Ein Feuer im Regen

Ich blieb stehen. Der Regen prasselte auf die letzten Blätter des Waldes. Es war nicht viel übrig geblieben, nach dem Inferno, das hier gewütet hatte.
Die Asche der verbrannten Bäume wehte mir ins Gesicht. Ich stand bis zu den Knöcheln im Schlamm und sah auf die Feuer, die langsam erloschen, wie eine Zeichnung, die ausradiert wird. In der Ferne hörte ich das Getose des Kampfes, der nie einer gewesen war.
Ich sah auf meine blutigen Hände. Ich war vielleicht der Letzte meiner MTF. Wir wurden hergeschickt um irgendein Viech einzudämmen. Es war nach hinten losgegangen. War weitaus stärker als gedacht. Ich würde nicht sterben. Nicht jetzt. Ich war schon so weit gekommen. Ich erblickte einen Vogel, der auf einem Baum saß, der vor der Zerstörung verschont geblieben war.
Es blitzte. Es donnerte. Der Vogel flog davon. Das ferne Kampfgeräusch verstummte. Dann war da diese betäubende Stille, die sich wie ein Schleier über die schwarz verbrannte Landschaft legte. Die Feuer waren nun endgültig erloschen. Es war vorbei. Glaubte ich zumindest.
Meine Beine gaben nach. Müde und blutend lag ich im Schlamm. Nun kam das Gewitter auf seinen Höhepunkt. Wie der finale Akt eines Konzerts aus tosenden Lauten, schmetterte es als Dirigent eines Orchesters bestehend aus dem Regen, dem Wind, dem Donner und Blitz im Duett und der Kälte eine Komponie aus abartigem Lärm. Ein Feuer brannte wieder und war wie das Publikum, welches ehrfürchtig dem Spektakel folgte. Ein Blitz schlug in einen Baum ein und Holzsplitter flogen durch die eiskalte Nachtluft. Dann war es vorbei. Diesmal wirklich. Nur noch der Regen und das Prasseln des Feuers, wie ein leiser Applaus.
Ein Geräusch riss mich unsanft aus meinen wirren Gedanken. Nun spürte ich wieder alles: Meine schmerzenden Glieder, die beißende Kälte, die wohl trotz der Hitze des Feuers die Überhand in der Luft errungen hatte. Ich hatte mich bereits wieder aufgerichtet, doch meine entkräfteten Beine wollten ihren Herrn nicht mehr tragen. Das Geräusch, das ich vernommen hatte, stammte von einem Ast, der zertreten wurde. Dann brach etwas aus dem Gebüsch und raste auf mich zu. Es war das SCP-Weißgottwas, es war egal.
Plötzlich wollten meine Glieder gehorchen, schrien geradezu nach Bewegung. Schon stand ich auf den Beinen und rannte, wie nie zuvor. Das Adrenalin schoss durch meine Adern, um die Schmerzen zu betäuben, die meiner Flucht im Weg standen. Bald konnte ich nicht mehr denken, alles geschah willkürlich und unüberlegt. Ich wollte nur Laufen. Laufen. Ich versuchte mir vorzustellen, dass ich zu nichts anderem geboren wurde. Meine Lungen wurden seit der Geburt geweitet, um in diesem Moment die kalte, verbrannte Luft des Waldes zu atmen. Meine Beine wurden geschaffen, um nun ihrem Herrn das Leben zu retten. Ich wurde dazu geboren. Laufen. Laufen.
Ich lief über verbrannte Erde, flüssigen Schlamm und durch dreckige Pfützen. Ich kam auf ein Feld auf dem kein Korn mehr wuchs. Unfruchtbarer Boden, zerstört von zwei so unterschiedlichen Elementen. Meine Kraft verließ mich schlagartig.
Ich brach plötzlich zusammen und kauerte auf dem schlammigen Boden. Ich würde sterben. Hier. Jetzt. Mein Verfolger sprang mich an. Ich schloss die Augen und machte mich darauf gefasst, von einer Masse aus Sehnen, Muskeln, Fell und Zähnen begraben zu werden. Doch es passierte nicht.
Als ich die Augen öffnete, sah ich ihn von einem Blitz niedergestreckt und nun brennend auf der Erde liegen. Er war tot.
Und nun sitze ich hier. Der Vogel sitzt neben mir. Gewärmt durch die Hitze des Feuers. Gestärkt durch das klare Wasser des Regens.
Ein Feuer im Regen.

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