Bis Späti in die Nacht

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“Guten Tag”, höre ich die träge Stimme eines Mannes. Anstatt in meinem Nexus, wo meine Reise eigentlich hingehen sollte, finde ich mich inmitten eines Spätkaufs wieder.
Wo bin ich hier? Laut der Beschreibung meiner Eltern hätte dieser Weg zu Tropferburg geführt.
Kratzige Musik spielt aus einem Lautsprecher, der mal repariert werden sollte. Der Geruch von Süßigkeiten und einer Klimaanlage erinnert mich an eine Tankstelle.
Die Regale sind voll mit Alltagsprodukten und Dingen, von denen ich noch nie gehört habe. Unsicher mache ich die ersten Schritte. Zwar wurde ich in meiner Lebzeit bereits mit einer Handvoll Anomalien konfrontiert, jedoch ist es das erste Mal, dass ich eine scheinbar unentdeckte Anomalie finde.
Der Mann, der mich begrüßt hat, so vermutete ich zumindest, tritt um die Ecke. In seinen Händen hält er einen Wischmopp, mit dem er den Gang wischt. Um seinen Hals hängen alte Kopfhörer, aus denen laut Metal-Musik erklingt.
Doch als er mich ansieht, scheinen wir genau dasselbe zu denken.

Was ein komischer Typ.

Er hat lange blonde, beinahe weiße Locken, die unbedacht in einen Zopf gebunden sind. Vier Augenpaare glotzen aus seinem Gesicht in meins und ein leicht irritiertes Schnauben kommt aus den vier Nasenlöchern.
Er trägt eine Uniform, jedoch kommt mir der Name der Firma nicht bekannt vor.
“Kann ich Ihnen helfen?”, fragt er etwas entnervt, als ich ihn weiter anstarrte. Es ist definitiv derselbe Typ, der mich begrüßt hatte.
“Uhm- Wo- Uh … Wo bin ich hier?”, frage ich ihn.
"Wo Sie sind?", erwidert er mit einem leicht müden Unterton. Er starrt mich noch einen Augenblick an, "Ah! Sie müssen der Neue sein!" Ohne weiter auf meine Frage einzugehen, stellt er den Mopp in einen Eimer und lehnt den Griff gegen die Wand. Ich gehe einen Schritt zurück, als er sich auf mich zubewegt. Ohne mich anzublicken, geht er in einem langsamen Schritt hinter die Theke und bückt sich.
"Wo habe ich denn den Kram hingepackt?", beschwert sich der kuriose Mann über sich selbst. "Ah, da ist es!" Er zieht einen braunen Karton unter dem Tresen hervor und lässt ihn lustlos auf die Arbeitsfläche fallen.
Er öffnet ihn ohne viel Bedacht und zieht einen großen Stapel Papier hervor. Den Stapel platziert er auf dem Tresen und schiebt den Karton beiseite. Als ich jedoch hineinsehe, scheint sich die Masse an Papier nicht verändert zu haben, denn er ist immer noch bis zum Rand gefüllt.
“Alsoooo”, pustet er leicht erschöpft und reißt sich die Kopfhörer vom Hals, kratzt sich kurz am Kopf, ehe er sich mit dem Papier vor ihm beschäftigt.
Er sieht mich an und begutachtet mich.
“Hm- Bist ganz schön mickrig … Der Boss wird schon wiss’n, was er tut”, murmelt er.
Mit einer Hand schiebt er den Stapel zu mir und verschwindet kurz hinter der Theke. Er kramt kurz und drückt mir einen Stift in die Hand.
Er sieht mich mit seinen vier Augen müde an. “Les’n, unterschreib'n, viel Spaß”, befielt er mit einem sarkastischen Unterton von sich und schnaubt, ehe er sich wieder wegbewegt und sich den Mopp nimmt, um den Boden fertig zu wischen.

Die erste Seite ist noch simpel. Name, Anschrift, Telefonnummer, E-Mail, Geschlecht und Pronomen. Das, was man erwartet. Die zweite Seite ist jedoch verwirrender, die Buchstaben sind zum Teil in Schriftsprachen, die ich noch nie gelesen habe. Fragen, wie aus welcher Realitätsebene ich stamme, wie viel magische Ausbildung ich in einer Magierakademie meiner Wahl genossen habe und wie viele Tonnen ich heben kann, waren Fragen, die mich mit etwas Verwunderung zurückließen.
Darauf folgten einige Sachen zum Ankreuzen, diese waren am Anfang auch leicht, aber wurden immer abstruser.
Am Ende folgt noch ein langer Text über meinen Arbeitsvertrag, ich überflog die knapp 400 Seiten. Habe ich da gerade was von temporalen Zellschäden gelesen? Besorgt drehe ich mich zum Mann, der gerade ein Schild hinstellt, welches warnt, dass eine Rutschgefahr besteht, bevor er sich zu mir vor die Theke gesellt.
“Und?”, fragt er mich.
“Nun- Uhm- Ich suche eigentlich eh nach einem Job … Also uhhh- kommt mir das ganz gelegen”, stammele ich nervös. Er gibt ein leichtes Schmunzeln von sich, seine zarten Lippen bewegen sich leicht und mit diesem Ausdruck sieht er aus wie ein Engel.
Ich bemerke schnell, dass ich ihn anstarre und fokussiere mich wieder auf das Papier. Ich sehe noch kurz nach dem Gehalt.
“23€ die Stunde?!”
Er lacht, matt und müde.
“Boah! Ich bin dabei. Hier noch unterschreiben … dann müsste ich durch sein”, sage ich dem anderen und setze mein Kürzel auf die dafür vorgesehene Linie. Der Herr nimmt die Zettel und zieht einen Korb hinter der Theke hervor, er legt dort das Papier hinein und bringt ihn zu einem Gerät, von dem ich dachte, dass es ein Trockner sei.
Mit Geschick bindet er den Papierstapel ein und wirft ihn in das Gerät. Er drückt ein paar Knöpfe und schon rattert das Teil. Nach einigen Sekunden gibt es ein sanftes Ding! und der Mann zieht eine Arbeitsuniform wie seine heraus.
“Hier- Wie war noch gleich dein Name?”, fragt er, während seine vier müden Augen anstarren.
“Uh- Louis!”
“Ah- Ich bin Felix.”
Ich starre auf meine neue Uniform. Die neongrüne Farbe reflektiert das Deckenlicht in einem kaum zu ertragenden Stich. Im Kontrast dazu ist das Firmenlogo, welches auf der rechten Seite der Brust aufgenäht ist.
"BIS SPÄTI … ein komischer Name …", murmel ich vor mich hin. Mein neuer Kollege hebt eine Augenbraue. "Is was?"
"Nein nein. Alles gut!" Das kommt mir alles surreal vor. Warte mal … wo soll ich eigentlich leben? Mein Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig. "Ähm, wo lebe ich jetzt eigentlich? Komm’ ich irgendwie nach Hause?", frage ich ihn in der Hoffnung, dass er mir einfach eine Tür öffnet und ich wieder daheim bin.
Er lacht, kehrt danach aber wieder in seinen müden Zustand zurück. "Du kriegst'n Zimmer gestellt, keine Sorge. Komm, ich zeig dir, wo du nun lebst", dreht er sich von mir ab und geht einen der Gänge hinunter. An einer Tür angekommen, öffnet er diese und hält sie auf.

In was bin ich hier geraten?


