Brennende Alexandria

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Ein Ende

Das Ende begann mit dem Supervulkan.

Die östlichen Inseln waren vor dem Ausbruch ein tropisches Paradies und eine blühende Nation. Dann, nach einigen Wochen des Bebens, schleuderte der größte Vulkanausbruch seit mehr als zwei Millionen Jahren Tausende von Kubikkilometern geschmolzener Erde, Asche und Staub in die Atmosphäre und regnete Höllenfeuer auf eine verängstigte Bevölkerung. Innerhalb weniger Tage war das einstige Paradies ein von Asche übersätes Ödland. Innerhalb weniger Wochen würden Hunderte von Millionen ersticken oder verhungern.

Die Organisation ignorierte dies. Obwohl das Ereignis katastrophal gewesen war, befasste sie sich ausschließlich mit unnatürlichen Angelegenheiten. Und während Millionen gestorben waren, mussten Milliarden bedroht werden, bevor sie einen Finger rühren würde. Aber sie habt die Supermächte beobachtet. Die Östlichen Inseln waren eine Supermacht gewesen, und zwar eine nukleare. Es gab auch andere. Avalon. Die Tundra-Staaten. Die westliche Republik. Atlantis. Jede von ihnen bot Unterstützung an, während sie insgeheim ihre Erleichterung zum Ausdruck brachte, als ihr angeschlagener Rivale langsam zusammenbrach und starb.

Die Aschewolke breitete sich über Wochen aus und brachte einen unnatürlichen Winter mit sich. Was eine Nation lähmte, würde den Rest lähmen. Sehr schnell wurde klar, dass die Landwirtschaft unter diesen Bedingungen eine sinnlose Angelegenheit war und die Nahrungsreserven zur Neige gehen würden.

Die Organisation ignorierte dies. Um ehrlich zu sein, die Supermächte waren eine Unannehmlichkeit, mit der sie über zu viele unbedeutende Details verhandeln musste. Sie hatten ihre eigenen Methoden zur Beschaffung von Ressourcen, und außerdem war dies keine unnatürliche Angelegenheit.

Die internationalen Spannungen waren hoch. Es kam zu Grenzscharmützeln, zuerst gegen verbündete Staaten und dann gegen die Supermächte selbst. Soldaten stießen zusammen, als jeder Staat sich bemühte, die Ressourcen zu beschaffen, die er zum Schutz seiner Bevölkerung benötigte. Menschen starben qualvoll, während sie versuchten, die grundlegendsten Notwendigkeiten zu erwerben.

Die Organisation ignorierte dies. Zumindest offiziell.


Während sich die Organisation als Ganzes formell von der Not der übrigen Menschheit distanziert hatte, waren einzelne Forscher und Mitarbeiter besorgt. Ihre Familien waren versorgt, aber ihre Sicherheit war immer noch fraglich. Mehr als ein hochrangiger Forscher hatte dem Rat einen Antrag auf Intervention gestellt.

Silberregen de Atlanti, Hauptarchivarin des Ewigen Archivs hatte ihre Argumente deutlich gemacht.

Aus meiner Sicht war die Auswirkung auf die Menschheit noch nie so deutlich. Es ist etwas, das ich nicht mit meinen eigenen Augen sehen oder mit meinen Händen berühren kann, aber etwas, das ich taghell hören kann. Der Rhythmus der Menschheit selbst hat sich verändert.

Ich bin an den Klang neuer Leben gewöhnt, die in die Archive einziehen. Eine Art stetiges rhythmisches Trommeln, ein dröhnender Schlag, der aus den Echos und der Geometrie der Archive resultiert. Das Geräusch neuer Bücher, die in die Regale fallen, so sicher wie ein Herzschlag. Ich bin sicher, dass das Archiv selbst lächelt, wenn es den gleichmäßigen Klang hört und persönlich den Fluss steuert, damit eine reibungslose Melodie aufrechterhalten wird.

Ich höre jetzt die Arrhythmie der Menschheit. Was einst ein gleichmäßiger Herzschlag war, ist jetzt eine stotternde und ungleichmäßige Abfolge von Schlägen. Es klingt schlecht. Klingt krank.

