Der Sechste


Ud9BVXx.png

6red.png


DAMALS

— - —

Arians stand in der Tür und zog langsam an einer Zigarette. Aaron saß ein paar Zentimeter entfernt an einem Tisch und blätterte durch einen Bericht, den sie am Tag zuvor erhalten hatten. Vor dem Fenster ihrer provisorischen Kommandozentrale in Guadalajara tanzte eine Parade durch die Straßen und arbeitete sich langsam auf das Stadtzentrum zu. Das Fenster wurde wegen der schwachen Brise offengelassen, doch es hatte nicht geholfen.

Arians nahm noch einen Zug und ließ den Rauch aus seinen Nasenlöchern als er ausatmete. Er ging hinein und schloss die Tür hinter sich. "Ich weiß nicht, was du erwartet hast. Bestätigt das nicht alles, was wir bis jetzt gehört haben?"

Aaron schüttelte den Kopf. "Ja, ja, hat es, aber ich verstehe es nicht. Sie haben eine Armee nach La Paz geschickt – wie ist das möglich?" Er blätterte durch den Bericht, suchte nach losen Seiten. "Was wir in San Marco taten hätte sie ruinieren sollen, Vince. Wer blieb danach zurück?"

"Ein paar Leute blieben zurück – was meinst du?"

Aaron warf ihm einen Blick zu. "Ich meine, wer in Kommandopositionen zurückblieb. Jemand, der wusste wie … weiß irgendjemand von denen, wie man in Standort-01 gelangt?" Er warf den Bericht auf die Couch hinter ihm. "Wir haben die Tür nicht offengelassen, oder? Wer blieb danach zurück?"

Arians zuckte mit den Schultern. "Adam Bright vielleicht. Zuletzt hörten wir, dass er von diesem Standort in Michigan aus operiert, aber er könnte es gewesen sein. Obwohl, er würde nicht wissen, wie man in den abgesicherten Standort kommt." Er machte eine Pause und überlegte. "Skitter Marshall? Wo war sein Team eingesetzt?"

Aaron rieb sich die Augen. "Nein, nein, es war nicht Marshall. Er ist auch übergelaufen – nur nicht mit uns."

Sie saßen noch einem Moment schweigend da, nur das Geräusch der sich entfernenden Parade brach die Stille zwischen ihnen. Dann, ohne Vorwarnung, öffnete sich die Tür. Arians hatte es sofort gemerkt und die Waffe gezogen. Aaron bewegte sich nicht, starrte jedoch ungläubig auf die Gestalt im Türrahmen.

"Sophia?", fragte er skeptisch.

Sophia Light kam durch die Tür und zog langsam eine Kapuze von ihrem Gesicht. Ihr Haar war kürzer als beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten, doch ihre Augen hatten immer noch das unverwechselbare Grün. Aaron spürte etwas in seiner Brust – etwas, dass er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Verlangen.

"Nein", knurrte Arians, "ein Foundation-Spion."

Sophia rollte die Augen. "Nimm die Waffe runter, du Idiot. Ich bin nicht hier, um euch zu töten." Sie krempelte die Ärmel ihrer Handschuhe herunter und deckte Löcher in ihren beiden Handgelenken auf, welche längst vernarbt, aber nicht geschlossen waren. Sie hatte keine versteckten Waffen. "Da, zufrieden?"

"Was machst du hier?", fragte Aaron.

Sie zog den Mantel aus und legte ihn auf das einzige Bett im Raum. "Du hast eine Nachricht an Edward Bishop geschickt", sagte sie und schaute Aaron an. "O5-13. Trotz derselben melodramatischen Prosa wie immer wusste ich, dass du es warst. Er fügte es der Datei hinzu, die wir für die …", sie hielt inne, "… die Kinder haben. Schau, Edward glaubt immer noch an die Lüge, die wir allen erzählt haben.

"Und das ist was?", fragte Arians.

"Dass er, oder jeder von uns, noch die Kontrolle hat." Sie setzte sich ihnen gegenüber hin und zündete sich eine eigene Zigarette an. Aaron spürte, wie sein Herz gegen seine Brust schlug. "Euer Überlaufen hat uns wirklich etwas angetan, Jungs. Verstreut, führerlos, all unsere Besten und Klügsten getötet oder untergetaucht. Wir haben ein Sammelsurium an Doktoren zusammengeworfen und sie "Aufseher" genannt, doch keiner von ihnen schmeißt wirklich den Laden." Sie hielt inne. "Nicht einmal ich."

Aaron runzelte die Stirn. "Wer dann?"

"Wissen wir nicht", fuhr sie fort. "Seit Jahren haben die Aufseher die einzelnen Standorte selbst geleitet, aber es kommen noch Befehle aus Standort-01. Jemand ist da drin. Für eine lange Zeit dachten wir, du wärst es", sie schaute Aaron an und ihr Blick wurde etwas weicher, "aber nach einer Weile wurde uns klar, dass es jemand ganz anderes sein muss."

Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. "Ich weiß, dass du zurückgegangen bist. Ich bin dir gefolgt. Du hast genau das gesehen, was ich gesehen habe, als ich zurückging. – eine menschenförmige Abwesenheit, wo Frederick …", zu hören, wie sie seinen Namen sagte, ließ Aaron zusammenzucken, "… gewesen war. Rauch an den Wänden, sonst nichts." Sie nahm noch einen Zug von der Zigarette. "Also, wenn du dort nicht drin bist, wer gibt dann den Ton an?"

Arians nahm endlich seine Waffe runter. "Warum bist du hier?"

Sie starrte ihn an. "Weil wir neulich etwas gefunden haben, dass nicht möglich sein dürfte. Standort-19, die Anlage, die wir bauten, als wir die Pläne für den Standort in Alaska verworfen haben. Da war eine Tür, die wir vorher nicht gesehen haben. Dahinter war ein ganz neuer Flügel, etwas, das ohne unser Wissen nicht hätte gebaut werden können." Sie schluckte schwer. "In diesem Flügel ist ein Raum mit einer Statur darin. Wir haben sie nicht dort hineingetan. Wir haben keine Aufzeichnungen darüber, wie sie dort hinkam. Wir überprüften die Datei und darin stand nur, dass sie "dorthin bewegt" wurde. Es gab vorher keine Datei. Das Datum in der Datei ändert sich jedes Jahr – und die Statur ist eins der schrecklichsten Dinge, die ich je gesehen habe."

Sie stand auf. "Ich bin hier, weil etwas in Standort-01 passiert, was die Foundation verändert. Täglich werden neue Einrichtungen gebaut, mehr und mehr Doktoren und Forscher werden rekrutiert, von denen wir nichts wissen. Ihr habt gesehen, was in La Paz passiert ist?" Beide nickten. "Diese Befehle kamen von keinem der Aufseher. Sie kamen aus Standort-01. Jemand darin macht Anrufe und die Foundation befolgt Befehle."

Sie hielt inne. "Ich bin nicht einverstanden mit dem, was ihr getan habt und ich denke, dass die Foundation mehr zu bieten hat, als ihr anerkennt, doch was passiert, muss aufhören. Wir müssen wissen, was darin vor sich geht, bevor es zu spät ist."

"Warum gehst du dann nicht einfach?", grunzte Arians sie an.

Sie schaute ihn für eine Sekunde an und dann weg auf den Boden. "Ich möchte nicht allein gehen."

Aaron und Arians tauschten Blicke aus. "Wenn wir darin etwas finden", sagte Aaron langsam, "werden wir es töten. Verstehst du? Die Foundation darf so nicht weitermachen. Sophia – mit dem Schaden, den sie anrichtet, können, können wir nicht mithalten. Wir haben uns die Zahlen nochmal angesehen, die, die wir, äh …", er lachte nervös, "… die wir von Dr. Bright ausgeliehen haben und seine Zahlen stimmen mit unseren überein. Die Foundation destabilisiert unsere Realität, Sophia. Williams hatte recht mit den Fäden, aber sie werden beschädigt. Wir müssen etwas tun, um das aufzuhalten." Er traf ihren Blick, als sie zu ihm aufsah. "Ich weiß, dass wir Wissenschaftler sind, doch das … das ist eine Büchse, die wir nie hätten öffnen dürfen."

Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, aber hielt inne und seufzte. Sie nickte. "Gut. Bringt mich dort rein und ihr könnt tun, was immer ihr tun wollt."

Arians nickte. "Ich funke das Hauptquartier an. Wir brauchen eine Art Ablenkung, um sie von uns fernzuhalten, während wir Standort-01 übernehmen."

Er drückte seine Zigarette an der Wand aus, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sophia sah ihm zu wie er ging und als er fort war, richtete sie ihre Augen wieder auf ihre Hand. Aaron bewegte sich nicht.

"Ich war mir nicht sicher, ob ich dich je wiedersehen würde", sagte er sanft.

Sie lächelte ein unsicheres halbes Lächeln, ihre Augen verrieten sie. "Nun ja. Ich war mir auch nicht sicher." Sie schaute zu ihm auf und Aaron konnte diese große Traurigkeit hinter einer Fassade aus Zufriedenheit sehen. "Es ist schwer, weißt du? Ich habe in dieser Nacht alles verloren: meine Freunde, meinen Mentor, mein Lebenswerk. Und dich." Sie biss auf ihre Lippe, bis sie weiß wurde. "Ich wusste nicht, wohin. Du hast mich verlassen und ich blieb allein zurück, um die Scherben von dem aufzusammeln, was wir hatten, und …"

Ihre Stimme zitterte. "Ich will nicht wissen, warum du Frederick getötet hast. Es ist mir egal. Vielleicht wusstest du etwas, was du keinem gesagt hast, aber ich weiß nicht, warum du es mir nicht gesagt hast."