Also sind nun zwei Wochen vergangen. Die Kuriositäten, die ich an meinem ersten Tag bestaunen konnte, vermehrten sich zu jeder Stunde.
Die Kunden waren merkwürdig, denn es waren Kreaturen fernab meiner Vorstellung. Einige sahen ganz normal aus, wie Menschen halt, aber andere waren Dinge wie riesige, 3 Meter große Dämonen, von denen ich sicher war, dass sie in meinen Albträumen wieder auftauchen werden.
Unsere Ware ist merkwürdig. Es handelte sich um alles Mögliche, Getränke wie Cola, Saft und Milch, das, was man halt kennt. Aber auch sowas wie Yurtyga oder Psapin. Keine Ahnung, was das ist, oder was drin ist, aber es wird scheinbar gekauft.
Meine Mitarbeiter sind ebenfalls merkwürdig. Neben Felix gibt es noch eine Spinnenfrau namens Irene und eine alte Dame, die Geratenix heißt. Sie sieht aus wie das Kind einer Rosine und einer Fledermaus in der Größe eines Siebenjährigen.
Der Boss ist auch kurios. Obwohl ich seit zwei Wochen hier arbeite und auch meine Kollegen alle schon länger hier sind, kennt niemand den Boss so wirklich. Keiner weiß, wie er aussieht oder wie er heißt.
Und auch ich bin merkwürdig, weil ich mein langweiliges Leben als Student zurückgelassen habe, um in einem Späti zu arbeiten.
Ob man sich wundert, wo ich hin bin? Na ja, wer sollte das schon, ich meine, wirklich Freunde hatte ich nicht und meine Eltern sind eh mehr mit ihrer Arbeit in verschiedenen Nexus beschäftigt.
Jedenfalls versuchte ich, mich ein wenig bekannt mit den Gestalten hier zu machen. Drei Tage nach Beginn der Arbeit hier kroch eine etwas groteske Fleisch-"Wand" durch die Tür. Sie näherte sich mir, während ich ein Regal mit Diet Ghost füllte. Ich erschauerte, versuchte aber mir nichts anmerken zu lassen, da Felix ausdrücklich sagte, ich solle nicht komisch reagieren.
"Könnten Sie mir zeigen, wo sich das Adytumer Rumpsteak befindet?", blickte es mir tief in meine Augen, während es mich fragte. Sein Gesicht war verzerrt und ich konnte gerade so zwei Augen und einen Mund erkennen.
"K- Klar, natürlich. Folgen Sie mir", versicherte ich, worauf wir zur Fleischabteilung. Meine Hoffnung war, dass es nicht bemerkt, dass ich die Markenschilder lese, weil ich selber keine Ahnung hatte, was das für Fleisch ist. "Ah hier ist es", ich öffnete die Kühlschranktür und griff nach dem Stück Fleisch. Bei meiner Berührung fing es plötzlich an, sich eklig zu bewegen. Also nahm ich es schnell und hielt es meinen Kunden vor, welcher mit seinen schleimigen, roten Tentakeln die Ware entgegennahm. Er bedankte sich und drückte sich zur Kasse entlang.
"Ok, jetzt brauch’ ich ne Kaffeepause", dachte ich mir in diesem Moment.
Ich verschwand hinter der Theke und mein zweiter Gedanke war, was für ein Späti überhaupt Fleisch zum Verkauf hatte.
Das war aber nicht das letzte Kuriose. Nochmal 3 Tage später war Sonntag und anscheinend sind an vielen Orten zu dieser Zeit die Läden geschlossen. Also war der Laden voll mit Wesen, die mein Verstand nicht wirklich zu verstehen wusste. Riesige Schattengestalten und Käfermenschen, die nur so aus Kafkas Feder stammen könnten, und kleinwüchsige Feen waren noch das Normalste, was hier in den Laden kommt. Beinahe schon bekannt.
Nach einer Stunde schmerzte mein Schädel und Felix meinte, ich sollte mich hinlegen. Er regelte schon alles und es war ein Angebot, das ich nicht ablehnen wollte. Ein paar Minuten später brachte er mir einen schrecklich riechenden Tee.
“Das is Engelswurz Tee … Is damit dein Kopf besser klarkommt mit dem ganzen anomalen Kram”, behauptete er und stellte die Tasse auf den Nachttisch, bevor er wieder sich zurückzog.
Der Tee war mein Allheilmittel für die nächste Woche, denn es schien so, als ob alle meine Probleme durch Felix's Supertee geregelt werden könnten. Ich hab' nie gesehen, wie er ihn herstellt oder was drin ist, aber ich vertraute meinem Arbeitskollegen.
In meiner Freizeit habe ich auch angefangen, wieder zu zeichnen, während des Studiums hatte ich das Hobby beiseitegeschoben. Aber jetzt hatte ich so viel Inspiration und Zeit, mich mehr damit zu beschäftigen.
Felix war ein häufiges Motiv, denn er war wirklich hübsch. Ich hänge hier ein paar Bilder an, die ich gemacht habe.

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Felix (er dient gut als Vorlage)

Dann vor ein paar Tagen, als ich meine übliche Routine einhielt, den Laden bei Anbruch des Abends zu wischen, betrat ein Mann den Laden. Ich ging gerade mit dem Mopp über einen ziemlich lästigen Fleck "fünfte-Überraschung”, als ich einen kurzen Blick auf ihn warf. Kurze schwarze Haare, ordentlich gestylt und ein teurer Anzug, der perfekt saß. Er lief zur Kühlabteilung eine Reihe weiter. Ich wollte ihm nicht viel Aufmerksamkeit geben, er war halt ein weiterer Typ, der sich etwas "Exotischeres" holen wollte.
Der Fleck wollte nicht abgehen, egal wie hart ich an ihm arbeitete. Ich habe wohl zu viel Kraft aufgewendet, da der Boden inzwischen so nass war, dass ich in einer Wasserlache stand. Mit langsamen Schritten wollte ich mich gerade hinausbewegen und doch es geschah das Vorhersehbare. Ich legte mich hin.
Der Aufprall tat richtig weh, den blauen Fleck trage ich noch immer am Hintern.
"Geht es Ihnen gut?", hörte ich vom Ende des Flures. Der Kunde schaute um die Ecke und hielt dabei eine Packung Milch in seiner rechten Hand.
Er kam auf mich zu und bot mir seine Hand an. "Hier, lassen Sie mich Ihnen helfen." Ich nahm seine Hand und er zog mich mit einem kräftigen Ruck auf die Beine. Seine Hand fühlte sich rau an, als würde er viel mit Werkzeugen arbeiten. Eine fleischige Narbe fiel bei seiner dunklen Haut direkt auf.
"D- Danke!"
Ich sah hoch und sah ein ernstes Gesicht, Bartstoppeln und dünne Narben ließen den Herren erfahren, aber irgendwie abschreckend wirken.
"Kein Problem. Ich hoffe, dass es Ihnen gut geht."
"Ach, das wird wohl einen schönen Fleck hinterlassen." Ich streifte mir etwas Dreck vom Hintern. Wobei ich feststellte, dass ich komplett durchnässt war. Ein wenig genervt war ich, weil ich nun meine Uniform wechseln musste.
"Gut, dann haben Sie noch einen schönen Tag." So verabschiedete er sich und ging zur Kasse, an welcher gerade Felix, kurz vorm Einnicken, stand.
Kurz musste ich innehalten, dafür, dass er so gruselig aussieht, scheint er ziemlich nett zu sein.
"Ebenfalls einen guten Tag noch!", rief ich ihm noch schnell hinterher. Einen Blick erlaubte ich mir noch, sein Körper ist muskulös gebaut, breit beinah. Er hatte durch sein Auftreten eine richtige Aura und als ich ihm beim Verlassen des Ladens einen Blick widmete, sah ich die rote Sohle seiner teuren Lederschuhe.
Ich erinnerte mich, wie ich schnell hinter die Theke lief und Felix mir unsanft in die Seite stieß.
“Lern’ mal unauffällig zu gaffen. Bist ja net Irene”, meinte er. Doch um irgendwas Kluges zu antworten, war ich zu sehr in meinen Gedanken versunken.
Ich starrte ihn bloß an und ging dann weiter. Meine Gedanken hingen noch immer bei dem Kunden.
Dieser würde mir in nächster Zeit nicht so schnell aus dem Kopf gehen.


