Der 52. Geburtstag - Oder: Der Beste Tag Im Leben Von Dr Manfred Männelein in der Foundation

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Es war 5:12 Uhr, als der Wecker auf dem Nachttischchen neben Dr. Manfred Männelein seinen schrillen Weckton erschallen ließ. Murmelnd erhob der noch recht schlaftrunkene Doktor seine Hand und ließ diese mehrmals fallen, ehe sie den Wecker doch noch erwischte und es wieder still in seinem Zimmer war. Gemächlich erhob er sich von seinem Einzelbett, gähnend und sich die Augen reibend, ehe er seine Brille mit den flaschenbodendicken, durch die Jahre leicht vergilbten, Gläsern aufsetzte und zum Kalender schaute, was ihm dann doch ein erfreutes Lächeln ins Gesicht zauberte. Ja, heute war es soweit! Heute war sein 52. Geburtstag! Darauf hatte er sich die letzten Tage bereits gefreut.

„Murri! Schnurri! Heute ist mein Geburtstag!“, rief der Doktor strahlend heraus, klatschte und rieb sich dann freudig die Hände. Er konnte es kaum erwarten, sich mit einem Schwung aus dem Bett zu werfen. Nein, eher mit weniger Schwung. Sicher ist sicher. Die alte Hüfte machte schnell nicht mehr so mit. Lieber nur etwas schneller vom Bett erheben als sonst. Er hatte heute viel geplant  und wollte nicht länger warten. Für die lieben Kollegen im Standort-DE17 hatte er sogar gestern Abend noch einen Schokoladenkuchen gebacken und Getränke besorgt. Gut, es waren nur billige Säfte aus der Packung, es würde noch den typischen, günstigen Kaffeeraum-Kaffee geben und der Kuchen war auch eine einfache Rührkuchen-Fertigmischung aus dem Supermarkt, zugegeben, aber sie war mit viel Liebe gemacht. Etwas, was ihm sehr viel bedeutete.

Dr. Männelein war nun seit 35 Jahre in der Foundation tätig. Den größten Teil davon am Standort-DE17. Es war für ihn mehr als ein Job. Es war sein Leben und fast etwas wie eine Familie. Seine Eltern sind schon lange von dieser Welt gegangen; sein Vater war schon kein Teil seines Lebens mehr seit er 5 Jahre alt war. Er hatte nie Glück bei den Frauen gehabt, folglich auch keine Kinder und keine eigene Familie. Und außerhalb der Foundation hatte er niemanden, den er als so was wie „Freunde“ bezeichnen konnte. Zuhause warteten nur die Regale voll mit alten Büchern und Schiffsmodellen, selbstgebastelte Modellflugzeuge, die von der Decke hingen, der alte Fernseher und Schnurri und Murri, seine beiden Kater, die als seine Ersatzkinder herhalten mussten. Bis dass der Tod sie scheidet. Oder länger. Katzen haben schließlich mehrere Leben.

Es blieb nicht mehr viel Zeit für ihn, sich fertig zu machen, da er sich vorgenommen hatte sich für heute besonders adrett heraus zu putzen. Unter der Dusche träumte er schon von all den Kollegen, die ihm gratulieren würden. Dem Standortleiter, der ihn für seinen Kuchen danken würde. Und O4-10, seinem großen Idol, der ihm persönlich die Hand schütteln und ihm für seine großartige Arbeit danken würde. Aus der Dusche heraus warf er noch einen Blick in den Spiegel. Eigentlich sah er für sein Alter gut aus. Na gut, ja, vielleicht hatte er doch ein paar Kilo zu viel, so dass er seit Jahren seinen "kleinen Kumpel" nicht mehr gesehen hatte, die Falten waren etwas tiefer an seinen Hängebacken und auf dem Kopf, da war der einst so stolze Schopf langer, brauner, welliger Haare mittlerweile einem Kranz brauner grau-durchzogener Haare und Glatze am Oberkopf gewichen. Frustriert dachte er an das  Meerschwein, welches SCP-268-DE ihm einmal auf dem Kopf verpasst hatte, schüttelte den Gedanken aber schnell ab. So eine Haartransplantation war einfach zu teuer und risikoreich, dass ist also nicht zu ändern, Schuld sind die Gene. Aber den paar Kilo zu viel kann er sicherlich entgegen steuern, wenn er halt etwas weniger Nachtisch in der Kantine isst.

Es blieb nicht mehr viel Zeit, heute wollte er nicht, wie sonst, pünktlich auf die Sekunde genau, sondern sogar etwas früher auf der Arbeit erscheinen. So schnell es ging, ohne dass er stolpern würde, zog er sich an, goss den aufgebrühten Kaffee in seine alte silberige Thermoskanne, dann wurde sein Schinkenbrötchen fürs Frühstück unterwegs eingepackt und Schnurri und Murri noch schnell ein paar Streicheleinheiten gegeben. Die beiden mussten mal wieder richtig entstaubt werden, dachte sich Manfred, während er so über die Präparate der beiden Kater strich. Auch wenn sie schon seit fünf beziehungsweise sieben Jahren ausgestopft waren, sind die beiden noch immer seine Lieblinge geblieben. Bis der Tod sie scheidet und ein Stückchen weiter.  Ach, die Zeit drängte. Dr. Männelein packte schnell die Taschen mit Kuchen und Getränken und eilte los.


