Quinnie sah zu, wie das Wasser durch den Abfluss der kleinen Badewanne verschwand, bevor sie sich hochhievte.
Während sie den Bademantel schloss, versuchte sie in den beschlagenen Spiegeln über dem Lavabo zu überprüfen, wie sie aussah. Ohne Erfolg.
Der Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsunterschied schwappte ihr als eine kalte Luftwand entgegen, als sie die Badezimmertür öffnete.
Sie schaute kurz in das Wohnzimmer, wo ihr Mitbewohner Xeno entspannt Wäsche bügelte.
Er hob kurz den Kopf und wollte scheinbar etwas sagen, bevor Quinnie ihn unterbrach:
„Sehe ich anders aus?“
Er runzelte seine aufgemalten Brauen, doch antwortete: „Nein. Sollte?“
„Gut, ich konnte gerade nicht in den Spiegel nachprüfen.“, und damit verschwand sie in ihrem Schlafzimmer.
Xeno zuckte mit den Schultern und fuhr fort Stoff zu glätten.
Als die drei Wäschekörbe geleert waren und daneben fünf Stapel, machte sich Xeno daran die Kleider zu versorgen. Dafür müsste er aber vorher an Quinnies Zimmertür klopfen.
„Warte.“, kam es aus dem Raum, „Tritt zur Seite.“
Quinnie öffnete schwungvoll die Tür und warf sich in Pose. „Wie sehe ich aus?“
Xeno begutachtete die Frau bevor er kommentierte: „Das ist wenig Stoff.“
Sein Gegenüber japste, stotterte und zwinkerte nervös. „Aber das ist … ist so Mode!“, verteidigte sie sich, was ihr einen skeptischen Blick erntete.
„Ein ärmelloser Rollkragenpullover, mit einem Loch fürs Dekolleté und Bauchfrei? Das macht für mich keinen Sinn. Frierst du nicht darin?“
Verärgert schmollend stapfte Quinnie in ihr Zimmer, sanft(?) die Tür zuknallend, um nach sechs Minuten wieder herauszukommen.
„Jetzt hast du einfach deinen ganzkörper Übermantel an.“
Das Geräusch eines Reißverschlusses später und Quinnie streckte den Rücken durch.
„Das ändert nichts daran, dass du immer noch deinen lehm- und farbverschmierten Übermantel anhast.“
„Was soll ich sonst anziehen, Herr Lagerfeld?“
Xeno legte die knöchern wirkende Holzhand an sein Kinn und war kurz still. „Für was putzt du dich überhaupt raus? Gehst du zu einer Verabredung?“
Quinnie sah ihn neckisch an. „Bist du eifersüchtig?“
„Nein“, kam es ohne zu zögern.
Quinnie bebte verärgert, seufzte aber resigniert. Xeno verdrehte unauffällig die Glasaugen und strich aufmunternd über ihren Rücken. „Lass mich mal sehen, was ich für dich raussuchen kann.“
„Du siehst fantastisch aus!“, meinte Der Barde mit seiner zuckersüßen Stimme.
„Oh, danke.“ Quinnie schielte zu Xeno, der so tat, als würde er nicht mit einem Ohr lauschen, während er sich im Café/Laden umsehend. Als er dann doch hinter einem Regal verschwunden war, beugte sich Der Barde vor: „Meine Liebe, ich möchte dich nochmals fragen: Du bist dir absolut, ohne eine Spur von Zweifel, sicher, dass du nicht Die Bildhauerin werden möchtest?“
Quinnie seufzte sehr genervt. „Ja, bin ich. Mein letztes Werk war «Frau (36) isst ein Butterbrot».“
„Es war doch übernatürlich.“
„Ja, aber es brachte die Leute nur dazu … Ich weiß es nicht mehr. Schau, ich bin nicht wirklich der Typ Frau, die in eine Aowsie-Zelle passt.“
„Was ist den Aowsie? Oh, du meinst ‚A-W-C-Y‘? Wir benutzen den deutschen Namen, sonst denken die Leute, wir hätten etwas mit diesen geschmacklosen Terroristen zu tun.“
Quinnie seufzte und hakte dann nach: „Warum habt ihr überhaupt mich gewählt?“
„Einfach: Wir kennen dein Portfolio und du bist mit mindestens zwei von uns befreundet.“
„Sagen wir, ich würde theoretisch mitmachen, was soll ich denn nach einer so langen Zeit als die Bildhauerin–“
„Die Bildhauerin.“, korrigierte ihr Gegenüber sie.
Quinnie hob eine Braue. „–als Die Bildhauerin bildhauen?“
Der Barde sah zu Xeno, der in ein Gespräch mit zwei Mitgliedern des Cafés/Ladens vertieft war. Der eine trug einen Anzug und bei genauerer Betrachtung eine sehr filigrane Maske, wäre die anderen ein schlichtes Gilet mit dazu passenden Hemd und Hosen in Beige- und Orangetönen.
Quinnie lief rot an. „Dies war … Ich fühlte mich einsam …“, kam es stotternd.
Ihr Gegenüber lächelte verschmitzt. „Das wäre zum Beispiel etwas.“
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