"Also, das ist dann der Typ, auf den du so abfährst?”, fragt Irene mich neugierig. Sie dreht sich zu Felix um, welcher ihr einen 10€ Schein rüberschiebt. Er rollt nur genervt mit seinen Augen.
“Ja- Also nein, er- Er war einfach hot, okay?!”, sag’ ich entrüstet, worauf beide ein wenig kichern. Irene legt mir eine Hand auf die Schulter. “Ach Darling, du wirst schon sehen, es gibt immer einen Kerl oder Kerlin die einfach all deine Knöpfe betätigt”, erklärt sie.
“Wir nennen das dann einen Hallway Crush”, fügt Felix hinzu, er sieht ein bisschen wütend aus, weil er seine Wette verloren hat.
“Du musst ihn verführen, Louis. Deinen Charme auspacken! Sonst entfleucht er dir”; zwinkert sie mir mit ihren vier Augen zu. “Achtung! Da kommt er”, sagt sie und verschwindet schnell, mit Felix im Schlepptau.
Ich drehte mich um und tatsächlich steht der große Mann wieder vor mir. Er sieht mich an und mustert mein Gesicht.
“Wo find' ich denn die Zigaretten?”, fragt er mich. “Oh! Sie waren doch der Herr, der ausgerutscht ist-“, mein Gesicht wird plötzlich heiß, “Sie haben doch nicht zu große Schmerzen?”
Ich schüttel’ schüchtern den Kopf und mache einen Schritt zurück.
Er folgt mir, bis ich an einem Regal stand. Der Unbekannte senkt seinen Kopf etwas und sieht auf mich herab.
“Können Sie mir sagen, wo ich die finde?”
“W-Was?”
“Zigaretten", meint er mit ruhiger Stimme. Nervös zeige ich auf Irene, die mich mit Felix beobachtet und dem charmanten Herren zuwinkt. Er lächelt kurz, ehe er sich wieder zu mir dreht.
“Wie ist Ihr Name?”, fragt er mich. Etwas hilflos sehe ich zu Irene, als würde sie es besser wissen als ich.
“Uhm- Uhm- Louis…”, antworte ich zu ihm, welches er mit einem Lächeln erwidert. “Hast du noch ein Feuer?”, fragt er, worauf ich greife in meine Tasche. Ich halte es ihm entgegen und er nahm es. “Danke Louis”, sagt er, ehe er sich eine Packung bei Irene kauft. Sie redeten nur kurz und ich versuchte wieder meine Fassung zu gewinnen. Unruhig ziehe ich mein Shirt gerade und starre auf meine Füße.
“Hey, willst du auch eine rauchen?”, fragt mich die Stimme des Kunden und ich nicke schüchtern. Ich tippe nervös mit dem Fuß auf den Boden, ehe ich mich umdrehen kann um den Herren nach hinten zuführen, damit wir dort eine rauchen können, hält mich Irene kurz auf.
“Go get him, Tiger”, flüstert sie mir zu und ich schiebe sie etwas weg und werde rot. Ich öffne die Tür in mein Zimmer und setze mich auf mein Bett. Ich klopfe neben mich und bat so den Mann, sich zu setzen.
“Ich dachte, Dinner ist angebrachter, bevor ich zu dir ins Bett steig“, antwortet er verlegen. Ich seh ihn an und mir wird darauf ganz warm ums Gesicht und Herz. Ich schiebe eine Strähne aus meinem Sichtfeld und sehe dem Herren dabei zu, wie er sich setzt.
Mit einer flüssigen Geste zieht er eine Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche und bietet mir eine an, ehe er sich selbst eine nimmt.
“Danke”, nicke ich etwas nervös meinen Kopf.
“Mein Name ist übrigens Ajax”, gibt er zum Besten. Leicht zuckt er mit den Schultern. “Du hast mich noch nicht gefragt, also hab ich dir diese Last abgenommen.”
“Oh-Ja! Ja- Entschuldigung", erwidere ich und ein leichtes Lächeln huscht über sein Gesicht. Mein Bauch kribbelt, als würde sich ein Tausendfüßler in ihm winden. Der Herr holt mein Feuerzeug hervor und zündet mir die Zigarette an, ehe er es bei seiner gleichtut.
Ich ziehe daran, und beginne direkt zu husten.
“Was ist das?”, frage ich ihn, während er mir auf den Rücken klopft. “Das schmeckt ja abartig.”
“Ja … Das ist Tabak”, sagt er sarkastisch. Ich sehe die weißen Rauchschwaden, die er herauspustet.
Sie waren nicht rot, wie bei dem Darsmin, das ich normalerweise rauche. Ich nehme einen weiteren Zug, weniger überrascht über den Geschmack, dieses Mal war es eher der Geruch.
So bitter und dunkel, passend zu Ajax. Aber etwas unangenehm in meiner eigenen Nase. Doch ich mag es irgendwie. Also sitzen wir da, stillschweigend und starren auf die Tapete in meinem Zimmer. Dennoch finde ich es nicht unangenehm. Ich schätzte die Ruhe, die dieser Mann in mir auslöst.
"Du, Ajax, was machst du so eigentlich in deiner Freizeit?"
"Ich mache Sport, spiele Games oder gucke Filme und Serien. Und du?"
Einen Augenblick habe ich Angst, dass meine Interessen nicht seinen ähnlich sind und er mich uninteressant oder langweilig findet. "Ich erkunde gerne verlassene Orte und spiele auch Spiele … na ja und ich zeichne, aber es ist nicht gerade überwältigend." Sein Blick schweift durch mein Zimmer und fixierte sich auf eines meiner gezeichneten Bilder. Er dreht sich, um die Grafik genauer zu inspizieren und um ihn davon abzuhalten, dazu fehlt mir der Mut.

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Ich selbst

"Hast du das gezeichnet?", fragt er mit einem gewissen Unterton, nicht Abwertung, sondern Interesse!
"Ja-, aber wie gesagt, ich bin nicht gerade der beste."
"Du hast richtig Talent!", dreht er seine Aufmerksamkeit wieder zu mir. Mein rotes Gesicht kann ich durch das Kribbeln eindeutig spüren.
"Auf dem Tisch habe ich noch ein paar mehr." Ich stehe auf und gehe zum Schreibtisch, um mein Zeichenbuch zu greifen. Danach setze ich mich wieder auf mein Bett, Ajax tut es mir gleich. Gemeinsam blättern wir durch das Buch.
"Das ist beeindruckend! Hast du dir überlegt, das mal beruflich zu machen? Und sind das- Arcane und Supernatural Charaktere?"
Oh nein. Jetzt habe ich verloren. Attraktive Menschen schauen so einen Nerdkram natürlich nicht.
Bevor ich antworte, nimmt er mir sofort die Angst, "Gefällt mir."
Innerlich freue ich mich wie ein Kind. "Das kam unerwartet!"
"Ähm- Warum?", er blickt mich verdutzt an.
"Na, weil du eher wie jemand aussiehst, der Actionfilme und Serien guckt. Mehr Explosionen und weniger Inhalt. Vielleicht eher so Noir Filme oder so … Aber das?" Ajax beginnt zu lächeln und klopft mir dabei auf die Schulter. Normalerweise wäre sowas für mich super unangenehm, aber das ist es gerade nicht. "Das höre ich öfters."
Kein Wunder, er sieht einfach wie ein sehr ernster, ruppiger Kerl aus. Ich lächele in mich hinein und sehe ihm dabei zu, wie er behutsam durch die Seiten blättert.
Es klingelt, ein mir unbekannter Ton. Ajax fuhr mit der Hand in seine Hosentasche und holt ein klappbares mobiles Endgerät hervor.
“Ja?”
“Ja.”
“Ja, ich komme sofort."
Das war alles, was gesagt wurde, ehe er auflegte. Er war plötzlich so kühl und dieses so herzliche und warme war gar nicht so richtig zu sehen.
Ein tiefes Seufzen entflieht den Lippen des Mannes, ehe er das Buch zuklappt.
“Ich muss gehen … Ich- hab zu tun", meint er und richtet sich auf. Er geht kurz durch die gemachten Haare und dreht sich nochmal zu mir.
Bevor ich ihn aufhalten kann, öffnet er das Armband seiner Uhr und legt mir diese in den Schoß
“Dann hab ich auch einen Grund wieder zu kommen”, meint er und schmunzelt kurzweilig. Es ist so wunderschön und warm. Doch es war schon wieder vorbei mit diesem Gefühl, denn der Mann hatte sich von dannen gemacht und unseren Spätkauf verlassen.
Und so lässt er mich nur mit seiner Uhr und dem Versprechen, dass er bald wieder zurückkommt.
Sowohl erfreut als auch enttäuscht verlasse ich mein Zimmer. Irene wartete zwischen den Regalen, dass ich wiederkomme, nur um mich dann weiter mit Fragen zu durchlöchern.
"Na-, wie war er? Habt ihr euch schon geküsst?" Sie stupst mir zweimal mit ihren Ellenbogen in die Seite, während ich weiter auf das Armband in meiner Hand starre. Ich hoffe, dass er wiederkommt. Wir haben uns noch so viel zu erzählen. Aber warum ist er so plötzlich gegangen? Er wirkte über den Anruf nicht erfreut …