Aarons Gesicht wurde blass. "Ich wollte es dir sagen. Ich bereitete mich auf das vor, was wir geplant hatten und ich sagte Vince, er solle es alle wissen lassen." Er beugte sich nach vorn. "Er hat es dir nicht gesagt?"

Sie zog eine Grimasse. "Nein, tat er nicht. Du aber auch nicht. Du hattest jede Gelegenheit, mit mir Kontakt aufzunehmen, du kanntest alle Kanäle, hast aber nichts getan. Es sind nun dreißig Jahre, Aaron. Dreißig Jahre und ich höre nichts, nicht mal ein Wort, dass du noch lebst." Eine Träne formte sich in ihrem Augenwinkel und mit der Hinterseite ihres Handschuhs wischte sie sie fort. "Als ich dich und Vince in San Marco sah, dachte ich, ich sehe einen Geist."

"Es tut mir leid", sagte Aaron leise. "Ich dachte, du hättest das Angebot abgelehnt, das …"

"Ich hätte das Angebot abgelehnt", sagte sie und ihre Stimme wurde zu etwas Giftigem. "Ich widmete mein Leben der Foundation und dieses Projekt und du waren nur allzu bereit, sie wegzuwerfen. Alles, wofür wir gearbeitet hatten. All unsere Anstrengungen."

Aaron sackte auf seinen Sitz zusammen. "Williams war …"

"Ich weiß, was er war," spuckte sie aus, "aber man hätte mit ihm fertig werden können. Als du ihn getötet hast und aufgebrochen bist, um im Land herumzuziehen, auf Konvois zu schießen und aus Lagern zu stehlen, hast du unsere ganze die Arbeit bedroht. Erinnerst du dich daran, warum wir es getan haben? Unsere Welt ist krank und wenn wir die Quelle davon nicht finden können, werden wir weiter sehen …"

"Die Welt war wegen Williams krank", sagte Aaron spitz, "er war die Quelle, er war …"

"Aber hier sind wir, dreißig Jahre sind aus Frederick Williams' Leben entfernt und du weißt, was da draußen passiert?" Sie hielt inne, um eine weitere Zigarette anzuzünden. "Jeden Tag mehr unerklärliche Vorfälle. Mehr Artefakte und Monster, die wir aus dem Boden ziehen, jeden Tag. Warum, wenn der Administrator die Quelle der Anomalien war, sehen wir dann noch Anomalien, Aaron?"

Aaron antwortete nicht. Sie seufzte, setzte sich weiter auf dem Bett zurück und zog ihre Beine zur Brust hoch. "Ich hätte dir damals glauben können", sagte sie leise. "Ich hätte zuhören können, aber ich habe in den vergangenen Jahrzehnten nichts gesehen, was mich hätte annehmen lassen, dass ein Mann der Beginn jedes paranormalen Ereignisses zu dieser Zeit war. Es gibt etwas Tiefgründigeres da draußen und es wird nicht durch das Töten eines Mannes aufgehalten. Es wird durch Forschung und Untersuchungen aufgehalten und die einzige Gruppe, die über die Ressourcen verfügt, um dies geschehen zu lassen, ist die Foundation."

Aaron antwortete nicht. Er saß mit gesenkten Augen da, während Sophia ihre Zigarette ausdrückte.

"Ich werde dich nicht davon abhalten, das zu tun, was du für nötig hältst", sagte sie mit leerer Stimme. "Doch bevor du überhaupt etwas tust, musst du darüber nachdenken, was du eigentlich willst."

Sie schaute zurück zur Tür. "Und ob es auch das ist, was er will."


JETZT

— - —

jungle2.png

Sie fuhren während der Nacht, Olivia und Calvin wechselten sich am Steuer ab, während Adam auf dem Rücksitz schlief. Sie sagten kein Wort, bis sie ihr Ziel erreichten – ein kleines Gasthaus in einer winzigen Stadt am Rande des Dschungels, ein paar Meilen von der Hauptstraße entfernt. Sie bogen ab, hielten an einer Tankstelle und Calvin ging ins Gasthaus, um seinen Kontaktmann zu treffen. Es war Morgen, die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, und sie waren erschöpft.

Der Agent, den sie in der brennenden Stadt trafen, hatte ihnen nicht nur eine Karte gegeben, sondern auch einen Schlüssel und eine Notizkarte mit einer Zimmernummer darauf. Calvin ging hinein, stieg die Treppe zum zweiten Stock hinauf und fand die Tür, die zur Nummer auf der Karte passte. Leise, um niemanden zu stören, der nach ihm lauschte, schloss er die Tür auf und kroch hinein.

Ein dünner Lichtstrahl einer Straßenlaterne kam vorsichtig zwischen den dünnen Jalousien hervor, aber ansonsten war der Raum dunkel. Calvin schloss die Tür hinter sich und ging ein paar vorsichtige Schritte in den Raum. Er blieb mitten im Gehen stehen, als er das unverkennbare Klicken einer entsicherten Waffe hörte.

"Heult der Schwarze Mond?", sagte die Stimme hinter der Waffe.

"Er ist der Einzige, der heult", antwortete Calvin.

Neben einem Bett an der Wand wurde eine Schreibtischlampe angeknipst. Im Stuhl saß Kowalski, mit einer Waffe in der Hand und einer dünnen Schweißperle, die sich kürzlich eifrig auf seiner Stirn gebildet hatte. Er seufzte, als er erkannte, dass es Calvin war.

"Gott sei Dank", sagte er und wischte sich die Stirn. "Ich weiß nicht, ob ich jemanden erschießen könnte, wenn ich es müsste. Ziele, sicher, aber eine Person?" Er zog eine Grimasse. "Schön Sie zu sehen, Calvin."

Calvin musste zweimal hinsehen. "Kowalski? Was machen ausgerechnet Sie hier? Gab es niemanden sonst, den Sie hätten schicken können?"

Der stämmige Mann runzelte die Stirn. "Sie wissen, dass ich auch mal ein Agent war? Es mag schon ein paar Jahre her sein, aber ich könnte den Job immer noch erledigen." Er zog leicht und unbehaglich an seinem Hemd, sich bewusst, dass beide wussten, dass es eine Lüge war. "Aber nein, ich bin hier, weil Sie etwas wissen müssen. Unseren Quellen zufolge landen amerikanische Truppen an einem Strand in der Nähe, von dem Sie gerade gekommen sind. Angeblich sind sie hier, um die Rebellion aufzuhalten, aber ihre Anzahl scheint nicht mit ihren Absichten übereinzustimmen.

Etwas klickte in Calvins Hirn. "Die Jets. Wir haben vergangene Nacht Bomber gesehen."

Kowalski nickte. "Sie kamen von der Gerald R. Ford, die eine Meile vor der Küste vor Anker liegt. Etwas anderes, das Sie wissen sollten", fuhr er fort, "ist, dass es noch ein Schiff in dieser Gruppe gibt, das nicht mit den anderen erfassten US-Navy-Schiffen übereinstimmt. Es fährt unter amerikanischer Flagge, aber unsere Quellen glauben, dass es ein Foundation-Zerstörer sein könnte – vielleicht die Scranton oder die Wormwood. So oder so kann das nur eins bedeuten."

Calvin nickte. "Der sechste Aufseher."

Kowalski nickte ebenso. "Sie werden versuchen, Sie auszuräuchern, Calvin. Wir können Sie hier rausschaffen, wenn Sie wollen, aber …", er verzog wieder das Gesicht.

Calvin wusste, warum. Der Amerikaner war vielleicht einer der bekanntesten der Aufseher, aber der wohl am schwersten zu erreichende. Seine Beteiligung am US-Militär hatte zweifelsohne zu einer Explosion seiner Größe und technologischen Errungenschaften geführt und im Gegenzug verhielt sich das Militär wie ein eiserner Vorhang um ihn herum. Außerhalb der USA war er zumindest verwundbar, auch wenn er eine Armee bei sich hatte. Es war ihre einzige Gelegenheit.

"Was Sie bis jetzt getan haben, ist nicht weniger als unglaublich, Calvin", sagte Kowalski und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Ich hätte nie ged… wir hätten nie gedacht, dass jemand so nahe herankommen würde, aber dieser hier ist anders. Hier können Sie nichts Schlaues tun. Das ist ein Hammer und Sie sind der Nagel."

Calvin runzelte die Stirn. "Ich schätze dieses Vertrauensbekenntnis sehr."

"Ich meine es ernst", sagte Kowalski und plötzlich bemerkte Calvin etwas anderes an ihm – eine Eigenschaft, die vorher nicht da gewesen war. Etwas Strenges und Autoritäres. "Sie haben großartige Arbeit geleistet, aber Sie müssen weiter großartige Arbeit leisten. Wir könnten später eine Chance bekommen, nachdem Sie die anderen erledigt haben. Vielleicht hilft das ja. Aber jetzt sind Sie drei Leute in einem Jeep in Südostasien und da ist eine amerikanische Militärdivision ein paar Stunden entfernt." Er seufzte. "Tot nützen Sie uns nichts."

Calvin zögerte für einen Moment und wägte ab, was Kowalski gerade gesagt hat. Bevor er sich entscheiden konnte, fuhr der andere Mann fort.

"Da ist noch was, Calvin. Wir haben Agenten, die nachweisen können, dass ein Sicherheitscontainer von Standort-19 auf dieses Schiff transportiert wird. Was immer da drin ist, sie planen zweifellos, es als Waffe einzusetzen."

"Wenn Sie ich wären, was würden Sie tun?", fragte Calvin.

