Alvarez klopfte an die offene Tür und betrat das Büro.
"Sie haben nach mir gefragt, Sir?"
Dr. Gears blickte von den Akten auf seinem Schreibtisch auf und richtete seinen Blick auf den jungen Wachmann. "Ja, ich habe den ganzen Abend versucht, Dr. Clef zu kontaktieren, aber er geht nicht ans Telefon. Ich möchte, dass Sie ihn finden, um sicherzustellen, dass es ihm gut geht, und ihm sagen, dass ich dringend etwas mit ihm besprechen muss."
"Aber Sir, es ist Freitagabend", sagte Alvarez plötzlich peinlich berührt. "Wenn Sie sich dran erinnern…"
"Oh, verstehe. Es ist sein…"
"… Ja."
"Und er will nicht…"
"Er hat Anweisungen hinterlassen, dass er unter keinen Umständen gestört werden darf, das ist richtig, Sir."
"Nun, dann können die Angelegenheiten wohl bis morgen früh warten."
"Einverstanden, Sir."
Alvarez verließ das Büro.
Dr. Alto Clef saß im Esszimmer seines Apartments im Standort-19. Der Raum war nach allen Maßstäben verschwenderisch eingerichtet - goldgeprägte Tapeten, kunstvolle Eichenvertäfelungen, Möbel aus dem 18. Jahrhundert, der Tisch mit unschätzbarem Porzellan und feinstem Silberbesteck. Eine antike Ming-Vase stand auf einem Sockel in der Nähe und schimmerte im warmen Schein des Kristallleuchters. An einer Wand hing ein originaler Caravaggio, an der anderen ein Vermeer. Barry White wurde leise im Hintergrund gespielt.
"Mmmh!", tönte Clef, legte seinen Löffel ab und wischte sich mit seiner Serviette den Mund ab. "Die Fenchelsuppe war exquisit. D-12130 hat sich heute Abend wirklich selbst übertroffen." Er deutete auf einen der anwesenden D-Klasse-Mitarbeiter. "Mehr Wein, D-23897."
"Kommt sofort, Dr. Clef", sagte der Mann im orangefarbenen Overall, trat nervös an den Tisch heran und füllte sein Glas mit einem besonders rauchigen Chardonnay.
Clef hob das Glas an seinen Mund, nahm einen Schluck und seufzte zufrieden. "Das alles ist wirklich gut", sagte er und lächelte seinen Gast an. "Wir sollten das öfter machen, meinst du nicht auch?"
Auf der anderen Seite des Tisches starrte ihn SCP-173 unbeweglich und schweigend an.
Fünf Mitarbeiter der Klasse D waren um die lebende Statue herum positioniert, ihre Augen darauf fixiert, und kalter Schweiß tropfte von ihren Gesichter, als sie sich abmühten, nicht auch nur für eine Sekunde zu blinzeln, den Augenkontakt nicht zu unterbrechen. Ein sechster Mann stand direkt neben 173 und zitterte vor Entsetzen, als er einen Löffel Fenchelsuppe nach dem nächsten zu dem Gesicht hob und den Inhalt dort verschmierte, wo der Mund hätte sein sollen.
"Ich muss einfach sagen wie schön du heute Abend aussiehst, Schatz", sagte Clef und seine Augen bewegten sich anerkennend über das schwarze Abendkleid, das die Kurven der Statue betonte, das blonde, glänzende Haar der Perücke auf dem Kopf, die mit Rouge bedeckten Steinwangen… "Ich wollte bis nachher warten, aber dich so zu sehen, Ich kann einfach nur, ich… Oweh, sieh mich an, brabbelnd wie ein Schuljunge. Ich weiß nicht, wie du es schaffst. Du hattest einfach schon immer diesen Effekt auf mich."
SCP-173 sah weiter geradeaus, die steinerne Miene war leer und teilnahmslos.