Es war ein langsamer Tag, unglaublich langsam. Nichts passierte und Felix hatte sich in seinem Zimmer versteckt und geschlafen. Irene hatte sich zu Geratenix gesellt und schlürfte an einer Tasse Tee, während sie der alten Dame Gesellschaft leistete.
Desinteressiert und müde sortiere ich die Waren in einem Regal, ehe zwei Hände auf meinen Schultern mich aufschrecken lassen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als die Kälte der Hände meinen Rücken treffen.
“Hey", sagt Ajax mit seiner ruhigen Stimme. Langsam drehe ich mich zu ihm, wie eine aufgeschreckte Katze.
“Mach das nie wieder", meckere ich ihn an und sieh ihm dabei direkt in die Augen. Seine Züge erweichen und ein keckes Lächeln zieht sich über seine hübschen Lippen.
“Verzeih-”, meint er und ich nickt leicht. “Nun gut- es sei dir verziehen”, antworte ich neckisch. Zufrieden sieht er zu mir, ehe er zu meinem Zimmer deutet.
Ich schmunzel’ und lauf voran, während der gut aussehende Herr mir folgt. Nur im Augenwinkel beobachte ich, wie Irene zurück an die Theke geht, um meinen Platz einzunehmen, wenn ein Kunde kam.
Ich öffne die Tür zum hinteren Bereich und gehe gemeinsam mit ihm zu meinem Zimmer. Es war nicht abgeschlossen, wirklich viel zu verbergen gab es eh nicht. Der Herr ging rein und setzte sich wieder auf mein Bett, erwartungsvoll schaut er zu mir hoch.
“Uhm-“, reagiere ich, ohne zu wissen, was ich sonst sagen sollte. Leicht seufzt er.
“Natürlich, ein Fauxpas von meiner Seite”, sagt er und steht auf. Er nimmt sanft meine Hand und führt sie zu seinen Lippen.
“Willst du mir ein bisschen was über dich erzählen, Louis? Ich würde gerne alles wissen, was du mit mir teilen willst”, sagt er und führt mich zum Bett. Er streift seine Schuhe ab und so tu ich es ihm gleich.

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Ajax (Gott, ist er cool!)

“Also… Hmm… Eigentlich gibt es nicht so viel Spannendes", erkläre ich, doch er schüttelt den Kopf.
“Egal wie banal, ich will es wissen", fügt er an und lehnt sich gegen die Wand. Ich seufze und fahre nervös über mein Bein.
“Ich- Uhm- Ich habe nicht nur ein großes Muttermal im Gesicht, ich habe diese Pigmentierung auch an meiner Hüfte und eines auf meiner Brust”, erzähle ich und schiebe mein Shirt etwas hoch. Mit leuchtenden Augen betrachtet Ajax die Stelle und lächelt.
“Also ich finde sie sehr hübsch, sie machen dich einzigartig und es passt so gut zu deinen Augen", sagt er und schmunzelt. Ich werde ganz rot und er legt mir seinen Arm über die Schulter.
“Jetzt bist du dran", sage ich zu ihm. Er schmunzelt etwas und erzählt mir davon, dass die Narbe auf seinem Gesicht von einem Fahrradunfall kam.
Wir lachen beide etwas, da es doch schon sehr ulkig ist, dass so ein mysteriöser Typ wie Ajax dadurch eine Narbe bekommt.
Ich überlege kurz, was ihn vielleicht noch interessieren könnte. Ruhig mustere ich seine Hand und erzähle, “Ich habe noch nie Alkohol getrunken.”
“Ich habe mir meinen Zeh an der Bettkante gebrochen.”
“Ich habe über 30 Oberteile mit meinen Hörnern zerstört, weil ich immer Löcher in sie hineingebohrt habe, mit den Spitzen.”
“In meiner Freizeit habe ich eine Zeit lang selber Krawatten gemacht.”
“In der Schule bin ich zweimal beinahe rausgeflogen, weil ich zu viel auf dem Jungsklo gesprüht habe.”
“Ich war noch nie in einen Mann verliebt-“
Ich hielt inne, wir haben gelacht und uns unterhalten, die Zeit verging wie im Flug und wir waren uns immer näher gekommen, beinahe liegen wir ineinander.
Doch seine Worte waren wie ein Pfeil, der durch mein Herz geschossen wurde. Mein ganzer Körper ist ganz warm vor Aufregung.
“-und ich wollte fragen, ob wir vielleicht mal ein Date haben wollen”, fügt Ajax hinzu.
Schnell nicke ich und sehe zum anderen hoch. Er grinst, als sei sein Plan perfekt aufgegangen und ich in seine “Falle” getappt.
Nervös streicht ich mir durch die Haare und wusste nicht so recht, wie ich antworten sollte.
“Alles gut? Stehst du nicht auf Männer?”, fragt er direkt, als er mein Unwohlsein wahrnahm.
“Nein! Nein also doch! Also ja, ich steh’ auf Männer aber- Ich- uh- Ich hätte nicht gedacht also- ich-“, stammel’ ich vor mir her und der andere schmunzelt etwas. Ajax streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
“Nächste Woche bin ich wieder hier, um 20 Uhr, deine Zeit. Such dir einen schönen Film aus und wir gucken, was passiert", erklärt er mir. Danach löste er seinen Arm von meiner Schulter, ich hatte ganz vergessen, dass er da ist.
Er stand auf und beugte sich nochmal zu mir runter.
“Mach dir keine Sorgen, Louis. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein. Ich renne ja nicht weg", meint er und legt seine Hand an meine Wange, um mir einen sanften Kuss auf die andere zu geben.
Meine Haut prickelte an der Stelle und eine Gänsehaut zieht sich über meinen ganzen Körper, doch ich wusste auch, dass es sich um einen Abschiedskuss handelt.
“Bis nächste Woche, Louis.”


Mann, ich kriege meine Haare nie so hin, wie ich es will. Ich stehe vor einem Gefrierschrank-Fenster und versuche mir meine lose hängenden Strähnen, um eines meiner Hörner zu richten. Jedes Mal krümmen sie sich und rutscht in ihre Originalposition zurück. So wird das nichts, denke ich mir, und gebe auf.
Irene schleicht sich hinter mir an, "Na-? Und, wann kommt er?" Sie starrt mich hinter mir mit ihren sechs Augen an. Durch die Fensterspiegelung sehe ich ihren kuriosen Blick. Sie war so neugierig wie eh und je.
"Er müsste in den nächsten zehn Minuten kommen."
"Keine Sorge, Darling, den schwierigsten Teil hast du hinter dir."
Fragend drehe ich mich zu ihr, "Was meinst du damit?"
Irene lacht: "Ihn ins Bett zu bekommen, natürlich!"

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Irene (Wie eine große Schwester für mich)