Kowalski lachte. "Glücklicherweise für uns beide, bin ich nicht Sie, denn dann wäre ich jetzt nicht hier." Er hielt inne. "So sehe ich das. Sie haben keine Chance bei einem Mann-gegen-Mann-Irgendwas. Sie sind 3000 zu 1 unterlegen, gelinde gesagt. Ehrlich, ich weiß auch nicht, ob Sie eine Chance haben, wenn Sie sich heimtückisch verhalten. Diese Armee hat die vergangenen vier Jahrzehnte damit verbracht, Leute aus ihren Löchern im Nahen Osten zu vertreiben; es gibt keine Möglichkeit, dass Sie nicht gefunden werden."

Er hielt wieder inne. "Sie wissen, dass ich O5-6 einmal getroffen habe. Damals, bevor ich zu Delta ging, in einer Regierungsfunktion. Ich weiß nicht, ob er wusste, wer ich war, aber wenn, hat er sich nicht so verhalten. Ich weiß nicht, ob es auf der ganzen Welt eine arrogantere und großkotzigere Person gibt. So wie er redet, war er der Mann, der im Alleingang das mächtigste Militär der Welt aufgebaut hat." Er lachte. "Vielleicht hat er das, ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass Sie hier gewinnen, wenn Sie schlau sind, Calvin. Ich denke, Sie gewinnen, indem Sie ihn dazu zwingen, etwas Dummes zu tun."

Calvin nickte. "Vielleicht. So oder so sehe ich keinen Weg, hier rauszukommen. Wir werden die Gelegenheit nicht mehr bekommen und alles danach wird noch schwerer werden, wenn wir ihn nicht eliminieren."

Kowalski stand auf. "Da stimme ich zu. Ich beneide Sie nicht um Ihre Position, aber ich kenne niemand qualifizierteren als Sie dafür."

Die beiden gingen zur Tür und Calvin öffnete sie langsam. Nachdem er einen Blick von Kowalski kassiert hatte, zuckte er verlegen mit den Achseln. "Ich möchte niemanden aufwecken."

Kowalski lachte. "Oh nein, das werden Sie nicht. Die ganze Stadt ist leer. Sie haben Wind davon bekommen, was kommen wird und gestern Nacht ihre Häuser verlassen."

Als sie aus dem Gasthaus hinausgingen, fing die Sonne an, über den Baumwipfeln aufzugehen und ein dünner Nebel hing in der Luft. Adam war wach, saß auf dem Rücksitz des Jeeps und fuhr mit der Hand über die Metalldose, in der der Speer war. Als Olivia um das Auto kam und sie sah, musste sie zweimal hinsehen.

"Delta?", sagte sie. "Was machen Sie hier?"

"Überbringe schlechte Nachrichten, fürchte ich." Kowalski schaute mürrisch zurück zu Calvin. "Seien Sie vorsichtig, Calvin. Sie sind jetzt so nah dran."

Ohne ein weiteres Wort drehte sich Kowalski um und ging die unbefestigte Straße hinunter. Er ging weiter, bis er außer Sicht war. Olivia drehte sich zu Calvin um. "Was hat er gemeint?"

Calvin verzog das Gesicht. "Der Sechste Aufseher wird manchmal Der Amerikaner genannt. Er ist ein alter Unionsgeneral, einer dieser Geister aus alter Zeit, der sich weigert zu sterben. Er ist auch sehr leicht zu finden – er hat ein Büro im Pentagon."

"Und was sind die schlechten Nachrichten?"

"Die schlechte Nachricht ist, dass er in der Nähe ist, nicht weit von hier."

Olivia zuckte mit den Schultern. "Das klingt nicht schlecht. Wir müssen nicht weit gehen."

Calvin gestikulierte mit Unsicherheit. "Nicht ganz. Kowalski sagt, dass er eine amerikanische Armee mitgebracht hat. Sie sind am Strand der Stadt vor Anker gegangen und ziehen wahrscheinlich ins Landesinnere, um nach uns zu suchen."

Adam hörte nun zu. "Wie viele sind in einer Armee?"

Calvin überlegte. "Ungefähr zehntausend Mann in einer Division. Sie haben auch Wasser- und Luftunterstützung. Die Jets, die wir vergangene Nacht gesehen haben, waren wahrscheinlich US-Flugzeuge." Er hockte sich hin und schaute auf einem Stein neben seinem Schuh. "Ich bin ganz Ohr, wenn ihr irgendwelche Ideen habt."

"Was hat Delta gesagt?", fragte Adam.

Calvin schnaubte. "Dass er ein Arschloch ist. Schockierend, ich weiß, für einen Kerl, der nicht ohne eine Invasionsmacht hinter sich irgendwohin geht." Er seufzte. "So der so müssen wir etwas Abstand zwischen uns und ihnen bekommen. So, wie ich das sehe, können wir, wenn wir weiter nach Norden gehen, einen Platz finden, an dem wir uns für die Nacht aufstellen können, um zu sehen, was sie als nächstes tun."

Sie stimmten zu und zusammen stiegen die drei in den Jeep und folgten der kurvenreichen, unbefestigten Straße auf die Hügel im Norden zu. Für eine Weile konnten Sie immer noch Rauch in der Ferne über den Bäumen aufsteigen sehen, aber als sich Wolken über ihnen sammelten und der Regen fiel, verblasste die Welt hinter ihnen im gleichen Ton des melierten Grau. Die Straße verwandelte sich schnell von etwas Passierbarem in ein schlammiges, unmögliches Moor. Sie fuhren stundenlang, hielten nur einmal an, um an einem verlassenen Geschäft am Straßenrand aus einem fast leeren Tank zu tanken. Der Tag wurde zur Nacht und die Straße zu einem Schotterweg, der hoch in die Berge führte.

Sie erreichten einen kurzen Vorsprung, von welchem aus sie mehrere Meilen über die Bäume sehen konnten und stellten den Jeep in einen kleinen Baumhain. Ausreichend zufrieden, dass er von der Straße darunter nicht sichtbar war, zogen sie sich unter einen felsigen Überhang zurück, um sich vor dem Regen zu schützen. Calvin stellte sich zur ersten Wache auf und die drei tauschten die Nacht über die Schicht.

— - —

clouds.png

Während Olivias Wache brach der Morgen an und die drei brachen ihr mageres Lager ab. Der Regen hatte nachgelassen, aber nur leicht, und der Himmel war immer noch bewölkt und grau. Während Calvin fertig packte, stand Adam am Rande der Klippe und schaute wütend zum Himmel.

"Ärgert dich da oben was?", fragte Olivia, die mit einem zusammengerollten Schlafpolster unter ihrem Arm an ihm vorbeiging.

Adam schüttelte den Kopf. "Ich hasse wolkiges Wetter. Das ist Bullshit." Er starrte noch etwas länger die Wolken an und schlich dann zu seinem Computer hinten im Jeep. Olivia warf Calvin einen Blick zu und Calvin verdrehte die Augen.

In der Ferne hörten sie ein Knacken, dann noch eins. Irgendwo im Dschungel begann es zu rumpeln und von ihrem Platz aus konnten sie Bäume einstürzen und den Rauch von Motoren sehen, als etwas durch die Bäume zu drängen begann. Calvin fluchte, sah dann in den Himmel. Unmittelbar unter den Wolken tauchte ein fliegendes, weißes und metallisches Ding auf, das so schnell wieder in den Wolken verschwand, wie es erschienen war. Eine Drohne.

"Also gut dann, Zeit zu gehen", sagte er und sprang in den Jeep. "Sieht so aus, als hätte uns die Party gefunden."

Sie fuhren von der Anhöhe herunter und zurück auf die nasse und schmutzige Straße in Richtung Norden. Als sie sich entfernten, kam eine riesiges Metallgebilde eine halbe Meile entfernt durch die Bäume und richtete eine lange Kanone auf sie. Calvin riss das Lenkrad nach rechts und fuhr ins Gestrüpp, als eine brennende Granate an ihnen vorbeiflog und Matsch und Trümmer hochwarf, als sie in der Straße explodierte. Calvin richtete das Lenkrad gerade aus, nahm einen anderen Weg nach Westen und sie kamen weiter.

Über das Geräusch des Dschungels und ihres eigenen Motors wurde das Getöse der Kriegsmaschinen lauter und lauter. Über ihren Köpfen konnten sie Helikopter und Jets hören und in nicht weit entfernt das Geräusch weiterer Panzer und schwerer Gerätschaften, die den Wald plattmachten, als sie die Gruppe verfolgten. Schließlich lichteten sich die Bäume und ihr Jeep brach in offenes Grasland ein.

"Verdammt", sagte Calvin und reckte den Hals, um den Himmel hinter sich zu beobachten, "wir sind ungeschützt."

Das Geräusch von Rotorblättern kam schnell und laut und plötzlich waren sechs Helikopter an ihnen dran. Calvin zog mit dem Jeep um einen anderen Hügel und in ein staubiges enges Tal. Einer der Hubschrauber kam über ihnen in Sicht und begann zu feuern. Calvin drückte den Jeep an eine Felswand und Olivia kam mit einem Gewehr mit Zielfernrohr vom Rücksitz hoch. Sie stützte es gegen den Metallrahmen des Fahrzeugs und richtete den Blick durch das Visier.

"Bleib stehen", rief sie Calvin zu, der auf die Bremse trat, bis sie zum Stillstand kamen. Der Hubschrauber drehte sich um, um wieder auf sie zuzukommen, bremste aber hart nach links ab, als Olivia den Piloten mit einer Kugel lobotomisierte. Adam starrte sie perplex an.

"Bist du nicht eine Künstlerin?", fragte er.

Olivia zuckte mit den Schultern und lud nach. "War ich. Das hier mache ich schon länger."