Der Tag am Standort-DE17 hatte seinen gewöhnlichen Lauf. Die forschenden Kollegen huschten eiligst mit Papieren, Akten und gestresster Stimmung durch die Hallen, Agenten führten ihre zwischenmenschlichen Gespräche in den wenigen ruhigen Momenten an den Kaffeeautomaten und ein Trupp voll ausgestatteter MTFs wurde zum anderen Ende des Standortes gerufen, nachdem ein Interview mit einem SCP nicht wie geplant verlaufen ist. Der einzige Unterschied war Dr. Männelein, der freudestrahlend sein breites Lächeln zum typischen „Guten Morgen“ verteilte, während er die zwei Tüten mit Kuchen und Getränken in Richtung des Kaffeeraumes trug. Für andere wäre dies vielleicht ein Grund zur Frage, wieso ihr gegenüber sich so sehr freuen würde oder ob es etwas zu feiern gäbe. Doch nicht für die Kollegen von Männelein, die dem Geburtstagskind ein „Guten Morgen“ ohne eine Zugabe wie mindestens ein Lächeln gaben. Es war nicht so, als ob die Kollegen was gegen ihn haben oder ihn einfach nur nicht mochten. Es gab für sie aber halt auch nichts, was sie an ihm besonders mochten oder schätzten. Er war einfach da. Wie das feste Mobiliar innerhalb des Standortes. Er war da. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Dieser Zustand war dem Doktor schon lange bewusst. Er passte gut in das komplexe Puzzle, dass die Foundation darstellte. Er war halt nur nicht das Auge vom Einhornbild, eine hübsche Blume oder zumindest ein Eck- oder Seitenteil, der das Puzzle erst möglich machte. Er war eher das Puzzleteil, dass ein Stück vom Erdboden zeigte, worüber man sich höchsten ärgern würde, wenn es das letzte fehlende Teil vom ansonsten kompletten Bild wäre. Dies wusste Männelein. Doch er hatte sich schon erhofft, dass an diesem Tag etwas anders sein würde.

Im Pausenraum stellte er die Backform mit den aufgeschnittenen Kuchen in die Mitte des Kaffeetisches, dass dies das erste war, was die Kollegen beim Reinkommen sehen würden. Die Gläser und Flaschen mit Getränken grazil drum herum, um  ihn noch besser ins Licht zu rücken. Als er dann die Dekoration in Form alter Luftschlangen um das Ganze herum verteilte, trat einer der anderen Forscher in den Raum. Dr. Mähne, leitender Forscher von SCP-268-DE. Ein mittelgroßer, schlaksiger, älterer Herr, dessen langes, weiß-graues Haar, hinten zu einem Herrendutt zusammengebunden war, und dessen Augen so empfindlich geworden sind, dass er sie hinter dicken Sonnenbrillengläsern verbergen muss. Er war knapp ein halbes Jahr älter als Männelein, sieht aber trotzdem mindestens  10 Jahre jünger als dieser aus. Beide waren schon seit Jahrzehnten Kollegen und kannten sich eigentlich lange genug.

„Ah, hallo Rainer“, grüßte Manfred seinen Kollegen, der erst ein wenig verdutzt guckte, als dieser von ihm so freudig begrüßt wurde.

„Ähm. Guten Morgen Manfred. Wie geht es dir?“, fragte Mähne, während er seinen Kaffee eingoss.

„Mir geht es richtig gut!“

„Freut mich zu hören.“

„He! Rainer! Sag mal, du weißt doch was heute für ein Tag ist, oder? Nach all der Zeit?“

„Aber sicher, weiß ich das“, nickte Rainer, ehe er mit voller Kaffeetasse zum Kuchen schritt, um ihn zu begutachten. „Heute sind deine Berichte und das Interview mit SCP-289-DE fällig. Hoffe, du hast alles bereit.“

Mähne nahm sich ein Stück des Kuchens, ohne große Worte oder seinen Kollegen eines weiteren Blickes zu würdigen.

„Solltest dich mit beeilen. Der Standortleiter hat heute keine gute Laune“, war der letzte Kommentar von Manfreds Kollegen, ehe dieser mit einem Stück Kuchen im Mund den Pausenraum verlässt.

„Man, wäre der Kuchen trockener, würden drauf Kamele leben“.

Männelein sah seinen Kollegen etwas ungläubig nach.  Zuckte mit den Schultern und versuchte sich einzureden, dass er es wahrscheinlich einfach nur vergessen hatte. Bei all dem Stress in letzter Zeit kein Wunder, nachdem Jenny beim letzten Experiment eine volumige Stromschlagfrisur geschaffen hatte, die elektrische Blitze aus ihren Haaren schießen lassen konnte. Nach so etwas wäre jeder schusselig. Zumindest glaubte er das.