Ein solcher Rückgang der Geburtenrate ist ein Zeichen dafür, dass die Menschheit unser Eingreifen braucht, jetzt mehr denn je. Wir existieren, um die Menschheit vor dem Übernatürlichen, dem Arkanen und dem Unwirklichen zu schützen. Aber unsere Pflichten sind nicht in Stein gemeißelt, und unser Versäumnis, auf diese Bedrohung zu reagieren, eine Bedrohung durch das System selbst, wird uns alle zum Scheitern bringen.

Hautarchivarin de Atlantis, Wächterin des Ewigen Archivs


Ein paar Tage später wurde sie vom Dröhnen einer Sirene geweckt. Unten im Archiv wurde selten ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus eingehalten, da die ständige Dämmerung und die Zurückgezogenheit der Archivare dazu führten, dass sich eher an einen Zeitplan gehalten wurde, der einem persönlich zugutekam. Sie rollte sich aus ihrem Bett, schlüpfte in einen Bademantel und trat aus ihrem kleinen Quartier in das Zentrum, das die Heimatbasis war. Als Chefarchivarin (und Beobachterin) war es ihr gelungen, die Organisation davon zu überzeugen, ihr eine kleine Unterkunft im Archiv einzurichten. Nicht, dass Bescheidenheit erforderlich war; sie war das einzige Personal hier unten und weit darüber hinaus, sich Gedanken machen zu müssen. Die meisten Menschen, die ihr zweites Jahrhundert erreichten, mussten dies nicht.

Die Sirene dröhnte von einer humanoiden Gestalt aus Plastik und Titan – einem der KI-Konstrukte der Organisation, dem eine physische Form gegeben wurde, damit es die Archivare direkter unterstützen konnte. Silberregen ging darauf zu und drückte einen Knopf, um Aufmerksamkeit zu erregen.

"Kundschafter, stellen Sie den Alarm ein. Was ist los?"

[Ein Ereignis der XK-Klasse steht unmittelbar bevor, Hauptarchivarin. Alle Standorte werden abgeriegelt. Dem Personal wird empfohlen, Schutz zu suchen.]

"XK? Wie? Was hat die Eindämmung durchbrochen?"

[Die gesamte Eindämmung ist derzeit sicher. Die Scanner haben jedoch eine große Menge an Aktivität in großer Höhe und niedriger Umlaufbahn entdeckt. Es scheint, dass die automatischen Reaktionssysteme ausgelöst wurden.]

"Automatisierte Reaktionssysteme? Als Reaktion auf was?"

[Atomstarts.]

Silberregen erbleichte. "Kundschafter, wie viele HALO-Objekte wurden entdeckt?"

[Neuntausendzweihundertzwölf bei der letzten Zählung.]

Silberregen zwang die Panik dazu, nachzulassen. Sie könnte später ausflippen. "Wo sind die anderen Archivare?"

[Derzeit im Bunker an der Oberfläche.]

"Sag ihnen, sie sollen hierher kommen."

[Das bringt nichts, Hauptarchivarin. Alle Standorte sind gesperrt, einschließlich diesem. Der Weg ist gesperrt. Auf das Archiv kann nicht zugegriffen werden.]

Sie rannte zur Treppe, wobei ihre Füße zwei Stufen auf einmal hinaufstapften. Sie war nicht mehr gerade munter und fühlte sich viel älter, als sie aussah, aber sie konnte immer noch ein schnelles Tempo schaffen. Ihre Knie schmerzten und sie hämmerte gegen die verschlossene Stahltür, drückte die Knöpfe und rief nach ihren Leuten.

Ein Klopfen kam zurück und eine gedämpfte Stimme. Die Logik setzte ein und sie rannte die Treppe hinunter zur Basis.

"Kundschafter, stell mich durch. Sofort."

Die KI öffnete einen Videokanal. Auf dem Bildschirm konnte sie die Gesichter ihrer Archivare sehen. Sternschnuppe mit seinem hellen Haar und seiner faltigen Haut. Nordwind mit ihrer blassen Haut und ihrem glatten Haar. Morgentau mit ihrem dunklen Teint und ihren geduldigen Augen. Sie sahen so besorgt und verängstigt aus, wie sie. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben.

"Sternschnuppe, Lagebericht."

Seine Stimme kam klar durch und sie konnte sie brechen hören.

"Wir stecken hier in der Abriegelung fest. Die Bomben fallen. Die westliche Hauptstadt ist verschwunden, ebenso wie der Großteil der Republik. Die Südmonarchie wurde ausgelöscht." Er stoppte. "Atlantis ist weg. Wir haben die Explosion über dem Meer vom Fenster aus gesehen."