Mit hochrotem Kopf drehe ich mich zu ihr und versuchte zu erklären, dass es doch gar nicht so weit sei, doch die Spinnendame hört mir nicht mehr wirklich zu.
In den letzten Monaten, in meinem neuen Job, wurden sowohl Irene als auch Felix zu wirklich guten Freunden. Beide standen mir mit Rat und Tat zur Seite und es kam mir beinahe so vor, als wären wir Geschwister.
Und für ein wenig Ruhe habe ich dann meine Fledermaus Oma, um gemütlich eine Tasse Tee zu trinken. Wie froh ich bin, die drei zu haben.
"SCHEIß MENSCHENHÄNDLER!"
Irene und ich laufen zurück zur Kasse. Bei dieser stehen zwei Männer, kurz davor, eine Schlägerei zu beginnen. Einer der Männer trägt ein Schlangen-Tattoo an seinem Arm und hält die andere Person, formell gekleidet, an ihrem Kragen.
"Wasn hier los?", sagt Felix von der Seite, bewaffnet mit einem Besen, sein Gesicht bereits wütend verzerrt. Er hasste es, Kunden rausschmeißen zu müssen, aber es ist eine effektive Strafe.
Ich bin einfach zu nett und Irene zu tödlich, als dass es irgendwer anders tun sollte.
"Dieser Mann hier belästigt mich in ihrem Etablissement. Ich muss doch nun herzlich bitten", erwidert der gut gekleidete Mann.
" 'NEN SCHEIß! DAS IST EIN VERDAMMTER HÄNDLER!", stellt der Mann mit dem Tattoo klar und festigt weiter seinen Griff, wobei er ihn gegen die Wand drückt. Das Klirren von fallenden Dosen ist zu hören.
Felix rollt seine Ärmel hoch und packt den tätowierten Mann am Nacken und Schulter. Der scheint jedoch nicht locker lassen zu wollen, wie eine Katze, die ihre Krallen versenkt hat.
"Beide raus hier. Wenn ihr euch umbringen wollt, dann tut es woanders", diese Stimme kommt mir sofort bekannt vor. Ajax steht hinter Felix, seine Haltung zeigt, dass er bereit wäre, um eine Schlägerei zu beginnen. Seine rechte Hand lockert bereits die Krawatte und die andere positioniert einen Plastikbeutel auf den Boden. Felix lässt den Herren vor sich los und tritt beiseite, das war jetzt nicht mehr sein Kampf.
Der Schlangen-Tattoo Mann lässt die andere Person los und geht ein paar Schritte zurück. Er guckt erst Ajax und dann Felix an, wonach er auf den Boden spuckt und den Laden verlässt.
"Danke ihnen. Was für unzivili-"
Doch der Business-Mann brachte den Satz nicht mal zu Ende. Doch er brachte den Satz nicht mal zu Ende. Ein Blick auf Ajax Gesicht genügte dem Herren, um die Situation zu fassen. Er geht mit verärgerter Grimasse und ohne ein Wort von sich zu geben.
"Danke", schüttelt Felix kurz Ajax Hand, worauf er sich wieder in einen anderen Gang verzieht. Ajax zieht seine Krawatte wieder zu und nimmt den Plastikbeutel aus dem Regal.
"Passiert sowas öfters?", fragt er mich. Ich zucke etwas mit den Schultern, ich wollte nicht, dass er denkt, wir sind wie hilflose Kinder der Außenwelt ausgesetzt. Mit verliebten Augen mustere ich meinen Held in "glänzender Rüstung". Ich würde es vielleicht doch nicht so schlecht finden, wenn er hier bleibt, um uns zu beschützen. Doch ich muss mich wieder raffen, denn ich starre ihn einfach nur verliebt an, ohne irgendwas zu sagen. Zurück in die Realität zog mich Irene.
"Bei so vielen Personen, die hier Einkaufen können, sind solche Konflikte leider vorprogrammiert", sagt Irene, weil ich immer noch am gaffen war. Sie reicht ihren mittleren, rechten Arm aus. "Ich bin Irene, du musst Ajax sein", er erwidert den Handschlag.
"Hab schon viel von dir gehört, von unserem Tagträumer. Viel Spaß euch Hübschen.”
Mit ihren vier Spinnenbeinen läuft sie hinter die Kasse, um für mich einzuspringen.
Neugierig schiele ich ein Stück auf die Plastiktüte, die wie von einem Dönerladen aussah.
"Was ist das?"
"Ach das? Ich dachte mir, für ein vernünftiges Date bräuchten wir etwas Restaurantessen. Es ist von Ambrose, es wird dir sicherlich schmecken."
Ich lächele. Er hat an sowas gedacht und wenn sein Geschmack so gut wie seine Serienwahl ist, dann kann es nur ein schöner Abend werden.
Wir schritten also wieder durch die Tür zurück in mein Zimmer. Ich hatte extra aufgeräumt. Die losen Klamotten hängen alle in meinem Kleiderschrank. Meine Küche, die an einer Wand war, war makellos. Mein Bett hatte ich mit einer Tagesdecke überzogen und gestaubsaugt hatte ich den runden Teppich. Selbst die Fenster hab ich geputzt. Mein Schreibtisch mit meinen Zeichnungen war immer noch unordentlich, aber es war meine Ordnung. Mit interessierten Lächeln begutachtet der Mann mein fast makelloses Zimmer.
Ich werde rot und er lächelt mir nur entgegen.
“Keine Sorge. Ich nehme es als Kompliment”, meint er und sieht mich an.
“Setz dich schon mal aufs Bett, ich zieh mich kurz um”, schlage ich ihm vor, welches er mit einem nicken beantwortet.
So verschwinde ich im Bad und zieh’ die bereit zurecht gelegte Kleidung an.
Ein Pullover und eine Anzughose, beides in Schwarz, sind hoffentlich gut genug für meinen perfekten Gast. Ebenfalls hatte ich hier auch einen Strauß Blumen versteckt.
Felix und Irene haben mir geholfen, ihn zusammenzustellen. Also trete ich wieder aus dem Bad und reiche ihm den Strauß.
“Bitte schön … Für dich”, sage ich ihm. Er strahlt und nickt. “Pack ihn doch in eine Vase für mich”, sagt er.
Er hat recht, schließlich will er hier ja noch etwas bleiben. Also nehme ich die Vase aus dem Bad und stelle die Blumen in die Küche, ehe ich mich zu ihm aufs Bett setzte. Die Schuhe hatte er bereits ausgezogen, also tu’ ich es ihm gleich.
Doch während ich damit beschäftigt war, beugt er sich zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange. “Danke für den hübschen Strauß, Louis”, meint er und merkt, wie es mir ganz warm wurde. Meine ganze Haut kribbelt und ich muss grinsen, weil ich gerade so glücklich bin.
Ich nehme die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, wo ich nach einer Serie guckte, die wir beide noch nicht gesehen haben und wo wir beide nicht traurig sind, wenn wir ein bisschen was verpassen.
Nach ein paar hin und her Überlegungen einigen wir uns auf Criminal Minds, was dann auch direkt begann. Nebenher packt Ajax das Essen aus und schiebt es mir auf den Schoß, ohne viel zu denken, nehme ich es in die Hand und beginne zu essen.
Die Textur ist etwas komisch, aber dennoch lecker. Was ich ihm auch zum ausdruck gebe.
“Nur das Beste für dich”, meint er. Vorsichtig lege ich eine Hand um seine Schulter und an seine Wange, um seinen Kopf zu meinem zu ziehen. Sanft küsse ich die Wange des anderen. Die Bartstoppeln kratzen auf meinen Lippen, doch die weiche Haut darunter war ein wundervoller Kontrast, den ich genoss.
Doch ich will nicht komisch sein, so widme ich mich meinem Essen und kuschel mich etwas an die Schulter von Ajax. Der, nachdem nachdem er fertig mit seinem Essen war, einen Arm um meine Hüfte legt und streichelt sanft meinen Schenkel.
Mitten in der dritten Folge beginnt dann sein Handy zu klingeln, kurz darauf zieht er es aus der Tasche und drückt darauf den Anrufer weg. Doch dieser lässt nicht locker und Ajax geht schlußendlich ran.
“Sie wissen, dass ich heute frei hab?”
“Ich bin nicht daran interessiert- Achso- Ich verstehe… Ja- Ja, ich mach’ mich auf den Weg.”
Traurig sieht er zu mir und lehnt sich zu mir runter, sanft berühren sich unsere Lippen. Ein Kuss.
Ein schieres Feuerwerk, explodiert in meinem Bauch, während er sanft meinen Kopf mit weiteren Küssen bedeckt.
“Du musst gehen, oder?”, frage ich ihn bedrückt. Ajax nickt und streichelt mir sanft durch die Haare.
“Aber ich bin bald wieder hier, versprochen”, antwortet er und küsst nochmal meine Lippen.
Er steht auf und nimmt seine Schuhe in die Hand. “Bis bald, Liebling”, meinte er, ehe er geht. Mal wieder. Nicht mal den Blumenstrauß, den ich schenkte, nahm er mit.
Traurig blicke ich dem Herren nach, aber wusste, dass es nun mal so war. Bedröppelt sehe ich ihm in der Tür nach, durch welche Felix schritt.
“Ach Mann, Louis. Schon wieder?”, fragt er.
Ich nicke und Felix seufzt.
“Es is net immer leicht mit Männern”, schüttelt Felix den Kopf.
“Wenn er da ist, ist alles sehr einfach. Aber warum muss er immer gehen, wegen dieses Kack-Jobs. Ich weiß ja nicht mal, wo er arbeitet”, erwidere ich und Felix verzieht das Gesicht etwas.
“Nun jut. Ich lass’ dich mal dein’ Film gucken. Aber morgen musst du arbeiten, sonst kriege ich Ärger.”
“Ja ja … mach’ ich.”
So verschwindet Felix schon wieder und ich schaue traurig die Folge zu Ende, mit der Uhr des anderen in der Hand.
Darauf wartend, dass der andere bald wieder kommt.