In seinem kleinen Büro, welches durch versammeltes Chaos und Hügel von alten Akten, verstaubten Büchern, alten Papieren und vertrockneten, teilweise schon mumifizierten Büropflanzen gerade noch so viel Platz bot, dass er es zu seinem Schreibtisch hin und zurück schaffen konnte, schaltete er voller Erwartungen seinen PC an. Er freute sich schon auf all die Geburtstagsglückwünsche und Danksagungen für Speis und Trank von den lieben Kollegen. Oder zumindest der Standardmail der Hauptverwaltung und der Standortleitung, die jeder Forscher zu seinem Ehrentag bekommen würde. Irgendetwas.

Voller euphorischer Erwartungen öffnete er seinen E-Mail-Ordner.

„Terminerinnerung SCP-289-DE-Interview“.

„Drucker funktioniert wieder“.

„Ihr Urlaubsantrag wurde abgelehnt“.

„Termin vierteljährliche Vorsorgeuntersuchung“.

Eine gewisse Enttäuschung konnte Manfred nicht verbergen. Doch er dachte sich noch nicht viel dabei. Der Tag hat ja erst begonnen. Vielleicht brauchen die Kollegen nur Zeit, um zu realisieren, was für ein Tag heute ist. Er war sich sicher, dass es spätesten nach dem Verzehr von Kuchen und Getränken ihnen einfallen würde. Vielleicht hatten sie noch keine Zeit für Kaffeepausen gehabt, die Arbeit ging schließlich vor.  Er jedenfalls hatte jetzt einen Termin und somit eh nicht die  Zeit, die  kommenden Lawine aus Glückwünschen zu beantworten, das musste also warten bis zum Mittagessen.


Männelein hatte es an diesem Tag besonders eilig. Für gewöhnlich hatte er ein ungutes Gefühl, SCP-289-DE zu besuchen. Der große Bazoo war eine der am schwersten einzudämmenden Anomalien hier am Standort und es war ihm schon mehr als einmal gelungen, vor den Augen des Doktors zu verschwinden, so dass dieser nur  noch den Alarm auslösen konnte. Doch heute war er voller Zuversicht. Wenn jemand wüsste, dass er Geburtstag hat, dann wäre es das große bunte Zottelmonster, schließlich kannte es den Geburtstag von jedem.

In seiner großen Einzelzelle feierte SCP-289-DE wie an jedem Tag eine Party. Überall hingen Luftschlangen und Lampions, Kindermusik schallte durch die Lautsprecher, in der Luft lag der schon fast erschlagende, penetrante Duft von Zucker und klebrigen süßen Süßigkeiten und dazu tanzte Bazoo seinen schon amüsant anmutenden-albernen Tanz, während er dabei seine „Titelmelodie“ summte.

„Die Kuh macht „Muh“, der Stinker „Puh“ … Wer feiert heute? BAZOO!  Ganz GENAU!“.

„Hallo Bazoo“, grüßte Männelein mit ruhigem, doch erwartungsvollen Ton, als er sich an der Trennscheibe zur Zelle hin setzte und zum Partymonster rüber blickte.

„MANNI!“, freute sich SCP-289-DE über seinen Überraschungsbesucher, ehe er seinen Tanz beendete und zur Scheibe eilte. „Schön, dass du da bist!“

„Wieso?“, fragte Männelein erwartungsschwanger.

„Weil heute ein großer Tag ist!“

„Ach, wirklich?“

„Ja! Jemand hat heute Geburtstag!“

„Oh, wirklich? Jemand Besonderes?“

„Oh, ja! Jemand ganz Sonderwundersuperdupperbesonderes!“

Männelein lächelte so breit, wie es seine alten Mundfalten es erlaubten. Wenn er könnte, würde sein Lächeln über seine kleinen Ohren gehen.

„Oh? Wer hat denn Geburtstag?“

„Die kleine Tanja! JAAAAAA!“

Es dauerte weniger als einen Augenschlag, damit das Lächeln des Doktors verschwand.

„Tanja…“

„Ja! Tanja Hechtmann aus Bochum! Sie wird heute sechs und hat ihren ersten großen Geburtstag! Mit Kinder einladen und so. Und den feiert sie mit mir! BAZOO! JAAAA! Tut mir Leid, Manni, dass ich jetzt nicht mit dir spielen kann. Aber ich muss zu einer GROßEN GEBURTSTAGSFEIER! Wir sehen uns! Nur ich und du, und ein Emu … Wer feiert heute mit Tanja? BAZOO! GENAU!“.

Mit einem breiten lauten Lachen verschwand der große Bazoo langsam vor den Augen des Doktors, der  sich nicht sicher war, was Schlimmer war: Dass Bazoo wieder einmal der Eindämmungsbruch gelang, oder dass selbst er seinen Geburtstag vergessen hatte. Männelein saß noch eine Minute, still im Gedanken versunken, auf seinem Stuhl und starrte in die leere Partyzelle, stand dann mit einem tiefen Seufzen auf und bestätigte die Alarmtaste.