Silberregen zwang sich, nicht zu weinen.

"Soweit wir das beurteilen können, wird das Satellitensystem bald ausfallen. Zu viele Interferenzen."

"Hat der Rat Befehle für eine Reaktion geschickt?"

"Der Rat ist weg."

"Was, wie?"

"Boshaftigkeit, denken wir. Eine der Supermächte hat uns als ihr Ziel einbezogen. Sie treffen unsere Standorte. Die meisten sind dunkel geworden.“

"Ist Notfallplan sicher?"

Sternschnuppe sah angeschlagen aus. Morgentau trat in die Mitte der Kamera. "Er wurde von einer der Bomben getroffen. Er ist auch weg."

Silberregen spürte einen weiteren Stich der Panik in ihrer Brust. "Hört zu, bleibt da draußen einfach in Deckung. Wir werden das abwarten. Sobald die Abriegelung vorbei ist, können wir einen Weg finden, das zu beheben.“

Im Hintergrund dröhnte ein weiterer Alarm.

"Kundschafter, was ist das?"

Ihre Archivare schauten zu ihr. Sternschnuppe war den Tränen nahe und Nordwind weinte bereits. Morgentau zwang sich zu einem Lächeln.

"Mach dir keine Sorgen, Boss. Du hast das Archiv. Du wirst eine Antwort finden." Sie beugte sich vor. "Denk dran, Boss, wir alle l…"

Der Himmel teilte sich, der Boden erbebte und die solide Stahltür gab nach.

Silberregen hielt für einen Moment schockiert inne. Betäubt sank sie auf die Knie.

Hinter ihr hörte sie ein einzelnes Klopfen des letzten neuen Buches und dann völlige Stille.

Sie füllte die Stille mit ihrem Schluchzen.


Sie las das neue Buch. Es war schmerzhaft kurz. Wie der Rest.

Sie stöberte tiefer in den Archiven, suchte wahllos Bücher heraus und suchte verzweifelt nach einem Buch, das sich ständig aktualisierte. Suchte vergeblich nach einem Buch, das nicht abrupt und sinnlos endete.

Sofort durch Atomexplosion verdampft.

Starb qualvoll an Strahlenvergiftung.

Abrupt durch Atomexplosion vaporisiert.

Von einer atomaren Schockwelle sinnlos zerschmettert.

Unter einem einstürzenden Fallout-Bunke schmerzlvoll zermalmt.

Tot. Tot. Tot. Tot.

Sie traf eine Entscheidung. "Kundschafter, hol mein Buch."

Die KI hielt inne, um auf ihre interne Karte zuzugreifen, und brach dann in einem in einem unmenschlichen Sprint zwischen den Regalen auf. Sie kehrte eine halbe Stunde später zurück und wiegte das Buch in ihren Armen. Sie reichte es ihr.

[Ich hoffe, Sie denken nicht überstürzt nach, Hauptarchivarin.]

"Nein. Noch nicht, Kundschafter. Ich werde es noch brauchen."


Sie wusste, dass ihre Grundidee wahrscheinlich verrückt war.Sie basierte ausschließlich auf Gerüchten von Wächter zu Wächter. Sie wies den Kundschafter an, weit entfernt von ihr zu warten, und wanderte in einen dunklen Teil des Archivs.

Sie erinnerte sich an die ersten Lektionen, die sie während ihrer Aufnahme hier vor fast einem Jahrhundert erhalten hatte, frisch von der Akademie. Sie waren der letzten Lektion sehr ähnlich, die sie vor fast vierzig Jahren, vor seiner Pensionierung, von dem vorherigen Wächter erhalten hatte. Das Archiv lebte. So viel war klar. Irgendwo da drinnen war ein riesiges Bewusstsein, und es hatte eine Art moralischen Kompass. Daher wurde jedem Archivar beigebracht, das Ewige Archiv zu respektieren und zu pflegen, und es war nicht ungewöhnlich, dass Archivare offen mit den Regalen und Büchern sprachen.

Was sie einem am ersten Tag nicht beibrachten, war, dass die Regale manchmal zurücksprachen. Wenn man in die Dunkelheit ging und wartete und lauschte, war Flüstern zu hören. Flüstern, so schwach, dass es für das Ohr unverständlich ist, aber es gab andere Möglichkeiten, seine Bedeutung zu entziffern.