Calvin kroch auf den Rand des Tals zu und durchquerte eine kleine Passage zwischen zwei steilen Klippen. Noch ein Hubschrauber kam in Sicht, als sie eine der Klippen erklommen und Olivia schoss. Die Kugel verfehlte den Piloten, traf aber einen Rotor und ließ das Vehikel heftig außer Sichtweite sinken. Calvin bog noch einmal ab, dann nochmal über einen Kamm und dann kamen sie unter dem Berg hervor. Vor ihnen schlängelte sich eine Straße in das zerklüftete Land hinter den Feldern. Sie schob sich durch das Grasland und dann, nicht weit von ihrem jetzigen Standort entfernt, geradewegs ins Ödland. Calvin nahm seinen Fuß vom Gaspedal und sie hielten an.

"Ach, Scheiße", fluchte Olivia.

Zwischen ihnen und dem Ödland standen Militärfahrzeuge, hunderte davon, von denen alle auf den Jeep auf dem Hügel ausgerichtet waren. Über ihnen kreisten Helikopter und Calvin konnte den Umriss von Drohnen kurz über den Wolken erkennen. Irgendwo in der Masse der Panzer und Angriffsfahrzeuge ertönte eine Hupe und die Tür eines Truppentransporters glitt auf. Ein Mann stieg aus und schloss die Tür hinter sich.

Er war groß, mit breiten Schultern und einem kräftigen Bart unter einem Hut mit breiter Krempe. Er trug eine braune Jacke über einem roten Hemd mit Jeans und an den Füßen hohe, glänzende, geölte Stiefel. Er trat vor die Reihe der Waffen, winkte ihnen zu und bedeutete ihnen, den Hügel hinunterzufahren.

"Ist er das?", fragte Adam, der hinter dem Rücksitz hervorlugte.

Calvin nickte. "Sieht ganz danach aus."

Olivia sah auf den Mann hinunter. "Was machen wir jetzt?"

Calvin trommelte mit seinen Fingern auf dem Lenkrad. "Wir könnten versuchen, ihn zu rammen. Wenn wir es zu ihm schaffen, bevor er wieder zurück ins Fahrzeug steigt, könnte das ausreichen. Aber ich glaube nicht, dass wir so weit kommen werden." Seine Augen musterten die lange Reihe aus Metall, die auf sie gerichtet war. "Wir könnten zurückflüchten, aber ich weiß nicht, wie weit wir kommen."

"Nicht viele gute Möglichkeiten, Boss", sagte Olivia grinsend.

Adam lehnte sich um den Sitz herum. "Ich denke, wenn sie uns töten wollten, hätten sie das ganz einfach schon getan", sagte er. "Vielleicht fahren wir einfach da runter und improvisieren?"

Calvin drehte sich wieder um, um ihn anzusehen. Für einen Moment drohte sein Blick ein Loch in Adams Stirn starren zu können, doch dann lachte er.

"Wir starren hinab ins Gesicht des sicheren Todes und du schlägst vor zu improvisieren." Er schüttelte den Kopf. "Unglaublich. Ich liebe es. Die beste Option, die wir bis jetzt hatten."

Er zog das Lenkrad herum, fuhr den Jeep vom Hügel herunter und stellte ihn ein paar Meter vor dem Mann mit dem Cowboyhut ab. Sie parkten, dann stieg Calvin aus. Bevor er sich abwandte, lehnte er sich zu den beiden anderen zurück.

"Wenn es haarig wird", sagte er, "springt einer von euch hier rein und schießt. Ich sage nicht, dass ihr es schafft, aber man weiß ja nie."

Damit wandte er sich dem Mann mit Cowboyhut zu und blieb kurz vor der Vorderseite des Jeeps stehen.

"Morgen", sagte Calvin.

"Morgen", sagte der Mann lächelnd. "Du musst Calvin sein, der Kerl, über den jeder so viel redet."

Calvin zuckte mit den Achseln. "Könnte sein. Wer fragt?"

Der Mann lachte. "Du bist ein kleiner Klugscheißer, oder? Das mag ich. Der Name ist King, Rufus King. Du weißt zweifellos von meinen Heldentaten als Mitglied einiger geheimer Untergrundorganisationen, aber ich versichere dir, dass meine Loyalität dem Land gegenüber an erster Stelle steht. Also glaub mir, wenn ich sage, egal, ob es der Boss hören möchte oder nicht, ich komme heute als amerikanischer Staatsbürger zu dir, nicht als 'Man in Black' oder so."

Calvin hob eine Augenbraue. "Zugegeben, nicht, was ich erwartet habe."

Der Amerikaner zuckte mit den Schultern. "Schau, Sohn, ein Mann muss auf seine Interessen achten – und es gibt nichts, an dem ich mehr interessiert bin als die Aufrechterhaltung der Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika, Punkt. Ich bin in dieses Spiel eingestiegen, weil ich in der Lage sein wollte, die Bedrohungen durch das Seltsame und Ungewöhnliche besser vorauszusehen und bei Gott, ich habe meinen gerechten Anteil gesehen. Während dieser Zeit war ich in der Lage, Projekte zu beaufsichtigen, die die Sicherheit unserer großen Nation gestärkt haben, nebenbei bemerkt durch neue Technologien oder andere solche Vorteile, die uns das Übernatürliche zu bieten hat."

Er griff in seine Bursttasche und zog ein Päckchen Zigaretten hervor, aus der er eine hinausgleiten ließ und zwischen seinen Zähnen auffing. Er zündete sie mit einem Schnipser seines Feuerzeugs an und nahm einen langen Zug davon.

"Ja", sagte er, "wir haben immens von unserem Pakt zur Kooperation mit der Foundation profitiert. Zur Hölle, ich würde hier heute nicht einmal stehen, wenn es diese Profite nicht gegeben hätte. Wir haben hier was Gutes am Laufen und ich hatte gehofft, dieses Gute könnte noch für ein Weilchen länger laufen."

Sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich. "Doch dann bist du aufgetaucht und hast uns unsere 'Du kommst aus dem Gefängnis frei'-Karte weggeschnappt, indem du den armen alten Felix in diesen Schacht geworfen hast. Ich werde in absehbarer Zeit nicht an Altersschwäche oder einer Krankheit sterben – darum hat sich die Foundation vor langer Zeit gekümmert. Aber jetzt bin ich anfällig für jede Art von Schaden und damit auch die Vereinigten Staaten. Das, befürchte ich, wird nicht reichen."

Er zeigte auf den Jeep. "Allerdings hast du da hinten etwas, worüber wir uns meiner Meinung nach einigen können. Ich bin kein Monster, Calvin – nur ein altmodischer Junge aus South Carolina in gutem Stand mit einigen mächtigen Leuten. Ich brauche kein grundloses Blutvergießen, also mache ich dir ein Angebot. Wird wohl das beste Angebot sein, das du bekommen wirst."

Calvin schielte ihn an. "Ich höre zu."

Der Amerikaner lächelte wieder. "Wie wär's, wenn ich dich und deine zwei Kameraden da hinten zurück in die Wälder flitzen lasse und im Gegenzug gibst du mir diesen Speer, den du in die Hände bekommen hast."

"Den Speer?" Calvin traute seinen Ohren nicht. "Warum willst du den Speer?"

Der Amerikaner schnippte mit der Zigarette und Asche verteilte sich auf dem Boden. "Dieser Speer ist schon seltsam. Ich weiß nicht, wie du ihn in die Finger bekommen hast, denn wir haben ihn fester verschlossen als die Fotze einer Hexe. Du weißt wahrscheinlich noch nicht mal, was er ist, oder?"

"Ich weiß, wie er genannt wird", sagte Calvin.

"Sicher, aber du weißt nicht, was er ist." Der Amerikaner lachte. "Als wir das Ding fanden, war es im staubigen Griff eines uralten Königs – nun, ich erspare dir die Details. Glaub mir einfach, wenn ich sage, dass es einige Arbeit gekostet hat. Dieser Speer da ist der Speer, mit dem sie die Seite von Jesus Christus selbst durchbohrt haben, der Einzige auf der Welt, der das fertigbringen konnte. Wie er in die Hände dieses Römers gelangte, werde ich nie erfahren, aber er hat das Kunststück vollführt und kann anscheinend auch jetzt noch das Kunststück vollführen."

"Schau", fuhr er fort, "dieser Speer ist alt, Calvin. Er hat etwas Magisches an sich, was es heute nicht mehr gibt. Die Dinge, zu denen er fähig ist, übertreffen jede Armee oder Bombe, mit der ich ankommen könnte. Denkst du, dass wenn Jehova oder Cthulhu oder das fliegende Spaghettimonster aus dem Himmel herabsteigen und beschließen, die Vereinigten Staaten aufzumischen, wir eine irgendeine Waffe haben, die ihr Fortschreiten verhindern kann?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, haben wir nicht. Aber dieser Speer könnte es. Dieser Speer kann Götter töten, Calvin. Ich weiß nicht, ob es einen tödlicheren Stock auf der ganzen Welt gibt und vielleicht sogar im ganzen gottverdammten Universum, aber er liegt jetzt gerade auf dem Rücksitz deines Autos."

Er öffnete seine Arme. "Also, hier ist der Deal. Gib mir den Speer, ich mache Amerika wieder sicher und du kannst mit deinem Leben und deinen lustigen Geschäften weitermachen – tötest Aufseher, stürzt Regierungen, was immer du möchtest."

Calvin dachte darüber nach. "Du verstehst, dass du auch ein Teil davon bist, oder? Es ist kein Zufall, dass du der Nächste bist."