„Eindämmungsbruch SCP-289-DE … Es will zu Tanja Fischmann aus Bochum … Bitte  eine MTF … Mir egal welche … eine die einfach in der Nähe ist … schicken. Danke.“.


Der Vormittag wich dem Nachmittag,  wie die Euphorie der Enttäuschung von Männelein. Nachdem er unproduktive Stunden damit verbracht hatte, den Vorfallbericht vom Eindämmungsbruch von SCP-289-DE zu verfassen und seinen deprimierenden  Gedanken nach hing. Als sein Magen knurrte , beschloss er in die Standort-Kantine zu gehen, wo es heute sein geliebtes Jägerschnitzel mit Nudeln geben sollte. Auch dieses Glück war ihm nicht hold, als die letzte Portion von Dr. Heinrich genommen wurde, der vor ihm in der Schlange stand. Was Manfred blieb, waren Eier in Senfsoße, die er nicht wirklich mochte. Nicht das erste Mal, dass ihm das passierte. Bestimmt auch nicht das letzte Mal. Und selbst Magret, die alte Kantinenangestellte, die ihre Stammkundschaft seit Jahrzehnten kannte, wie die nette Tante von nebenan, schien nicht zu wissen, dass der heutige Tag für den Doktor ein besonderer war.

Sichtlich angeschossen in seinem Optimismus und mit einem unheilvoll gurgelnden Gefühl im Magen begab sich das Geburtstagskind anschließend zum Pausenraum. Vielleicht würde zumindest ein Stück Kuchen übrig sein und einige Kollegen dort sein, die plauschten, lachten und ihm gratulieren würden. Verdammt, vielleicht warteten alle auf ihn, um ihn mit einem „ÜBERRASCHUNG!“-Ruf zum Geburtstag zu gratulieren. Händeschütteln, lächelnde Gesichter, Lachen, Erzählungen von alten Tagen, Wünsche, dass er noch lange erhalten bliebe, so was in der Art …

Doch der Pausenraum war leer. Auf dem Tisch stand die Backform mit nur noch Krümmel drin, teilweise standen Teller herum, auf denen angebissene oder halb gegessene Stücke lagen. Die Getränke waren angebrochen und die benutzten Gläser und Tassen stapelten sich im Abwaschbecken. Die Luftschlangen, die er so dekorativ hingelegt hatte, lagen teils zertrampelt auf dem Boden. Genau wie seine Stimmung. Sein Trübsal blasen wurde jäh unterbrochen.


„WARNUNG! EINDÄMMUNGSBRUCH! SCP-171-DE IST AUS SEINER EINDÄMMUNG AUSGEBROCHEN! BITTE BEGEBEN SIE SICH ZU DEN SICHERHEITSBEREICHEN! WARNUNG! EINDÄMMUNGSBRUCH! SCP-171-DE IST AUS SEINER EINDÄMMUNG AUSGEBROCHEN! BITTE BEGEBEN SIE SICH ZU DEN SICHERHEITSBEREICHEN!“

Laut erklangen die Alarmsirenen des Standortes durch die mittlerweile fast leergefegten Gänge. SCP-171-DE? Die psychopathische Chirurgin? Männelein kannte nur die Akte und Erzählungen von diesem blutrünstigen, organsüchtigen Monstrum, welches andere manipulierte, um sie später aufzuschlitzen und ihre Organe für sich zu beanspruchen. Sein Atem raste, die sonst so kleinen Augen weiteten sich vor Angst. Die Hände zitterten so wie sein restlicher dicker Leib, der dann Sekunden der Schockstarre erlitt. Er benahm sich wie ein Reh im Scheinwerferlicht, wenn ein Auto auf es zuhält. Der Doktor erlebte einen Moment der Panik, sein Hirn schrie: Angst! Nur raus hier!

Vergessen war sein Geburtstagsfrust. Wenn er jetzt nicht raus käme und sich in Bewegung setzte, würde er nie wieder einen Geburtstag erleben. Eiligst rannte er durch die Gänge, soweit ihn seine kleinen, kaputten Beine mit den schmerzenden Knie trugen und die schwingende Wampe und das  Brennen seiner Lunge es zuliessen. Der Verstand, seine Logik und sein Orientierungssinn verschwammen in seinem Kopf durch die  Kombination aus Stress, Todesangst und durch den schwerem Atem fehlenden Sauerstoff. Der Gedanke, schnell raus zu kommen, dominiert alles. Sollte er das überleben, sollte er überlegen, ob er vielleicht doch auf mehr als den Nachtisch, während der Mittagspause verzichten sollte. Die Welt um ihn herum verschwand, seine Brust schmerzte und stach furchtbar, als ob SCP-171-DE ihm schon das Skalpell durchs Herz gejagt hätte.

Zu spät merkte er, dass er in den falschen Gang abgebogen war.