Seit drei Tagen habe ich nichts mehr von Ajax gehört. Ich muss unbedingt wissen, warum er immer geht, bevor es unsere Beziehung gefährden könnte. Nicht mal im Ansatz konnte ich mir was vorstellen, was so wichtig ist.
Trübe kassiere ich einen Kunden von uns ab und versuche freundlich zu bleiben, obwohl meine Stimmung eher nach einer dicken Ladung Eis und einer weiteren Begutachtung von Titanic verlangt.
Als der Kunde geht, nähert sich Felix, "Du, mach 'ne Pause. Man spürt deinen Frust noch bis ‘n Gang."
Ohne etwas zu entgegnen, gesellte ich mich zu Geratenix. Sie schenkt mir eine Tasse Tee ein, ohne zu fragen, und schiebt sie mir entgegen.
Dankend nehme ich die Tasse an. Die Dame begann wieder zu stricken, während sie mir dabei zuhörte, wie ich mich über Ajax auskotzte.
Sie blieb dabei ruhig und unterbrach mich nicht.
"Junger Mann, ich kann verstehen, dass du traurig bist. Liebe ist leider eine schöne Blume mit Dornen. Wunderschön und doch nicht immer einfach bei sich zu behalten. Du musst gut auf sie achten."
"Es wäre zumindest schön, wenn ich wüsste, warum er andauernd geht." Zurückgelehnt in ihren Gästesessel, halte ich den Tee in beiden Händen, ehe ich was von der Oberfläche schlürfe. Der Tee war verdammt heiß.
"Vielleicht solltest du mit diesem Schnuckelchen ein Gespräch führen. Er kann es dir sicherlich erklären. Ihr seid doch beide große Jungs, es gibt für so junge Liebe immer eine Lösung. Schließlich seid ihr noch flexibel!"
"Du hast bestimmt recht. Es war sicherlich was Wichtiges, dennoch-", stimme ich ihr zu, werde aber durch eine Explosion unterbrochen.
Rauch steigt zwei Regale weiter auf. Sowohl Geratenix als auch ich gucken uns fassungslos an.
Schnell stelle ich die Tasse beiseite und renne um die Ecke, um zu sehen, ob es Felix und Irene gut geht. Bevor ich soweit komme, schubst mich ein Typ in Soldaten-artiger Uniform zu Boden und hält mir den Lauf einer Waffe an den Hinterkopf.
"Keine Bewegung!", befiehlt mir dieser Arsch. Keine Ahnung was sie hier suchen. Die behandeln uns wie Drogenbarone in einer Lagerhalle irgendwo abseits von Berlin. Wir haben doch nichts verbrochen. Nichts von dem, wüsste ich zumindest.
Aus dem langsam sich lichtenden Rauch zeichnet sich eine prekäre Szene. Auf Geratenix und mir wird mit einer Waffe gezielt. Felix ringt mit einem Beamten und stößt diesen gegen einen Schrank, ehe er von einem weiteren getasert wird. Ein unangenehmes Geräusch kam aus seinem Mund, als ich zu Boden fiel.
Irene erging es nicht sonderlich besser, sie hat versucht, ihre giftigen Zähne in einem der Männer zu versenken, doch ihre Panzerung war zu hart, als das sie die Haut auch nur verletzen könnte. Sie wird zu Boden gedrückt und ein Knebel wird ihr in den Mund geschoben.
Das Bimmeln der automatischen Tür sagte uns, dass mindestens eine weitere Person den Laden betritt, jedoch sagen mir die Schritte, dass es mehr sind. Ich versuche unter dem Regal hindurch zu erkennen, wie viele es waren.
Ein schwarzes Paar Stahlkappenschuhe, ein paar Mary Janes und schwarze italienische Loafer mit roter Sohle. Mein Blut kocht in meinen Adern und hinter dem Regal trat ein bewaffneter Soldat, eine Frau im Anzug und Ajax mit seinem charakteristischen Anzug hervor.
Sein Blick ist kühl und emotionslos.
Die Frau hat lange schwarze Haare, zusammengebunden in einem Knoten. In ihrer Hand hält sie einen Block, auf dem sie Notizen macht.
“Vier anomale Subjekte sind fixiert, gibt es noch mehr hier, Herr Rosenhauer?”, fragt die Dame.
“Nein. Nicht das mir etwas bekannt wäre”, stellt Ajax klar. Der Kugelschreiber der Dame fliegt über das Papier.
“Sie verstehen unsere Sprache?”
Ajax nickt nur als Antwort. So schlendert die Dame zu Felix hinüber und hockt sich vor ihn.
“Hm … Eine Taschendimension mit 4 Angestellten. Übersichtlich in seiner Größe, nimmt vielleicht 5 Kubik Kilometer ein… Die Realität hier ist”, schweift sie mit dem Finger durch die Luft.
“Akzeptabel- Scheint mir doch sehr viel stabiler zu sein. Das ist der Manager, Herr Rosenhauer?”, fragt sie und zeigt dabei auf Felix.
Ajax nickt.
“Dann ist das hier A und die alte Dame ist B, die Spinnendame C und der junge Mann hier D … Sie können sich doch vorstellen, wer ich bin, oder?”
“Verpiss’ dich”, zischt Felix nur und spuckt der Frau auf die Schuhe.
“Gastfreundschaft wird hier wohl nicht großgeschrieben”, sagt die Frau augenrollend. Ajax beißt sich auf die Lippen und vermeidet meinen Blick. Als wäre das Wissen über meinen Ausdruck schon Strafe genug.
“Dann muss ich wohl ihn hier für die Befragung mitnehmen”, meint die Dame. Sie hockt sich vor mich.
“Also D. Ich bin Dr. Amalia Neustädter. Wissen Sie, warum ich hier bin?”, fragt sie mich. Ihr Blick scheint meinen Kopf zu durchlöchern.
“Lass ihn in Ruhe du Hexe und leg dich jemanden in deiner Größe an!”, ruft Felix, bevor ihm auch ein Knebel in den Mund geschoben wird.
“Ich bin hier, weil dieser Spätkauf hier nicht so ist wie gewöhnliche Spätkäufe und ich würde gern mehr darüber erfahren. Meinem Kollegen Rosenhauer sind Sie bestimmt schon mal begegnet. Ich würde Sie bitten zu kooperieren, schließlich wollen wir keine Gewalt anwenden”, meint sie. Mit einer Handbewegung weist sie den Soldaten hinter mir an, eine lockere Position einzunehmen und ich hatte das Gefühl, wieder atmen zu können.
Doch ich habe einen Kloß im Hals und schaffe es nichts, als nervöses Gestammel über meine Lippen zu kriegen. Wer sind die und warum ist Ajax unter ihnen? Meine Gedanken verknoten sich in meinem Schädel, kurz davor, mir einen Nervenzusammenbruch zu geben.
"Nun gut! Genaueres besprechen wir ganz in Ruhe später", Die sogenannte "Doktorin" schaut einem der Soldaten an und nickt mit ihrem Kopf. Wir vier werden in Handschellen gesetzt und gewaltsam zum Aufstehen gezwungen. Mehrere der Soldaten richten ihre Waffe auf Irene und Felix aus Angst, dass sie etwas anstellen könnten.
Sie drängen uns zur Eingangstür mit der Entschlossenheit, uns aus dem Späti zu zerren. Einer der Agenten öffnet die Tür, ein Dorf mit zahllosen Hügeln ist zu sehen. Viele der Wohnungen scheinen in die Hügel hineingebaut zu sein.
"Los geht's", ruft Dr. Neustädter und ein Agent versucht Felix aus dem Laden hinauszudrängen. Bevor ihm dies gelingt, knallt die Tür von alleine zu und ein Geräusch wie das Schließen eines Schlosses ist zu hören.
"Was geht hier vor?", fragt Dr. Neustädter mit einem leichten Ton der Angst. Ihr Blick richtet sich nervös zu Ajax, der genauso kühl starrt wie als er reinkam. Obwohl Felix wütend hineinblickt, lässt er ein kurzes Prusten aus.
"Unser Platz is hier."
"Lassen Sie diese Schikanen", Felix wird in einem Schmerzgriff gehalten.
"ICH KANNS NET ÄNDERN! WIR, ALS MITARBEITER DÜRFEN NET GEHEN!", schreit Felix vor Schmerz aus.
Der Griff der Soldaten lockert seinen griff, zumindest zu sehen an Felix Ausdruck.
“So steht’s im Vertrag- Keiner kann gehen”, antwortet er mit einem leicht arroganten Grinsen.
“Und? Was wollen sie tun? Welchem Protokoll wollen Sie folgen?”, meint er schnippisch.
“WAS GEHT HIER EIGENTLICH VOR?!”, schreie ich in den Raum. Wütend blicke ich auf den aufgeschreckten Felix und die Doktorin.
“Warum sind Sie hier? Warum scheint Felix zu wissen, wer Sie sind? Warum werden wir behandelt wie Kriminelle? Wir haben nichts falsch gemacht. Und Du!”, blicke ich wütend zu Ajax, dessen Hand seinen Ellenbogen umklammert, um dort Halt zu finden, während er den Boden taxiert.
“Du schuldest mir nicht nur eine Antwort, sondern eine Erklärung! Ich will wissen, was zum Fick hier abgeht, weil ich ansonsten meinen überarbeiteten Verstand verliere!”, sage ich und wie ein trotziges Kind schmiss ich mich gen Boden und setze mich hin.
Felix kichert etwas.
“Dann darf ich dir wohl die lieben Agenten der SCP-Foundation vorstellen. Ein Haufen Spinner, die glauben, dass wenn man das, was man nicht versteht, in eine Box packt oder vernichtet, allen geholfen ist.”
Die Doktorin rollt ihre Augen genervt auf Felix's Bemerkung. Es scheint nicht seine erste Interaktion mit der Organisation zu sein.
“Was mich wundert, ist das Ajax einer von euch ist-“
“Ajax?”, verwundert sieht die Doktorin auf ihn. “Sie haben doch wohl nicht ernsthaft deswegen ein Deckprofil verlangt, Rosenhauer. Das melde ich Ihren Vorgesetzten und dann können Sie sich was anhören-“, lässt die Dame aus, aber wird unterbrochen.
“Ich habe bereits mit meinen Vorgesetzten gesprochen, noch bevor ich mit Ihnen gesprochen habe. Ich sehe durch diese Realität keine Bedrohung, höchstens ein Verlust des Vorhangs oder Ähnliches, aber selbst das kann sehr leicht verhindert werden, wenn-“
“Ach Papperlapapp, wir brauchen diese Dimension zur Forschung, zumal es auch ein guter Stützpunkt ist, um zu reisen.”
Felix muss wieder etwas auflachen.
“Ihr Spinner denkt ernsthaft, dass der Chef das erlaubt? Ihr verscheucht doch nur die Kundschaft.”
Irene und Geratenix nicken. Ich versuche immer noch, eine Erklärung aus Ajax raus zu bohren, welcher meinen Blick meidet.
"Mal ernsthaft, Neustädter. Sie haben mindestens ein Dutzend ähnliche Realitäten unter ihrem Schirm, man kön-", Ajax, oder scheinbar "Rosenhauer" wird von der Doktorin scharf unterbrochen.
"Es heißt Dr. Neustädter!"
"Jetzt hören sie mir gut zu! Diese Bude könnte uns besser zum Kontaktaufbau zu Nexus dienen. Dieser Ort ist sowohl mit Three Portlands, als auch mit mindestens zehn deutschen Nexus verbunden. Man müsste nur die Wege schließen, die zu Nicht-Nexus Orten führen, wie der in Berlin", schlägt Ajax vor. Dr. Neustädter schließt genervt ihre Augen und lässt einen tiefen Stöhner raus.
"Sie versuchen nicht wirklich, diesen Ort vor uns selbst zu beschützen? Nun gut, dann lassen Sie uns sehen, wie die Vorgesetzten ihren Vorschlag aufnehmen. Beta, Delta und Omega bleiben hier und bewachen- Nun, das hier bis die Entscheidung fällt. Alpha, sie kommen mit uns", Die Doktorin, Ajax und einer der Soldaten sind dabei, den Laden zu verlassen. Noch immer geschockt und frustriert saß ich da und starre den Rücken von Ajax an.
Bevor dieser durch die Tür treten kann, sprang ich auf und bellte ihm hinterher: "Du Arsch! War das also alles gespielt? Du kannst mich mal! Jeden einzelnen Tag, den ich verbracht hab, zu hoffen, dass du durch diese Ladentür kommst, verfluche ich und wenn ich dich noch einmal hier sehe, reiße ich dir deine BESCHISSENEN GLIEDMAßEN RAUS!".
Ajax dreht sich mit einem von Schmerz verzogenen Gesicht um, ehe er den Laden verlässt. Nur das Klingeln der elektronischen Glocke füllte den Raum.
Ich fall zu Boden und spüre, wie mir Tränen von den Wangen bis in die Hände fließen.
Die Soldaten lassen Geratenix und Felix frei, behalten aber Irene in Gewahrsam, weil sie nicht gerade danach aussah, als wolle sie freundlich und nett sein.
Ich spüre die Hand von Felix auf meiner Schulter. Sanft streicht er über meinen Rücken und meine Haare.
“Wird schon … Komm- Ich mach das, du gehst ins Bett”, sagt er.
Wie automatisch stand ich auf und lief in mein Zimmer und sah mir jeden Ghibli Film an den ich finden konnte, während ich ein halbes Kilo Eiscreme verputzte.