Sie setzte sich hin, um zu meditieren. Ihre Brille ermöglichte es ihr, die Texte notfalls auch bei schwachem Licht zu lesen, und es war nie kalt, so dass sie sich zum ersten Mal seit Tagen fast wohl fühlte. Sie sprach in die Dunkelheit. Ihre Stimme war zögernd; fast ein Flüstern.

"Ich weiß nicht, was ich tun soll."

Sie spürte, wie eine Welle von Emotionen sie überkam. Es war schmerzhaft, das zuzugeben.

"Bin ich … die Letzte, die noch übrig ist? Bin ich allein?"

Lange Zeit herrschte Stille. Sie saß geduldig da und kämpfte gegen den Drang, herumzuzappeln, wissend, dass ihr keine andere Wahl blieb.

Sie war fast eingenickt, als sie das Geräusch des Windes hörte. Im Wind die Andeutungen einer Stimme. Sie war langsam und beruhigend und mütterlich. Sie konnte hören, was fast wie Worte klang, aber entweder zu leise für ihre Ohren oder in keiner Sprache, die sie entziffern konnte.

Sie öffnete ihr Buch und schlug die letzte Seite auf. Die letzten paar Zeilen zeichneten ein krasses Bild ihres gegenwärtigen Geisteszustands. Sie ignorierte es und konzentrierte sich auf die Zeile, auf die es ankam.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Du bist die Letzte. Du bist fast allein."

"Was soll ich tun? Wie kann ich das rückgängig machen?"

Ein weiteres Flüstern im Wind.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Es kann nicht rückgängig gemacht werden. Es kann nicht rückgängig gemacht werden."

"Kann ich nicht die Person finden, die das alles angefangen hat, und versuchen, es rückgängig zu machen?"

Es gab eine lange Wartezeit. Minuten, dann Stunden.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Das Gewicht der Geschichte ist schwer. Es ist zu spät. Zu viele Konsequenzen sind gefallen. Die Toten sind in den Tod gegangen."

"Kann ich mehr Leute erstellen?"

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Du bist eine Frau."

Dann ein Ja. Aber …

"Kann sich das Leben davon erholen?"

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Nicht in seiner früheren Größe. Außerdem sind diejenigen, die ihr eingesperrt gehalten habt, es nicht mehr."

Sie fühlte Verzweiflung fallen. Es war vorbei. Sie hatten es geschafft. Die Welt war unter ihrer Wache untergegangen, und es war nicht einmal ein Monster oder ein Fluch oder ein wütender Gott, nur die Monstrosität der Menschheit. Und das auf eine Weise, die nicht rückgängig gemacht werden konnte. Keine noch so große Wissenschaft oder Magie könnte die verheerende Menge an Strahlung entfernen, die jetzt die Atmosphäre und den Boden durchdrang. Auch könnte ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Überlebenden es unmöglich schaffen, das Übel, das jetzt über den verwüsteten Globus wanderte, wieder einzudämmen.

Es konnte nicht repariert werden …

"Könnte es ungeschehen gemacht werden?"

Da war nur Stille, und sie antwortete nicht.


Am nächsten Tag kehrte sie in ihr Zimmer zurück und schlief. Und wachte auf und las und schlief. Wieder und wieder.

Ihre Rationen begannen zu schwinden. Ohne Kundschafter hätte sie die Zeit vergessen. Er kümmerte sich so gut er konnte um ihre Bedürfnisse, aber die Feinheiten menschlicher Verzweiflung gingen ihm verloren.

Und dann, nach sieben Tagen, ein Flüstern. Silberregen öffnete schnell ihr Buch.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Ja. Es gibt eine Möglichkeit, die Geschichte rückgängig zu machen."

"Wie? An was hast du gedacht?"

Die Stimme im Wind war nur ein Seufzen.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Das Undenkbare."

Sie verstand. Kaum. Es widersprach allem, was sie jemals gelernt hatte und allem, was sie jemals wertgeschätzt hatte. Es war Ketzerei, schlicht und einfach. Aber das Objekt ihrer Hingabe sagte ihr genau das …

"Ich müsste … die Geschichte brechen? Wie groß wäre das retrokausale Ereignis, das wir brauchen würden?"

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Der einzige Weg, die Welt vor dem Versagen Ihrer Spezies zu retten, besteht darin, alle Spuren von ihr zu löschen."