Schwer atmend stand er da, der Mund halb geöffnet vom Schnappen nach Luft und entsetzt, als er auf den toten Haufen aus Blut, Fleisch und zerfetzten Sicherheitspersonal-Uniformen blickte, die wohl vor wenigen Minuten noch Wachmänner gewesen waren, die versucht hatten, das Monster in Menschengestalt aufzuhalten oder von diesem manipuliert worden. Ihr Blut klebte überall an den Wänden, ihre Leiber waren aufgeschnitten und ihre Bäuche geleert, wie Säue auf dem Schlachtfest. Und ihre Mörderin kniete summend über einer der Leichen und hatte ihre kräftigen, flinken Hände tief im Bauch eines Wachmanns vergraben. SCP-171-DE hatte sich heute ein wenig extravagant herausgeputzt. Einen etwas kräftigeren, doch noch betont weiblichen Körper, die Haut in einem leichten Urlaubsbraun gefärbt und die langen schwarzen Haare mit pinken Spitzen mit einem tiefen Seitenscheitel gezogen, der ihr rechtes, bernsteinfarbiges Auge verdeckte. Geschickt tänzelten ihre Finger durch den blutigen Haufen aus Gedärmen, ehe sie mit ihrer linken Hand die Gallenblase herausfischte, diese hochhielt und im sirrenden Licht der Deckenbeleuchtung wie einen strahlenden, perfekt geschliffenen Diamanten betrachtete.

„Das ist ein hübsches Exemplar. Ganz ohne Anzeichen von Steinen, wundervoll“, meinte die blutüberströmte Psychopatin und setzte anschliessend ihr bekanntes psychopatisches Grinsen auf, während sie die Gallenblase in die Öffnung ihres Bauches hinzufügte.

Männelein schritt währenddessen  langsam zurück, nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte und weiter hoffte unbemerkt zu bleiben. Doch es kam, wie es kommen musste, da ihm die Knie zitterten, rutschte er aus und fiel daraufhin nach hinten und schlug geräuschvoll auf den hartem Linoleum-Boden auf. Die Wucht des Aufpralls, den sein Körper auf den Boden machte, konnte die Psychopathin nicht überhören, die ihren Kopf wie eine Eule, die eine Maus gehört hatte, zu ihm drehte und ihr psychotisches Grinsen sich noch mehr weitete.

„Uhhh, Nachtisch! Mein Glückstag“.

Männelein konnte nur eine Reihe von „Nein nein nein nein!“ wimmern, ehe sich die Psychopathin mit einem kräftigen Satz von ihrer bisherigen Beute löste und den auf dem Boden liegenden Doktor fixierte. Das blutige Skalpell, mit dem sie eben noch die Gallenblase entfernte hatte, hob sich bedrohlich über ihn und würde gleich auf ihn hinabsausen. Der Geruch von Blut vermengte sich mit dem Geruch von Urin, der die Hose des Forschers erwärmte. Er wollte schreien, doch seine Stimme versagte. Würde es so für ihn enden? Würde er so sterben wie viele Kollegen vor ihm? Nach all den Unfällen und Eindämmungsbrüchen, die er immer auf wundersame Weise überlebt hatte, würde er jetzt so sterben?  An seinem Geburtstag, was für ein scheiß Tag. Er schloss die Augen. Na wenigstens schenkte ihm heute noch mal jemand so etwas wie Aufmerksamkeit, dachte er sich. Er wappnete sich für den Schmerz. Doch er blieb aus.

Und es herrschte einige Sekunden verdächtige Stille, die den Doktor veranlasste, vorsichtig ein Auge zu öffnen und hoch ins erwartete Gesicht der Psychopathin zu schauen. Das Skalpell taumelte noch immer wie ein Damokles’ Schwert über ihm, doch sie schaute nur auf ihn herab. Das psychopathische Grinsen einer Killerin war es nicht. War es Gnade? Mitleid? Ein Funken des Gewissens? Nein, das konnte sie nicht fühlen, oder doch. Ihr Gesicht zeigte keine emotionale Regung. Es war eher ein Ausdruck der Enttäuschung. Als hätte sie voller Erwartung und Hunger nach Süßem ihren Kühlschrank aufgerissen und nur einige vertrocknete Radieschen und etwas ranzigen Käse vorgefunden.

„Meh.“

Mehr sagte sie nicht, als sie sich in aller Seelenruhe von ihm erhob, aufstand, sich umdrehte und zurück zur Leiche ging, die sie sich vorhin schon vorgenommen hatte. Die Kühlschranktür war wieder geschlossen.

„Warum… Warum tötest du mich nicht?“, fragte Männelein. Nein, es war nicht die Sehnsucht nach dem Tod, die aus ihm sprach. Es war eher die Überraschung, dass SCP-171-DE eine so leichte Beute so einfach gehen liesse.