Die drei Soldaten waren überraschend freundlich. Sie mussten hier für einige Zeit verweilen und Geratenix bot ihnen Essen und Trinken an. Am Ende des Tages waren es auch einfach nur Menschen, die ihre Arbeit tun wollten und während der Öffnungszeiten blieben die drei im Hinterzimmer.
Sie spielten Karten und redeten miteinander. Sie schienen froh zu sein, Zeit an einem so ruhigen Ort verbringen zu können. Das Gefährlichste hier war der ein oder andere schleimige Kunde, der eine Spur im Gang hinterließ, oder die Konflikte, die hin und wieder zwischen manchen Kunden zustande kamen.
Aber als Aufsichtsperson und Manager wusste Felix genau, wie er damit umzugehen hatte.
Es verging also knapp eine Woche, bevor der Anführer der drei Soldaten, Ajax und Dr. Neustädter wiederkehrten. Sie schmeißt Felix wortlos einen großen Stapel Papier auf den Tresen.
Felix zuckt mit einer Augenbraue. “Sie wollen, dass ich das hier unterschreibe?”, fragt er und mustert die Dame amüsiert.
“Das muss ich mir erstmal durchlesen und dann an den Chef weitergeben", meint er und die Doktorin stöhnt genervt auf. Auch wenn es ihr wahrscheinlich klar war, dass das passieren würde.
Felix genießt es anscheinend, die Leute der SCP Foundation leiden zu sehen. Deswegen nimmt er sich den Stapel vor und beginnt in Ruhe am Tresen zu lesen.
Ich habe mich bereits zu den Kühlwaren verkrümelt, um einer Konfrontation mit Ajax aus dem Weg zu gehen. Ein unglaubliches Schamgefühl hat mich bei seinem Anblick gepackt, weil ich so ausfallend wurde.
Doch statt des Gesprächs entrinnen zu können, scheint das Gespräch nach mir zu suchen.
Ajax fand mich schnell hinter den Kühlregalen.
Trotz seiner kalten Miene sieht er fertig aus. Tiefe Augenringe schneiden sich in sein sonst so makelloses Gesicht und seine Haare, die sonst perfekt sitzen, sind etwas struppig.
“Es- es tut mir leid”, entschuldigt er und sieht mich reumütig an.
“W-Was?”, frage ich, überrascht davon, wie er reagierte. Ich dachte, er würde schreien, weinen, ausrasten, aber- Er blieb ganz ruhig.
“Ich habe dich belogen. Ich habe euch alle belogen. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich hab meine Arbeit und meine Position über dein Wohlergehen und schlimmer noch unsere Beziehung gestellt”, erklärt er in seiner Aussprache und mit einer gewissen Sensibilität, die ich so noch nie wirklich wahrgenommen habe.
“Ich- Ich muss mich auch entschuldigen … Ich hab wirklich sehr gemeine Sachen gesagt, weil ich so verletzt war. Das hätte ich nicht machen dürfen. Es tut mir wirklich leid”, erwidere ich schnell darauf.
“Stell mir bitte alle Fragen, die dir auf dem Herzen liegen und ich werde sie mit aller Offenheit beantworten, die ich machen kann, ohne direkt einen Schlag von Neustädter zu kassieren”
“Es heißt Dr. Neustädter Rosenhauer!”, kam eine spitze Bemerkung von Tresen.
Ich überlegte kurz und setze mich vors Kühlregal.