Der Amerikaner kicherte. "Bin ich das? Ich vergesse immer, welche Nummer ich habe, ich weiß nur, dass ich irgendwo in der Mitte der Abstimmungsreihenfolge bin." Er nahm noch einen Zug von der Zigarette. "Das habe ich mich auch gefragt, als wir Grüns knusprige Leiche in dieser Stadt fanden. Zwischen dir und mir, Calvin: Sie war mir auch egal. Ihr ist die ganze Macht ganz schön in die alte Birne gestiegen, wenn du weißt, was ich meine. Ich bin mir sicher, viele von uns scheinen irre, aber die alte Schachtel war eine ganz andere Hausnummer."

Er zog seine Hose leicht an seinem Gürtel hoch. "Das heißt, ich werde dich nicht aufhalten, wenn du versuchen willst mich zu töten, aber das passiert erst, wenn wir die Verhandlungen hier abgeschlossen haben und du mir den Speer übergeben hast."

Calvin schüttelte den Kopf. "Kann ich nicht machen."

Der Amerikaner lächelte wieder, doch diesmal war etwas Unheimliches daran. Die Aufrichtigkeit in seinem Gesicht war ausgetrocknet.

"Ja, ich hatte befürchtet, dass du das sagen wirst", sagte er und richtete seinen Gürtel. "Du weißt, ich könnte dich gleich hier töten, gleich jetzt, ohne großen Aufwand. Hätte es letzte Nacht tun können, während ihr drei euch in einer Höhle mitten in den Wäldern zusammengekauert habt. Das wäre einfach gewesen, Calvin, und wirklich, diese Entscheidung hätte auch einfach sein sollen. Aber du hast es uns schwer gemacht und jetzt müssen wir eine Entscheidung treffen."

Er seufzte. "Ich weiß nicht, was du da zu erreichen versuchst und ehrlich gesagt scheiße ich zwei Mal auf den ideologischen Krieg, den du zu führen glaubst. Alles, was für mich zählt, ist diesen Speer zu bekommen und so einfach wie es wäre, ihn einfach zu nehmen, wäre das nicht sehr sportlich. Außerdem", er knackte mit den Fingerknöcheln, "ist es schon etwas her und ich muss mal ein paar Muskeln spielen lassen."

Er zeigte in den Himmel hinter Calvin, der sich umdrehte, um einen Chinook-Helikopter zu sehen, der mit einer massiven Stahlkiste an der Unterseite aus den Wolken herabflog. "In dieser Kiste", sagte der Amerikaner, "ist etwas Gemeines. So gemein, dass wir schon seit Jahren versuchen, es zu töten, aber einfach kein Glück hatten." Er tippte mit einem Finger gegen seinen Kopf. "Ich denke, ich werde das tun: Ich lasse dich gehen. Ich lasse dich wieder zurück in diesen Jeep klettern, gebe dir etwas Wasser und lass dich in die Hügel davonfahren. Dann, nach ein paar Stunden, halte ich diese Kiste in deine Richtung und öffne sie. Wenn dich das, was in der Kiste ist, nicht zuerst kriegt, dann lasse ich die Jungs hier über das rollen, was übrig ist und den Speer auf dem Rückweg einsammeln. Das nennen wir eine Wehrübung."

Er schnippte den Zigarettenstummel auf Calvin zu. "Das werden wir machen. Genau so. Scheint gerechter."

Calvin starrte ihn an. "Was, wenn ich genau jetzt eine Waffe auf dich richte und dich hier töte?"

Der Amerikaner lachte. "Das habe ich mich auch gefragt. Schau, der Unterschied zwischen dem Versuch, mich zu töten und dem Versuch, dich zu töten, besteht darin, dass ich definitiv dich töten werde. Du richtest hier eine Waffe auf mich und die 7. Infanterie verwandelt dich und deine Freunde in Staub. Oder, alternativ, marschierst du hier raus in die Felsen und den Dreck und stirbst da draußen, nur ein bisschen später. So oder so, deine kleine Reise neigt sich dem Ende zu. Jetzt musst du nur noch entscheiden, wie es enden soll."

Calvin blieb einen Augenblick länger dort stehen und wandte sich wieder dem Jeep zu. Er stieg auf den Rücksitz, zündete den Motor und begann langsam auf die Reihe der Panzer und Kanonen zuzufahren. Währenddessen bogen alle Fahrzeuge aus dem Weg, um die Straße ins Ödland freizumachen und ließen sie vorbeifahren.

Als sie neben Dem Amerikaner anhielten, legte der Mann eine Hand an Calvins Tür. Er lehnte sich hinein, lächelte Olivia und Adam an und warf eine halbvolle Feldflasche auf den Rücksitz.

"Gute Reise euch allen." Er schlug gegen die Tür. "Wir werden uns hier bald wiedersehen."

Calvin gab Gas und der Jeep raste die lange Straße in die Berge hinunter.

— - —

badlands.png

Nachdem die lange Reihe der Division des Amerikaners in der Ferne verschwunden war, atmeten die drei auf. Calvin wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

"Gut gemacht, Kleiner", sagte er zu Adam. "Zu Improvisieren war eine gute Wahl."

Adam war jedoch nicht glücklich. "Ja, denke ich." Er hielt inne. "Warum haben wir ihm nicht einfach den Speer gegeben, Cal?"

Calvin schaute durch den Rückspiegel zurück zu ihm. "Es ist wichtig, dass wir daran festhalten. Aufgeben ist keine Option."

Adam runzelte die Stirn, doch seine nächste Frage kam nicht aus seinem Mund, sondern aus Olivias. "Wo hast du ihn gefunden?", fragte sie.

Calvin war für einen Augenblick still. "Als ich jünger war, flohen meine Mutter und ich vor meinem Vater – er war ein Trinker und schlug uns, wenn er betrunken war. Als wir abhauten, gingen wir zur ländlichen Gegend, in der meine Tante lebte. Wir spazierten durch die Felder und Wälder, nur sie und ich, und das war die glücklichste Zeit meines ganzen Lebens.

"Dann, eines Tages", fuhr er fort, "gingen wir an einem See entlang und sie sagte, dass sie jemanden darin erkannte. Als ich hinsah, sah ich Leichen, vielleicht hunderte und sie ging auf den See zu, dann hinein und verschwand. Ich ging ihr nach und ich konnte die Leichen zu mir sprechen hören und ich sah meine Mutter, sie lächelte mich einfach an, sank in die Tiefe und ich sah sie nie wieder. Ich habe mich stundenlang durch diese Leichen gekämpft und niemand wollte mir glauben, als ich erzählte, dass sie in den See gezogen wurde."

Er seufzte. "Ich war vor Kurzem wieder dort. Ich bin nicht mehr dorthin zurückgekehrt, seit mich meine Mutter ins Internat geschickt hatte, aber ich ging zurück. Die Leichen waren weg und der Pfad, der dort hinführte, war überwuchert, aber der See ist immer noch da. Während ich dort war – ich glaube, um mich zu orientieren – sprach mich jemand an. Ich weiß nicht …", er zögerte, "… ich konnte mich kaum daran erinnern, wie die Person aussah, sogar kurz nachdem sie verschwand. Ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll, außer, sie klang … müde? Leer? Wie die Stimme einer Person, die über einen Geist gelegt wird."

"Was wollte sie?", fragte Adam.

"Sie sagte mir zwei Dinge. Sie nannte meinen Namen und dann sagte sie mir, dass ich ein Agent der Insurgency bin. Ich nahm an, sie sei von der Foundation oder der GOC oder so, also schoss ich auf sie." Er lachte. "Erscheint jetzt dämlich, aber ich hatte keine Ahnung, wer sie war – habe ich immer noch nicht, tauchte so gruselig auf und, nun. Auf jeden Fall gingen die Kugeln einfach durch sie hindurch, als ob sie gar nicht da wäre. Sie sagte mir, ich solle mich entspannen und dass sie mir nichts tun wollte, aber dass sie etwas hat, was sie mir geben muss."

"Ich folgte ihr durch die Wälder, bis wir eine Stelle unter einer Klippe erreichten. Da waren diese Brombeerbüsche zwischen uns und der Klippe, aber als wir darauf zugingen, schienen sie irgendwie wegzuschmelzen. Als sie weg waren sah ich sie – eine Metalltür im Felsen, mit den Foundation-Pfeilen darauf. Diese Person, wer immer sie war, öffnete die Tür und führte mich hinein. Da waren ein paar alte Aktenschränke voller Papier und einer Tonne Staub; ich wette, dass dort seit Jahrhunderten niemand mehr war. Diese Person zeigte auf eine Tür am Ende dieses kleinen, engen Raums und sagte mir, dass hinter dieser Tür ein Werkzeug ist, mit dem ich die Foundation zerstören kann. Sie erzählte mir, dass, wenn ich dort hineingehe und es nehme, ich eine schreckliche Entscheidung treffen müsste – und dass, wenn ich dies könnte, ich es haben dürfte."

Olivia runzelte die Stirn. "Was war die Entscheidung?"

Calvin atmete tief ein. "Als ich durch die Tür ging, war ich plötzlich draußen am See, nur, dass ich wieder ein Kind war und ich mit meiner Mutter ging. Sie … ich glaube nicht, dass es ein Traum war. Ich griff nach ihrer Hand und sie war real. Dann …", er hielt inne, "… dann gingen wir wieder an dem See vorbei und ich sah, wie sie auf das Wasser zuging und dass dort so viele Leichen waren. Ich rannte ihr nach und es war diesmal anders, denn ich wusste was sie tat, bevor sie es tat und ich war nur eine Armlänge entfernt. Ich hätte nach ihr greifen oder sie stoßen und sie vom Hineingehen abhalten können. Als ich jünger war, war ich erstarrt bis es zu spät war, doch dieses Mal könnte ich etwas tun. Ich könnte sie retten."