„Du bist einfach nur langweilig“, sprach sie monoton, während ihr Skalpell langsam die Milz des toten Wachmanns herauslöste. „Es würde nichts bringen, dich zu töten. Es wäre langweilig. Du schreist nicht herum, bettelst nicht um Gnade, wünschst mir nicht, dass ich in die Hölle schmorren soll … Außerdem spüre ich, dass ich mit deinen Organen nichts anfangen kann. Nicht besonderes, teilweise sogar ungesund. Es würde mir weder Freude bereiten, noch mir was bringen, dich umzubringen und den Misthaufen, den du deine Wampe nennst, auseinander zu nehmen. Also, geh einfach. Verschwende nicht meine Zeit und gute Laune. Ich hab hier noch zu tun und du nervst mich dabei. Also hau ab!“

Sie schien dem Doktor keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken, während der scharfe Stahl weiter in den Gedärmen des Wachmanns tänzelte. Männelein sah sie fassungslos mit aufgerissenen Augen an, während er mit der Eleganz eines Gürteltieres sich wieder auf die Beine rappelte. Doch dies waren keine Augen aus Angst.

Jeder andere würde von einem Wunder sprechen, wenn man was wie Gnade von einer im Blutrausch befindlichen SCP-171-DE bekommen würde. Manch einer würde davonrennen, andere würden ohnmächtig werden oder dies als Zeichen ihres Glaubens sehen. Doch Männelein verspürte nichts der Gleichen.

„JETZT REICHT ES ABER!“, rief er auf, als der letzte Geduldsfaden riss und er mit solcher Wucht mit dem rechten Bein auf den Boden stampfte, dass er kurz innehalten und schmerzhaft zischen musste, als ein Krampf durch seine Wade jagte, „Ich bin es verdammt nochmal gewohnt, jeden Tag von jedem ignoriert zu werden! Von jedem verspottet zu werden! Nie ernst genommen zu werden! Verdammt, Leute ziehen über mich her, während ich neben ihnen stehe und das dann nicht mal merken! Und ich habe mich daran gewöhnt und es nie wirklich für ernst genommen, weil ich meine Arbeit liebe! Aber verdammt nochmal, habe ich nicht wenigstens einmal im Jahr etwas Anerkennung verdient? Eine freundliche Begrüßung, ein Lob, eine verdammte Gratulation? Es ist mein Geburtstag, verdammt nochmal! Ich bin schon so verzweifelt nach Aufmerksamkeit, dass es mir egal ist, wenn du mir was antust! Also komm schon! Schlitz mich schon auf, trau dich, du Monster!“.

Ihre Antwort flog ihm in Form einer gut gefüllten Wachmann-Blase ins Gesicht, die sie nebenbei ihm entgegen warf, ohne von ihrer Arbeit auf zu sehen und ihn so mit Blut und Urin benässte, welches er angewidert und fluchend sich versuchte, aus dem Gesicht zu wischen.

„Du bist so verzweifelt“, meinte sie nur kühl, während sie ihn weiterhin keines Blickes würdigte, „dass es nur langweilig ist. Anerkennung an deinen Geburtstag? Wahrscheinlich bist nur noch am Leben, weil der Tod dich zu langweilig findet, um dich zu holen. Aber ich änder das nicht.“

Zitternd vor Zorn, biss der  Doktor die vergilbten Zähne zusammen, um seinen Zorn zurückzuhalten, er konnte nicht glauben, was er grade gehört hatte, wie konnte sie es wagen, ihm sowas auch noch an den Kopf zu werfen. Er musste sich verhört haben.

„Zu langweilig … Für den Tod?“

Erinnerungen kamen auf. Er erinnerte sich, wie er mehr als einmal in Situationen geriet, die er wie ein Wunder überlebt hatte. Er überlebte den Tag, an dem eine Spinnenfrisur von SCP-268-DE mit ihren spitzen Beinen die Herzen aller Anwesenden aufspießte, aber an ihm einfach vorbei rannte. Er erinnerte sich an SCP-275-DE, die ihn fast zu Tode reinigen wollte, aber im letzten Moment von MTFs mit ausreichend Müll abgelenkt werden konnte, so dass BEA kein Interesse mehr an ihm zeigte. Er erinnerte sich, wie er über SCP-046-DEs Fäden wie in einem Comedy-Akt drüber stolperte und einige sogar abriss, aber die Anomalie reagierte lieber auf eine eingetroffene MTF, die auf den dünnsten Faden atmete. SCP-254-DE erschien nicht zum Spielen, niemand wollte ihm je SCP-257-DE für irgendwas schenken … Und wo er dabei war, war nicht einmal SCP-180-DE-1 heute erschienen, obwohl er seinen Namen in SCP-180-DE eingetragen hatte.

War er … War er zu langweilig … Für sie alle? Wirklich … Wie konnte das sein?!  Seine Gedanken kreisten.

„DA IST ES!“, erklang der Ruf der MTF, die in den Flur eintrat und mit seinen Kollegen die Waffen auf es richteten. „FEUERT, BIS ES KAMPFUNFÄHIG IST!“.