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Ajax (Die andere Seite der Medaille)

“Wie heißt du?”
“Alexander Rosenhauer.”
“Was für ein unpassender Name. Ajax passt besser.”
“Wenn du meinst …”
“Wie alt bist du?”
“27.”
“Was genau ist dein Job?”
“Ich bin Agent, das heißt, ich arbeite in einem Bereich, in dem die Foundation ihren Einfluss haben möchte und nutze diesen. Dabei finde ich manchmal Anomalien, welche ich dann an Dr. Neustädter weitergebe.”
“Was war los, als du gehen musstest?”
“Es gab einen Notfall bei einem Standort in der Nähe meines Wohnorts und es wurden alle Einsatzkräfte in der Gegend verlangt. Auch mein Deckjob bei der Polizei verlangt das von mir, das war dann das von unserem Date.”
Ich überlege und sehe ihn besorgt an. Die Frage, die mir noch übrig geblieben war, war für mich die wichtigste. Ich atme tief durch und sehe ihn tief in die Augen.
“Hast du dein Interesse an mir nur vorgegaukelt, um an Informationen zu kommen?”
“Nein”, stellt er direkt, klipp und klar. Vorsichtig setzt er sich zu mir und sanft legt er seinen Arm um meine Schulter. Mir wird direkt warm im Körper und in meinem Bauch tanzen die Schmetterlinge Walzer.
“Ich habe mich immer nach der Zeit gesehnt, die wir zusammen verbringen und es war jedes Mal schmerzhaft dich hängenzulassen. Ich verspreche dir das von nun an alles besser wird.”
Ich versuche ebenfalls Worte zu finden, aber ich kann mich nicht entscheiden, was ich sagen soll. Stattdessen umarme ich ihn. Ich umarme ihn, als würde ich ihn nie wieder loslassen wollen. Es dauert einen kurzen Moment, bis er mich fest in seine Arme schließt.
Einen Moment lang liegen wir still gemeinsam in unseren Armen. Ich dachte nach was ich ihn noch fragen könnte und es fiel mir nur eine einzige Sache ein:
"Bist du verliebt in mich?", frage ich ihn ganz leise, als hätte ich die Frage lieber in meinem Kopf anstatt an den Mann vor mir gerichtet.
"Natürlich. Was glaubst du, warum ich mir all den Aufwand für dich mache?", erwidert Ajax keck. Am liebsten würde ich jetzt in Tränen ausbrechen und die Last der letzten Tage, wenn nicht sogar Wochen, von meinen Schultern nehmen.
“I-Ich- Ach, keine Ahnung”, sage ich und zog ihm an mich ran, um ihn einen Kuss auf die Wange zu geben.
“Ich werde so schnell nicht-“
"Nicht ihr Ernst", hören wir beide von der Theke aus Felix Mund. Wir gucken uns an und lächeln über die Absurdität der beiden Streithähne dort hinten. Zusammen gehen wir zur Doktorin und Felix.
"Sie wollen, dass wir ein Drittel der Wege schließen?"
"Also das oder ihr Logo besteht bald aus einem Kreis mit drei Pfeilen."
Felix grummelt über den Kompromiss, "Ich lege es dem Chef vor, solange schließe ich die Wege."
"Kluge Entscheidung. Nun gut, Rosenhauer, Sie erfüllen dann auch schon mal ihren Teil", deutet Neustädler an.
"Was meint Sie damit?", frage ich Ajax leise. Auf mich wirkt es fast wie eine Strafe, so wie sie es ausdrückt. Wobei man sagen muss, dass alles aus ihrem Mund negativ klingt …
"Ich werde als "Vertreter" der Foundation hier arbeiten. So schnell wirst du mich nicht mehr los, Louis."
Ich werde einmal wieder rot.
"Warum jemand mit dem Talent von Rosenhauer sich freiwillig einer Degradierung für diesen Spätkauf unterzieht, scheint mir gar abstrus. Aber solche Abnormalitäten sind ja eigentlich das, was meinem Beruf Charm gibt", Ajax und ich gucken uns an und ich muss etwas grinsen, während er mit den Augen rollt.
"Ich erwarte in der nächsten Woche eine Entscheidung ihres Chefs", mit diesem Satz verabschiedet sich Dr. Neustädler, bevor sie durch den Weg steigt.
Felix schweift seinen Blickt misstrauisch über Ajax, "Gut Louis, weise 007 in unseren Alltag ein."
Ich wende mich an meinen neuen Partner, "Keine Sorge, er ist etwas nachtragend"
Er gibt mir ein sanftes Lächeln, eines, das nur mir gewidmet ist. "Gut, dass du mich einweist”, meint er nur frech.
“Na komm, Ajax. Du musst erstmal den Vertrag unterschreiben und dann ziehst du dich um.”
“Aber nur wenn du zuguckst."
Felix ruft: “Hier wird jearbeitet und net rumgeknutscht, sonst zieh ich euch die Ohren lang!”
Ich lache und strecke meine Hand nach der von Ajax aus. “Komm- Ich zeig dir erstmal unser Zimmer.”


“Aufsteh’n, Turteltäubchen! Frühstück!”, schallte es durch die Tür, mit ohrenbetäubenden Klopfen. Irene nutzte immer alle Hände, um gegen die Tür zu schlagen, wenn sie uns weckte. Grummelnd rollte ich mich noch dichter an meinen Partner, der seinen zweiten Arm um mich legte.
“Komm Louis … Aufstehen", meinte Ajax. Obwohl schon 2 Monate vergangen waren, war der Herr immer noch nicht ausgezogen. Aber das war nicht schlimm, denn mein Zimmer ohne ihn wäre gar undenkbar.
Ich murrte und drückte mich noch mehr an ihn. Er küsste meine Stirn sanft, ehe er sich aufrichtete und das Bett verließ, um zum Kleiderschrank zu gehen. Unglücklich folgte ich meinem lebendigen Heizkissen und legte meine Arme um seinen Bauch.
“Na komm, Darling. Zieh dich an", meinte er und ich zog mir lustlos eines seiner Shirts über. Ein paar Cargos und meine Socken und Sneaker und der Look war komplett. Ajax konnte immer noch nicht von seinen italienischen Schuhen lassen und trug die markanten Loafer mit roter Sohle, selbst im Sommer.
Felix hatte den Vertrag unterzeichnet, im Namen des Chefs natürlich und schloss so die Wege nach Three Portlands. Natürlich war er frustriert deswegen, weil nun ein Teil unserer Kunden verschwand, aber dafür hatten wir einen neuen breit gebauten Türsteher, der den ein oder anderen Kunden, der sich nicht benehmen konnte, rauswirft.
Auch schienen meine Freunde nicht gerade unzufrieden mit meiner Partnerwahl. Obwohl Felix immer noch nicht Ajax oder, wie er ihn nannte, Rosenhauer nicht über den Weg traute. Doch sowohl Irene als auch Geratenix waren mehr als glücklich mit meinem Partner, der mir jeden Tag aufs Neue bewies, wie sehr er mich liebt.
Niemals hätte ich gedacht, dass ein Schritt durch die falsche Tür mich in eine neue Welt brachte. Eine, wo ich Freunde und ich würde gar sagen Familie fand. Der kleine Mikrokosmos, der sich zwischen den Dimensionen bewegte, war ein Heim für uns fünf.
Also kann ich abschließend nur die Lehre ziehen, dass man dem Glück lieber nicht den Rücken kehrt.

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