Er tippte mit dem Finger gegen das Lenkrad. "Doch als ich hinter ihr war, hielt mich etwas auf. Als ich auf die Bäume sah, sah ich diese Person, die mich zur Tür geführt hatte; sie stand da am Rand des Waldes. Sie … sie stand einfach da und ich erkannte dann, denke ich, dass sie immer schon dort stand. Sie beobachtete mich und in ihrer Hand hatte sie diesen Metallzylinder." Er nickte Adam zu, der ihm den Zylinder gab. "Plötzlich wusste ich, dass wenn ich nicht zu ihr hinginge, ich nie wieder die Gelegenheit dazu hätte."

Er schlucke schwer. "Also drehte ich mich um und ging zu der Person in den Bäumen und nahm die Dose von ihr. Als ich mich wieder zum See wandte, war sie schon fort." Er wischte mit der Handfläche an etwas in seinem Auge. "Als ich zu mir kam, stand ich wieder am See als Erwachsener, doch ich hatte die Dose. Ich hatte schon immer die Dose, schon seit dem Tag, an dem ich ein Kind am See war."

Für mehrere lange Sekunden saßen alle schweigend da, bevor Calvin fortfuhr. "Diese Person, wer immer sie war, stellte sich am See neben mich und erzählte mir, dass ich ein Agent der Insurgency war. Sie fragte mich, ob ich mich daran erinnere und ich sagte, dass ich es tat. Sie gab mir etwas anderes – die beiden Phiolen mit Wasser. Als ich sie fragte, wer wie ist, sagte sie es mir nicht, doch die Art, wie sie mich ansah, war … fortwährend traurig. Ich nahm die Phiolen und dann sagte sie mir, dass es ihr leidtut. Ich blinzelte und sie war fort."

"Jesus", sagte Adam, der zurück in den Rücksitz sank. "Es tut mir leid. Ich dachte nur, dass es ein echt guter Speer ist."

Calvin schnaubte. "Es ist ein echt guter Speer. Du hast gesehen, was er diesen Typen auf der Treppe in dieser Stadt angetan hat". Er schüttelte den Kopf. "Kein Wunder, dass ihn Uncle Sam da in die Finger kriegen will." Er rieb sein Kinn. "Als ich erkannte, wozu er fähig ist, gab ich ihn der Library, die ihn sicher aufbewahren sollte. Der beste Ort für etwas von dem du willst, dass es nie wiedergefunden wird."

Olivia dachte nach. "Warte mal", sagte sie, "wenn diese dir Person den Speer gab, als du ein Kind warst und die Phiolen etwas später, woher hast du dann das Tagebuch?"

"Oh nein, ich habe nicht gelogen, als ich sagte, ich hätte es gestohlen", sagte Calvin nüchtern. "Ich bekam einen Hinweis von einem unserer freundlicheren Coalition-Kontakte, dass Skitter Marshall es bei sich behielt, während er versucht hat, es zu entschlüsseln. Ich wusste auch, dass er zwei Tage vor der Von-Marr-Gala vergangenen Frühling in Berlin sein würde, also war ich zufällig auf dem Bürgersteig, als er aus seinem Auto kam und ich rempelte ihn an."

"Rempelte ihn an?", rief Olivia aus. "Du meinst … wie, du hast ihn geschlagen? Jesus, Cal, ist Skitter Marshall nicht um die 90 Jahre alt?"

"Oh ja, hab den Kerl voll flachgelegt", sagte Calvin grinsend. "Hab aber kein schlechtes Gewissen. Ich denke, er hat wahrscheinlich auch irgendwann in seiner Vergangenheit ein paarmal am Jungbrunnen genippt, also ist er noch gut in Form. Sobald er unten war, habe ich es aus seiner Tasche geholt."

"Hat er keine Leibwächter oder sowas?", fragte Olivia.

"Whoa, warte mal", sagte Adam, dessen Augen größer wurden. "Es war das, was ich für dich tun sollte?"

Calvin brach in Gelächter aus. "Oh ja, es war perfekt. Adam sollte für mich ihr GPS durcheinanderbringen – sie waren eine Straße zu weit und wussten nicht, was los war. Die einzige Person, die Marshall in seiner Nähe hatte, war sein Fahrer und den hab ich auch geschlagen."

Adam rollte mit den Augen. "Ich sollte für dich Google Maps hacken, damit du einen alten Mann schlagen kannst?"

"Absolut", sagte Calvin und nickte heftig. "Dich hab ich auch einfach manipuliert."

— - —

mountains2.png

Ein paar Stunden später hatten sich die Wolken über ihnen aufgelöst. Adam lehnte sich aus dem Jeep, schaute in den Himmel und lächelte.

"Endlich", sagte er erleichtert. "Klarer Himmel."

Calvin drehte sich zu ihm um. "Genießt du das Wetter?"

Adam zog leise seinen Laptop hervor und klatschte eine Antenne an die Seite des Jeeps. "Ich hatte eben eine Idee, aber ich wollte zuerst noch was überprüfen." Er starrte auf den Bildschirm, während Informationen darüber hinwegtanzten und sein Gesicht erhellte sich. "Hey, Delta sagte, dass Der Amerikaner ein großspuriger Hurensohn ist, nicht wahr?"

Calvin schielte ihn an. "Achte auf deine Ausdrucksweise, junger Mann. Aber ja, das ist definitiv der Punkt, auf den er gekommen ist, glaube ich. Warum?"

Adams Hand tanzte über das Keyboard. "Glaubst du, er würde die chinesische Souveränität verletzen?"

Nun war Calvin an der Reihe überrascht auszusehen. "Könnte er. Was schwebt dir da vor?"

"Richtig, richtig, richtig. Und du sagtest, dass Delta sagte, das Beste wäre zu versuchen, ihn dazu zu bringen, etwas Dummes zu tun, richtig?"

Calvin verdrehte die Augen. "Komm auf den Punkt."

"Ok", sagte Adam und nickte langsam. "Ok, ok. Ja. Ok. Also, ich habe da eine traurige Geschichte aus meiner Jungend, die nützlich werden könnte."

Calvin und Olivia schnaubten gleichzeitig. "Na los", sagte Calvin. "Zeig uns den Weg."

"Wir sind sehr nahe an der Stadt, in der ich aufgewachsen bin", sagte Adam. "Meine Eltern wanderten hier ein, als ich ein Baby war und wir endeten in einem dieser kleinen Bergdörfer."

"Warum müssen wir dorthin?", fragte Olivia.

"Vertraut mir einfach", sagte Adam. "Ich behaupte nicht, dass es ein perfekter Plan ist, aber wenn ihr denkt, dass Der Amerikaner großspurig und dumm genug ist und mit seiner Armee auf einen Berg marschiert, ist es ein Plan."

Er zeigte in Richtung einer Straße, die nach Osten führte. Die Sonne sank hinter ihnen und bald schnitt das Geräusch von entfernten Helikopterrotoren durch die Berge. Kurz darauf wurde es von Geräuschen von Schritten und Diesel begleitet und dann von etwas anderem. Es war ein tiefes, ächzendes Geräusch, etwas wie ein Tier, das Schmerzen hat. Diese Geräusche verfolgten sie weiter, kamen aber nicht an, bevor sie von der Straße abgekommen waren und in ein kleines, ruhiges, scheinbar verlassenes Dorf kamen. Calvin parkte, die drei stiegen aus dem Jeep und gingen vorsichtig auf die Stadtmitte zu.

"Pivet?", rief Adam. "Hallo? Ist jemand hier?"

Der erste Schimmer der untergehenden Sonne auf einem Hubschrauberblatt schoss um den Berg und sie duckten sich in ein Haus. Es war leer.

Olivia sah sich im Zimmer um, während sich Calvin am Fenster postierte. "Was ist hier passiert? Alles ist noch an seinem Platz – es sieht so aus, als ob diejenigen, die hier gewohnt haben, nichts von ihrem Zeug mitgenommen haben, als sie gingen."

Adam verzog leicht das Gesicht. "Das taten wir nicht."

Plötzlich hörten sie ein lautes Klappern vom Marktplatz her. Etwas bewegte sich am Fenster vorbei, weshalb Calvin und Olivia ihre Waffen zogen. Adam hielt eine Hand hoch.

"Ich zwei müsst mal runterkommen", sagte er, "wenigstens für eine Minute. Schießt noch auf nichts."

Sie schlichen sich aus dem hinteren Teil des Hauses und folgten dem Kamm hinter den Häusern zum anderen Ende der Straße, genau gegenüber, wo sie das Geräusch gehört hatten. Sie rannten über die Straße zum Haus. Die schmale Haustür stand offen. Adam beugte sich hinein und zog eine Taschenlampe aus seiner Tasche. Er hielt sie hinein und schaltete sie an.

In der hinteren Ecke des Raumes stand eine Gestalt – ein kleinerer runder Mann, der einen dicken, schmutzigen Schal und sonst keine andere Kleidung trug. Seine Haut war blass und an einigen Stellen ungewöhnlich rot. Er schwankte langsam und Calvin bemerkte etwas Seltsames an der Art, wie sein Körper geformt war, konnte es aber nicht zuordnen.

Adam ging einen Schritt hinein und streckte eine Hand vor sich aus. "Pater Bramimond?", fragte er auf Russisch. "Sind Sie das?"

Der Mann drehte sich leicht um und schaute auf Adam. Die rechte Seite seines Gesichts wölbte sich deutlich, als würde etwas von unten gegen die Haut drücken. Als er Adam sah, lächelte der Mann.

"Ah, Vögelchen", antwortete der Mann. Seine Aussprache war zäh und wurde von einem Spritzer Speichel begleitet. "Willkommen zuhause."

"Pater", sagte Adam, "wo sind alle? Sind sie alle gegangen?"