„HALT! WARTET!“, rief Männelein noch, doch es war zu spät. Ein Trommelfeuer aus Blei flog durch den Gang, indem der Doktor mit der Chirurgin stand. Die Luft erhitzte sich, Blut spritze über die Wände, den Boden und die Decke, Schreie erklangen, Atem erstarrte, Leben endeten …


„Wie immer nichts“, murmelte Dr. Farin, der leitende Arzt des Standortes, während er den noch immer unter Schock stehenden Dr. Männelein untersuchte. „Das Einzige, was ich bemängeln kann, ist ihre Fettleibigkeit und die katastrophalen Blutwerte, aber wie immer sind Sie unverletzt. Glückwunsch. Nach jedem Zwischenfall kommen Sie hierher und jedes Mal haben Sie keinen Grund. Seien Sie doch froh darüber, verdammt! Vier MTFs wurden von SCP-171-DE getötet und drei weitere sind so stark verletzt, dass Sie nicht mehr im aktiven Dienst tätig sein können, ehe sie die Schlampe kampfunfähig machen konnten. Seien Sie froh, keiner von denen zu sein, sie sind davon gekommen, wie auch immer sie das immer schaffen …“

„Ja … Ich bin froh …“, stammelte Männelein, der geistig nicht ganz da war, als ob Sein Hirn wie in Watte läge.

„Das Ohrensausen durch die Schüsse sollte in ein paar Tagen wieder vorbei gehen. Iimmerhin können Sie so den Tinnitus weniger wahrnehmen, das ist doch was".

„Ah, hier sind Sie“, erklang die strenge, kräftige schon fast diktatorische Stimme von Dr. Fleischer, der Leiterin des Standortes, als sie in die Krankenstation kam. Die leicht füllig gebaute Dame in ihren späten vierziger Jahren mit ihrem dunkelbraunen Sekretärinnen-Haarschnitt und der spitz zulaufenden Brille glatt an einem Standort, der speziell auf Humanoide spezialisiert war, als überraschend distanziert, auch wenn sie im Grunde ein gutes Herz hatte.

„Wie ich sehe, sind Sie nochmals mit dem Schrecken davon gekommen. Mein Glückwunsch. Das schaffen nicht viele“.

„Danke …“, lächelte Männelein, der sich zumindest freute, dass ihm heute irgendwer zu irgendwas gratulierte.

„Sie können sich den Rest des Tages frei nehmen, Manfred. Morgen möchte ich den Vorfallbericht auf meinem Schreibtisch haben. Hier …“. Fleischer reichte ihrem Untergebenen ein Stück Kuchen, den dieser wohl zu gut kannte. „Den hat heute irgendwer in der Kaffeeküche ausgegeben. Ein sehr trockener Kuchen, aber immer noch besser als nichts im Magen …“.

„Danke“, murmelte Männelein, der das Stück in die Hand nahm und es mit einem fast müden Ausdruck betrachtete.

„Und duschen Sie sich. Sie riechen, als wären sie in ein Urinal gefallen.“

Mit diesen Worten drehte sich Fleischer um und verließ die Krankenstation, ohne Männelein weitere Worte zu widmen. Nach einem Eindämmungsbruch stapelte sich der Papierberg, den sie noch zu erledigen hatte. Außerdem glaubte sie, dass ansonsten kein besonderer Tag wäre.

„Für Sie nichts Süßes mehr! Haben Sie mir vorhin nicht zugehört“, fluchte Farin, der Männelein das Stück Elend von einem Kuchen aus der Hand riss und in den Eimer neben sich warf, „bei Ihrem aktuellen Cholesterinwert müssen Sie endlich Ihre verordnete Diät einhalten, verdammt! Jedes Stück Fett und Zucker kann Sie umbringen!“

Männelein sah zu den Krümelruinen in der Tonne und starrte sie mehrere Sekunden schweigend an. Er fühlte in diesen Moment eine Seelenverwandtschaft zu diesem.

„Ich bezweifle das“, murmelte Männelein in einem tiefen, seelisch zerstörten, fast inneren Monolog vor sich hin, ehe er sich erhob und es eilig hatte, zurück in sein Büro zu gelangen.


Während er durch die Gänge raste, vorbei an den angeblichen Kollegen und deren Büros, schliffen seine Zähne vor Wut übereinander. Ja, er sah zum ersten Mal die Wahrheit. Die Wahrheit, dass sich keiner hier wirklich um ihn scherte! Jahrzehnte hatte er geopfert, sein Leben riskiert, Interviews geleitet, Forschungen durchgeführt, sich lächerlich gemacht. Sein Leben der einen Sache hingegeben, die ihn irgendwas im Leben gebracht hatte.  Zumindest dachte er das.