Sie wollte "Ich kann nicht" sagen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Hier gab es keine Wahl. Sie könnte, und sie würde es tun.

"Was wirst du ohne uns tun?"

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Fange neu an. Schreibe eine bessere Zukunft."

Das würde reichen. Sie konnte darauf vertrauen, dass das Ewige Archiv die Antwort wusste, selbst wenn sie sie nicht kannte.

"Kundschafter."

[Ja, Hauptarchivarin?]

"Bring mir den Treibstoff vom Generator. Alles."

[Hauptarchivarin, was haben Sie vor?]

"Was notwendig ist, Kundschafter. Sicherheitsüberbrückung. Schließe alle Ethik- und Persönlichkeitsprotokolle. Autorisierung Camper-Actor-Stand-Richter-9091."

Kundschafter richtete sich etwas aufrechter auf und die üblichen Kadenzen seiner Stimme wurden zu etwas Monotonem gedämpft.

[Wie Sie wünschen, Hauptarchivarin.] Er ging weg und fing an, die Treibstoffreserven zu sammeln.

"Es tut mir leid, Kundschafter. Aber das wird dir nicht gefallen."


Sie schüttete den Treibstoff über die Regale und ließ ihn in Reihen durch die Korridore laufen. Sie überschüttete gründlich das erste und älteste Regal. Die meisten Bücher hier waren namenlos. Einige trugen Titel, Zeugnisse einer vorbildlichen Persönlichkeit. Sie strich liebevoll mit ihren Händen über die alten Regale.

Sie nahm ein Stück Holz von ihrem Bett, zersplitterte es und tauchte es in Benzin. Sie befahl Kundschafter, seinen Arm zu demontieren und damit einen Funken zu erzeugen. Mit der brennenden Fackel in der einen und ihrem aufgeschlagenen Buch in der anderen Hand trat sie zwischen die Regale.

"Ich wünschte, es gäbe einen besseren Weg als diesen. Ich wünschte, wir hätten es besser gemacht."

Ein Flüstern, diesmal fast vertraut.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Ich weiß. Aber du weißt es besser, als nur zu wünschen."

"Wird es wehtun?"

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Kurz. Es wird nicht lange dauern."

"Ich meinte für dich."

Es gab eine kurze, aber merkliche Pause.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Ja. Ja, das wird es."

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Danke, Wächterin, für deine Fürsorge und deine Hingabe und deine Sorge. Ich werde nur noch einen letzten Dienst von dir verlangen."

Tränen füllten ihre Augen. Sie musste jetzt stark sein. "Wir… wirst du dich an uns erinnern?"

Es gab eine Pause, dann war das letzte Flüstern im Wind zu hören. Es war kaum hörbar, und es war nichts als liebevoll.

In der Dunkelheit hörte sie eine Stimme sprechen: "Nein. Aber ich werde mich an dich erinnern."

Sie legte ihr Buch auf die benzingetränkten Regale und berührte es mit der Flamme. Da war ein Hitze- und Lichtausbruch, dann ein Schmerzausbruch, und dann … nichts.

Das Ende von Homo nobilis dauerte nur wenige Sekunden und viele lange Jahrtausende, und als die Geschichte aufhörte, vor Schmerz zu schreien, hatten sie niemals existiert.


Ein Anfang

Am Horizont war Rauch. Viel Rauch.

Rauch bedeutete Feuer. Feuer bedeutete Wärme und Sicherheit.

Die Frau kletterte vorsichtig auf die Spitze des Hügels und sammelte dabei Schilf und Gräser ein. Klein und stämmig, war sie dennoch eine ausgezeichnete Kundschafterin. Außerdem waren die meisten Männer kürzlich auf einem Jagdausflug nach einem Zusammenstoß mit einem anderen Stamm gestorben, und ihr Stamm war gezwungen, umzuziehen, um zu überleben, und hatte viele seiner Werkzeuge und das Lagerfeuer zurückgelassen.

Sie wickelte den dicken Grasbüschel um einen dicken Ast und band ihn mit Schilf fest. Obwohl die Fackel primitiv war, würde sie dazu dienen, das Feuer zum Rest des Stammes zurückzubringen, wo es gepflegt und aufbewahrt werden konnte.