Der Mann wankte leicht auf Adam zu. "Nein, nein, Vögelchen, sie sind hier. Sie sind überall um uns herum. Die Krankheit kam zu ihnen, wie auch zu mir." Er fuhr mit einer dicken Hand über seinen prallen, entblößten Bauch. "Es wird zu uns allen kommen, rechtzeitig. Mein Aufstieg ist fast da."

Von außerhalb des Hauses hörten sie dasselbe animalische Brüllen wie zuvor, ein unheimliches Geräusch, das ihnen die Haare zu Berge stehen ließ. Adam wandte sich vom Geräusch ab und drehte sich wieder zum alten Mann, der nun ein fleischiges Bein über den Boden zu sich zog. Er sagte etwas auf Russisch zu Bramimond, der eine undeutliche Antwort hervorbrachte. Adam wandte sich wieder zu den anderen.

"Etwas, das ihr beide wissen müsst", sagte er und zog seine Waffe aus dem Holster. "Als ich jünger war, wurden die Leute hier krank. Niemand konnte es erklären und kein Heilmittel schien zu helfen. Als sie immer kränker wurden, haben sie … sich verändert."

"Wie der Typ da?", sagte Calvin.

Adam zuckte zusammen. "Pater Bramimond war einer der Letzten. Die Leute, die krank wurden, wurden in die Berge in der Gegend geschickt, damit sie niemand anderen anstecken, aber die anderen wurden sowieso krank. Die Foundation tauchte irgendwann auf und ließ die, die noch übrig waren, die Berge säubern, aber …", er verstummte und seine Augen wurden größer. Calvin und Olivia drehten sich um, um hinter sich zu sehen.

Eine Reihe von Panzern kam den Weg zum Berg hinauf, die langsam über Felsen und Kies krochen. Männer in Personalfahrzeugen und zu Fuß folgen ihnen; eine lange, gewundene Kolonne, die sich so weit sie sehen konnten nach unten erstreckte und an der Spitze stand der Amerikaner in seinem Humvee1, der lächelte und eine lange schwarze Peitsche hielt. Er hob sie über seinen Kopf und zog sie mit einem ohrenbetäubenden Knall über den Körper der Kreatur vor ihm.

Es war ein riesiges, reptilienartiges Tier mit zu vielen Zähnen und fleckig grüner Haut. Es hatte lange, dicke, ölige Haarsträhnen, die bei jedem schwerfälligen Schritt über den Boden gezogen wurden. Sein Mund war so lang wie das eines Krokodils, doch seine Zähne sahen wie die einer Schlange aus. Jedes Mal, wenn Der Amerikaner die Peitsche auf den Rücken der Kreatur hinunterschwang, stöhnte sie in einer schrecklichen, üblen Qual. Als sie näher auf die Stadt zurückten, zog der Aufseher ein Megafon aus seinem Fahrzeug und schaltete es ein.

"Du bist ein verschlagener Scheißkerl, Calvin!", rief er und seine verstärkte Stimme hallte von den Bergen wider, die sie umgaben. "Ich dachte, du wärst schlau und würdest auf der Straße bleiben und fahren, bis dir das Benzin ausgeht, aber hier bist du, gefangen in den Bergen. Du kannst jetzt nirgendwo mehr hin, Junge."

Er knallte wieder mit der Peitsche und das Monster heulte. "Das hier ist mein Problem, Leute. Ich kann mit diesem großen Kerl anscheinend nichts anfangen. Nun, ich sage nicht, dass du es kannst, aber so wie ich das sehe, gehe ich mit zwei Problemen in diese kleine Versammlung und gehe mit einem. Ich überlasse es dir zu entscheiden, welches das sein wird."

Er sprang vom Humvee herunter und schlug der Kreatur auf die Seite, was sie dazu brachte, bedrohlich zu knurren. Er deutete mit der Peitsche auf die Gruppe und sagte etwas zu der Bestie. Dann, mit fast perverser Boshaftigkeit, schlug er mit der Peitsche mehrmals in schneller Folge auf die Kreatur. Sie heulte vor Wut und rannte über die kleine Schotterstraße auf Adam, Calvin und Olivia zu. Sie drehten sich um, um wegzurennen, doch etwas, das auf die Straße watschelte, fiel ihnen auf und ließ sie zögern.

Pater Bramimond stand zwischen der angreifenden reptilienartigen Monstrosität und ihnen und bewegte sich nicht. Die Kreatur lief weiter, zögerte dann und hielt an, bevor sie den alten Mann erreichte. Sie lehnte sich herunter, um ihn anzusehen und ihre Augen zogen sich zusammen. Tief aus ihren Eingeweiden hörten sie Worte – eine Stimme, tief und knorrig wie die Wurzeln eines alten Baums. Sie war nicht wirklich von dieser Welt, befand sich aber leider darin.

"Was … was ist das?" Die Kreatur ging noch einen Schritt vorwärts. "Dieser … Dreck."

Pater Bramimond stolperte leicht und rappelte sich dann auf. Von dort, wo sie standen, konnten sie etwas sehen, das sich unter seiner Haut bewegte. An einigen Stellen hatte es angefangen zu sickern und nun floss Blut aus seinen Ohren. Er breitete die Arme aus und lächelte.

"Ich bin aufgestiegen", sagte er, seine Stimme rührselig vor orgastischer Benommenheit.

"Hey", rief Der Amerikaner von seinem Humvee. "Warum zur Hölle geht es nicht weiter, du dreckiges Arsch…"

Bevor er seinen Satz beenden konnte, spaltete sich Pater Bramimonds Haut von seinem Scheitel bis hinunter zur Leiste. Seine Augen wölbten sich und platzten. Sein lächelndes Gesicht zog sich auseinander und fiel an jeder Seite hinunter und sein Oberkörper dehnte sich rapide aus. Die Reptilienkreatur zucke zurück, die Augen vor Verwirrung aufgerissen. Das Ding, das Pater Bramimond gewesen war, brach auf dem Boden zusammen und wand sich dort wie ein Insekt, das sich aus seinem Kokon befreit. Nach einem Moment hörte es auf sich zu bewegen und die Stadt war still.

Dann ertönte ein anderes Geräusch, schrecklicher als das Stöhnen der Reptilienkreatur. Es kam von dem Haufen Fleisch auf dem Boden und hallte in die Berge. Es war zur Hälfte ein sterbendes Tier und zur Hälfte ein hochgewürgter menschlicher Angstschrei. Das Geräusch, das aus dem Haufen kam, wurde plötzlich von vielen anderen ähnlichen Geräuschen begleitet, die von den Felsen und Höhen um sie herum kamen.
Der Haufen Fleisch wand sich wieder und aus ihm erhob sich eine Abscheulichkeit. Sie war glitschig von Blut und Flüssigkeit, alles pink und rot und gelb. Ihr Gesicht, wenn man es so nennen konnte, war lang und wies keine auffallenden Gesichtszüge auf. Es hatte viele Fortsätze und weitere, die sich aus seinem Rücken entfalteten und an seinen Seiten hingen. Pater Bramimonds lose Haut lag abgestoßen auf dem Boden, doch sein gehässiges Fleisch schrie den Schrei seiner Geburt.

Der Boden unter ihnen fing an zu beben. Es war das deutliche Knacken eines Steins zu hören, als sich eine nahe gelegene Klippenwand zu biegen schien und dann zusammenbrach. Der fallende Stein warf eine Staubwolke auf, doch als sich der Staub legte, war nichts dahinter als Dunkelheit. Aus dieser Finsternis kamen weitere Schreie und mehr von darüber. Noch eine Hautkreatur erschien auf einem Felsvorsprung in der Nähe, dann eine andere. Dann Hunderte. Dann Tausende, von denen jede schrie, sich krümmte und einen höllischen Tanz im Licht der untergehenden Sonne tanzte.

Dann ertönte ein Schuss, eine der Fleischkreaturen stolperte und fiel den Berghang hinunter. Die gesamte Versammlung blieb stehen und sah ihr zu, wie sie gegen den Stein prallte und zwischen zwei kleinen Hütten an der Klippe liegenblieb. Sie lag unbeweglich da, bevor sie sich wieder krümmte und aufstand. Sie heulte ein garstiges Heulen und näherte sich dann den Soldaten, schneller als es anscheinend möglich war. Mehr Schüsse fielen und dann erreichte das Heulen seinen Höhepunkt und die Masse aus Fleisch und Eingeweiden stürzte sich den Hang hinunter auf die 7. Infanterie zu.

Am Kopf der Reihe war die Eidechse, sie sich nun mit Bosheit in den Augen zu der sich windeten Gestalt umdrehte, die einmal Pater Bramimond war. Sie stach mit ihren langen Zähnen zu, doch die Kreatur bewegte sich zu schnell und glitt um die Eidechse herum. Ihr langer, fleischiger Fortsatz klebte an der Seite des riesigen Reptils, das brüllte und nach seinem Rücken griff, als die Fleischbestie begann, sie zu umhüllen. Der Boden unter ihnen bebte wieder und plötzlich fiel der Boden zusammen. Unter den Rissen konnten sie Haare und Fleisch und Augen sehen, die himmelwärts starrten und voller Blut und Hass waren. Dicke Fleischtentakeln stiegen aus dem Boden empor, als der scharfe Geruch von Schießpulver und Rauch die Luft erfüllte; dies alles, während mehr und mehr der Fleischwanderer den Hügel herunter und aus den Höhlen ausschwärmten.