Und was hatte er dafür bekommen? Was hatte er erreicht? Nichts! Er war für alle nur eine Witzfigur! Nein, eine Witzfigur würde wenigstens anerkannt werden oder als unterhaltsam wahrgenommen. Wahrscheinlich war er eh nur in der Foundation, weil er anders war. Nein, nicht besonders oder gut. Nur anders. Ein Langweiler. Der langweiligste Typ aller Zeiten. Verdammt, passte er daher so gut hier her, war er vielleicht sogar eine Anomalie! Keine SCP, dafür war er für seine Kollegen nicht mal die Rede wert! Eine langweilige Anomalie!

Nicht mehr ihre! So ging es nicht weiter!

Die Türe seines Büros erlebte die Wucht ihres Lebens, als der Doktor sie mit all seiner Wut auftrat. Ehe er fluchend auf dem anderen Bein hüpfte, da das Tret-Bein schon wieder einen dieser Krämpfe hatte. Rasend ging er zu seinem Arbeits-PC und suchte die Formalien in der Datenbank. Er suchte eine Spezielle: Den Antrag zur Entlassung aus der Foundation. Die werden noch an ihn zurückdenken, wenn er weg ist. Oder auch nicht. Aber es war ihm gleich. So schnell, wie er mit den üblichen zwei Fingern tippen konnte, füllte er das Formular aus. Name, Rang, Abteilung, Grund der Kündigung. Alles, was dann noch fehlte, war ein letzter Mausklick.

Männelein zögerte einen Moment. Überlegte, was passieren könnte, wenn er es abschickte. Wahrscheinlich würde er zu seinen Vorgesetzten geschleift werden, wo er sich erklären müsste. Es käme zum Gespräch, man würde feststellen, dass die Kündigung unvermeidlich ist, es kommt zum Abschied, er bekommt sein Amnesika und würde wahrscheinlich arbeitslos in seiner Wohnung aufwachen. Vom Restgeld könnte er noch einige Wochen über die Runden kommen, ehe er was Neues finden müsste. Oder er findet nichts, weil er einfach nur der langweiligste Mensch auf dieser Erde ist. Was wäre dann …

Oder es stellt sich heraus, dass er wirklich eine Anomalie ist, einige Wachen kommen, führen ihn in seine Zelle für weitere Experimente, die nie stattfinden werden, da er zu langweilig ist, als ob irgendwer sich um ihn und seine Erforschung kümmern würde.

Sein Finger schwebte  über dem linken Mausknopf, ehe er sich leicht absetzte, bereit zum Drücken. Dies wäre beides bestimmt besser, als wenn er die Lüge ein „wichtiger, geschätzter Mitarbeiter zu sein“ weiterleben würde. Doch ehe der Druck auf die Taste sich steigern konnte, merkte er, dass eine Nachricht eingegangen war.

Nicht nur eine, nein. Drei neue Nachrichten in seinem E-Mail-Ordner. Eigentlich sollte es ihm egal sein. Hatte er doch seine Entscheidung bereits getroffen. Doch andererseits ein kurzer Blick konnte nicht schaden, sagte sein  Pflichtgefühl. Was soll’s, keine Nachricht könnte was ändern. Da kann er sie sich zumindest kurz ansehen. Der Mauscursor ging zum E-Mail-Fach.

„Erinnerung: Vorfallbericht zu heutigen SCP-171-DE-Ereignis“

„Bewerbung für Ethik-Komitee abgelehnt“

„Nachricht von O4-10“

O4-10? Männelein hob eine seiner buschigen Augenbrauen. Er schnaufte auf, was wollten die von ihm. Wahrscheinlich war sie fälschlicherweisean ihn verschickt worden oder es ist nur ein Dolchstoß, der ihn endgültig erledigen soll. Und doch war die Neugierde stark genug, dass er die Mail öffnete.

„Geschätzter Herr Dr. Manfred Männelein,

ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Geburtstag und danke Ihnen für Ihre 35 jährige Loyalität und die tolle Arbeit, die Sie für die Foundation geleistet haben.

Bleiben Sie noch lange gesund und uns erhalten.

Und ich danke Ihnen für Ihren leckeren Kuchen im Pausenraum.

Hochachtungsvoll

O4-10

Sichern. Eindämmen. Beschützen.“

Männeleins Finger zitterten. Sein Körper erbebte. Seine Lippen erschauderten. Die Augen fühlten sich feucht an und der Blick verwischte wie unter Wasser. Es war nur die Aufregung, redete er sich ein, während er sich schniefend die Augen rieb und nach einem Taschentuch im Chaos suchte.

Er musste lächeln. Lachen. Die aufkommende Freude schlucken. Seine Hand wischte über sein Gesicht. Er wollte doch nur ein wenig Anerkennung. Und am Ende hatte er mehr bekommen, als er je erwartet hatte.

Am Ende war es doch der beste Tag, den er je in der Foundation erlebt hatte.
Er klickte zurück zu dem Kündigungs-Formular. Ein Klick. Ein Bestätigungsklick. Ja, er war sich sicher, dass er dieses Formular doch nicht mehr brauchte.

Nun aber musste er los. Schnurri und Murri vermissen ihn bestimmt schon.

Und morgen beginnt ein neuer Tag im besten Jobs überhaupt.

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