Von ihrem Aussichtspunkt aus konnte sie weit unter sich das Wasser des Meeres und die Quelle des Rauchs sehen. Er schien aus einer Höhle hoch über dem Meer zu stammen. Die zuvor dicken Wolken zerfielen zu einem kleinen Rinnsal aus Rauch. Sie überlegte ihre Optionen. Sie brauchten Feuer, und sie musste sich vielleicht schnell bewegen, um es zu bekommen, aber wenn es sich um einen anderen Stamm handelte, könnte sie in ernsthafter Gefahr sein.

Die Notwendigkeit, für ihre Familie zu sorgen, setzte ihre anderen Instinkte außer Kraft. Sie konnte weder dort unten noch sonst wo Anzeichen eines anderen Stammes erkennen. Sie nahm ihren Speer in eine Hand, eine provisorische Fackel in die andere und machte sich auf den Weg den Hügel hinunter.

Die Höhle war tiefer, als sie zuerst gedacht hatte. Sie hatte halb erwartet, dass ein Haufen brennendes Holz am Eingang der Höhle liegen würde. Stattdessen kräuselte sich der Rauch tief im Inneren. Sie stieß weiter hinein und duckte sich tief, um den Rauch nicht einzuatmen. Sie ging vorsichtig und lautlos durch einen schmalen Durchgang und trat in eine große Kammer.

Sie war riesig, so riesig, dass sie die gegenüberliegenden Wände nicht sehen konnte, und es fühlte sich falsch an. Nichts Besonderes fiel auf, aber sie fühlte sich unwohl. Wenn sie es artikulieren könnte, würde sie es als einen Raum voller Schmerz beschreiben. Sie konnte nur Rauch um sich herum sehen. Der ganze Ort schien zu schwelen und eine dicke Ascheschicht bedeckte den Boden. Hier und da konnte sie dünne Fragmente eines weißen Materials mit schwarzen Flecken darauf sehen. Es schien gut zu brennen, also benutzte sie es schnell, um ihre Fackel anzuzünden. Die Flamme brauchte ein wenig guten Zuspruch und Sorgfalt, erwachte aber bald zum Leben.

Neben ihr rumorte es. Eine Steinsäule erhob sich aus dem Boden und fegte Ascheschichten beiseite. Sie wich instinktiv vor Angst zurück und schwang ihren Speer. Die Säule hörte auf zu steigen, sobald sie etwas höher als sie war, und der Raum war wieder still. Die Schmerzgefühle schienen nachgelassen zu haben, ersetzt durch … Fürsorge? Trost?

Sie näherte sich ihr vorsichtig. Überall auf der Säule waren Markierungen.

Sie beugte sich näher vor, um klarer sehen zu können, und hielt die Fackel hoch. Ein Gedanke kam auf. Nicht Markierungen. Bilder. Sie konnte die Umrisse von Gestalten ihrer Art sehen, die aufrecht standen. Sie konnte Bilder von ihnen sehen, die sich versammelt hatten und verschiedene Dinge taten. Sie sah Bilder eines Babys in der Nähe des Fußes einer Säule und die eines Erwachsenen, als sie es vom Boden aus betrachtete. Sie hatte irgendwie verstanden, dass viele dieser Bilder dieselbe Gestalt hatten.

In einem Winkel ihres Blickfelds war eine flackernde Bewegung zu sehen. Nahe der Spitze der Säule war ein neues Bild aufgetaucht.

Ein Bild einer Gestalt, die eine Fackel vor einer Steinsäule hielt und vor Vorsicht und Neugier kauerte. Daneben war der Umriss eines Handabdrucks. Sie hob ihre Hand, um ihre darauf zu legen und fand, dass sie perfekt passte.

Sprache war nichts, was sie erlebt hatte, auch nicht viel kognitives Denken, sondern eine Idee, die so klar wie der blaue Himmel in ihren Kopf kam. Das bin ich.

Ein Funke der Inspiration traf sie. Sie griff nach unten in die Asche, bedeckte ihren Finger damit und begann zu zeichnen. Grob, mit ununterscheidbaren Strichmännchen auf kindliche Art und Weise. Aber der Sinn dahinter war klar. Sie zeichnete Gestalten in einem Kreis und Essen um sie herum und andere Gestalten, die vor ihnen flohen.

Zufrieden, dass ihr Werk vollbracht war, verließ die Feuerbringerin die Höhle und ging in eine bessere Zukunft.

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