Er griff in seine Tasche, um sicherzugehen, dass das Tagebuch noch da war. Er kniete sich hinunter zu Olivias Tasche und wich vorsichtig ihrem toten Blick aus, dann zog er einen Transponder heraus. Er drückte den Knopf darauf und stellte ihn neben Adam.

"Es ist fast vorbei", sagte Calvin mit sorgfältig ausgewählten Worten, doch nicht weniger unruhig. "Es ist Zeit, es zu beenden."

Adam streckte die Hand aus und griff nach Calvins Hosenbund. Als Calvin ihn ansah, weinte Adam.

"Calvin, bitte nicht", sagte er leise und seine Stimme brach. "Geh nicht, bitte. Lass mich nicht hier. Geh nicht. Bitte, ich flehe dich an, wir können einfach wegrennen. Wir können wegrennen und nie wieder daran denken. Bitte, Gott, geh nicht, Calvin, bitte. Bitte, geh nicht."

Calvin zog sein Bein weg. "Bleib hier, Adam. Bleib hier und die Insurgency holt dich ab. Ich riskier dich nicht auch noch. Bleib hier. Ich komme zu dir zurück."

Adam versuchte, sich die Augen abzuwischen, doch sein Körper war schwach. "Nein, Calvin, bitte. Da ist noch was anderes. Bitte geh nicht. Ich liebe dich, Calvin. Ich liebe dich. Bitte verlass mich nicht. Bitte geh nicht. Ich will nicht wieder allein sein."

Calvin wandte sich ab. Er griff nach unten, hob Olivias schwache Gestalt auf und legte sie wieder über seine Schulter. Er schaute ein letztes Mal auf Adam hinab, der bittend und bettelnd auf dem Boden lag. Er schloss die Augen, nahm einen tiefen Atemzug und ging fort.

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Calvin, bitte verlass mich nicht. Verlass mich nicht. Bitte.

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JETZT

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Aaron stand an einem Fenster und schaute hinunter in die Berge, mit seinem Fuß tippte er ungeduldig auf. Es regnete und ab und an zuckte ein stummer Blitz über den Himmel und erleuchtete seine Reflexion. Hinter ihm war ein Bildschirm und darauf war eine Echtzeitübertragung eines zusammengebrochenen Reservoirs, über das nun Foundation-Agenten schwärmten. Ein weicher Ton klingelte und er drehte sich zum Bildschirm um.

"Ja", sagte er leise. "Was gibts?"

"Der Standort ist komplett zerstört, Mr. Siegel", sagte die weiche Frauenstimme der KI. "Die Leiche von O5-3 wurde geborgen. Der Aufseher wurde getötet."

Aaron antwortete nicht sofort. "Was ist mit der anderen Sache, nach der du sehen solltest, Helen?", fragte er. "Was hast du gefunden?"

"Die Gruft, die SCP-5935, die Goldene Lanze, enthielt, wurde von einem unbekannten Nutzer zu einer unbestimmten Zeit in der Vergangenheit geöffnet. Aufgrund des Verhaltens des Nutzers und der Fähigkeit, alle Aufzeichnungen des Ereignisses zu löschen, ist es wahrscheinlich, dass der Nutzer O5-2 war."

Aaron hörte auf, mit seinem Fuß zu klopfen. "Sophia? Wie konnten wir das übersehen?"

"Der Nutzer hatte administrative Privilegien ähnlich wie Ihre, Sir", antwortete die Stimme. "Dies geschah auf Ihre Bitte hin."

Er fühlte, wie sich sein Hals zuzog. "Wo wurde die Aufseherin zuletzt gesehen?"

Die Stimme war für einen Moment still. "O5-2 wurde zuletzt dabei gesehen, wie sie den Garten betrat, Sir."

Aaron nahm seinen Mantel von einer Stuhllehne und schritt auf die Treppe zu.

"Bereite mein Flugzeug vor, Helen. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen."




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