"Wie auch immer", sagte Clef, "ich habe dir eine Kleinigkeit besorgt, um dir zu zeigen, wie sehr ich deine Anwesenheit schätze und dass du diesen Abend mit mir teilst." Clef griff in seine Tasche, holte eine kleine flache Schachtel heraus und reichte sie D-23897, welcher in der Nähe stand. Der Mann nahm die Schachtel und ging um den Tisch herum auf die andere Seite, seine Herzfrequenz stieg, als er sich 173 näherte.
"Öffne es, Schatz", sagte Clef. D-23897 öffnete die Schachtel und enthüllte eine goldene Halskette mit Dutzenden kleiner Diamanten. "Es sollte die richtige Größe haben, ich habe es speziell für dich machen lassen. Los, zieh es an." Clef strahlte. D-23897 nahm die Halskette aus der Schachtel und legte sie widerwillig um 173s Hals. Er zuckte zusammen, als seine Finger die kalte, harte Zementoberfläche berührten. Clef verschlug es für einen Moment die Sprache. "Es passt perfekt zu dir", sagte er schließlich. "Mein Gott, du bist wunderschön. Ich habe das Gefühl, ich möchte nie mehr woanders hinblicken."
In genau diesem Moment begann Can’t Get Enough of Your Love, Babe zu spielen; Clef spürte, wie sein Herz für einen Moment aussetzte. "Es ist unser Lied", hauchte er. Als Barry Whites rumpelnde Stimme die Luft erfüllte, starrte Clef in die fremdartigen, aufgemalten Augen von 173 und verlor sich in ihren Tiefen. "Weißt du", sagte er nach einem Moment, seine Stimme jetzt kaum mehr als ein heiseres Flüstern, "ich habe ganz plötzlich keinen Hunger mehr. Was hältst du davon, wenn wir uns… zurückziehen… für den Rest des Abends?"
Clef lag in seinem übergroßen Bett, 173 an seiner Seite, die üppigen Satinbezüge unordentlich um sie herum drapiert. Das D-Klassen-Personal stand in einem Kreis um das Bett, zehn Augenpaare, die die Statue in den letzten zwei Stunden nicht verlassen hatten.
"Ich kann dir nicht sagen, wie viel mir unsere kleinen Stelldicheins bedeuten", murmelte Clef in 173s Ohr. "Standort-19 zu betreiben; all diese Verantwortung, all diese Leben hängen von mir ab, es wird so anstrengend. Du bist ein Wundertäter, weißt du? Du bist wirklich-" Sein Gedankengang wurde durch eine Reihe unterdrückter Flüstereien unterbrochen - zwei Mitarbeiter der Klasse D schienen sich zu streiten. Clef räusperte sich laut. "Entschuldigung, könntet ihr…?"
D-23897 schrak auf. "Entschuldigen Sie, Sir. Es ist D-45931, er hat seit ein paar Tagen nicht mehr geschlafen und ist fast eingenickt. Ich habe ihm gesagt, er muss die Augen offen halten."
"Oh, ich verstehe. Nun, eigentlich ist das auch nicht nötig."
D-23897 runzelte verwirrt die Stirn. "Aber, Sir, die Statue…"
"Ich kann nicht leugnen, dass sie ziemlich lebhaft sein kann, was mit ihren Fiesta-Zuständen zu tun hat, aber solange ich in der Nähe bin, wird sie nichts versuchen."
"Also… gibt es keine Gefahr?", fragte D-23897.
"Das ist richtig, kein Grund zur Sorge."
"…"
"Nun, wenn das alles ist", sagte Clef, "würde ich gerne weiterm-"
"Warum sind wir dann hier?", schrie D-23897 ungläubig. "Warum haben Sie uns gezwungen, zu bleiben?"
Clef warf dem Mann einen seltsamen Blick zu, die Andeutung eines Lächelns auf den Lippen.
"Ich mag es einfach, wenn Leute dabei zuschauen."