Calvin hatte Adam und Olivia gepackt und die drei sprinteten auf einen anderen Humvee zu, der von seinen vorherigen Insassen verlassen wurde, die nun schreiend von einer Masse aus Händen und Zähnen in den Boden gezogen wurden. Als sie sich näherten, rannte eins dieser Fleischdinger auf sie zu. Calvin trat heftig auf die Kreatur ein, doch sein Fuß blieb in der fauligen Fleischmasse stecken und begann in die Haut dieses Dings zu sinken. In seinem Gesicht öffnete sich so etwas wie ein Sauger und senkte sich auf Calvin herab, bevor er mit einem Kugelhagel aus Olivias Gewehr vom Rest des Körpers entfernt wurde. Sie und Adam packten Calvin an den Armen und zogen ihn in den Humvee.

Hinter ihnen zogen sich die Soldaten vollständig zurück. Die Berge waren aufgebrochen und jetzt krochen gewaltige, schreckliche Albträume aus Fleisch auf die Infanteriekolonne zu und zermalmten Fahrzeuge und Menschen gleichermaßen. Ein Hubschrauber wurde zerstört, als ein Lastwagen in den Himmel katapultierte wurde, nun auf die Erde herabstürzte und den Weg den Berg hinunter in Flammen aufgehen ließ. Die Hautkreaturen warfen Blasen und schrien die Flammen an, aber es hielt nicht die Flut von ihnen auf, die aus dem Boden kam.

Calvin brachte den Humvee in Bewegung und Sie mieden schnell einen brennenden Personalwagen, der gegen ein nahegelegenes Gebäude prallte. Sie fuhren an einer Kirche und einer weiteren Häuserreihe vorbei und kamen auf der anderen Seite des Marktplatzes heraus. In der Ferne konnten sie die Feuer und das Fleisch und die in Panik geratenen Soldaten sehen, zusammengepackt in einem grauenerregenden Gedränge aus Menschen und Fleisch. In ihrer Nähe jedoch, mitten auf dem Marktplatz, war eine komplett andere Szene.

Die Fleischbestie, die einmal Pater Bramimond war, hatte gewaltig an Größe zugenommen und rang jetzt mit der Eidechse und beide rissen aneinander. Auf dem Rücken der Eidechse, um die eine Hand eine dicke Kette gewickelt, die mit einem in den Rücken der Eidechse getriebenen Stachel verbunden war, und die andere um die schwarze Peitsche gelegt, stand der Amerikaner. Sein Hut war ihm vom Kopf geschlagen worden und sein Hemd war zerrissen und blutgetränkt, doch die Grausamkeit in seinen Augen war wie die eines Jagdhundes, verdorben von Blutdurst und Wut. Er knallte die Peitsche gegen den Rücken des Reptils und trieb wie weiter, während er wie ein Verrückter kicherte.

"Fick dich, du hässlicher Fleischkobold!", rief er und riss die Kette nach links und rechts. Er zog die Peitsche hinter seinen Kopf zurück und schlug sie vorwärts auf die Fleischkreatur, die einst Pater Bramimond war und von dem Schlag zusammenfuhr. Das Reptil versenkte seine Zähne im fleischigen Äußeren der Kreatur als alle heulten und schrien. Unter dem Reptil sammelten sich kleinere Schrecken aus Fleisch wie ein Meer aus Eingeweiden, die rhythmisch in hypnotischer Raserei schwankten.

Als die Eidechse die Fleischbestie zu Boden rang, konnten sie Den Amerikaner wieder sehen, der auf dem Rücken der Eidechse stand und sie anstarrte. Seine Augen waren rot vor Geilheit und Hass.

"Ihr!", brüllte er und zeigte mit der Peitsche auf die Gruppe. "Ihr kleinen Huren geht nirgendwo hin, bis ich fertig bin, verdammt …"

Er wurde unterbrochen, als Olivia ihre Waffe schulterte und auf ihn schoss. Der Aufseher hob wütend seine Peitsche, fing die Kugel in der Luft auf und zerschmetterte sie mit einem lauten Knall. Sie feuerte erneut und er fing sie wieder auf. Sie feuerte ein drittes Mal außerhalb des Rhythmus und die Spitze der Peitsche verfehlte die Kugel. Der Amerikaner stolperte, fing sich selbst mit der Kette ab und hielt die Hand, in der er die Peitsche hielt, an der Brust. Als er sie wegzog, war sie bedeckt mit Blut.

Der Amerikaner schaute sie an. Sein Gesicht war voll Schock und Unglauben, er ließ die Peitsche fallen und begann träge die Stelle an seinem Herzen zu reiben, aus der sich jetzt Blut ergoss. Calvin dachte, dass er sehen konnte, dass der Aufseher etwas sagen wollte, doch bevor irgendwelche Worte seine Lippen verließen, ließ er die Peitsche los und stürzte vom Rücken des Reptils in die Menge der heulenden Fleischkreaturen. Sie stürzten sich auf ihn wie Ghule, zerrten und rissen Stücke von seinem Körper ab und nahmen sie in ihre eigenen auf. Dann stürzte sich die Menge auf das Reptil, das schließlich dem Gewicht der riesigen Fleischkreatur und all der vielen tausend kleinen Kreaturen unterlag und Stück für Stück in die Erde gezogen wurde.

Sie saßen auf dem Kamm über dem kleinen Dorf, bis der letzte Fetzen Fleisch von den Knochen der Eidechse gezogen worden war und sich die Flut aus Fleisch wieder in die Berge zurückzog. Als das letzte der Fleischmonster verschwunden war, zerfiel das Skelett des Reptils zu Staub, aus dem kleinste Eidechsen krochen. Sie schlüpften aus dem Haufen, schüttelten sich, warfen Olivia, Calvin und Adam einen dreckigen Blick zu und huschten in die Hügel.

"Was für ein Anblick", sagte Adam und brach die Stille.

"Ja", sagte Adam zu niemandem im Besonderen. Er starrte immer noch auf die Stelle, wo der Körper des Amerikaners gefallen war. Alles, was übrig war, war ein roter Schmierfleck und ein zerdrückter Cowboyhut aus Leder.

"Adam", sagte Olivia zögerlich, "waren diese Dinger …?"

"Das waren sie", sagte er. "Freunde, Familie. Leute, die ich kannte. Sobald alle krank wurden, konnte es nicht mehr aufgehalten werden. Es ist keine Krankheit, nicht wirklich. Die Luft wurde manchmal trüb, als wäre sie voller Pollen. Sporen vielleicht. Man atmet sie ein, wird krank und geht dann in die Berge. Meine Schwestern gingen diesen Weg, dann mein Vater. Die Foundation tauchte auf, steckte uns in orangefarbene Overalls, drückte uns Flammenwerfer in die Hand und schickte uns los, um den Befall niederzubrennen."

Er seufzte. "Unser Leben war schon schwer genug. Als wir Russland verließen, wurden wir verfolgt und jeder, den wir nicht kannten, konnte ein verdeckter Attentäter sein. Diesen Ort und etwas zum Verstecken zu finden war ein Gottesgeschenk und dann ist dies passiert." Er hielt inne. "Ich denke, wenn mir jemand sagt, dass es einen Weg gibt, um zu verhindern, dass sowas passiert, dann … ja. Ich wäre dabei."

Calvin nickte. "Das hätte Anthony gewollt."

Sie stimmten zu. Calvin drehte das Lenkrad des Humvee und zusammen fuhren sie in die Berge und weg von der Zerstörung der 7. Infanterie.

— - —

Als sie um die Ecke einer engen Straße durch die Berge bogen, konnten sie eine Stadt im Tal unter sich sehen. Durch diese Stadt ging eine Straße, eine von der sie wussten, dass sie sie weiter in das Innere Chinas und zur Zivilisation führen würde. Calvin überblickte die Straße und schaute vorsichtig nach Schatten, die nicht in diese sternenerhellte Nacht passten. Olivia reinigte ihr Gewehr mit dem Ende eines Pinsels. Adam schaute nachdenklich aus dem Fenster.

"Also sieben sind tot, richtig?", sagte der junge Mann. "Der tote Typ im Turm, der Mathetyp, die multiple Persönlichkeit, die Liv entführt hat, diese verrückte Schlangenfrau, die, die sich selbst getötet hat, der Andere, der sich irgendwie selbst getötet hat, dann Grün und Mr. USA neulich." Er zählte sie an seinen Fingern ab. "Wartet mal, das sind acht."

Calvin schnaufte. "Bist du hier nicht das Mathegenie?"

Adam starrte ihn an. "Traumatische Momente aus meiner Jugend nochmal zu erleben hat mich heute aus der Bahn geworfen. Egal", fuhr er fort, "wer kommt als nächstes?"

"Sie nennen ihn 'Amsel'", antwortete Olivia, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. "Er ist seltsam – das Tagebuch sagt nichts darüber aus, wo er zu finden ist, nur dass er eine 'Möglichkeit hat, einfach aufzutauchen'. Ich weiß nicht, was das bedeutet."

Plötzlich trat Calvin auf die Bremse, was Olivia und Adam gegen das Armaturenbrett und dann auf den Boden beförderte. Sie standen auf und jeder zog eine Waffe, während Calvin dasselbe tat und aus dem Truck ausstieg.

Vor ihnen auf der Straße stand ein kleiner, seltsam aussehender Mann. Seine Augen waren etwas zu groß für seinen Kopf, er hatte eine Hakennase und ordentlich gescheiteltes Haar. Er trug einen dreiteiligen Anzug und eine Fliege. In seiner Jackentasche war ein silbernes Einstecktuch mit einer aufgestickten schwarzen Krone.

Während Calvin vorsichtig auf ihn zuging, lächelte der Mann und streckte die Arme aus.

"Guten Abend!”, sagte er. "Ich höre, dass Sie bald nach mir suchen werden, ja?"




- ZURÜCK -


6.png
Sofern nicht anders angegeben, steht der Inhalt dieser Seite unter Lizenz Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 License